Rede von Magdi Gohary am 21.07.06 um 17:00 Uhr auf dem Odeonsplatz in München:

Die Älteren unter uns können sich vielleicht noch daran erinnern: 1967 drohte der Oberbefehlshaber der US-Truppen in Vietnam, General Westmoreland, das Land "in die Steinzeit zurückzubomben". Heute, 39 Jahre danach, drohte der israelische Armee-Chef General Dan Halutz dem Libanon "wir können die Uhr um 20 Jahre zurückdrehen" Herr General, das ist schon getan. Ihre Armee hat die meisten Brücken, einen Großteil der Elektrizitätswerke, viele Hauptstraßen, den Großflughafen, den Seehafen Beiruts zerstört. 600?000 Libanesen sind auf die Flucht, d.h. jeder sechste. Über 400 Tote und tausende Verletzte haben die Bekanntschaft mit Ihrer Militärmaschine, der stärksten im gesamten Nahen und Mittleren Ostens, gemacht.

Warum tun sie das? Sie, Premierminister Olmert, Sie früherer Gewerkschaftsboss und heutiger Verteidigungsminister Amir Peretz, Sie Nobelpreisträger Shimon Peretz, warum tun sie das alles? Sie sagen, Sie verteidigen sich. Und die Großen der weiten Welt - allerdings nur die Großen - haben Ihrer Regierung dieses Recht auf dem G8-Gipfel in St Petersburg zugestanden, mit der kleinen zaghaften Bitte, die „Verhältnismäßigkeit“ nicht außer Acht zu lassen. Was ist "verhältnismäßig"? Vielleicht bitte nur die Hälfte der Toten, der Verletzten, der zerstörten Stromversorgungsanlagen usw.? Als einzige Interpretation der Beschlüsse in Petersburg bleibt also, dass Ihre Regierung grünes Licht bekommt, zu töten und zu zerstören, aber bitte mit Augenmaß. Wir sehen täglich, welches Maß das ist. Dafür schäme ich mich zutiefst als Bürger Deutschlands, eines der Staaten, deren Regierung den St.Petersburger Beschluss befürwortet.
 
Angriff auf Gaza
Aber wogegen verteidigt sich Israel eigentlich?  Es heißt, gegen die Angriffe der Hisbollah Libanons. Ebenso wie man es gegen die  Hamas im Gaza-Streifen exerziert. Ein paar Anmerkungen zu Gaza: Hamas-Militante im Gaza haben einen israelischen Soldaten entführt. Übrigens dieselbe Hamas, die Ende der 70er Jahre unter israelischer Besatzung in Gaza entstanden ist und von Israel als Gegengewicht zur damaligen Exil-PLO wohlwollend geduldet, ja teilweise gefördert wurde. Muss man zur Verteidigung halb Gaza zerstören? Muss man fast über100 Palästinenser töten? Muss die Hälfte der demokratisch gewählten Regierung gekidnappt werden?
 
Wir wissen heute, dass die Militäroffensive in Gaza keine spontane Antwort auf eine Entführung war, sondern schon lange geplant war. Übrigens, viele Infrastruktur-Einrichtungen in Gaza, die in den letzten Wochen zum wiederholten Male zerstört wurden, sind zum Teil mit EU-Steuergeldern gebaut worden. Ich möchte den deutschen Politiker sehen, der das Rückgrat hat, Schadenersatzforderungen an die Adresse Israels zu stellen.
Was wollen Sie mit den Aktionen im Gaza erreichen Herr Olmert? Vielleicht davon ablenken, dass der sogenannte Rückzug aus diesem Gebiet des vergangenen Jahres ohne palästinensische Partner gescheitert ist. Dieser Rückzug war offenbar als Experiment für den Plan gedacht, sich aus einem Teil der Westbank ohne irgendein Abkommen mit den Palästinensern zurückzuziehen. Der größte Teil der völkerrechtswidrig errichteten jüdischen Siedlungsblöcke bleibt jedoch bestehen. Olmert hat bei seinen Besuch im Weißen Haus vor ungefähr einem Monat für diesen Westbank-Plan grünes Licht von G. W. Bush bekommen.
 
