Nigeria

Ein weiteres afrikanisches Land, das unter seinem Ölreichtum verarmt ist, ist Nigeria. Es ist das sechstgrösste Ölexportland und verfügt über hohe Deviseneinnahmen. Dennoch war es Mitte 2002 das allerärmste und unterentwickeltste Land Afrikas. Zwei Drittel der Bevölkerung leben heute unter der Armutsgrenze. Die früheren Militärregimes hatten sich an den Milliardeneinnahmen aus dem Ölreichtum bedient und auch jetzt noch fliessen beträchtliche Mengen in private Taschen. Hatten sich früher die Militärs an den Erdölexporten bereichert, sind es heute Gouverneure, Minister und Abgeordnete, was immer wieder zu blutigen Aufständen im Nigerdelta führt. Am besten wirft man zunächst einen Blick auf das gegenwärtig von keiner Presse berichtete, am 29. November 2005 von Präsident Obasanjo gegebene Signal für eine massive gewalttätige Zwangsausweisung der Bevölkerung aus Abuja. Die Zerstörungen treffen über 4 Millionen der 7 Millionen Bewohner der Hauptstadt. Angestellte der Federal Capital Development Authority (FCDA), von der Polizei und Armee begleitet, zerstörten mit Baggern die Häuser, Schulen, Spitäler, Kirchen und Moscheen des Stadtteils. Es war keine ausreichende Ankündigung des Vorhabens erfolgt, noch lag ein Plan für neue Unterkünfte oder eine Entschädigung für die Vertriebenen vor. Über 15.000 Kinder fanden sich ohne Schule. Dieser Entwurzelung liegt eine 1978 von einem Internationalen Planungskonsortium - das auch US-Architekten einschliesst - getroffene Entscheidung zugrunde, Abuja zu "entwickeln"(!). Es ist eine Anzahl von Bewohnern von höchstens 3 Millionen vorgesehen, was die Ausweisung von 4 Millionen erfordert. Zu diesen Ausgewiesenen kommen 1.388 Familien hinzu, die gewaltsam aus städtischen Wohnungen in Lagos entfernt wurden. Weitere, auf Grund einer in 2003 angelaufenen Privatisierung des Wohnsektors geplante Ausweisungen werden über 20?000 Bewohner ohne Unterkunft zurücklassen. In Lagos lässt u.a. auch Volkswagen produzieren.

Der im Juni 1998 verstorbene Diktator Sani Abacha und dessen Clan hatten die Zentralbank des Landes systematisch geplündert. Während der vierjährigen Amtszeit Abachas flossen 4.3 Milliarden $ auf Konten im Ausland, deren Transfer offensichtlich reibungslos durchgeführt werden konnte, obwohl man angeblich schon damals der Geldwäsche auf der Spur war. Während der Regierung Abachas war Lagos ein Hauptumschlagsplatz für Heroin und andere Drogen, die russische Mafiosi nach Europa einschleusten. Die unterschlagenen Gelder finden langsam den Weg nach Nigeria zurück. 
   
Die Aussenschuld Nigerias betrug am 28. 8. 2000 die unvorstellbare Höhe von 30 Milliarden $. Die erbärmliche Misere der meisten auf 20 Millionen geschätzten, ohne Elektrizität lebenden Bewohner des Nigerdeltas und die diese begleitenden Aufstände der Arbeiter sind seit langem Gegenstand von Presseberichten. Die Ölfirmen stehen auf dem Standpunkt, dass nicht sie, sondern der Staat für den Lebensstandard der Bevölkerung zuständig sei, da sie an diesen Lizenzgebühren und Steuern in Milliardenhöhe entrichteten, was die Frage aufwirft, wohin diese Unsummen verschwinden. In erster Linie wird der Bau von Schulen gefordert, Strom und sauberem Trinkwasser, da dieses durch Öllachen verunreinigt ist. Es ist ferner keine ärztliche Versorgung gegeben. Die Luft im Delta ist infolge der Tag und Nacht brennenden giftigen orangefarbenen Flammen von Naturgas verunreinigt.
 
