Immer noch gleich: Der Libanon

d.a. Der nachfolgende Brief von Mike Whitney zeigt auf seine Weise, wie die Verfilzung hinter der uns vorgespielten Politik aussehen muss. Man stellt sich in diesem Zusammenhang unwillkürlich die Frage, wie es möglich ist, dass sich der UNO-Sicherheitsrat trotz des zweiten, durch den Libanonkrieg in Gang gesetzten, beispiellos blutigen Infernos dazu hergibt, mittels der soeben beschlossenen Resolution den Iran weiter zu bedrängen. Als ob dies das Gebot der Stunde wäre. Es geht erneut um Behauptungen, die dem Iran ganz einfach unterstellt, sowie um Ziele, die ihm angedichtet werden, als hätten sich die USA und Grossbritannien durch die bewusst konzipierten, den Irakkrieg einleitenden Lügen nicht bereits restlos diskreditiert. Man bleibt ganz offensichtlich im gleichen Fahrwasser. Anstatt den gegenwärtigen Brandherd zu löschen, schreckt man nicht davor zurück, die Situation noch zusätzlich anzuheizen. Die Sicherheitsratsmitglieder sind ganz offensichtlich nicht einmal gewillt, sich gegenseitig klarzumachen, dass die weitgehende Zerstörung der Infrastruktur des Libanons an Sinnlosigkeit nicht mehr zu überbieten ist. Und niemand macht sich deutlich, dass der von Condoleezza Rice ohne irgendwelche Hemmungen, sozusagen skrupellos vorgesehene internationale Wiederaufbauplan ausschliesslich uns selbst treffen wird, wobei unsere Regierungen nicht übersehen können und daher bewusst mit einkalkulieren dürften, dass sie ihre Bevölkerung dadurch weiter verschulden werden. Im Prinzip haben wir das nur noch als hochgradig infantil einzustufende Stadium erreicht, in dem jede Bombardierung grünes Licht hat, während wir - um es einfach auszudrücken - dafür arbeiten, damit die Rekonstruktion in Gang kommt. Das Ganze ist von einem grenzenlosen Zynismus, der leider vom Steuerzahler immer noch viel zu wenig bedacht wird. Höchst selten wird auch hinterfragt, wieso es unsere angebliche Demokratie ermöglicht, dass wir von denjenigen, die im Begriff sind, der fortschreitenden Zerstörung stattzugeben, regiert werden. Eigentlich sollten alle, die bei der letzten UNO-Abstimmung nicht müde wurden, uns wissen zu lassen, wie sich die UNO als Garant des Friedens erweisen würde, allen voran Joseph Deiss, erkennen, auf welch irrigem Pfad sie sich bewegten.

Vollends zur Groteske gerät die gegen den Iran - der pflichtgemäs alle IAEA-Verträge und Abkommen unterzeichnet hat - verfolgte Aggressivität, wenn man bedenkt, dass sich das US-Repräsentantenhaus am 28.7. 06 mit überwältigender Mehrheit für das geplante Atomabkommen mit Indien ausgesprochen hat, obwohl Indien weder den Atomwaffensperrvertrag noch den Atomstoppvertrag unterzeichnet hat. Was Pakistan, ein enger Verbündeter der USA in ihrem unseligen Kampf gegen den Terror betrifft, so hat dieses Land inzwischen mit dem Bau eines Atomreaktors begonnen, durch den die Atomwaffenkapazität Pakistans auf das 20-fache steigen könnte. Laut Berichten der Washington Post entsteht auf der Atomanlage Khushab offenbar ein neuer Schwerwasserreaktor, in dem sich Plutonium für die Herstellung von 40 bis 50 Atomwaffen pro Jahr produzieren liesse. Washington sei über das Projekt informiert, die US-Regierung rufe Pakistan jedoch dazu auf, den Reaktor nicht für militärische Zwecke zu nutzen. Wofür selbstverständlich keinerlei Garantie gegeben ist, was auch der USA völlig klar sein dürfte. Auch Pakistan hat weder den Atomwaffensperrvertrag noch den Atomstoppvertrag unterzeichnet.
 
