16. 7. 06 Offener Brief an den Südwestrundfunk SWR2

Ihre Berichterstattung zum Bush-Besuch vom 14. 7. 06 Sehr geehrte Damen und Herren, Ihr Bericht über den Besuch von Präsident Bush hätte für meine Begriffe kaum noch rührend-kitschiger ausfallen können, so richtig für die Alltagspresse, damit dass Image der deutschen Kanzlerin auf Hochglanz bleibt. Ich sehe hier einen Rückfall ins Zeitalter der Hofschranzen, der rückgratlosen Wendehälse; andernfalls wäre es kaum möglich gewesen, dass sich Bürger bereitfanden, um mit Bush, der ein Inferno mit grauenhaften Folgen im Irak entfesselt hat, zusammenzutreffen. Was das von Ihnen vermerkte Sichbesserkennenlernen betrifft, so denke ich, dass dies als Grund eher ausscheidet, war Angela Merkel doch bereits genügend oft in Washington. Wenn Frau Merkel im übrigen einen Mann wie Kissinger bei ihrer Ansprache am 4. Mai 2006 in New York vor der Amerikanischen Handelskammer mit lieber Herr Kissinger anredet, dann kann ich ungefähr abschätzen, wie es um meine Demokratie steht.

Als speziell lächerlich erachte ich persönlich auch Ihr statement, „Angela und Laura beeindrucken sich gegenseitig“. Was Laura Bushs Eloge betrifft, Frau Merkel sei "so offen, freimütig, geradeheraus, sie sage, was sie denke. ….. Mein Mann und ich mögen sie sehr ",  
so gehe ich sicherlich nicht fehl in der Annahme, dass nach Abu Ghraib, Guantánamo und dem Patriot Act kaum jemand Wert auf eine Anerkennung durch die Bushs legen kann. Ferner betrachte ich es als ausgesprochen naiv, wenn Laura Bush der Öffentlichkeit erklären will, dass Angelal Merkel sage, was sie denkt. Da hätte Frau Merkel, die sich letztes Jahr zusammen mit Friedbert Pflüger, Otto Schily und Gerhard Schröder auf der jährlichen Bilderberger-Konferenz in Rottach-Egern eingefunden hatte, der Bevölkerung längst berichten müssen, welche Strategien dort besprochen wurden. Als ob irgend jemand, der sich in den politischen Hintergrund eingelesen hat, derartige, von mir als glatte Phrasen empfundene Lobreden noch ernstnehmen könnte. Was die Höflichkeit der Gegenseite betrifft, die bei einer solchen Gelegenheit ja auch zum Ausdruck kommen muss, so meinte die Bundeskanzlerin, sie habe den Eindruck, dass Laura Bush "genau weiss, was sie will, dass sie weiss, was sie interessiert. Und dass sie mit dem, was sie interessiert, natürlich auch ihren Mann sehr gut ergänzen kann". Man ist fassungslos, was einem so geboten wird. Angesichts  zahlreicher Aussagen des US-Präsidenten, die meiner Auffassung nach nur noch als grotesk zu werten sind, von den den Irakkrieg einleitenden Lügen ganz abgesehen, frage ich mich, ob Frau Bush begreift, was sich im Irak resp. auf diesem Globus abspielt und wozu der Kampf gegen den Terror dient, so dass es sich bei der zitierten Ergänzung, so steht zumindest zu befürchten, eher um eine Bestärkung der Sicht des Präsidenten handeln dürfte. Und wieder einmal hat Bush die Deutschen eine Menge Geld gekostet. Dieses Mal 20 Millionen €, bei leerer Staatskasse.
 
Ich frage mich, ob der Redaktor dieser Zeilen nach allem, was über die Bushfamilie und die von Washington unter dem Etikett ‚präemptiv’ konzipierten Angriffsmöglichkeiten bekannt ist, nicht das Gefühl hatte, sich hier zu erniedrigen. Sie werden ja wohl nicht glauben, dass sich unter denjenigen, die Bushs ‚Taten’ verfolgt haben, auch nur ein einziger Bürger findet, der Ihnen diesen Bericht abnimmt. Ich selbst darf Ihnen abschliessend versichern, dass ich mich durch eine derartige Darstellung restlos verdummt fühle. Aber letztlich passt diese in das Bild der politischen Verlogenheit, die die wahren Umstände in steigendem Masse entstellt.    Mit freundlichen Grüssen Doris Auerbach 
 
 
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