Das A und O der Nahost-Frage ist aber die Lösung des Palästinaproblems, und zwar unter Beteiligung der Palästinenser. Das wird von immer mehr Israelis auch so gesehen. Ich stimme ganz und gar mit dem israelischen Historiker Tom Segev überein, der vorgestern in einem Interview mit Spiegel-online ausführte, dass der Krieg mit den Libanon von dem wirklichen Problem Israels ablenke. Als der Spiegel darauf hin fragte: "und was wäre das?", antwortete Tom Segev, ich zitiere: „Die Beziehungen zu den Palästinensern. Wir sagen jetzt, dass die Gefahr aus dem Iran kommt, weil Teheran die Hisbollah unterstützt. Aber unser Problem liegt in Gaza und in Nablus, nicht in Beirut. Selbst wenn die Amerikaner den Iran erobern würden, bliebe unser Grundproblem bestehen: Die Beziehungen zu den Palästinensern.“ Aber palästinensische Partner sind für Israel unerwünscht. Arafat war kein Partner für Israel, er galt als Terrorist. Mahmud Abbas ebenfalls nicht, weil er die Hamas nicht entwaffnen wollte oder konnte. Die demokratisch gewählte Regierung der Hamas erst recht nicht, weil sie Terroristen sind. Was tun? Weil man jeden palästinensischen Partner ausschließt, darf man tun, was man selber will, man nimmt sich grenzenlose Freiheit. So werden auch Grenzen nach Gutdünken gezogen und eine Trennmauer hochgebaut. Das Resultat ist ein lebensunfähiger Flickerlteppich, mit dem sich die Palästinenser begnügen sollen.
 
Die Libanon-Offensive
Und nun verteidigt sich Israel auch noch im Libanon. Gegen die Hisbollah. Weil die Hisbollah zwei Soldaten zwecks Gefangenenaustausch entführt hat. Vergessen wir aber nicht, daß die Hisbollah 1982 als Widerstandsbewegung gegen die israelische Besatzung des Südlibanons gegründet wurde. Ariel Sharon ist de facto für für die Gründung der Hisbollah verantwortlich. Auch nach dem israelischen Rückzug in 2000 herrschte alles andere als Frieden an der Nordgrenze Israels: Es gab Entführungen, gezielte Tötungen, Bombardierungen schiitischer Dörfer durch die  iraelische Luftwaffe, Katjuscha-Beschuß nordisraelischer Orte und auch Gefangenenaustausch. Noch einmal der israelische Historiker Tom Segev: „ Die Entführung der beiden Soldaten ist keine Rechtfertigung, um so eine Krise loszutreten… Es sieht viel mehr aus, als ob die Militäraktion vorbereitet war und man bloß auf eine Gelegenheit wartete.
 
Die Schere zwischen öffentlicher und veröffentlichter Meinung
Mich beschäftigt seit Tagen die Frage, warum in Deutschland bis heute keine repräsentative Umfrage über die Stimmung der deutschen Bevölkerung zum Krieg im Nahen Osten erhoben wurde. Es werden ja auch sonst Umfragen zu allem und jedem durchgeführt. Ich vermute, die Ergebnisse einer solchen Umfrage würden wohl bestätigen, dass es eine tiefe Kluft zwischen dem, was man uns stündlich in Bild, Ton und Text erzählt, also der veröffentlichten Meinung, und dem, was die Menschen hier und überall denken, also der öffentlichen Meinung. gibt. Vor einem solchen Ergebnis haben gerade die Machteliten der Politik und der Medien grosse  Angst. Sie haben Angst davor, zu erfahren, dass wir nicht so funktionieren wie sie es gerne hätten. Diese Angst ist in der Tat berechtigt. Wir aber sollten das Meinungsmonopol von Politikern und Medien unterlaufen, wir sollten uns selber informieren. Die Wahrheit kann nicht ewig unterdrückt werden. Die Menschen haben selbst genug Fantasie und Vorstellungskraft, um sich ausmalen zu können, was die eingesetzte Kriegsmaschinerie anrichtet, z.B. was es bedeutet, eine 23-Tonnen-Bombe auf ein einziges Gebäude in Südbeirut abzuwerfen.
 
