Strafanzeige wegen Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhauptes


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Armin Fiand
Rechtsanwalt
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Armin Fiand, Minsbekweg 4 a, 22399 Hamburg

Staatsanwaltschaft Nürnberg
Fürther Str. 112


90429 Nürnberg
 
 
23. Juni 2006
 
 
Sehr geehrte Damen und Herren,
 
 
ich erstatte
 
Strafanzeige
 
gegen
 
1.    den bayerischen Innenminister Dr. Günther Beckstein


2.    den Publizisten Dr. Michel Friedmann
 
wegen
 
Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhauptes,
§§ 103,104 a
StGB.
 
1.
 
Die Beschuldigten sind am 11. Juni 2006 kurz vor dem WM-Spiel Mexiko- Iran in Nürnberg auf einer öffentlichen, vor allem von der jüdischen Gemeinde in Nürnberg organisierten Kundgebung gegen die "israelfeindliche Politik Irans" als Redner aufgetreten. In ihren Redebeiträgen haben sie den iranischen Staatspräsidenten Mahmud Ahmadinedschad als "Verbrecher" (Beckstein), als "Schwer- verbrecher" (Friedmann) und als "Hitler des 21. Jahrhunderts" (Friedmann) bezeichnet.
 
Daß die Beschuldigten sich derart geäußert haben, ergibt sich aus der Berichterstattung in den Medien. Die Beschuldigten werden ihre Äußerungen vermutlich auch nicht in Abrede nehmen.
 
2.
 
Die Bezeichnung "Verbrecher" oder gar "Schwerverbrecher" ist für den iranischen Staatspräsidenten beleidigend. Das gleiche gilt für den Vergleich mit "Hitler".
 
"Hitler" steht für grausame Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Unter seiner Führung hat Deutschland zahlreiche Vernichtungs- und Raubkriege geführt, andere Völker überfallen, unterjocht und ausgebeutet. Hitler hat den zweiten Weltkrieg angezettelt. In diesem Krieg haben ca. 55 Millionen Menschen ihr Leben verloren. Hitler hat die systematische Vernichtung von Juden und politischen Gegnern betrieben. Millionen Menschen sind dem staatlich organisierten Verfolgungs- und Mordgeschehen zum Opfer gefallen.
 
Worin – so muß man fragen – bestehen hier auch nur annähernd Parallen zwischen Hitler und Ahmadinedschad?
 
Iran hat keine völkerrechtswidrigen Kriege geführt. Der Krieg mit dem Irak war ein legitimer Verteidigungskrieg. Angegriffen hat der Irak unter Saddam Hussein. Mit Unterstützung der USA. Den Irak stark zu machen, entsprach ihren damaligen geostrategischen Interessen im Nahen Osten.
 
3.
 
Die Herren Beckstein und Friedmann haben sich nicht verhaspelt. Sie haben das gesagt, was sie sagen wollten. Beide haben den iranischen Staatspräsidenten angegriffen und ihn ganz bewußt in seiner Ehre herabgesetzt.
 
Ihre Behauptungen sind erweislich unwahr und entsprechen in keiner Weise den historischen Tatsachen. Ihre Äußerungen hatten und haben keinen anderen Sinn und Zweck als den, im Rahmen einer vorbereitenden psychologischen Kriegführung Stimmung gegen den Iran und seinen Staatspräsidenten zu machen. Der Westen betreibt seit Monaten gegen den Iran und Ahmadinedschad eine üble Schmutz- und Verleumdungs- kampagne, deren Ziel es ist, die Öffentlichkeit auf einen eventuellen Krieg der USA und/oder Israel gegen Iran vorzubereiten und einzustimmen. Wie gehabt. Denn genauso war es auch im Falle des Irak. Erst wurde Saddam Hussein, den man jahrelang gehätschelt hatte, systematisch als Feindbild aufgebaut und verteufelt. Dann wurde der Irak überfallen, wobei Hirngespinste und Lügen (Massenvernichtungswaffen, Kumpanei mit Al Qaida) als Kriegsgrund herhalten mußten. Im Falle des Iran ist Interventionspunkt dessen angebliches Streben nach Atomwaffen, obwohl es dafür keine "belastbaren" Fakten gibt. Dies wird einfach nur so in den blauen Dunst hinein behauptet in der – wohl berechtigten - Hoffnung, daß, wenn man es nur oft genug wiederholt, schon irgendetwas hängen bleiben werde.
 
