WTO-Ministerkonferenz: Kein Ausverkauf der heimischen Landwirtschaft

Diesen Dezember wird in Buenos Aires die 11. WTO-Ministerkonferenz

stattfinden. Im Fokus werden zum wiederholten Mal Zugeständnisse der Landwirtschaft stehen. Vorteile für die übrige Wirtschaft werden keine erwartet. Vom Bundesrat erhält die Schweizer Verhandlungsdelegation dazu einen Freipass. Die SVP ist deshalb alarmiert, dass die Interessen der Schweizer Landwirtschaft und der Ernährungssicherheit zu wenig berücksichtigt werden könnten und verlangt vom Bundesrat eine Anpassung des Verhandlungsmandats. Die Aussenpolitische Kommission des Nationalrats (APK-N) hat soeben über das Verhandlungsmandat des Bundesrates für die 11. WTO-Ministerkonferenz diskutiert. Ein zentrales Traktandum wird dabei auch die Landwirtschaft einnehmen. Konkret geht es unter anderem darum, dass die Möglichkeiten, die Landwirtschaft zu subventionieren, massiv eingeschränkt werden. Eine heimische produzierende Landwirtschaft und ein entsprechendes Einkommen für die Bäuerinnen und Bauern würden dadurch praktisch verunmöglicht. In seinem Verhandlungsmandat spricht der Bundesrat der Schweizer Delegation praktisch unbeschränkte Kompetenzen zu. So soll die Verhandlungsdelegation die Kompetenz erhalten, einem Arbeitsprogramm bis zur nächsten internen Reform zustimmen zu können. Das würde sowohl massive Reduktionen von Massnahmen der Amber Box als auch eine Senkung des Grenzschutzes bedeuten. Die Ausgestaltung des Arbeitsprogramms und der Fristen wären vollständig in der Hand der Verhandlungsdelegation. Zu erwarten ist jedoch, dass der Bundesrat nach der Unterzeichnung des Protokolls für die Ratifizierung innenpolitisch unter starken Druck geraten würde.

Die SVP und ihre Vertreter in der APK haben erreicht, dass das Verhandlungsmandat in Bezug auf die Landwirtschaft an der nächsten Sitzung noch einmal diskutiert wird und verlangen vom Bundesrat, dass er transparent und eindeutig die roten Linien kommuniziert, die die Schweizer Delegation an der Ministerkonferenz nicht überschreiten darf. Besondere Berücksichtigung ist dabei dem in der jüngsten Abstimmung von Volk und Ständen angenommenen Verfassungsartikel zur Ernährungssicherheit zu schenken. Die SVP lehnt alle internationalen Verpflichtungen ab, die die Grundlagen für unsere heimische landwirtschaftliche Produktion gefährden, die nationale Stellung der Schweizer Bauern schwächen und eine standortangepasste Lebensmittelproduktion verunmöglichen. Die SVP verlangt vom Bundesrat ein klares Bekenntnis zur produzierenden heimischen Landwirtschaft. Notfalls hat er die Verhandlungen abzubrechen.

Leuthardscher Todesstoss gegen die Landwirtschaft
Anlässlich ihrer Rede an der OLMA am 12. 10. hatte Bundespräsidentin Doris Leuthard von der Schweizer Landwirtschaft mehr Biodiversität, eine Anpassung an den Klimawandel und dann auch gleichzeitig eine Anpassung an die internationale Marktfähigkeit mittels Abbau des Grenzschutzes verlangt. Im Klartext bedeutet das den Todesstoss für die Schweizer Landwirtschaft. Etwas mehr Blumen, von Landschaftsgärtnern in der Schweiz gepflegt, dafür keine  produzierenden Betriebe mehr, sondern Massenimporte von Getreide, Gemüse oder vor allem von Fleisch  - unter anderem aus Argentinien -  ein Land, das Frau Leuthard neben Peru in ihrem Referat als beispielhaft hervorhebt. Und das soll ökologisch sein? Der geneigte Zuhörer kann es nicht fassen. Wie widersprüchlich darf eine Bundespräsidentin dahinplaudern? Dies vor allem drei Wochen nach einer überaus klaren Annahme eines neuen Verfassungsartikels durch das Volk, der die Ernährungssicherung zum Hauptzweck hat.

