Offener Brief an Bundeskanzlerin Merkel zur Coronakrise

Prof. Dr. med. Sucharit Bhakdi, Facharzt für Mikrobiologie und Infektionsepidemiolgie,

hat am 26. März einen offenen Brief an die Bundeskanzlerin geschrieben, mit 5 Fragen, die nach sofortigen Antworten verlangen, um festzustellen, wie begründet die derzeitigen massiven Einschränkungen unserer Grundrechte sind.

Sehr verehrte Frau Bundeskanzlerin,

als Emeritus der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz und langjähriger Leiter des dortigen Instituts für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene fühle ich mich verpflichtet, die weitreichenden Einschränkungen des öffentlichen Lebens, die wir derzeit auf uns nehmen, um die Ausbreitung des COVID-19 Virus zu reduzieren, kritisch zu hinterfragen.

Es ist ausdrücklich nicht mein Anliegen, die Gefahren der Viruserkrankung herunterzuspielen oder eine politische Botschaft zu kolportieren. Jedoch empfinde ich es als meine Pflicht, einen wissenschaftlichen Beitrag dazu zu leisten, die derzeitige Datenlage richtig einzuordnen, die Fakten, die wir bislang kennen, in Perspektive zu setzen – und darüberhinaus auch Fragen zu stellen, die in der hitzigen Diskussion unterzugehen drohen. Der Grund meiner Besorgnis liegt vor allem in den wirklich unabsehbaren sozio-ökonomischen Folgen der drastischen Eindämmungsmaßnahmen, die derzeit in weiten Teilen Europas Anwendungen finden und auch in Deutschland bereits in großem Maße praktiziert werden.  

Mein Wunsch ist es, kritisch – und mit der gebotenen Weitsicht – über die Vor- und Nachteile einer Einschränkung des öffentlichen Lebens und die daraus resultierenden Langzeiteffekte zu diskutieren. Dazu stellen sich mir fünf Fragen, die bislang nur unzureichend beantwortet wurden, aber für eine ausgewogene Analyse unentbehrlich sind.

Ich bitte Sie hiermit um rasche Stellungnahme und appelliere gleichsam an die Bundesregierung, Strategien zu erarbeiten, die Risikogruppen effektiv schützen, ohne das öffentliche Leben flächendeckend zu beschneiden und die Saat für eine noch intensivere Polarisierung der Gesellschaft säen, als sie ohnehin schon stattfinden.

Mit vorzüglicher Hochachtung 
Prof. em. Dr. med. Sucharit Bhakdi


1.  Statistik 
In der Infektiologie – begründet von Robert Koch selbst – wird traditionell zwischen Infektion und Erkrankung unterschieden. Eine Erkrankung bedarf einer klinischen Manifestation. Deshalb sollten nur Patienten mit Symptomen wie etwa Fieber oder Husten als Neuerkrankungen in die Statistik eingehen. Mit anderen Worten bedeutet eine Neuinfektion  - wie beim COVID-19 Test gemessen -  nicht zwangsläufig, dass wir es mit einem neuerkrankten Patienten zu tun haben, der ein Krankenhausbett benötigt. Derzeit wird aber angenommen, dass 5 % aller infizierten Menschen schwer erkranken und beatmungspflichtig werden. Darauf basierende Hochrechnungen besagen, dass das Gesundheitssystem im Übermaß belastet werden könnte.

Meine 1. Frage
Wurde bei den Hochrechnungen zwischen symptomfreien Infizierten und tatsächlichen, erkrankten Patienten unterschieden – also Menschen, die Symptome entwickeln?

2.  Gefährlichkeit
Eine Reihe von Coronaviren sind – medial weitgehend unbemerkt – schon seit Langem im Umlauf. Sollte sich herausstellen, dass dem COVID-19 Virus kein bedeutend höheres Gefahrenpotential zugeschrieben werden darf als den bereits kursierenden Coronaviren, würden sich offensichtlich sämtliche Gegenmaßnahmen erübrigen.

In der international anerkannten Fachzeitschrift International Journal of Antimicrobial Agents wird in Kürze eine Arbeit erscheinen, die genau diese Frage adressiert. Vorläufige Ergebnisse der Studie sind schon heute einsehbar und führen zu dem Schluß, dass das neue Virus sich von traditionellen Coronaviren in der Gefährlichkeit NICHT unterscheidet. Dies bringen die Autoren im Titel ihrer Arbeit »SARS-CoV-2: Fear versus Data« zum Ausdruck.

Meine 2. Frage
Wie sieht die gegenwärtige Auslastung von Intensivstationen mit Patienten mit diagnostizierten COVID-19 im Vergleich zu anderen Coronavirus-Infektionen aus, und inwiefern werden diese Daten bei der weiteren Entscheidungsfindung der Bundesregierung berücksichtigt? Außerdem: Wurde die obige Studie in den bisherigen Planungen zur Kenntnis genommen? Auch hier muß natürlich gelten: Diagnostiziert heißt, dass das Virus auch maßgeblichen Anteil an dem Krankheitszustand des Patienten hat, und nicht etwa Vorerkrankungen eine größere Rolle spielen.