4.
 
Man fragt sich, warum so intelligente Männer wie es zweifelsohne die beiden Beschuldigten sind, sich nicht die  Mühe machen, einmal nachzulesen, was der der iranische Staatspräsident Ahmadinedschad denn nun tatsächlich und vor allem: originär zu den Themen "Holocaust" und "Israel" gesagt hat. Aber präzises Wissen erweist sich bekanntlich sehr oft als hinderlich für das eigene Tun. Deshalb verschließt man lieber die Augen und bleibt bei dem, was man sich zurechtgelegt hat und anderen beibringen möchte.
 
5.
 
Ahmadinedschad hat dem "Spiegel" vor kurzem ein Interview (Ausgabe Nr. 22 vom 29.05.2006) gegeben). Ich lege dieses Interview als
 
Anlage 1
 
vor.
 
An welcher Stelle wird der Holocaust geleugnet? An welcher Stelle ist davon die Rede, daß Israel "ausradiert" oder "ausgerottet" werden müsse?
 
Was der iranische Staatspräsident Ahmadinedschad hervorheben wollte,  ist dies:
 
Wenn die Europäer, inbesondere die Deutschen, sich schon selbst  bezichtigen, sechs Millionen Juden im Holocaust umgebracht zu haben, warum leisten sie dann nicht Wiedergutmachung in der Weise, daß sie die überlebenden Juden in Europa, beispielsweise in Deutschland, ansiedeln anstatt sie den Palästinensern, die mit dem Holocaust nichts zu tun haben, in einem Staat namens Israel "vor die Türe" zu setzen? Und warum läßt man keine Diskussion über den Holocaust als geschichtliches Ereignis zu, sondern verordnet von Staats wegen den Holocaust als Wissen, das jeder zu besitzen habe, wenn er nicht Gefahr laufen will, bestraft zu werden?
 
Was soll daran, insbesondere aus iranischer Sicht, so falsch sein?
 
6.
 
Falsch ist ganz bestimmt die Position, die Herr Friedmann einnimmt, wenn er sagt, Ahmadinedschad müsse, wenn er nach Deutschland einreise, sofort verhaftet und wegen Leugnung des Holocaust angeklagt werden. Das ist nicht nur falsch, sondern schlicht unsinnig, was umso schlimmer ist, als Herr Friedmann als Volljurist und Rechtsanwalt eigentlich wissen sollte, was Sache ist.
 
Ahmadinedschad kann und darf sich so äußern wie er das im Interesse der iranischen Poltik für richtig hält. Er unterliegt weder der in Deutschland erwünschten, empfohlenen oder gar verordneten poltischen Sprachregelung noch der deutschen Gerichtsbarkeit.   Die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen Ahmadinedschad kommt schon schon deshalb nicht in Betracht, weil ausländische Staats- und Regierungschefs regelmäßig personale bzw. funktionale Immunität nach den allgemeinen Regeln des Völkerrechts (vgl. Folz/Soppe NStZ 1996, 576 <578> m.w.N.; Kreß, GA 2003, 25 <27>) genießen. Sie unterliegen daher gemäß § 20 Abs. 2 GVG grundsätzlich nicht der deutschen Gerichtsbarkeit (Kissel, Komm. zum GVG, § 20 Rn. 2 m.w.N.).
 
 
Es ist also gar nicht zulässig, Ahmadinedschad irgendeinen Maulkorb umzuhängen oder ihn für das, was er sagt, nach deutschem Recht zu belangen. Was zu sagen er als Staatsmann verantworten kann, muß er selbst wissen. Weder Herr Beckstein noch Herr Friedmann sind dazu berufen, ihm Vorschriften zu machen oder Verhaltensregeln mit auf den Weg zu geben. Herr Friedmann aus den hinlänglich bekannten Gründen schon gar nicht.
 
7.
 
Die Herren Beckstein und Friedmann sollten sich besser damit beschäftigen, daß sie, wenn sie als Friedensapostel und Beschützer Israels auftreten, ein großes Glaubwürdigkeitsproblem haben.
 
