Attentate und Beteiligte 15.07.2018 19:59
Im Nachtrag zu unseren zuletzt veröffentlichten Artikeln
zu dem Anschlag auf den
Berliner Weihnachtsmarkt sowie zum Tod von Aldo Moro [1] publizieren wir
einen Artikel aus der ›Weltwoche‹. Dessen Erscheinen liegt zwar schon länger zurück,
indessen vermittelt das darin mit dem Ex-Terroristen Peter-Jürgen Boock geführte
Interview einen nicht unwesentlichen Einblick in die Welt der sich
fortsetzenden Anschläge. Mitte der siebziger Jahre hatte sich der gelernte
Werkzeugmacher der Roten-Armee-Fraktion (RAF) angeschlossen. Boock galt als
technischer Kopf der RAF, er präparierte Autos und bastelte Raketenwerfer. Im
Südjemen wurde er für Terroranschläge und Flugzeugentführungen trainiert; er war
an mehreren Aktionen der RAF beteiligt, unter anderem an der Ermordung des Chefs
der Dresdner-Bank, Jürgen Ponto, und des Arbeitgeberpräsidenten Hanns-Martin
Schleyer und dessen vier Begleitern.
Am 19. November 1979 hatte
Brook mit drei Gesinnungsgenossen eine Filiale der Schweizer Volksbank in
Zürich überfallen. Bei der anschliessenden Flucht durch das ShopVille im
Hauptbahnhof starb eine Passantin, drei Menschen wurden teilweise schwer
verletzt. Die Aktion war für den 29Jährigen der Auslöser, um sich von der RAF
und ihrer Ideologie loszusagen. Im Januar 1981 wurde er festgenommen und zu
lebenslanger Haft verurteilt; 1998 wurde er aus dem Gefängnis entlassen und
betätigt sich seither als Autor.
Zur RAF hatten die Autoren
Gerhard Wisnewski, Wolfgang Landgraeber und Ekkehard Sieker das Buch ›Das RAF-Phantom –
Wozu Politik und Wissenschaft Terroristen brauchen‹ im Dezember 1992 herausgegeben.
In diesem zeigen sie die Anschläge auf, die die Justiz der RAF zuschrieb, die
indessen mitnichten von dieser ausgeführt worden waren.
Herr Boock, Sie waren der
technische Kopf der Roten-Armee-Fraktion. Nötigt Ihnen der Angriff auf das World
Trade Center Respekt ab?
Nein. Für so einen brutalen Akt an Wehrlosen ist wenig Reflexion, wenig
kritische Auseinandersetzung notwendig.
Haben Sie sich jemals
überlegt, einen Terroranschlag dieser Dimension durchzuführen? Nie. Es gab
viele Dinge, die wir angerichtet haben, aber so etwas überhaupt in Erwägung zu
ziehen, lag völlig ausserhalb unserer politischen Koordinaten.
Erschreckt es Sie, wie
wenig es braucht, um solche Massaker anzurichten? Ich war mir dessen immer
bewusst. Eine der wesentlichen Erfahrungen aus meiner Zeit als Terrorist ist,
dass Terroranschläge mit beinahe allen Mitteln und unter beinahe allen
Umständen möglich sind. Das Attentat ist, sobald man seiner Fantasie freien
Lauf lässt, die einfachste Form, anderen Leid zuzufügen.
Sie waren an der
Entführung von Arbeitgeberpräsident Hanns-Martin Schleyer 1977 beteiligt. Wie
beurteilen Sie den logistischen Aufwand dieser Operation im Vergleich mit den
jüngsten Terrorakten? Das lässt sich kaum
vergleichen. Bei einer herkömmlichen Entführung muss man den Entführten für
eine lange, nicht vorhersehbare Zeit unterbringen können. Die Kommunikation und
vieles mehr müssen gewährleistet sein. Die Attentäter in Amerika haben über
Kontinente hinweg und sehr flexibel agiert.
Was ging in Ihnen bei
einem Terroranschlag vor? Hatten Sie Angst, weil in jedem Moment etwas schief
gehen kann? Genau das darf nicht
geschehen. Wenn man ständig unter dem Druck lebt, gleich könnte es vorbei sein,
hält man ein, zwei, vielleicht drei Tage durch. Aber dann ist man seelisch und
nervlich am Ende. Man muss mit der Gewissheit in die Sache hineingehen, sie zu
Ende zu bringen.
