In den USA findet gerade ein Militärputsch in Zeitlupe statt - Von Stephen Kinzer 08.10.2017 23:28
Nach Meinung des US-Autors werden die USA eigentlich
von
einer Militärjunta regiert. Und in einer Demokratie sollte es niemand
hinnehmen, wenn das gewählte Staatsoberhaupt schrittweise von Generälen
entmachtet wird. Bisher hat man geglaubt, in den USA könnte das niemals
geschehen. Aber genau das vollzieht sich gerade. Zu den prägendsten politischen
Gruppierungen des 20. Jahrhunderts gehören Militärjunten. Sie bestehen meistens
aus drei grimmig blickenden Offizieren, die putschen, um die Kontrolle
über einen Staat zu übernehmen. Junten dulden auch zivile Einrichtungen, aber nur
solange sie sich ihnen unterwerfen, denn am Ende setzten sie immer ihren
eigenen Willen durch. Noch vor wenigen Jahrzehnten wurden wichtige Länder wie
Chile, Argentinien, die Türkei und Griechenland von Junten regiert.
In
unseren Tagen herrschen vielerorts wieder Junten, neuerdings auch in
Washington. Drei Generäle haben sich die Macht angeeignet, um die Außen- und Sicherheitspolitik der USA zu bestimmen:
General James Mattis, der US-Verteidigungsminister; General John Kelly, der
Stabschef des Präsidenten; und General
H. R. McMaster, Trumps Nationaler Sicherheitsberater. Sie legen weder ihre
Ordensspangen an, um Militärparaden abzunehmen, und sie schicken auch keine
Todesschwadronen aus, um Gegner umbringen zu lassen, was Junten normalerweise
tun. Aber mit ihrer Art der Machtergreifung haben sie klammheimlich eine ganz
neue Stufe der Erosion der politischen Normen der USA und der Militarisierung
der US-Außenpolitik erklommen. Und jetzt fallen die Schleier.
In
Anbetracht der Unerfahrenheit des Präsidenten in politischen Angelegenheiten
halten manche eine Militärjunta in Washington für eine Verbesserung. Immerhin
sind die drei Generäle gestandene Männer, die weltweit Erfahrungen gesammelt
haben. Ganz anders als Trump und die seltsamen politischen Ratgeber, mit denen
er ins Weiße Haus eingezogen ist. Sie haben auch schon stabilisierend gewirkt.
Mattis hat sich geweigert, Nordkorea zu bombardieren, Kelly hat unter dem
Personal das Weißen Hauses aufgeräumt und McMaster hat sich scharf von Trumps
Lob für die gewalttätigen weißen Nationalisten von Charlottesville distanziert.
Die
Herrschaft der Generäle scheint besser
als die Trumps zu sein, sie ist es aber
nicht. Militärs sind wie wir alle von ihrer Vergangenheit und ihrem bisherigen
Umfeld geprägt. Die drei Junta-Offiziere, die Trump kontrollieren, haben
insgesamt 119 Jahre Militärdienst geleistet. Sie sehen die Welt natürlich aus der
militärischen Perspektive und neigen deshalb auch zu militärischen Problemlösungen. Weil sie andere Prioritäten
setzen, haben militärische Bedürfnisse immer Vorrang vor eigentlich wichtigeren
zivilen Erfordernissen. Trump hat bereits erklärt, daß er außenpolitische
Entscheidungen ›seinen Generälen‹ überlassen wolle. James Mattis, der starke Mann der Junta, war
vorher Kommandeur des CENTCOM, des ›United States Central Command‹ [1], und damit für die US-Kriege im Mittleren
Osten und in Zentralasien zuständig. Auch Kelly ist Irak-Veteran und McMaster
war, seit er im Golfkrieg 1991 eine Panzerkompanie geführt hat, fast ohne
Unterbrechung Truppenkommandeur im Irak und in Afghanistan.