3.  Verbreitung 
Laut eines Berichts der Süddeutschen Zeitung ist nicht einmal dem viel zitierten Robert-Koch-Institut genau bekannt, wieviel auf COVID-19 getestet wird. Fakt ist jedoch, dass man mit wachsendem Testvolumen in Deutschland zuletzt einen raschen Anstieg der Fallzahlen beobachten konnte. Der Verdacht liegt also nahe, dass sich das Virus bereits unbemerkt in der gesunden Bevölkerung ausgebreitet hat. Das hätte zwei Konsequenzen:

-   Erstens würde es bedeuten, dass die offizielle Todesrate  - am 26. 3. 2020 etwa waren es 206 Todesfälle bei rund 37.300 Infektionen, oder 0,55 % –  zu hoch angesetzt ist  

-   und zweitens, dass es kaum mehr möglich ist, eine Ausbreitung in der gesunden Bevölkerung zu verhindern.

Meine 3. Frage 
Hat es bereits eine stichprobenartige Untersuchung der gesunden Allgemeinbevölkerung gegeben, um die Realausbreitung des Virus zu validieren, oder ist dies zeitnah vorgesehen?

4.  Mortalität
Die Angst vor einem Ansteigen der Todesrate in Deutschland (derzeit 0,55 %) wird medial derzeit besonders intensiv thematisiert. Viele Menschen sorgen sich, sie könne wie in Italien (10%) und Spanien (7 %) in die Höhe schießen, falls nicht rechtzeitig gehandelt wird.

Gleichzeitig wird weltweit der Fehler begangen, virusbedingte Tote zu melden, sobald festgestellt wird, dass das Virus beim Tod vorhanden war – unabhängig von anderen Faktoren. Dies verstößt gegen ein Grundgebot der Infektiologie:   

Erst wenn sichergestellt wird, dass ein Agens an der Erkrankung beziehungsweise am Tod maßgeblichen Anteil hat, darf die Diagnose ausgesprochen werden. Die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften schreibt in ihren Leitlinien ausdrücklich: »Neben der Todesursache muß eine Kausalkette angegeben werden, mit dem entsprechenden Grundleiden auf der Todesbescheinigung an dritter Stelle. Gelegentlich müssen auch viergliedrige Kausalketten angegeben werden.«

Derzeit gibt es keine offiziellen Angaben darüber, ob zumindest im Nachhinein kritischere Analysen der Krankenakten unternommen worden, um festzustellen, wie viele Todesfälle wirklich auf das Virus zurückzuführen seien.  

Meine 4. Frage
Ist Deutschland dem Trend zum COVID-19 Generalverdacht einfach gefolgt?

Und: Gedenkt es, diese Kategorisierung weiterhin wie in anderen Ländern unkritisch fortzusetzen? Wie soll dann zwischen echten Corona-bedingten Todesfällen und zufälliger Viruspräsenz zum Todeszeitpunkt unterschieden werden?

5.  Vergleichbarkeit
Immer wieder wird die erschreckende Situation in Italien als Referenzszenario herangezogen. Die wahre Rolle des Virus in diesem Land ist jedoch aus vielen Gründen völlig unklar – nicht nur, weil die Punkte 3 und 4 auch hier zutreffen, sondern auch, weil außergewöhnliche externe Faktoren existieren, die diese Regionen besonders anfällig machen.

Dazu gehört unter anderem die erhöhte Luftverschmutzung im Norden Italiens. Laut WHO-Schätzung führte diese Situation 2006 auch ohne Virus zu über 8.000 zusätzlichen Toten allein in den 13 größten Städten Italiens pro Jahr. Die  Situation sich hat sich seitdem nicht signifikant verändert. Schließlich ist es  darüber hinaus auch erwiesen, dass Luftverschmutzung bei sehr jungen und älteren Menschen das Risiko viraler Lungenerkrankungen sehr stark erhöht.

Außerdem leben 27,4 % der besonders gefährdeten Population in diesem Land mit jungen Menschen zusammen, in Spanien sogar 33,5 %. In Deutschland sind es zum Vergleich nur 7 %. Hinzu kommt, dass Deutschland laut Prof. Dr. Reinhard Busse, Leiter des Fachgebiets Management im Gesundheitswesen an der TU Berlin, in Sachen Intensivstationen deutlich besser ausgestattet ist als Italien – und zwar etwa um den Faktor 2,5.

Meine 5. Frage 
Welche Bemühungen werden unternommen, um der Bevölkerung diese elementaren Unterschiede nahe zu bringen und den Menschen verständlich zu machen, dass Szenarien wie in Italien oder Spanien hier nicht realistisch sind?


Quelle und weiterführende Informationen auf
https://www.naturstoff-medizin.de/artikel/corona-krise-offener-brief-an-die-bundeskanzlerin-von-prof-sucharit-bhakdi/     30. 3. 20  resp.

https://www.docdroid.net/23IE5dj/sucharit-bhakdi-offener-brief-offentlichkeit-black.pdf   26. 3. 20 und