Welche Ziele werden im Libanon verfolgt?
Bush wird erst dann für einen Waffenstillstand im Libanon und in Gaza grünes Licht geben, wenn die Hisbollah und die Hamas zerschlagen sind. Deshalb wurde Israel für 2-3 Wochen von der Leine gelassen. Bush, Olmert und die Hofkommentatoren werden nicht müde, die Schuldigen in Teheran und Damaskus zu suchen. Ich fürchte sehr, dass die Zerstörung der Infrastruktur des Libanons unter Inkaufnahme der sogenannten „Kollateralschäden“ auch eine Testlaufphase für größere Ungeheuerlichkeiten darstellt. Der eigentliche Adressat ist Teheran, und zwar sowohl die Mullahs als auch die iranische Bevölkerung.
 
Die Botschaft an den Iran könnt wie folgt lauten:
Das steht euch bevor, wenn Ihr auf unsere Bedingungen nicht eingeht. Wir können, ohne einen einzigen Soldaten ins Landesinnere zu schicken, eure Wasser- und Stromversorgung, eure Brücken, eure Verkehrsstrukturen und auch euer Militär lahm legen. Wir können Millionen obdachlos und zu Flüchtlingen machen und nebenbei soviel Kollateralschäden herbeiführen, wie wir wollen. Schaut genau hin, was hier in Gaza und im Libanon geschieht. Und noch wichtiger: Ihr seht, dass die Welt tatenlos zusehen wird, wie es jetzt der Fall ist. Eure Führer sind das Böse und wir sind die Teufelsaustreiber. Meine lieben Freunde, die Vorbereitungen zur Umsetzung dieses Szenario laufen seit Monaten auf Hochtouren. Die iranischen Führer sind bereits dämonisiert. Nach den sogenannten "Erfolgen" des Irakkrieges, kann aber keiner mehr sagen, er hätte ja nicht gewusst, welche Katastrophe sich da letzlich anbahnt.
 
Die politische Klasse Deutschlands schweigt zu den Ungeheuerlichkeiten, die heute vor unseren Augen in Libanon und im Gaza-Streifen geschehen. Das ist eine Schande Frau Merkel. Sie wagen es nicht einmal, das Wort "bedingungsloser Waffenstillstand" in den Mund zu nehmen. Sie bremsen und sabotieren Pläne in der nicht immer einheitlichen EU, Israels Handlungsweise beim richtigen Namen zu nennen. Allein schon das Wort "völkerrechtswidrig" ist für Sie und Ihre Partei ein Sakrileg, das den Urheber mit empörten Rücktrittsforderungen konfrontiert. Sie ergeben sich blind und rücksichtslos, nicht nur der Diktion, sondern auch der abenteuerlichen Politik ihres Mentors in den USA. Was zwingt Sie eigentlich, sich auf die Seite der Zyniker stellen? Sie folgen dem Zynismus der Macht und vergessen die Moral. Damit erweisen Sie, Frau Bundeskanzlerin den Interessen der Menschen in Deutschland einen schlechten Dienst.
 
