Auf den Trümmern des Krieges

Eine der uns von Brüssel erzählten Zielsetzungen lautet, dass sich die EU verpflichtet, mit anderen Partnern zusammen mutig und rasch zu handeln, um Frieden zu erzielen. Mit welchen Mitteln dies geschieht, ist dem nachfolgenden Text zu entnehmen. Auch die für uns als Internationale Gemeinschaft programmierten pervers hohen Kosten von 13 Milliarden US-$ sind Gegenstand der Mitteilung von German Foreign Policy

KABUL/POTSDAM/LEIPZIG/MÜNCHEN - (gfp.com) - Die Folgen der westlichen Islam-Provokationen lösen beim Einsatzführungskommando der Bundeswehr ernste Besorgnisse aus und erschweren den Kampfauftrag der Berliner NATO-Einheiten in Afghanistan. Die deutschen Besatzungstruppen stehen unter anhaltendem Druck afghanischer Massenproteste und versuchen, eine Militärbasis im Nordwesten des Landes zu sichern. Dort erschossen NATO-Einheiten, die als "International Security Assistance Force" (ISAF) unter UNO-Dach firmieren, am Dienstag vier Demonstranten; am Mittwoch wurden bei Zusammenstößen erneut vier Menschen umgebracht. Die Gesamtzahl der inzwischen getöteten Afghanen, die gegen blasphemische Ausfälle europäischer Medien protestieren und den Abzug der ausländischen Truppen verlangen, beläuft sich inzwischen auf zehn. Durch die Kämpfe werden Exportgeschäfte deutscher Unternehmen gestört. Auch der in wenigen Tagen vorgesehene Einstand des deutschen Außenamtsdiplomaten Tom Koenigs als UN-Beauftragter in Kabul verspricht ungünstige Begleitumstände. Die westliche Militärpolitik schwankt zwischen Konsolidierung (Afghanistan, Irak) und Eskalation (Iran, Syrien), um die islamisch geprägte Ressourcenregion unter Kontrolle zu bringen.
 
Nach dem Blutbad, das NATO-Truppen im Nordwesten Afghanistans anrichteten, hat die Bundeswehr mit Transporthubschraubern und einer Transall-Maschine die Sicherung des dortigen ISAF-Stützpunkts eingeleitet. In die deutsche Logistik einbezogen ist auch das Lufttransportkreuz Termez (Usbekistan) nahe der Nordgrenze Afghanistans. Dort hält das deutsche Militär auch Sanitätskräfte bereit. Die Entwicklung wird im Potsdamer Einsatzführungskommando der Bundeswehr mit erheblicher Besorgnis registriert. Angesichts der für März vorgesehenen Ausweitung des deutschen Besatzungsgebiets auf den gesamten Norden des Landes könne die jetzt entstandene Lage eine Verstärkung des deutschen Kontingents erforderlich machen, heißt es in Potsdam. Eine zunehmende Verwicklung in Kampfhandlungen wird nicht ausgeschlossen.
 
Großgerät
Die Bundeswehr tritt in Afghanistan mit schwerer Bewaffnung an, die einen Hinweis auf das für möglich erachtete Kriegsgeschehen gibt: Gepanzerte Truppentransporter ("Dingo"), Transportpanzer ("Fuchs") und sogenannte Waffenträger ("Wiesel"). Einen Großteil der deutschen Heerestruppen stellt die 7. Panzerdivision. Ihr Kommandeur lobte noch am vergangenen Wochenende "die harte und fordernde Ausbildung der hier eingesetzten Soldaten in Vorbereitung auf den Einsatz unter schwierigen Bedingungen".[1] Eine Erhöhung der Truppenstärke kann laut Parlamentsbeschluss von gegenwärtig rund 2.000 auf 3.000 Soldaten vorgenommen werden. Für den Antransport neuen Großgeräts in das Kampfgebiet steht in Kürze der Flughafen Leipzig zur Verfügung.[2]
 
Instrukteure
Bei der Abwehr der Massenproteste setzt die afghanische Polizei Schusswaffen ein und tötete am gestrigen Mittwoch mehrere Landsleute. Ihre Ausbildung erhielten die einheimischen Polizeieinheiten durch deutsche Instrukteure. Diese Tätigkeit hält an. Damit führt Berlin seine frühere Kolonialpolitik fort, bei der es bereits in den 1930er Jahren zur Beistellung deutscher Sicherheitskräfte im afghanischen Polizeiwesen kam.[3] Die Anbindung wird noch in diesem Monat ausgeweitet und soll dann auch Grenz- und Fernstraßenpolizeien einbeziehen. Eine entsprechende Planungskonferenz sieht vor, dass deutsche Instrukteure die "internationale afghanische Polizeikooperation" anleiten.[4] Auch jenseits der afghanischen Grenze stehen deutsche Uniformierte, die das Berliner Innenministerium schickt: Mit Blickkontakt in die deutsche Besatzungszone des Landes, jedoch auf tadschikischem Hoheitsgebiet führt das Bundeskriminalamt (BKA) ein sogenanntes Pilotprojekt durch.[5] Dabei werden BKA-Beamte mit den Polizeikräften Tadschikistans die Verfolgung von Opiumhändlern proben - ein weiteres Unternehmen, das den Widerstand der örtlichen Bevölkerung hervorrufen wird und unter ausländischer Ägide nicht gelingen kann.[6]
 
