Streitobjekt Iran

d.a. Man kann fast sagen, ordnungsgemäss, also in Übereinstimmung mit

den beständig gegen den Iran erhobenen Anklagen, Sanktionen eingeschlossen, liess Washington am 15. Mai verlauten, dass die Bedrohungslage in der Golfregion durch das Agieren des Irans gestiegen sei. Wer immer mit den Zielen und Forderungen der USA nicht konform geht, ist der in jeder Spannungslage schuldig gesprochene Verursacher. Das kann sich eine Nation leisten, deren Militärstützpunkte, von geringen Ausnahmen abgesehen, den Globus sozusagen umspannen. Infolgedessen hatten die US-Streitkräfte die Alarmstufe für ihre im Irak und in Syrien stationierten Truppenteile der Anti-Terror-OperationInherent Resolve OIR laut einer Mitteilung des US-Regionalkommando »CENTCOM« vom 14. 5. erhöht: »Im Ergebnis«, hiess es, »ist die OIR nun auf einer hohen Alarmstufe, während wir weiterhin genau die glaubhaften und möglicherweise bevorstehenden Bedrohungen gegen US-Truppen im Irak beobachten«.  [1] 

Einer Mitteilung der US-Botschaft in Bagdad zufolge ist das im Irak stationierte Nicht-Notfallpersonal aufgefordert worden, den Irak auf Grund der Spannungen mit dem Iran zu verlassen. US-Aussenminister Mike Pompeo hatte seinen Berlinbesuch kurzfristig abgesagt, um in den Irak zu reisen, wo er am 7. Mai die steigende iranische Aktivität mit Ministerpräsident Adil Abdul-Mahdi  besprach. Nach dem Treffen wurde erklärt, dass darüber gesprochen worden war, wie wichtig es sei, dass der Irak in der Lage sei, die Amerikaner im Irak angemessen zu beschützen.  [2]

Dem Statement von Abdul-Mahdi vom 14. 5. zufolge lägen seiner Regierung keine Erkenntnisse über »Bewegungen vor, die eine Bedrohung für irgendeine Seite darstellen«. Die irakische Regierung erfülle ihre Pflicht, »alle Parteien zu schützen«.   [3]

Hingegen hat der britische General Chris Ghika, stellvertretender OIR Kommandeur, das Bedrohungsszenarium relativiert und auf einer Pressekonferenz des Pentagons am 15. 5. erklärt, dass »es keine erhöhten Bedrohungen durch vom Iran unterstützten Kräfte im Irak und in Syrien gibt«. Die US-Streitkräfte reagierten darauf scharf: Diese Einschätzung stünde nicht mit den Geheimdiensterkenntnissen der USA und ihrer Verbündeten  - der Mossad hatte vor Angriffen der Iraner im Irak auf US-Militärs gewarnt -  im Einklang. Ghika, der in der von den USA geführten Allianz zur Bekämpfung der IS-Miliz stellvertretender Kommandeur für die Bereiche Strategie und Information ist, wollte seine Einschätzung wenig später  - allerdings auf Nachfrage von Journalisten -  nicht mehr bekräftigen. »Nein«, so auch Tyler Durden von ZeroHedge, der englischsprachigen Nachrichten-Website mit einer Sammlung von Blogs zu Wirtschafts- und Finanzthemen, »es gab keine erhöhte Bedrohung durch iranisch unterstützte Truppen im Irak und in Syrien«.  [4]

Die Iran-Krise, schreibt Tyler Durden zur Lage, dauert an und das internationale Händeringen kennt keine Grenzen. Einige Verbündete der USA wie Spanien, Deutschland und die Niederlande ziehen mittlerweile Truppen ab, die die amerikanischen Einheiten im Nahen Osten bislang unterstützt haben.

Und wir stellen uns die Frage: Was wissen wir eigentlich über die geheimdienstlichen Erkenntnisse, die laut John Bolton Auslöser für die Golf-Krise sind? Was wir wissen, ist, dass ein Grossteil der Erkenntnisse des israelischen Geheimdiensts Mossad an die US-Regierung weitergereicht worden sind. Die Erklärungen der führenden amerikanischen Regierungsvertreter und ihren regionalen Verbündeten hält Durden jedoch nicht ganz für einleuchtend. So sagte Pompeo bei seinem Bagdad-Besuch am 7. 5., dass »amerikanische Geheimdienstinformationen zeigen, dass vom Iran unterstützte Milizen Raketen in die Nähe von Stützpunkten verlegt haben, auf denen amerikanische Truppen stationiert sind«; Fox News zufolge erklärte eine ranghohe irakische Quelle zu Pompeos Aussagen: »Sollte es auf irakischem Boden zu einem Angriff auf die USA kommen, würde man Verteidigungsmassnahmen ergreifen, ohne sich mit Bagdad abzustimmen.«

Was hat es jetzt also mit dieser neuen Bedrohung, die die USA dazu veranlasste, ihr Militär in der Region zu verstärken, was wiederum Irans Generäle dazu brachte, die Warnung »wir stehen am Rande einer ausgewachsenen Konfrontation mit dem Feind« auszusprechen, auf sich? Das alles, nur weil iranische oder vom Iran unterstützte Einheiten im Irak ein paar Raketen von A nach B verlegen? Das wäre nichts Neues.