Die OLMA-Eröffnung fand wie jedes Jahr im gewohnten Rahmen mit einer Ansprache einer Vertretung der Landesregierung statt, dieses Jahr von Bundespräsidentin Leuthard. Mit ihrer Ansprache hat Frau Leuthard die Feststimmung des 75. Jahrjubiläums der OLMA arg getrübt. Die von Leuthard aufgeführten Ansprüche an die Landwirtschaft – mehr Biodiversität, Anpassung an den Klimawandel und Anpassung an das internationale Marktumfeld – sind schlichtweg nicht gleichzeitig erfüllbar. Höhere Ansprüche an die Ökologie erhöhen die Produktionskosten, während der Abbau des Grenzschutzes die Erlöse einbrechen lässt. Die Schweizer Höfe würden verschwinden: Mit Ausnahme industrieller Betriebe im Mittellandgürtel und vielleicht einiger Biobetriebe mit Spezialitäten im Berggebiet. In ihrem Referat zieht Frau Leuthard auch unverhohlen heran, was zum Beispiel in Argentinien und in Peru betreffend Landwirtschaft geschieht. Es liegt aber auf der Hand, dass die dortigen Verhältnisse nicht ganz mit der Schweiz vergleichbar sind. Dass sie dann die Aufhebung der Milchkontingentierung als Tüpfelchen aufs ›i‹ als Erfolg verkaufen will, muss für die betroffenen Milchproduzenten, die seither ihre Milch weit unter den Gestehungskosten verkaufen müssen, wie blanker Hohn tönen. Die Ansage der Bundespräsidentin ist umso skandalöser, als sie drei Wochen nachdem 80 % der Schweizer Bevölkerung die Ernährungssicherung mit in die Verfassung festgeschrieben hat, erfolgt. Dieses Resultat verlangt eine Sicherung und nicht eine Gefährdung der heimischen Produktion, von der mehrfachen Ablehnung des Agrarfreihandels durch das Parlament gar nicht zu reden. Offenbar gilt für die Bundespräsidentin in diesem Fall: Was interessieren mich Volk und Parlament, ich bin die Präsidentin.

Die Aussagen der Bundespräsidentin müssen die ganze Landwirtschaft in Alarmstimmung und Opposition bringen, wenn wir unsere intakte Lebensgrundlage erhalten wollen, von der auch der Tourismus lebt. Hier ist der ganze ländliche Raum gefordert, insbesondere auch der Schweizerische Bauernverband, der noch vor drei Wochen auf einen Sieg anstossen konnte. Wenn er nicht unmissverständlich und rasch reagiert, wird das zu einem Pyrrhussieg.

So erklärte auch der Sekretär von Uniterre, Rudi Berli, Ende September: »Der gesunde Menschenverstand sagt uns, dass unsere Nahrung aus einer bäuerlichen Landwirtschaft kommen muss, welche regional produziert, was regional produziert werden kann. Das ist die Grundlage der Ernährungssicherheit und -souveränität, und dies ist auch die Empfehlung des Weltagrarberichts.«

Die SVP wird daher weiterhin für eine produzierende heimische Landwirtschaft kämpfen.  

Prof. Karl Albrecht Schachtschneider hat die WTO in seiner Analyse  Das Welthandelsrecht als rechtsfreier Raum für die Wirtschaft  als einen Staat ohne Legitimation bezeichnet. Hinzu kommt  - legt er dar -  die grenzenlose Kapitalverkehrsfreiheit, welche seit 1994 gilt. Sie ermöglicht im Verbund mit den Verträgen der Welthandelsordnung den rücksichtslosen Standortwechsel der Unternehmen in Billiglohnregionen und damit den Verlust von Arbeitsplätzen und des erwirtschafteten Kapitals, das woanders investiert wird.

Die Vereinigten Staaten bestimmen in der WTO die Spielregeln, fordern weltweit den Abbau aller Zollschranken und Handelshemmnisse, um den eigenen Multis den Zugriff auf alle Volkswirtschaften zu ermöglichen, während Washington nach eigenem Bedarf Strafzölle auf Importe verhängt. Sie zwingen andere Länder, die US-Exporte von gentechnisch veränderten Nahrungsmitteln und Hormonfleisch zu kaufen und nehmen für sich Rechte in Anspruch, für die sie andere Staaten militärisch angreifen würden. Wenn US-Wirtschaftsinteressen auf dem Spiel stehen, wird militärisch interveniert und man erwartet dabei die Gefolgschaft der Staatengemeinschaft im Krieg gegen den Terrorismus, und wer da nicht mitmacht, wird leicht selbst zum Ziel amerikanischer Anschuldigungen.   [1]

 

[1]  Inter Info Linz  Folge 286  September 2002