Luftbuchung
Die aktuelle afghanische Aufstandsbewegung durchkreuzt PR-Maßnahmen der NATO-Staaten, deren Verkündung in der vergangenen Woche in London verabredet worden war. Demnach sollten die USA einen Schuldenerlass für Kabul offerieren, um die Befriedung des Landes zu fördern. Deutschland und die EU wollten sich anschließen. Die Mitteilung Washingtons ("Stabilisierung") erfolgte am Montag, aber war bereits von der Protestwelle überschattet. Gestern zog Berlin nach und sah die Würdigung seiner angeblichen Großzügigkeit (37 Millionen Euro) in den Attacken afghanischer Demonstranten untergehen. Bei dem vermeintlichen Schuldenerlass handelt es sich um die Streichung uneintreibbarer Verbindlichkeiten: Der afghanische Staatshaushalt wird zu 90 Prozent aus Fremdmitteln gespeist, die u.a. Berlin beisteuert, um das Besatzungsregime aufrechtzuerhalten. Der sogenannte Schuldenerlass ist eine Luftbuchung.
 
Nachfrage
Reale Werte will die deutsche Wirtschaft bei einer heute beginnenden Konferenz in München realisieren. Die Industrievertreter treffen mit einer Delegation der "Afghanischen Investionsförderungsagentur" (AISA) zusammen. Auch die hier in Frage stehenden (Auftrags-)Gelder entstammen westlichen Quellen und werden unter den Interessenten lediglich umverteilt. "Die internationale Gemeinschaft wird bis 2010 über 13 Mrd. US-Dollar in den Wiederaufbau der Infrastruktur und der staatlichen Institutionen investieren", bestätigt der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI): "Daraus folgt, dass Afghanistan durch die hohe Nachfrage seitens der Geber, der internationalen Schutztruppe und durch den wirtschaftlichen Aufschwung (2005: ca. 13 Prozent Wirtschaftswachstum) zunehmend interessante Möglichkeiten für europäische Unternehmen bietet."[7] Wie die Ausführungen zeigen, wird auf den Trümmern des Krieges eine selbst induzierte Nachfrage geprobt, die nach neuen Trümmern verlangt.
 
Zögern
Diesen Perspektiven kommen die westlichen Provokationen entgegen, in deren Folge Haß und Gewaltbereitschaft gefördert werden.[8] Zwar eignet sich der anti-islamische Kulturkampf für Eskalations-Strategien, um in Teheran und Damaskus Regimewechsel vorzubereiten. Einer Konsolidierung in Kabul und Bagdad sind die Ereignisse jedoch nicht förderlich und gelten bei den dortigen Besatzungstruppen als kontraproduktiv. Diese widersprüchliche Interessenlage erklärt das anhaltende Zögern der europäischen Regierungen, die die anti-islamische Propagandawelle einerseits mäßigen, ohne sie andererseits unterbinden zu wollen.
 
http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/56238  vom 9. 2. 06
 
[1] Kommandeur 7. Panzerdivision zu Besuch in Afghanistan; Bundeswehr im Einsatz 03.02.2006
[2] s. dazu Windiges aus der deutschen Luftfahrt und Atomwaffen inklusive
[3] s. dazu Zurück blieben Tote
[4] Die Konferenz ist für Ende Februar in der Hauptstadt von Katar angesetzt. Zweite Regionale Konferenz zum Wiederaufbau der Polizei in Afghanistan in Katar - Doha II; www.auswaertiges-amt.de
[5] s. dazu Praktische Unterstützung
[6] Ähnliche Bemühungen im früher besetzten China und Indochina sind stets gescheitert, wenn sie unter der Aufsicht der Kolonialmächte standen. Erst souveräne Regierungen waren in der Lage, die mit dem Opiumhandel verbundenen Erwerbsinteressen zu kompensieren.
[7] Wiederaufbau Afghanistan: Chancen für europäische Unternehmen; www.bdi-online.de/de/fachabteilungen/start_internationale_maerkte.htm
[8] s. auch Hass und Kriegsbereitschaft