Bereits letzten August hatte
ZeroHedge mit Bezug auf eine Reuters-Meldung berichtet, dass der Iran seine Gegner überrascht hat, indem er ballistische Raketen in den Irak verlegte, von wo aus sie Tel Aviv ganz leicht erreichen könnten. Damals wurde bekannt, dass der Iran »bereits Monate zuvor« ballistische Kurzstreckenraketen zu schiitischen Truppen im Irak verlegt hatte, wie dies westliche und irakische Geheimdienstquellen erklärten. Einige Nahost-Experten und Militäranalysten zuckten daher als Reaktion auf die brandneuen Erkenntnisse aus dem Weissen Haus nur gelangweilt mit den Schultern.

Die New York Times hat am 15. Mai einen Bericht veröffentlicht, in dem sie sich auf drei Vertreter des Verteidigungsministeriums beruft und folgendes darlegt: »Die Informationen, die das Weisse Haus dazu brachten, ihre Warnungen bezüglich der Bedrohung durch den Iran zu verschärfen, gehen auf Fotos von Raketen auf kleinen Booten im Persischen Golf zurück, Raketen, die von iranischen paramilitärischen Einheiten an Bord gebracht wurden.« Weiter heisst es: »Aufgrund einer Luftbildaufnahme von vollständig zusammengesetzten Raketen befürchtet man, dass die Iranische Revolutionsgarde diese auf Marineschiffe der Vereinigen Staaten abfeuern könnten. Zudem gab es Drohungen gegen die Handelsschifffahrt sowie Informationen über mögliche, von arabischen Milizen mit Verbindungen zum Iran ausgeführte Angriffe auf amerikanische Truppen«. Spitzenpolitiker sollten jedoch sicherstellen, dass der Kongress eingebunden ist, bevor militärische Aktionen gegen den Iran eingeleitet werden, so die New York Times. Nancy Pelosi, die Sprecherin des Repräsentantenhauses, kritisierte dem Medienbericht zufolge in einem vertraulichen Treffen der Demokraten im Repräsentantenhaus »die fehlende Transparenz der Regierung zu geheimdienstlichen Erkenntnissen«.  [5]

Pompeos Aussagen in der Fox News-Meldung scheinen sich mit dem zu decken, was die New York Times berichtet. Was die Satelliten-Beweise, wonach die Iraner Raketen auf ihrem Territorium verlegen, angeht, so interpretieren amerikanische Verbündete in der Region diese als rein defensive Aktionen.  [3]

Zu den iranischen Booten vermerkte Lorenz Hemicker in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, dass mehrere Mitglieder der Demokraten und Republikaner im amerikanischen Kongress sowie eine Reihe von Europäern und Irakern zu der Einschätzung tendieren, dass sich der Iran angesichts der von Teheran als Provokation empfundenen härteren Gangart Washingtons defensiv wappnet. Bei den Sabotageakten der vergangenen Tage zeigt sich ein differenzierteres Bild. Fragen werfen die Attacken vom Wochenende 11./12. Mai auf, als die Vereinigten Arabischen Emirate Angriffe auf mehrere Öltanker meldeten, freilich ohne Aussagen über mögliche Hintermänner zu treffen. Sie sprachen von staatsfeindlichen Aktionen; dennoch lenkte Irans Erzrivale Saudi-Arabien den Verdacht umgehend auf Teheran.  [6]   

In Kenntnis üblicher Aktivitäten der Geheimdienste lenkt sich der Verdacht allerdings vielmehr auf die bekannten false flag operations.

