Angola

Als Einleitung, wie man den Raubbau an der eigenen Bevölkerung vollzieht, sei eine Meldung der Badischen Zeitung Nr. 58 vom 11. 3. 2003 vorangestellt. Die Ausgangslage war die Bemühung der Bush-Administration, die im UNO-Sicherheitsrat einsitzenden Länder für ihre Kriegsziele im Irak zu gewinnen: »Im Fall eines vorteilhaften Abstimmungsverhaltens [von Seiten Angolas] wird Washington auch künftig darüber hinwegsehen, dass sich die angolanische Regierungselite Jahr für Jahr fast eine Milliarde $ aus dem Erdölexport in die eigenen Taschen schiebt.« Naturgemäss liess Präsident José Eduardo dos Santos danach verlauten, er halte einen Krieg im Irak für unvermeidbar. Zu Angola unterhalten die USA ohnehin beste Beziehungen. Der südwestafrikanische Staat liefert mit täglich fast 1 Million Barrel Erdöl ein Zwölftel des Bedarfs der Supermacht. Durch die Erschliessung neuer Erdölfelder vor der Küste hat die Regierung in Luanda jährlich über eine Milliarde $ für die Rüstung zur Verfügung.

Noch in 2000 hiess es, dass jedes Rüstungsgeschäft den Generälen und Verantwortlichen im Umkreis von Präsident José Eduardo dos Santos Millionenbeträge als Provision einbringt. Der 1975 einsetzende, 27 Jahre lang währende Bürgerkrieg war für die Waffenindustrie mit Sicherheit der Idealfall. Von Zaire aus versorgte beispielsweise die USA seit Ende der siebziger Jahre die angolanischen Rebellen der UNITA [Nationalunion für die völlige Unabhängigkeit Angolas] ihres Freundes Jonas Savimbi mit Waffen gegen das marxistische Dos Santos-Regime. Die von Südafrika und der USA ausgestatteten Armeen führten den Kampf gegen das sozialistisch orientierte, am 11.  November 1975 von Portugal in die Unabhängigkeit entlassene Land. Savimbi wurde aber auch jahrelang vom Westen gefördert, um ein Gegengewicht zu den von der Sowjetunion und Kuba unterstützten linken Bewegungen zu bilden. Selbstverständlich waren auch andere Länder, wie beispielsweise Russland, an den Waffenlieferungen beteiligt. So hält man die Blutbäder in Gang. Das Sozialwesen wurde fast ganz den ausländischen Hilfswerken überlassen. Die UNITA-Einheiten terrorisierten weite Teile des ländlichen Raums und standen zeitweise nur 100 km vor Luanda. Die Stadt wäre ohne die militärische Unterstützung von kubanischen Internationalisten mit einiger Sicherheit in die Hände der UNITA gefallen. Savimbi starb in 2002, womit der Aufstand der UNITA ein Ende nahm. In 2002 wurden die Rebellen zwecks Entwaffnung mit ihren Familienangehörigen in 27 Sammellager verbracht, wo ein stiller Massenmord stattfand. Die 69’000 UNITA-Kämpfer und ihre 200’000 Familienmitglieder wurden weitgehend ohne Essen gelassen und starben an Hunger. Die Médecins sans Frontières [MSF] berichteten von einer Anzahl Verhungerter pro Tag von über einem Dutzend. 1996 wurden die zum Teil unerträglich verstümmelten Minenopfer Angolas auf nahezu 100’000 geschätzt, eine Zahl, die sich weiter erhöht. Das Land ist von mehr als 5 Millionen Minen übersät. Savimbi und die Regierungspartei MPLA hatten ihre jeweils eroberten Territorien mit  Hilfe der Minen abgegrenzt. Die Anzahl der Toten wird auf 1.5 Millionen geschätzt, 4 Millionen Bewohner wurden entwurzelt. Am 15. 1. 2004 klagte Human Rights Watch die Regierung an, dass sie zwischen 1997 und 2002 4.22 Milliarden $ aus dem Staatshaushalt verschwinden liess. In diesem Zeitraum hatte der Staat 17,8 Milliarden $ eingenommen. Das hinderte die Regierung keineswegs daran, so HRW, von der Internationalen Gemeinschaft grössere Anstrengungen zu verlangen, um die Schulen, Krankenhäuser, usw., zu finanzieren; wo die Milliarden an öffentlichen Geldern versickert sind - was sich unschwer erraten lässt - wird nicht aufgedeckt.
 