Wie haben Sie sich auf
solche seelischen Extremzustände vorbereitet?
Da wächst man hinein. Man kann nicht einfach sagen: Ich mach’ das jetzt, ich
halt’ das schon aus. Dann geht es bestimmt schief. Man gewinnt Gewissheit durch
den Zusammenhalt in der Gruppe, durch gleiche politische Ziele, durch die Nähe
zu den Leuten, die man befreien will. Gerade Letzteres hat bei der RAF immer
eine grosse Rolle gespielt. Zusammen ergibt das die innere Rüstung, die man
braucht, um mit solchen Situationen zurechtzukommen.
Hatten Sie während einer
Terroraktion nie Momente des Zweifels? Man kann keinen Zweifel in
den eigenen Reihen dulden, weil man sofort die anderen Mitglieder der Gruppe
anstecken würde. Natürlich ist in jedem latent die Angst da, und es bedarf nur
eines Weckers. Um das zu vermeiden, wurden Zweifel unterbunden. Es war tabu,
darüber zu reden.
Was passierte, wenn sich
jemand nicht daran hielt?
Bei der Schleyer-Aktion gab es Willy-Peter Stoll. Er verkraftete die Entführung
nicht und setzte sich während der Aktion ab. Als er von der Polizei
aufgegriffen wurde, kam es zu einer Schiesserei, bei der er starb. Er hätte
diese Situation vermeiden können, aber er wählte bewusst diesen Weg. Letztlich
war es Selbstmord.
Hätten Sie einen
Abtrünnigen aus Sicherheitsgründen ausgeschaltet?
Wir hätten versucht, ihn zur Umkehr zu überzeugen. Aber wir hätten ihn nicht
getötet.
Was ist der schwierigste
Moment bei einer Terroraktion, beispielsweise bei einer Entführung?
Für mich war es immer der Beginn. Ich weiss, jetzt gehe ich auf diese Kreuzung
zu, es können gleich Schüsse fallen. In diesem Moment ist man bis in die letzte
Haarwurzel adrenalingeladen. Man kann dieses Gefühl kaum beschreiben, und wer
es nicht kennt, wird es kaum verstehen. Es gibt diese paradoxe
Bewusstseinserweiterung: Einerseits konzentriert man sich nur noch auf diesen einen
Moment. Andererseits nimmt man während der Aktion jedes Detail wahr.
Das klingt so, als ob man
sich in einen Rausch versetzt.
Ja, dieses Gefühl kann süchtig machen.
Wie schützt man sich als
Entführer davor, Sympathien für die Opfer zu entwickeln?
Davor kann man sich nicht schützen. Bei der Schleyer-Entführung mussten wir
Bewacher auswechseln, weil sie mit Herrn Schleyer zu vertraut wurden. Man kann
nur ein wachsames Auge haben und im Vorfeld Regularien einbauen.
Sie haben ein halbes Jahr
lang ein spezielles Training für Flugzeugentführungen absolviert. Was haben Sie
in dem Ausbildungslager gelernt?
Wir durchliefen unter anderem eine psychologische Schulung, in der uns
beigebracht wurde, eine grössere Menge von Menschen in einem Zustand
permanenter Unsicherheit und Abhängigkeit zu halten. Im Wesentlichen geht es
darum, die Geiseln emotional in der Schwebe zu halten: Man gibt nach, wenn sie
es am allerwenigsten erwarten, und bleibt hart, wenn sie auf Freundlichkeit
hoffen. Dieser Mix aus Terror und Zugeständnissen soll helfen, das
Stockholm-Syndrom zu vermeiden. Damit bezeichnet man die ungewollte Sympathie
zwischen Tätern und Opfern.
Die Ausbildung, von der
Sie sprachen, fand 1975 im Jemen statt. Wie man heute weiss, traf sich dort
eine Art Internationale des Terrorismus.
In dem Lager waren Deutsche, Holländer, Iren, Palästinenser, zwei aus Surinam,
und am Ende kam noch eine Gruppe von Volksmudschahedin aus dem Iran hinzu.
Diese blieben zu allen auf Distanz, auch zu den Palästinensern. Diese Gruppierung
war neu, und eine der Schwierigkeiten bestand darin, mit ihnen ein vernünftiges
militärisches Training durchzuführen. Mit ihren Wallawalla-Gewändern konnten
sie sich kaum bewegen. Wir mussten sie zuerst mal überreden, Sporthosen
anzuziehen.
