Wissenschaft oder staatlich finanzierte Polit-Polemik? Die Methode Kreis - Von Ulrich Schlüer

Georg Kreis, seines Zeichens Historiker, ist ein umtriebiger Mann. Er ist ausgezogen, um den sogenannten «Mythos Schweiz» zu zertrümmern. Mit dieser Zielsetzung war er massgeblicher Mitarbeiter am Bergier-Bericht. Parallel dazu wurde er «Projektleiter» für das «Nationalfonds-Projekt 42», das, von zielgerichteten Kampagnen begleitet, die «Aufarbeitung» der Politik der Schweiz gegenüber Südafrika in der Zeit von 1948 bis 1994, also in den Jahrzehnten der Apartheid-Politik, einleiten sollte. Die Zielsetzung wird jedem klar, der die Publikationen studiert, die im Rahmen dieses Nationalfonds-Projekts veröffentlicht wurden: Wer revolutionäre Prozesse bis hin zu eigentlichen Umsturzversuchen im Südafrika der zweiten Hilfe des 20. Jahrhunderts nicht begrüsste, wird als mehr oder weniger eng mit dem Apartheid-Regime verschworener Helfershelfer abgestempelt.

Historiker Peter Hug
Als Mitarbeiter für dieses Projekt band Projektleiter Georg Kreis den Historiker Peter Hug (heute Mitarbeiter auf dem SP-Generalsekretariat, seit Jahren militanter GsoA-Armeegegner) ins Projekt ein. Dieser hatte sich bereits im Dienste der Bergier-Kommission als Wissenschaftler mit besonderen Fähigkeiten profiliert. So, als er «Forschungsergebnisse» über den Verbleib der Vermögen von im Zweiten Weltkrieg getöteten polnischen Juden präsentierte. Solche Vermögen - um den Zusammenhang in Erinnerung zu rufen - lagen nach dem Zweiten Weltkrieg auch auf Schweizer Banken. Solange Polen von den Kommunisten beherrscht war, unterliess die Schweiz Nachforschungen über in Polen lebende Anspruchsberechtigte. Denn im kommunistischen Polen war es damals bei Strafe verboten, auf ausländischen Banken angelegte Vermögen zu besitzen. Erst nach Fall des Eisernen Vorhangs konnten - teilweise unter erheblichen Schwierigkeiten - die aus dem Weltkrieg resultierenden Ansprüche geklärt und die Vermögenswerte den rechtmässigen Eigentümern ausgehändigt werden. Peter Hug präsentierte dazu freilich eine andere, ihm süffiger erscheinende Geschichte: Bundesrat Kurt Furgler, behauptete Hug, habe als seinerzeitiger EJPD-Chef Vermögenswerte osteuropäischer Holocaust-Opfer eigenmächtig umgeleitet und dabei das Parlament bewusst hintergangen. Eine ebenso ungeheuerliche wie völlig unhaltbare Lüge. Das Nachkriegsvorgehen des Bundesrats Polen gegenüber war durch Beschluss der Bundesversammlung nämlich einwandfrei legitimiert. Hug musste, mit der Wahrheit konfrontiert, schliesslich alles zurücknehmen. Und sich bei alt Bundesrat Furgler in aller Form entschuldigen.
 
Geheimdienst-Reisen
Trotzdem sah Professor Georg Kreis in Peter Hug den Fachmann, den er für seine Nationalfonds-Berichterstattung über Südafrika benötigte. Hug erfüllte die Erwartungen. Er wird von Kreis für seine 989 Seiten umfassende Arbeit in höchsten Tönen gelobt. Denn wiederum wusste Hug Sensationelles zu berichten. Zum Beispiel von 28 hochrangigen Schweizern, die zu konspirativen Kontakten mit Südafrikas Geheimdiensten ans Kap der Guten Hoffnung gereist seien. Hugs Pech: Der Reiseleiter dieser «konspirativen Reise» (er trägt den Namen Ulrich Schlüer) besitzt noch alle dazugehörigen Unterlagen. Hug kontaktierte ihn nie. Die Reise war nämlich von Kuoni öffentlich ausgeschrieben worden. Jedermann, der sich vom Programm angesprochen fühlte, konnte sich dazu anmelden. Die Teilnehmerliste existiert noch. Nicht ein einziger sogenannter VIP figuriert darauf. Von Kontakten mit dem südafrikanischen Geheimdienst im Programm keine Spur... 
 
