Streitobjekt Iran 19.05.2019 21:16
d.a. Man kann fast sagen, ordnungsgemäss, also in Übereinstimmung mit
den beständig gegen den Iran erhobenen Anklagen, Sanktionen eingeschlossen, liess Washington am 15. Mai verlauten, dass die Bedrohungslage in der Golfregion durch das Agieren des Irans gestiegen sei. Wer immer mit den Zielen und Forderungen der USA nicht konform geht, ist der in jeder Spannungslage schuldig gesprochene Verursacher. Das kann sich eine Nation leisten, deren Militärstützpunkte, von geringen Ausnahmen abgesehen, den Globus sozusagen umspannen. Infolgedessen hatten die US-Streitkräfte die Alarmstufe für ihre im Irak und in Syrien stationierten Truppenteile der Anti-Terror-Operation›Inherent
Resolve‹ ›OIR‹ laut einer
Mitteilung des US-Regionalkommando »CENTCOM« vom 14. 5.
erhöht: »Im Ergebnis«, hiess es, »ist die ›OIR‹ nun auf
einer hohen Alarmstufe, während wir weiterhin genau die glaubhaften und
möglicherweise bevorstehenden Bedrohungen gegen US-Truppen im Irak beobachten«. [1]
Einer Mitteilung der US-Botschaft in Bagdad zufolge
ist das im Irak stationierte ›Nicht-Notfallpersonal‹ aufgefordert worden, den Irak auf Grund der
Spannungen mit dem Iran zu verlassen. US-Aussenminister Mike Pompeo hatte
seinen Berlinbesuch kurzfristig abgesagt, um in den Irak zu reisen, wo er am 7.
Mai die ›steigende
iranische Aktivität‹ mit Ministerpräsident
Adil Abdul-Mahdi besprach. Nach dem
Treffen wurde erklärt, dass darüber gesprochen worden war, wie wichtig es sei,
dass der Irak in der Lage sei, die Amerikaner im Irak angemessen zu
beschützen. [2]
Dem Statement von Abdul-Mahdi vom
14. 5. zufolge lägen seiner Regierung keine Erkenntnisse über »Bewegungen vor,
die eine Bedrohung für irgendeine Seite darstellen«. Die irakische Regierung
erfülle ihre Pflicht, »alle Parteien zu schützen«. [3]
Hingegen hat der britische General Chris Ghika,
stellvertretender ›OIR‹ Kommandeur, das Bedrohungsszenarium
relativiert und auf einer Pressekonferenz
des Pentagons am 15. 5. erklärt, dass »es keine
erhöhten Bedrohungen durch vom Iran unterstützten Kräfte im Irak und in Syrien gibt«. Die US-Streitkräfte reagierten darauf scharf: Diese
Einschätzung stünde nicht mit den Geheimdiensterkenntnissen der USA und ihrer
Verbündeten - der Mossad hatte vor
Angriffen der Iraner im Irak auf US-Militärs gewarnt - im Einklang. Ghika, der in der von den USA
geführten Allianz zur Bekämpfung der IS-Miliz stellvertretender Kommandeur für
die Bereiche Strategie und Information ist, wollte seine Einschätzung wenig
später - allerdings auf Nachfrage von
Journalisten - nicht mehr bekräftigen. »Nein«, so auch Tyler Durden von ZeroHedge,
der englischsprachigen Nachrichten-Website mit einer Sammlung von Blogs zu
Wirtschafts- und Finanzthemen, »es gab keine erhöhte Bedrohung durch iranisch
unterstützte Truppen im Irak und in Syrien«. [4]
Die ›Iran-Krise‹, schreibt Tyler
Durden zur Lage, dauert an und das internationale Händeringen
kennt keine Grenzen. Einige Verbündete der USA wie Spanien, Deutschland und die
Niederlande ziehen mittlerweile Truppen ab, die die amerikanischen Einheiten im
Nahen Osten bislang unterstützt haben.
Und wir stellen uns die
Frage: Was wissen wir eigentlich über die geheimdienstlichen Erkenntnisse, die
laut John Bolton Auslöser für die Golf-Krise sind? Was wir wissen, ist, dass
ein Grossteil der Erkenntnisse des israelischen Geheimdiensts Mossad an die US-Regierung
weitergereicht worden sind. Die Erklärungen der führenden amerikanischen
Regierungsvertreter und ihren regionalen Verbündeten hält Durden jedoch nicht
ganz für einleuchtend. So sagte Pompeo bei seinem Bagdad-Besuch am 7. 5., dass
»amerikanische Geheimdienstinformationen zeigen, dass vom Iran unterstützte
Milizen Raketen in die Nähe von Stützpunkten verlegt haben, auf
denen amerikanische Truppen stationiert sind«; ›Fox News‹ zufolge erklärte eine ranghohe irakische Quelle zu
Pompeos Aussagen: »Sollte es auf irakischem Boden zu einem Angriff auf die USA
kommen, würde man Verteidigungsmassnahmen ergreifen, ohne sich mit Bagdad
abzustimmen.«
Was hat es jetzt also mit
dieser neuen ›Bedrohung‹, die die USA dazu veranlasste,
ihr Militär in der Region zu verstärken, was wiederum Irans Generäle dazu
brachte, die Warnung »wir stehen am Rande einer ausgewachsenen Konfrontation
mit dem Feind« auszusprechen, auf sich? Das alles, nur weil
iranische oder vom Iran unterstützte Einheiten im Irak ein paar Raketen von A
nach B verlegen? Das wäre nichts Neues.