Im Februar dieses Jahres erlebte Angola in den Elendsvierteln von Luanda den Ausbruch  der schlimmsten Choleraepidemie, die das Land je heimsuchte. Die MSF klagten die Regierung wegen ihrer langsamen Reaktion an. Insgesamt wurden mehr als 50.000 Erkrankungen und mehr als 2’000 Tote registriert. Die Übertragung erfolgt durch verschmutztes Wasser; die Cholera selbst wird im Wesentlichen durch Armut und Unterentwicklung verursacht. Man bedenke: In einem Land mit einem derartigen Reichtum an Öl und Diamanten noch immer Elendsviertel und kein sauberes Trinkwasser. Schliesslich war es - der generellen Einstellung der Elite entsprechend - vordringlicher gewesen, dass der Milliardär und Regierungschef dos Santos den Palast der früheren portugiesischen Gouverneure in Luanda vor seinem Einzug für 100 Millionen $ herrichten liess. Die Eliten ihrerseits konnten sich wie gewohnt darauf verlassen, dass die Internationale Gemeinschaft auch jetzt bei der Epidemie mit Finanzhilfe einschreiten und ihnen ihre Öl- und Diamantenerlöse unangetastet belassen würde. Allein Unicef Deutschland rief angesichts der dramatischen Lage zu Spenden auf und stellte 100.000 € bereit. Und dabei hatte die Bevölkerung bei einem jährlichen Wirtschaftswachstums von 25 % auf bessere Lebensbedingungen gehofft. Man stelle sich den Irrsinn vor: Einerseits Milliardenreserven für die Waffen, andererseits der Aufruf der UNO Ende September 2005, für den Hunger in Angola 30 Millionen $ bereitzustellen. Fast die Hälfte der Kinder ist unternährt und von Krankheiten bedroht. In 2005 starb jedes zehnte Kind, überwiegend an Malaria, dann an Durchfall, Atemwegserkrankungen und Masern, alles heilbare Erkrankungen. Gegen die Malaria wird von den staatlichen Gesundheitsämtern immer noch Chlorochin ausgegeben, obwohl dieses in Angola wegen Resistenz längst wirkungslos ist. Von 10 Kindern sind nur 4 gegen Masern geimpft, der Impfstoff gegen Tetanus fehlt. In der Kreisstadt Xa-Muneba gibt es noch immer kein sauberes Trinkwasser, keinen Strom und die Krankenschwestern haben schon seit 3 Monaten [Stand 4. 9. 06] kein Gehalt mehr bekommen. Der Ausbruch der nächsten Choleraepidemie ist nur eine Frage der Zeit, heisst es. Der Ackerbau ist wegen zahlreicher Landminen nur auf begrenzter Fläche möglich. Im zentralen Hochland leben 850.000 Menschen von einer Mahlzeit oder weniger pro Tag. Aus Geldmangel habe das WFP die Verteilung von Nahrungsmitteln einschränken müssen.
 
Die in Angola geförderten Diamanten gehören zu den wertvollsten der Welt. Am 17. 10. 2001 meldete die Neue Zürcher Zeitung Nr. 241, dass jeden Tag Rohdiamanten im Wert von 1 bis 1.2 Millionen $ aus Angola herausgeschmuggelt würden. Sanktionen gegen den Diamantenhandel der UNITA waren kaum wirksam. Wichtigste Schmuggelzonen: Kongo-Kinshasa und Kongo-Brazzaville. Zentrale Umschlagplätze: Antwerpen,  Südafrika. Ausserdem diene Israel zur Verschleierung von Importwegen, hiess es in einem diesbezüglichen UNO-Bericht. Am 24. 6. 02 erfuhr man, dass die UNITA mehrere Hundert Millionen $ aus dem Diamantenschmuggel auf ausländischen Konten hat. Wer besitzt also heute diese Konten, deren Guthaben dringend zur Linderung der Not in Angola gebraucht würde? Es ist doch nicht möglich, dass dies bei der mittlerweile eingetretenen nahezu totalen Überwachung des Bankverkehrs - die offshore-Zentren, also die bekannten Steuerfluchtorte, selbstredend ausgeschlossen ! - nicht eruierbar ist. Was die Schürfrechte für Diamanten betrifft, so hatte dos Santos diese vor allem dem Militär überlassen. Es ist nicht anzunehmen, dass inzwischen  eine Änderung eingetreten ist. Obwohl das Land mit seinen Bodenschätzen und einer potentiell reichen Landwirtschaft  einer der prosperierendsten Staaten Afrikas sein könnte, ist es auf Grund der nur als hochkriminell zu bezeichnenden Art und Weise, wie sich eine kleine herrschende Elite ungestört bereichern kann, eines der ärmsten Länder. Ein beträchtlicher Teil der Einkünfte aus der von internationalen Unternehmen getätigten Erdölförderung hinterlässt keine Spur im Staatshaushalt. Perversere Verhältnisse lassen sich kaum mehr schaffen.