Im Juli letzten Jahres hatte US-Präsident Trump den iranischen Präsidenten Hassan Ruhani wie folgt gewarnt: »Bedrohen Sie niemals wieder die USA, oder Sie werden Konsequenzen von der Art zu spüren bekommen, wie sie wenige zuvor in der Geschichte erleiden mussten«. »Wir sind nicht länger ein Land, das Ihre wahnsinnigen Worte von Gewalt und Tod hinnehmen wird. Seien Sie vorsichtig!«, schrieb Trump in einem in Grossbuchstaben verfassten Tweet weiter. Mike Pompeo hatte am 22. 7. in einer Rede in Los Angeles um Unterstützung für diesen Kurswechsel geworben und globalen wirtschaftlichen Druck auf den Iran gefordert. Zugleich hob er die andauernden regierungskritischen Proteste in der Islamischen Republik hervor und kritisierte die Politik des Irans in der Region als destabilisierend.  [7]

Unterdessen hat die Regierung Teherans ein Jahr nach dem Ausstieg der USA aus dem Nuklearabkommen erst kürzlich eine teilweise Aufkündigung des 2015 geschlossenen Joint Comprehensive Plan of Action JCPOA erklärt und den verbliebenen Unterzeichnerländern in der EU eine Frist gesetzt, um den Handel mit dem Iran wieder zu ermöglichen. Der Iran hat immer wieder betonte, keinen Krieg mit den USA zu wollen.  [2]

Irans Ultimatum zum Atomabkommen lehnen die Europäer ab; indessen setzt der Iran seine Partner unter dem Eindruck der neuerlichen US-Sanktionen gegen seine Wirtschaft unter Zeitdruck, damit diese das Atomabkommen rasch und vollständig umsetzen. Die nächsten zwei Monate, heisst es von Seiten des Irans, seien die letzte Frist für die Diplomatie. Auch ein kompletter Ausstieg aus dem Abkommen stehe auf der Agenda, warnte Irans Vizeaussenminister Abbas Araghchi laut iranischen Medien am 9. Mai.

Araghchi gehört zu den Architekten des Wiener Atomabkommens von 2015, das dem Iran im Gegenzug für die Aufhebung von Wirtschaftssanktionen eine international kontrollierte Atomwirtschaft zugesteht. Damit sollte verhindert werden, dass der Iran Atomwaffen entwickelt. Die USA haben die von der UNO übernommene Vereinbarung bekanntlich am 8. Mai 2018 einseitig aufgekündigt und wiederum Sanktionen verhängt. Dabei bedrohen die USA auch westliche Partner, die sich ihren Sanktionen nicht unterwerfen. »Diese zweimonatige Frist wird definitiv nicht verlängert«, so Araghchi. »Wir wollen die Umsetzung des Atomdeals, nicht ein Wort mehr, nicht ein Wort weniger. Die nächsten 60 Tage sind daher die letzte Chance für eine diplomatische Lösung«. Gebe es bis dahin keine Lösung, werde der Iran die Urananreicherung wieder unbegrenzt aufnehmen und den Umbau des Schwerwasserreaktors Arak, wo atomwaffen-taugliches Plutonium anfallen könnte, vollenden.  [8] 


[1]  https://deutsch.rt.com/der-nahe-osten/88148-britischer-general-widerspricht-usa-keine-erhoehte-bedrohung-durch-iran/   15. 5. 19

[2]  https://deutsch.rt.com/international/88137-wegen-spannungen-mit-iran-usa/   15. 5. 19

[3]  https://kopp-report.de/golf-krise-waren-satellitenaufnahmen-iranischer-raketen-der-ausloeser/   17. 5. 19  Golf-Krise: Waren Satellitenaufnahmen iranischer Raketen der Auslöser?   -  Von Tyler Durden
Original auf https://www.zerohedge.com/news/2019-05-16/secret-satellite-photos-iranian-missiles-persian-gulf-spark-intelligence-debate   16. 5. 19
Secret Satellite Photos Of Iranian Missiles In Persian Gulf Behind Intensifying Crisis by Tyler Durden

[4]  https://www.zerohedge.com/news/2019-05-15/top-british-commander-rare-public-dispute-us-over-iran-intelligence   15. 5. 19  sowie
https://www.sueddeutsche.de/politik/bundeswehr-iran-usa-krieg-1.4447271

15. 5. 19  Bundeswehr setzt Ausbildung im Irak aus

[5]  https://www.nytimes.com/2019/05/15/world/middleeast/iran-war-usa.html?action=click&module=Top%20Stories&pgtype=Homepage  15. 9. 19
Iran Threat Debate Is Set Off by Images of Missiles at Sea - By Julian E. Barnes, Eric Schmitt, Nicholas Fandos and Edward Wong

[6]  https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/alarmstufe-rot-ist-iran-gefaehrlicher-als-sonst-16190508.html    16. 5. 19  Ist Iran gefährlicher als sonst? – Von Lorenz Hemicker

[7]  https://www.welt.de/politik/ausland/article179800194/Trump-droht-dem-Iran-auf-Twitter-Seien-Sie-vorsichtig.html   23. 7. 18

[8]  https://www.focus.de/politik/ausland/drohung-aus-teheran-europaeer-lehnen-ultimatum-des-iran-zum-atomabkommen-ab_id_10688200.html  9. 5. 19
Drohung aus Teheran  -  Europäer lehnen Ultimatum des Iran zum Atomabkommen ab