Die Gotteskrieger waren
auch unter den islamischen Glaubensgenossen isoliert? Ja. Unter den Palästinensern, die einen
marxistisch-leninistischen Kurs verfolgten, kursierte gar der Witz: Welchen
Gräbern sind die wohl entstiegen? Die kommen ja aus dem Mittelalter.
Wurden Sie in dem Camp
ernstgenommen, oder hat man Sie als Wohlstandsbürger verlacht, der mal eben
ein bisschen Terrorist spielen will?
Im Gegenteil, wir galten dort als intellektuelle Elite. Man nannte uns die Made
im Hirn, während sich die andern als Stachel im Schwanz des Drachen
bezeichneten.
Wurden Sie auch geschult,
Selbstmord-Attentate durchzuführen?
Nein. Niemand, der dort ausgebildet wurde, wollte Selbstmord begehen, auch die
Palästinenser nicht. Wir wollten Ziele erreichen: Flugzeuge entführen, Gefangene
befreien, Geld beschaffen, Geiseln nehmen. Dass wir dabei unser Leben verlieren
könnten, wusste jeder. Aber es war nicht unsere Absicht.
Wer hat Sie auf
Flugzeugentführungen vorbereitet?
Das waren Militärs.
Hat man Ihnen beigebracht,
Geiseln zu erschiessen?
Bei allen bisherigen Flugzeugentführungen ging es vor allem darum, sich ohne
den Einsatz von Schusswaffen durchzusetzen, weil jeder unkontrollierte Schuss
eine Katastrophe auslösen kann. Deshalb war die körperliche Fitness wichtiger
Bestandteil der Ausbildung. Wir lernten aber auch, kompromisslos zu
intervenieren, falls die Piloten uns in die Irre führen wollten. Das heisst,
notfalls den Co-Piloten zu erschiessen, um den Kapitän willfährig zu machen.
Nimmt man, wenn man zum
Äussersten entschlossen ist, das Gesicht des Opfers noch wahr?
Ja, sicher.
Man sieht in die Augen des
Gegenübers und ist fähig, diese Grausamkeit zu begehen? Ja.
Können Sie uns erklären,
was einen Menschen zu solch einer Brutalität treibt?
Wenn man innerhalb einer Gruppe über Jahre im gleichen intellektuellen Saft
kocht und alle kritischen Fragen ausblendet, dann bekommt man deren Sicht wie
eine zweite Haut übergestülpt. Ich konnte die Fragen und Zweifel allerdings nie
völlig ausräumen. Auf Dauer summierten sie sich, und am Ende blieben nur noch
Fragen - und keine Antworten.
Kann man dann sagen: Ich
höre auf! Ich mache da nicht mehr mit?
Ich hatte schon lange darüber nachgedacht, und nach der Geschichte in Zürich,
bei der eine unbeteiligte Passantin getötet wurde, konnte ich nicht mehr
weitermachen. Sie war für mich der Auslöser, um mit der RAF und ihrer Ideologie
zu brechen. Ich wollte auch nicht mehr diskutieren. Alles war gesagt.
Für Sie und Ihre
Gesinnungsgenossen war Amerika, ähnlich wie bei den religiös motivierten Gotteskriegern
heute, ein Reich des Bösen. Wollten Sie niemals zum grossen Schlag ausholen?
Wir hatten uns mehrere Dinge überlegt, darunter Aktionen, die alles Bisherige
gesprengt hätten. Zum Beispiel die gleichzeitige Entführung von drei
amerikanischen Generälen in Heidelberg. Wir dachten auch darüber nach, alle
EG-Aussenminister während einer Konferenz in Brüssel als Geiseln zu nehmen.
Diese Überlegungen waren zum Teil sehr weit gediehen, wurden aber aus
verschiedensten Gründen nicht in die Tat umgesetzt.
Steht man als Terrorist
unter dem Zwang, mit immer brutaleren Aktionen immer mehr Aufsehen zu erregen?
Es gab auch innerhalb der deutschen Gruppen die Tendenz, sich gegenseitig
überbieten zu wollen. Allerdings nicht in dem Ausmass, wie dies nun bei den fundamentalistischen
Gruppierungen der Fall zu sein scheint. Zwischen diesen erschöpft sich die
Konkurrenz nicht nur darin, dass jede Gruppe ihre eigene Gottesgewissheit vor
sich herträgt und sie jeder anderen abspricht. Sie wollen auch sich selbst mit
spektakulären Operationen zu Märtyrern stilisieren.