Was tun?
Große Teile der deutschen Friedensbewegung scheinen seit dem Beginn des Irakkrieges resigniert. Aber besteht wirklich Grund zur Resignation, weil dieser Krieg nicht verhindert werden konnte? Schließich war die Weigerung der Schröder-Regierung, sich am Irak-Krieg zu beteiligen - auch wenn nicht ganz astrein - ein Erfolg der Friedensbewegung. In Tel-Aviv sind über 1000 Israelis gegen den Krieg auf die  Straße gegangen. Morgen organisiert Uri Avnery eine Antikriegskundgebung auf dem Rabin-Platz. Gusch Schalom  veranstaltet am selben Tag eine Demonstration in Amsterdam. Alle diese Aktivitäten stehen unter den Motto „Stop that Shit“. Ich begrüsse dieses andere Israel. Es wird sicher lange dauern. Aber irgendwann und um mit Bert Brecht zu sprechen: „Die Nacht hat 12 Stunden, dann kommt schon der Tag“, wird eines Tages das andere Israel, Israel des jüdischen Geistes, Israel des Antimilitarismus mit den Palästinenser und Libanesen und Syrer einen anderen Nahen Osten gemeinsam aufbauen. Und es ist mir egal, wie diese Staaten dann heißen, und ob auf dem historischen Boden Palästinas ein oder zwei Staaten enstehen ist mir auch egal. Aber es wird ein Naher Osten sein, wo keine Mutter und kein Vater jemals ein zerfetztes Kind oder ein zerbombtes Haus sehen wird. Dieser Tag wird kommen. Wir müssen wachsam sein. Der Nahe Osten ist direkter Nachbar zu Europa. Der Libanon ist genau 120 km von der EU-Insel Zypern entfernt. Wenn das Nachbarhaus brennt, muß man löschen. Das ist eine Frage auch der eigenen Sicherheit. Wir werden es nicht zulassen, daß sich unsere Regierung dem Abtenteurerkurs von Bush und Olmert anschließt. Kriege werden von Menschen gemacht. Kriege werden von Menschen verhindert und beendet. Wir lassen uns nicht in die große Katasrophe führen.
Magdy Gohary
Bad-Wiessee-Str. 12, 81547 München
+49 89 69758057, mobile +49 1794792448
magdi.gohary@t-online.de
 
Als Ergänzung zu diesen Worten bringen wir noch folgenden Auszug aus
http://www.waynemadsenreport.com/ vom 25. Juli 2006

(vgl. Titelphoto)  
 
Israeli dual/multi-use WMD and badly burnt body of young Lebanese girl with telltale signs of white phosphorous attack.
July 22/23, 2006 -- The Israeli invasion of Lebanon was planned between top Israeli officials and members of the Bush administration. On June 17 and 18, former Israeli Prime Minister Binyamin Netanyahu and Likud Knesset member Natan Sharansky met with Vice President Dick Cheney at the American Enterprise Institute conference in Beaver Creek, Colorado. There, the impending Israeli invasions of both Gaza and Lebanon were discussed. After receiving Cheney's full backing for the invasion of Gaza and Lebanon, Netanyahu flew back to Israel and participated in a special "Ex-Prime Ministers" meeting, in which he conveyed the Bush administration's support for the carrying out of the "Clean Break" policy - the trashing of all past Middle East peace accords, including Oslo. Present at the meeting, in addition to Netanyahu, were current Prime Minister Ehud Olmert and former Prime Ministers Ehud Barak and Shimon Peres. Former Prime Minister Yitzhak Shamir is very old and suffers from dementia and Ariel Sharon remains in a coma after a series of strokes.
After the AEI meeting, Sharansky, who has the ear of Bush, met with the Heritage Foundation in Washington and then attended a June 29 seminar at Philadelphia's Main Line Haverford School sponsored by the Middle East Forum led by Daniel Pipes. Sharansky appeared with Pennsylvania Senator Rick Santorum who this past Thursday was beating the war drums against Syria, Iran, and "Islamo-fascism" in a fiery speech at the National Press Club attended by a cheering section composed of members of the neocon Israel Project, on whose board Santorum serves along with Georgia Sen. Saxby Chambliss and Virginia GOP Rep. Tom Davis.
Our Washington sources claim that the U.S.-supported invasions of Gaza and Lebanon and the impending attacks on Syria and Iran represent the suspected "event" predicted to take place prior to the November election in the United States and is an attempt to rally the American public around the Bush-Cheney regime during a time of wider war.