Wie selbst die CIA darlegte, könnte es, falls der Iran wirklich willens wäre, Atomwaffen herzustellen, mindestens 10 Jahre, wenn nicht länger dauern, bis ein derartiger Schritt zu realisieren wäre, was - wie bereits vielerorts vermutet und ausgesprochen - darauf hindeutet, dass die Gründe für die Bedrängung des Irans in Wirklichkeit eben doch auf einer gänzlich anderen Ebene liegen. Zum einen dürfte die USA um die Vormachtstellung ihres Dollars fürchten, sollte der Iran seine angekündigte Ölbörse auf der Basis des Euros führen, zum anderen steht, wie Michel Chossudovsky im Januar dieses Jahres schrieb, ‚die Lancierung eines uneingeschränkten Krieges gegen den Iran, bei dem nukleare Sprengköpfe eingesetzt werden,  in der letzten Planungsphase. Die Koalitionspartner, einschliesslich der USA, Israel und der Türkei, befinden sich in «einem fortgeschrittenen Bereitschaftsstadium».’ Daher schliesst Chossudovsky seinen Bericht mit den Worten: ‚Was letztlich notwendig ist, sind umfassende internationale Sanktionen gegen die USA und Israel.
 
Alle derzeit im UNO-Sicherheitsrat einsitzenden Mitglieder dürften nicht nur die wahren Absichten  der USA kennen - die mit Sicherheit auf der diesjährigen Bilderberger-Konferenz in Ottawa Anfang Juni besprochen wurden - sondern sich auch der Tragweite ihrer Resolution bewusst sein. Dennoch wird auf eine Eskalation hingearbeitet. Das Ganze zeugt von einer menschenverachtenden Verantwortungslosigkeit, die nicht nur die Kriegsgegner sprachlos zurücklässt.
 
Wie wir verdummt werden, geht aus den Worten eines Sprechers der EU-Kommission in Brüssel vom 4. 8. hervor: Plötzlich ‚zeigt sich die EU nach der Unterbrechung der wichtigen Strassenverbindungen durch israelische Luftangriffe «besorgt» über künftige Hilfslieferungen. «Wir haben den Eindruck, dass das, was wir für einen sicheren Korridor hielten, nicht mehr sicher ist». Es ist dieselbe EU, die sich jetzt, um den Ausführungen der Jungen Welt 1 zu folgen, „in der Libanon-Frage als genauso zerstritten und politisch unwirksam erweist wie in 2003, als es darum ging, den Irakkrieg zu verhindern. Bei ihrer Dringlichkeitssitzung am Abend des 1. 8. brachten es die 25 EU-Aussenminister nicht einmal fertig, die Vorlage der finnischen EU-Präsidentschaft mit der Forderung nach einem sofortigen Waffenstillstand zu unterstützen. Die auf der politischen Linie der Bush-Administration liegenden Briten verweigerten sich und wurden in ihrer Haltung von Deutschland, Polen und der Tschechischen Republik unterstützt. So kam nur die verwässerte Erklärung zustande, wonach der Europäische Rat fordert, dass auf das sofortige Ende der Feindseligkeiten ein dauerhafter Waffenstillstand folgt“. Bei der umfassenden Vernichtungsaktion, die derzeit im Gange ist, ist es jedoch ganz im Gegenteil nicht ausgeschlossen, dass sich der Widerstand begreiflicherweise nur noch mehr verfestigen wird. Was die uns bei jeder Katastrophe in immer gleichbleibender Form dargebotene Besorgnis betrifft, so betrachte ich diese Wortwahl angesichts der Tatsache, dass die Hilfstransporte infolge der jüngsten Bombardierungen weitgehend zum Erliegen gebracht wurden, sowie der offensichtlichen Untätigkeit unserer ‚wackeren’, nämlich wenig effizienten, dafür aber hochbezahlten Parlamentsabgeordneten in Strassburg, als eine regelrechte Verhöhnung. Was muss eigentlich noch geschehen, damit die Öffentlichkeit begreift, dass wir bereits vollständig entmachtet sind?
 
Es dürfte im übrigen für jeden interessant sein, einen Blick auf die Teilnehmerliste der Konferenz zu werfen, um festzustellen, wer ausser solch ‚ehrenwerten’ Leuten wie Richard Perle und Kissinger dort noch versammelt war 2.
 