Bereits letzten August hatte ›ZeroHedge‹ mit Bezug auf eine Reuters-Meldung berichtet, dass
der Iran seine Gegner überrascht hat, indem er ballistische Raketen in den Irak
verlegte, von wo aus sie Tel Aviv ganz leicht erreichen könnten. Damals wurde
bekannt, dass der Iran »bereits Monate zuvor« ballistische Kurzstreckenraketen
zu schiitischen Truppen im Irak verlegt hatte, wie dies westliche und irakische
Geheimdienstquellen erklärten. Einige Nahost-Experten und Militäranalysten
zuckten daher als Reaktion auf die ›brandneuen‹ Erkenntnisse aus dem Weissen Haus nur gelangweilt mit
den Schultern.
Die ›New
York Times‹ hat
am 15. Mai einen Bericht veröffentlicht, in dem sie sich auf drei Vertreter des
Verteidigungsministeriums beruft und folgendes darlegt: »Die Informationen, die
das Weisse Haus dazu brachten, ihre Warnungen bezüglich der Bedrohung durch den
Iran zu verschärfen, gehen auf Fotos von Raketen auf kleinen Booten im
Persischen Golf zurück, Raketen, die von iranischen paramilitärischen Einheiten
an Bord gebracht wurden.« Weiter heisst es: »Aufgrund
einer Luftbildaufnahme von vollständig zusammengesetzten Raketen befürchtet
man, dass die Iranische Revolutionsgarde diese auf Marineschiffe der Vereinigen
Staaten abfeuern könnten. Zudem gab es Drohungen gegen die Handelsschifffahrt
sowie Informationen über mögliche, von arabischen Milizen mit Verbindungen zum
Iran ausgeführte Angriffe auf amerikanische Truppen«. Spitzenpolitiker sollten
jedoch sicherstellen, dass der Kongress eingebunden ist, bevor militärische Aktionen gegen
den Iran eingeleitet werden, so die ›New York Times‹. Nancy Pelosi, die Sprecherin des
Repräsentantenhauses, kritisierte dem Medienbericht zufolge in einem
vertraulichen Treffen der Demokraten im Repräsentantenhaus »die fehlende
Transparenz der Regierung zu geheimdienstlichen Erkenntnissen«. [5]
Pompeos Aussagen in der ›Fox News‹-Meldung scheinen
sich mit dem zu decken, was die ›New York Times‹ berichtet. Was die ›Satelliten-Beweise‹, wonach die Iraner Raketen auf ihrem Territorium
verlegen, angeht, so interpretieren amerikanische Verbündete in der Region diese
als rein defensive Aktionen. [3]
Zu den iranischen Booten vermerkte Lorenz Hemicker in der ›Frankfurter Allgemeinen Zeitung‹, dass mehrere
Mitglieder der Demokraten und Republikaner im amerikanischen Kongress sowie eine
Reihe von Europäern und Irakern zu der Einschätzung tendieren, dass sich der Iran angesichts der von Teheran als
Provokation empfundenen härteren Gangart Washingtons defensiv wappnet. Bei den
Sabotageakten der vergangenen Tage zeigt sich ein differenzierteres Bild.
Fragen werfen die Attacken vom Wochenende 11./12. Mai auf, als die Vereinigten
Arabischen Emirate Angriffe auf mehrere Öltanker meldeten, freilich ohne
Aussagen über mögliche Hintermänner zu treffen. Sie sprachen von ›staatsfeindlichen
Aktionen‹; dennoch lenkte Irans Erzrivale Saudi-Arabien den
Verdacht umgehend auf Teheran. [6]
In Kenntnis üblicher Aktivitäten
der Geheimdienste lenkt sich der Verdacht allerdings vielmehr auf die bekannten
›false
flag operations‹.
Im Juli letzten Jahres hatte US-Präsident Trump den
iranischen Präsidenten Hassan Ruhani wie folgt gewarnt: »Bedrohen
Sie niemals wieder die USA, oder Sie werden Konsequenzen von der Art zu spüren
bekommen, wie sie wenige zuvor in der Geschichte erleiden mussten«. »Wir
sind nicht länger ein Land, das Ihre wahnsinnigen Worte von Gewalt und Tod
hinnehmen wird. Seien Sie vorsichtig!«,
schrieb Trump in einem in Grossbuchstaben verfassten Tweet weiter. Mike Pompeo
hatte am 22. 7. in einer Rede in Los Angeles um Unterstützung für diesen
Kurswechsel geworben und globalen wirtschaftlichen Druck auf den Iran gefordert.