Mehr als drei Millionen Nigerianer sind seit der Rückkehr des Landes zur Demokratie im Jahre 1999 aus ihren Heimatgegenden vertrieben worden. Hintergrund bilden zumeist Konflikte über Landrechte, die zu ethnisch und religiös motivierter Gewalt führen. Die Regierung wird kritisiert, zu wenig gegen die Vertreibungen zu unternehmen. Die in 2001 ausgebrochenen Auseinandersetzungen zwischen Muslimen und Christen im Gliedstaat Plateau haben mehr als 53’000 Todesopfer gefordert. Fast zwei Drittel waren Frauen und Kinder. Viele der Opfer wurden mit Buschmessern getötet. Die Bürger verteilen sich fast gleichmässig in eine christliche Hälfte im Süden und eine moslemische im Norden. Durch die Einführung der Scharia in 2003 in den nördlichen Gliedstaaten haben die regionalen Machthaber die religiösen Unruhen noch geschürt. Man geht sicherlich nicht fehl in dem Gedanken, dass die Einführung der Scharia bei einem höheren Bildungsstand der Nigerianer niemals möglich gewesen wäre.
 
Im März 2005 holte Obasanjo dann zu einem Schlag gegen die Korruption in der Administration seines Landes aus. Er bezichtigte den Erziehungsminister Fabian Osuji, eine Reihe von Parlamentsabgeordneten bestochen zu haben. Er hätte mit der Überweisung von insgesamt 55 Millionen Naira, mehr als 400,000 US-$, aus verschiedenen staatlichen Quellen diese dazu veranlasst, ein aufgeblähtes überzogenes Budget für das Ministerium zu bewilligen. Zu den Empfängern gehört laut Obasanjo u.a. der Senatspräsident Adolphus Wabara und der Vorsitzende des Erziehungsausschusses im Senat, Ibrahim Abdulaziz. Am 7. Juli dieses Jahres wurde beschlossen, Tausende von Stellen abzubauen. Etwa 33.000 nigerianische Beamte, etwa 20 % von 160.000, sollen bis Ende 2006 entlassen werden. Viele der zu entlassenden stammen noch aus der Zeit der Militärregierungen; sie seien für ihre Beschäftigung ungeeignet und hätten sich Unregelmässigkeiten zuschulden kommen lassen. Der ökonomische Zerfall schreitet weiter voran: Innenpolitisch hat Obasanjo - auch er hatte einst das Land als Militärmachthaber regiert - wenig getan. Im November 2004 drohte in Nigeria ein Generalstreik. Im Fokus der Auseinandersetzungen stand der britisch-niederländische Ölkonzern Royal Dutch/Shell; der Präsident des Nigerianischen Arbeiterkongresses (NLC), Adams Oshiomhole, erklärte den Ölriesen wegen dessen Unterstützung für die Regierung zum Feind aller Nigerianer und rief zu Protesten gegen den Konzern auf. <Royal Dutch/Shell paktiert mit der Regierung, um unsere Leute zu unterdrücken und um sich in interne politische Dinge einzumischen.> In Nigeria führen Tausende Kilometer Ölleitungen durch das Land. Immer wieder kommt es zu schweren Unglücken, vor allem deswegen, weil die verarmten Bewohner die Leitungen illegal anzapfen, um ihr Überleben zu sichern. Beim bislang schwersten Pipeline-Unglück im Oktober 1998 waren 1’086 Dorfbewohner ums Leben gekommen. Am 25. 2. 2006 verurteilte ein nigerianisches Gericht den Ölriesen Shell dazu, dem Volk der Ijaw der Deltaregion eine Entschädigung von 1.5 Milliarden $ für die Erosion ihrer Umwelt zu zahlen, was von Shell angefochten wurde. Die Ijaw kämpfen seit dem Jahr 2000 dafür, eine Wiedergutmachung zu erhalten. Im September 2004 waren nigerianische Soldaten gegen die Aufständischen vorgegangen und hatten Kämpfer der Ijaw in den Mangrovensümpfen und Gewässern um Port Harcourt angegriffen. Noch ist der Konflikt zwischen dem nigerianischen Militär und den Aufständischen, der militanten Bewegung für die Befreiung des Deltas, nicht