Mir ist nichts davon bekannt, daß die Herren sich jemals auf einer Kundgebung zu Wort gemeldet hätten, in der es darum ging, Flagge gegen den völkerrechtswidrigen Krieg der USA und ihrer Verbündeten gegen den Irak zu zeigen. In diesem Krieg sind bisher über 100.000 Menschen (Zivilisten, meist Frauen und Kinder) zu Tode gekommen.
 
Ich habe auch nichts davon gehört, daß einer von ihnen jemals beanstandet hätte, daß Israel - trotz gegenteiliger Beteuerungen - über Atomwaffen verfügt, die einsatzbereit sind und die sich unschwer gegen den Iran richten lassen und daß die abgelöste rot-grüne Bundesregierung in einer ihrer letzten Amtshandlungen noch schnell dem Verkauf von zwei hochmodernen U-Booten an Israel zugestimmt hat, die sich ohne Schwierigkeit zu Atom-Unterseebooten umrüsten lassen.
 
Das aufzugreifen, würde natürlich nicht in das falsche Freund-Feind-Schema passen, das die beiden Beschuldigten verbreiten. Israel verkörpert das Gute, der Iran das Böse. So simpel ist das.
 
 
 
8.
 
Die Vorschrift des § 104 a StGB ist mir bekannt. Die Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhauptes kann hiernach strafrechtlich nur dann verfolgt werden, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen:
 
·        die Bundesrepublik Deutschland muß zu dem anderen Staat diplomatische Beziehungen unterhalten
 
·        die Gegenseitigkeit muß verbürgt sein
 
·        die ausländische Regierung muß ein Strafverlangen stellen 
 
und
 
·        die Bundesregierung muß die Ermächtigung zur Strafverfolgung erteilen.
 
9.
 
Ob die "Gegenseitigkeit" im Verhältnis Deutschlands zum Iran verbürgt ist, vermag ich nicht zu beurteilen. Diese Frage kann jedoch unschwer geklärt werden, indem die Staatsanwaltschaft Auskünfte vom  Bundesjustizministerium und vom Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht einholt.
 
10.
 
Daß die iranische Regierung durch ihre Botschaft in Berlin möglicherweise bisher noch kein Strafverlangen gestellt und die deutsche Bundes- regierung bisher noch keine Ermächtigung zur Strafverfolgung erteilt hat, steht der Einleitung eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens nicht im Wege.
 
Das ergibt sich zwanglos daraus, daß nach § 127 III, 130 StGB sogar vorläufige Festnahme und Haftbefehl zulässig sind,  auch wenn Strafverlangen und Ermächtigung noch nicht vorliegen (Tröndle/Fischer 49. Aufl. Rdn. 6 zu § 104 a StGB mit weiteren Nachweisen).
 
Nr. 210 der Richtlinien für das Strafverfahren bestimmt überdies:
 
Bei Handlungen gegen ausländische Staaten (§ 102 bis 104 a StGB) soll der Staatsanwalt beschleunigt die im Interesse der Beweissicherung notwendigen Ermittlungen durchführen sowie die Umstände aufklären, die für die Entschließung des verletzten ausländischen Staates, ein Strafverlangen zu stellen, und für die Entschließung der Bundesregierung, die Ermächtigung zur Strafverfolgung zu erteilen, von Bedeutung sein können.
 
So ist – quasi "vorsorglich" - von den Strafverfolgungsbehörden auch verfahren worden, als es darum ging, unliebsame Protestanten aus dem Verkehr zu ziehen (ihre Personalien festzustellen und Verfahren gegen sie einzuleiten), die  man verdächtigte, mit dem Text auf ihren Plakaten und Spruchbändern ("Bush ist ein Verbrecher", "Bush ist ein Mörder") den US-Präsidenten beleidigt zu haben.
 
11.
 
Ich bitte, mir den Eingang der Strafanzeige zu bestätigen und mir das Aktenzeichen mitzuteilen, unter dem der Vorgang bearbeitet wird.
 
 
 
 
 
Mit freundlichen Grüßen
 
 
 
( Fiand )