Glauben Sie, dass die
Terroranschläge in Amerika ohne staatliche Unterstützung durchgeführt werden
konnten?
Das kann ich mir kaum vorstellen. Mit afghanischen Reitern aus der Wüste kann
man die Kommunikation nicht leisten, die für so ein komplexes Kommando
notwendig ist. Es musste also einen Staat geben, der den Aufbau einer
Kommunikationsstruktur geduldet hat. Bleibt die Frage, inwieweit er aktiv
involviert war und den Anschlag förderte.
Sie lebten fast drei Jahre
im Nahen Osten. Welchem Staat trauen Sie dies zu?
Da gibt es leider eine ganze Reihe: Afghanistan, Sudan, der Iran, der Irak. Ich
weiss es nicht.
Die Sicherheitsdienste
stehen der neuen Dimension des Terrors ratlos gegenüber. Keine Taktik verfängt, wenn der Entführer ohnehin nur von dem einen Wunsch
beseelt ist, sich und alle Geiseln möglichst schnell und möglichst
symbolträchtig umzubringen. Dann braucht es keine Verhandlungen mehr, dann
braucht es keine Swap-Teams mehr, dann wird auch der Polizeipsychologe
überflüssig.
Welche Möglichkeiten haben
dann Staaten, sich und ihre Bürger zu schützen?
Israel nimmt für sich in Anspruch, irreguläre Flugzeuge abzuschiessen, die sich
dem Land nähern. Das ist eine Möglichkeit.
Die Attentäter von Amerika
haben jahrelang ein völlig normales Leben geführt. Was geht in einem Menschen
vor, der praktisch per Knopfdruck zur Tötungsmaschine wird?
Das geschieht nicht über Nacht, man wächst in diese Rolle hinein. Das Muster
ist immer ähnlich. Ein Jugendlicher fühlt sich zum radikalen Islam hingezogen,
was von der Oberschicht etwa in den Golfstaaten nicht goutiert wird. Er
begegnet Glaubensbrüdern, die sagen, dass man zur Durchsetzung des Glaubens
auch etwas tun muss. Das ist Stufe zwei. Dann wird er als Kurier eingesetzt, er
verteilt Flugblätter, geht auf Demonstrationen. Jetzt wird jemand, der für die
Rekrutierung zuständig ist, auf ihn aufmerksam. Er beobachtet ihn, lässt ihn
zunächst gewähren. Dann geht er auf den Jugendlichen zu und sagt ihm, dass er
der Sache viel mehr dient, wenn er sich aus allen Aktivitäten zurückzieht. Also
kehrt der junge Mann zu seiner Familie und seinen Freunden zurück. Die Eltern
sind hocherfreut, weil er scheinbar mit den Radikalen gebrochen hat. Sie
helfen, finanzieren ihn. Er geht zum Studium ins Ausland: Stufe drei. Dann wird
er als lebende Bombe aktiviert: Stufe vier. Dieses Muster der Rekrutierung war
bei uns im Übrigen ganz ähnlich.
Was ist das letzte
Kriterium, um in den innersten Zirkel aufgenommen zu werden?
Wir haben die Leute immer und immer wieder getestet. Wir gaben ihnen Post mit,
die sie abliefern mussten. Sie wussten nicht, dass die Post präpariert war. Wir
sahen jedoch sofort, ob sie geöffnet wurde oder nicht. Oder wir bestellten
jemanden zu einem Treffen, von dem er annehmen musste, dass die Polizei dort
auf ihn wartet. Macht er es, oder macht er es nicht? Wie geht er mit dieser
Stresssituation um? In solchen Momenten merkt man, ob sich jemand eignet oder
nicht.
Bei der Mafia musste man
jemanden töten, um in die ›ehrenwerte Gesellschaft‹ aufgenommen zu werden.
Gab es solche Initiationsrituale auch bei Ihnen?
Nein. Wir haben so etwas nie in Erwägung gezogen, wozu auch? Der zentrale Sinn
der Mafia war ja, möglichst viel Geld zu verdienen. Geld hat bei uns nie eine
Rolle gespielt. Über die Aufnahme eines neuen Mitglieds wurde am Ende im
Kollektiv entschieden.