Nun
haben Militärkommandeure zwar gelernt, wie Kriege geführt werden; sie können
aber nicht darüber entscheiden, ob Kämpfe aus strategischen Gründen sinnvoll
sind. Sie können Trump sagen, wie viele Truppen notwendig sind, um die in
Afghanistan erreichten Positionen zu halten, sie können aber nicht darüber
befinden, was der längerfristigen Durchsetzung der US-Interessen in Afghanistan
am besten dient. Das ist eigentlich der Job von Diplomaten. Anders als
Soldaten, die gelernt haben, wie man Menschen umbringt und Sachen zerstört,
werden Diplomaten dafür ausgebildet, Konflikte auf dem Verhandlungsweg zu lösen
und US-Interessen mit kühlem Kopf politisch durchzusetzen. Mattis ist zwar vor
der Bombardierung Nordkoreas zurückgeschreckt, aber alle drei Mitglieder der
Junta bevorzugen genau diese Art von Konfrontation, die zu den Kriegen in
Afghanistan, im Irak und anderswo geführt hat, und die Spannungen in Europa und
Ostasien wachsen läßt.
Die
Junta in den USA unterscheidet sich deutlich von klassischen Junten wie dem ›National Council for Peace and Order‹, der über Thailand herrscht; sie
verfolgt in erster Linie außenpolitische und kaum innenpolitischen Ziele.
Zweitens hat sie die Macht nicht mit einem Putsch an sich gerissen, sie hat
sich die Macht von einem gewählten Präsidenten übertragen lassen. Am
wichtigsten ist aber, daß ihr Hauptziel nicht die Errichtung einer neuen
Ordnung, sondern die Aufrechterhaltung der bestehenden Ordnung ist.
Als
Präsident Trump letzten Monat entscheiden mußte, ob der US-Krieg in Afghanistan
fortgesetzt werden soll, vollzog er eine Kehrtwende. Vor vier Jahren hatte er
noch getwittert: »Laßt uns aus Afghanistan abziehen«.
[2]
Hätte er das wahrgemacht und die US-Truppen nach Hause geholt, wäre die
politische und militärische Elite in Washington fassungslos gewesen; deshalb
trat die Junta in Aktion. Sie überzeugte Trump vom Gegenteil. Statt eines ›schnellen Rückzugs‹ aus Afghanistan kündigte er eine Truppenverstärkung an, damit ›mehr Terroristen getötet‹ werden können. Es ist keine große
Überraschung, daß Trump in den Mainstream der US-Außenpolitik eingeschwenkt
ist; das hat auch schon Präsident Obama zu Beginn seiner Präsidentschaft getan.
Bedrohlich ist nur, daß Trump den Generälen einen Großteil seiner Macht
übertragen hat.
Am
schlimmsten ist, daß viele US-Bürger das auch noch beruhigend finden. Sie sind
von der Korruptheit und Kurzsichtigkeit unserer politischen Klasse so
angewidert, daß sie Soldaten als Alternative ansehen. Und das ist eine
gefährliche Versuchung.
Der
Autor lehrt am Watson Institut für International and Public Affairs der Brown
University.
[1] Siehe http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=1427 7.
2. 2010 Auf dem Weg in eine unipolare
Welt? - Von Wolfgang Effenberger
resp. http://www.politonline.ch/?content=news&newsid=1557 27. 6. 10 Bush-Krieger Petraeus soll es
richten
[2] https://twitter.com/realDonaldTrump/status/28980779017895936
http://www.luftpost-kl.de/luftpost-archiv/LP_16/LP16217_061017.pdf Friedenspolitische Mitteilungen
aus der US-Militärregion Kaiserslautern/Ramstein
- LP 16217 vom 6. 10.17
Original auf http://www.informationclearinghouse.info/47836.htm vom 18. 9. 17 merica’s Slow-motion Military Coup - By
Stephen Kinzer
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