1 Deutschland und Großbritannien wenden in Brüssel klare Libanon-Entschließung ab
http://www.jungewelt.de/2006/08-03/028.php  3.8.2006 
2 This year’s Participant List: http://www.bilderberg.org/2006.htm#list
 
 
Mike Whitney  - My Letter to Lebanon’s Prime Minister Fouad Siniora
 
Dear Prime Minister Fouad Siniora,
Perhaps you will be kind enough to answer a few questions regarding the recent visit of United States Secretary of State Condoleezza Rice, so that people around the world who have looked on with sympathy as your country has been ravaged by Israeli aggression can understand your feelings on these important matters.
 
First of all, why did you allow the Secretary of State to visit Beirut? The Bush administration had already made its position entirely clear and everyone who followed the issue knew that the US would continue to give Israel the “green light” until it finished its military operations according to its original plans.
 
Were you unaware that Rice had already stated that she was not prepared to offer a “cease fire”?  Were you unaware that the United States was “rushing a shipment of precision-guided bombs to Israel” to continue the slaughter of Lebanese civilians and the destruction of the nation’s infrastructure? Why would you allow yourself to be photographed “smiley-faced” and shaking hands with the woman who is destroying your country and killing your people?
Haven’t you seen the pictures of the vast devastation in the south of the country where 750,000 of your people have been forced off their land and shunted into refugee camps? Haven’t you heard of the many incidents of the Israeli military intentionally bombing civilians, homes, bridges, milk factories, mosques, airports, power-plants, lighthouses, and ports? [see http://www.informationclearinghouse.info/article14069.htm] Haven’t you seen the photos of the mass graves and the improvised coffins which have been laid side-by-side in long rows following Israeli bombardment? [see http://www.informationclearinghouse.info/article14137.htm] Haven’t you heard the reports that Israel is using strange banned weapons in southern Lebanon including cluster-grenades, laser-weaponry, and white phosphorus? [see http://www.uruknet.info/?p=m25033&hd=0&size=1&l=e] Haven’t you heard the haunting shrieks of the young boy who was filmed in hospital by CNN after being incinerated by Israeli napalm? [see http://www.informationclearinghouse.info/article14181.htm] Haven’t you seen the heartrending picture of the dying Lebanese mother peering up for the last time at her blood-spattered and inconsolable child; another victim of the Israeli onslaught? [see http://www.informationclearinghouse.info/article14180.htm] What type of man would put out the “red carpet” for his enemy while his people are still being slaughtered in the field?
A simple phone call to the State Department could have stopped the Secretary from landing in Lebanon. How much courage does that take? If you were a brave man you would have placed the Secretary and her entire entourage under “house arrest” demanding that Israel stop its “scorched earth” campaign before releasing Rice and her people. But, we do not expect you to do the “courageous thing”, just the “decent thing”.
 
No one expects you to join the resistance and fight the butchers who have invaded your country from the south. No one expects you to risk your life to show your love for Lebanon or your willingness to die for your countryman. But why would you humiliate yourself by posing with the very people who have devastated your homeland and killed your country’s children? Is your dignity worth so little that you would grovel at Israel/America’s feet for a villa in the Riviera and a pocket full of silver? Jesus Christ said, “For what shall it profit a man if he should gain the whole world but lose his soul.”
 
What about your soul, Prime Minister? Was that part of America’s bargain, too? You have disgraced your country and betrayed your people. You should do the honorable thing and submit your resignation so that your people can elect a leader worthy of their respect.
 
Sincerely, Mike Whitney
25. 7. 2006
http://www.informationclearinghouse.info/
 
Mark Whitney, Alexander Cockburn and Jeffrey St. Clair sind die Autoren des Buches ‚Whiteout’, das die Aktivitäten der CIA bezüglich der US-Drogenpolitik in Mittelamerika sowie in Asien ausführlich schildert. Nach der Lektüre des Buches sollte es jedem klar sein, warum der Drogenhandel nach wie vor unverändert floriert. Das Buch erschien im Verlag Verso im Jahr 1998. ISBN-Nr. 1-85984-258-5
 
* Michel Chossudovsky  - Atomkrieg gegen den Iran, Zeit-Fragen Nr.2 vom 9. 1. 2006
Quelle: www.globalresearch.ca vom 3.1.2006. Der Artikel ist auf politonline einsehbar