Dennoch konnte jeder damit
konfrontiert sein, einen Mord begehen zu müssen, wie etwa bei der
Schleyer-Entführung. Wie wurde der Mörder ausgewählt? Oder entschied darüber
das Los?
Nein, jedem an dem Kommando Beteiligten war klar, dass es nur zwei
Möglichkeiten gibt: Entweder wird Schleyer ausgetauscht oder erschossen. Die es
am Ende getan haben, waren rein zufällig die Letzten, die ihn bewacht hatten.
Sie waren zum Zeitpunkt
der Hinrichtung Schleyers in Bagdad, aber es hätte auch Sie treffen können.
Es hätte jeden von uns treffen können.
Sind islamische
Terroristen brutaler als westliche?
Sie haben, bedingt durch ihre Sozialisation, eine ganz andere Basis an Gewalt. Wer
das Elend vieler Muslime kennt, die Flüchtlingslager, die Bombardierungen, wer
gesehen hat, wie zum Beispiel Kabul drei- oder viermal unter wechselnden
Vorzeichen bis auf die Grundmauern zerstört wurde, wer so etwas miterlebt hat,
reagiert auch gewalttätiger.
Haben Sie dies auch schon
in den Ausbildungslagern im Jemen bemerkt?
Ja. Ich habe niemals zuvor Menschen kennengelernt, die mit solch einer Härte,
auch gegen sich selbst, ins Training gegangen sind. Denen war die
Verletzungsgefahr völlig egal. Die haben sich die Magazine in den Bauch
gerammt, immer und immer wieder, und sich dabei übelst zugerichtet. Keiner von
uns hätte so etwas gemacht.
Gibt es in diesem selbsterklärten
Krieg auch noch Augenblicke des Humors, oder herrscht da nur noch der heilige
Ernst?
Natürlich gibt es Humor, aber es ist ein ganz spezifischer, den Aussenstehende
gar nicht als solchen empfinden. Wir mussten ja z.B bei Telefongesprächen
Tarnbezeichnungen gebrauchen, und da haben wir uns beiden Comics bedient. Die
Polizisten waren immer die Freunde. Wir mussten natürlich grinsen, wenn wir so
miteinander redeten.
Der RAF-Terror wurde in
Deutschland als staatsbedrohend dargestellt. Hat die Gruppe dies genauso
wahrgenommen?
Nein, denn wir wussten, wie oft uns nur das Glück und der Zufall gerettet
hatten. Natürlich haben wir die harte Reaktion des Staates, diesen kollektiven Ausnahmezustand,
in einen Erfolg umgedeutet, aber in Wirklichkeit steckten wir in einer tiefen
Identitätskrise.
Ist nun damit zu rechnen,
dass die Massaker von Amerika ständig Nachahmer finden, dass sich der Terror
alle paar Monate wiederholt?
Nein, solche Anschläge kann man nicht einfach kopieren. Dafür bedarf es
umfangreicher, oft jahrelanger logistischer Vorbereitungen. Aus meiner eigenen
Erfahrung kann ich sagen: Die Wahrscheinlichkeit, dass dabei etwas schief geht
und das Kommando auffliegt, ist immens.
Anmerkung: Was aus dem Interview
indessen in keiner Weise hervorgeht, sind die eigentlichen Hintermänner der
Geschehnisse; man darf annehmen, dass hier für Broock eine Schweigepflicht
besteht. Wir empfehlen unseren Lesern dringend die im Kopp-Verlag erschienene Analyse
von Gerhard Wisnewski zu Charlie Hebdo, die dieser in seinem Buch ›Die Wahrheit über
das Attentat auf Charlie Hebdo – Gründungsakt eines totalitären Europas‹ niedergelegt hat.
Der Politikwissenschaftler
urteilt nicht, sondern fasst lediglich die Fakten zusammen, die uns allerdings
generell hinsichtlich von Attentaten eine andere Sicht vermitteln als die, die
uns in der Presse geboten wird. Der Autor ist auf seiner website www.wisnwewski.de zu erreichen.
[1] Terroranschläge
und ihr uns im allgemeinen verborgen bleibender Zweck
Die
Entführung und Ermordung von Aldo Moro
Quelle: https://www.weltwoche.ch/ausgaben/2001-38/artikel/im-gehirn-der-terroristen-die-weltwoche-ausgabe-382001.html 20. 9. 2001 Im Gehirn der Terroristen
- Das Interview führten Armin Guhl und Roger Köppel
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