Zugleich hob er die andauernden regierungskritischen Proteste in der
Islamischen Republik hervor und kritisierte die Politik des Irans in der Region
als destabilisierend. [7]
Unterdessen hat die Regierung Teherans ein Jahr
nach dem Ausstieg der USA aus dem Nuklearabkommen erst kürzlich eine teilweise
Aufkündigung des 2015 geschlossenen ›Joint
Comprehensive Plan of Action‹ ›JCPOA‹ erklärt
und den verbliebenen Unterzeichnerländern in der EU eine Frist gesetzt, um den
Handel mit dem Iran wieder zu ermöglichen. Der Iran hat immer wieder betonte,
keinen Krieg mit den USA zu wollen. [2]
Irans Ultimatum zum Atomabkommen lehnen die Europäer
ab; indessen setzt der Iran seine Partner unter dem Eindruck der neuerlichen
US-Sanktionen gegen seine Wirtschaft unter Zeitdruck, damit diese das Atomabkommen
rasch und vollständig umsetzen. Die nächsten zwei Monate, heisst es von Seiten
des Irans, seien die letzte Frist für die Diplomatie. Auch ein kompletter
Ausstieg aus dem Abkommen stehe auf der Agenda, warnte Irans Vizeaussenminister
Abbas Araghchi laut iranischen Medien am 9. Mai.
Araghchi gehört zu den Architekten des Wiener
Atomabkommens von 2015, das dem Iran im Gegenzug für die Aufhebung von
Wirtschaftssanktionen eine international kontrollierte Atomwirtschaft zugesteht.
Damit sollte verhindert werden, dass der Iran Atomwaffen entwickelt. Die USA
haben die von der UNO übernommene Vereinbarung bekanntlich am 8. Mai 2018
einseitig aufgekündigt und wiederum Sanktionen verhängt. Dabei bedrohen die USA
auch westliche Partner, die sich ihren Sanktionen nicht unterwerfen. »Diese zweimonatige Frist wird definitiv nicht
verlängert«, so Araghchi. »Wir wollen die Umsetzung des Atomdeals, nicht ein Wort
mehr, nicht ein Wort weniger. Die nächsten 60 Tage sind daher die letzte Chance
für eine diplomatische Lösung«. Gebe es
bis dahin keine Lösung, werde der Iran die Urananreicherung wieder unbegrenzt
aufnehmen und den Umbau des Schwerwasserreaktors Arak, wo atomwaffen-taugliches
Plutonium anfallen könnte, vollenden. [8]
[1] https://deutsch.rt.com/der-nahe-osten/88148-britischer-general-widerspricht-usa-keine-erhoehte-bedrohung-durch-iran/ 15. 5. 19
[2] https://deutsch.rt.com/international/88137-wegen-spannungen-mit-iran-usa/ 15. 5. 19
[3] https://kopp-report.de/golf-krise-waren-satellitenaufnahmen-iranischer-raketen-der-ausloeser/ 17. 5. 19
Golf-Krise: Waren Satellitenaufnahmen iranischer Raketen der Auslöser? - Von
Tyler Durden Original auf https://www.zerohedge.com/news/2019-05-16/secret-satellite-photos-iranian-missiles-persian-gulf-spark-intelligence-debate 16. 5. 19 Secret Satellite Photos Of
Iranian Missiles In Persian Gulf Behind Intensifying Crisis by Tyler Durden
[4] https://www.zerohedge.com/news/2019-05-15/top-british-commander-rare-public-dispute-us-over-iran-intelligence 15. 5. 19 sowie https://www.sueddeutsche.de/politik/bundeswehr-iran-usa-krieg-1.4447271 15. 5. 19 Bundeswehr
setzt Ausbildung im Irak aus
[5] https://www.nytimes.com/2019/05/15/world/middleeast/iran-war-usa.html?action=click&module=Top%20Stories&pgtype=Homepage 15. 9. 19
Iran Threat Debate Is Set Off by Images of Missiles at Sea - By Julian E.
Barnes, Eric Schmitt, Nicholas Fandos and Edward Wong
[6] https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/alarmstufe-rot-ist-iran-gefaehrlicher-als-sonst-16190508.html 16. 5. 19
Ist Iran gefährlicher als sonst? – Von Lorenz Hemicker
[7] https://www.welt.de/politik/ausland/article179800194/Trump-droht-dem-Iran-auf-Twitter-Seien-Sie-vorsichtig.html 23. 7. 18
[8] https://www.focus.de/politik/ausland/drohung-aus-teheran-europaeer-lehnen-ultimatum-des-iran-zum-atomabkommen-ab_id_10688200.html 9. 5. 19 Drohung aus Teheran - Europäer
lehnen Ultimatum des Iran zum Atomabkommen ab
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