Ideologie statt Fakten
Wer Kreis mit Erkenntnissen aus dem von Peter Hug verfassten Nationalfonds-Bericht unter dem Titel «Mit der Apartheid-Regierung gegen den Kommunismus» konfrontiert, erhält aufschlussreiche Antworten. Hug formuliert zum Beispiel folgende Quintessenz über die Haltung der Schweiz in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg Südafrika gegenüber:
«Durch die Distanz zur UNO blieb auch nach 1945 eine Neigung zu rassistischen Vorstellungen politisch wirksam, die ab Ende der 1970er Jahre von einem ebenso unreflektierten Antikommunismus abgelöst wurde.» Mit andern Worten: Wer in den Siebzigerjahren nicht der UNO angehörte, kann das bloss aus «rassistischen Vorstellungen» heraus getan haben, die danach in einem «unreflektiertem Antikommunismus» ihren Ausdruck fanden. Solche «Lehren» verbreitete Hug, der dem Kommunismus, wie man leicht erraten kann, nicht unbedingt fern stand, allen Ernstes. «Lehren», die auch vom Chef-Ideologen der damaligen Sowjetunion hätten formuliert sein können. Hug weiter: «Die Regierungen der Schweiz und der Südafrikanischen Union stimmten auch in weiteren Fragen überein: Im entschiedenen Antikommunismus, der Auffassung, dass die deutschen Verbrechen nicht geahndet werden müssten und der Betonung der nationalen Souveränität, die sich gegen tatsächliche oder vermeintliche Übergriffe der Grossmächte richtete.» Woraus Hug die ungeheuerliche Unterstellung ableitet, die Schweiz habe die Verfolgung der Nazi-Verbrechen verweigert, bleiben die beiden Bergier-Mitarbeiter Kreis und Hug dem Leser schuldig. Indem die «Betonung nationaler Souveränität» offenbar etwas Verwerfliches ist, fügt Hug dafür etwas später noch an: «Die damals fehlende Bereitschaft, die Verstrickungen der Schweiz in die Shoah zu klären, übertrug sich auf die Verleugnung von Verstrickung in die südafrikanische Apartheid-Politik.» Eine ebenso wirre wie unbewiesene und diffamierende Unterstellung. Wer Georg Kreis auffordert, die Berechtigung solcher Anklagen wenigstens ansatzweise zu begründen, erhält sinngemäss folgende Antwort: Es sei typisch, dass man aus einem mehrhundert Seiten umfassenden Werk ein paar Sätzlein willkürlich herausgreife und damit so tue, als seien diese paar Sätze repräsentativ fürs ganze Werk.
 
Kernaussagen
Immerhin: Die hier zitierten Sätze Hugs stehen nicht irgendwo in seinem Wälzer. Die Sätze stammen aus der zum ganzen Werk abgegebenen Zusammenfassung - von Peter Hug unter dem Titel «Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse» formuliert. Die Sätze halten also ausdrücklich die «wichtigsten Ergebnisse» der Studie fest, nicht irgendwelche Randtatbestände. Sie gehören in der Sicht Hugs zur Quintessenz der ganzen Nationalfonds-Studie, für welche Georg Kreis die Rolle des Projektleiters innehatte. Das ganze Projekt habe übrigens eine Million - plus, wie Kreis zu sagen pflegt, eine Restmillion - gekostet. Und selbstverständlich könne man das ganze Werk bloss als Ansatz, als Versuch, als vorläufiges Ergebnis betrachten. Was würde wohl ein Hausbesitzer sagen, wenn er dem Architekten zur Errichtung seines Hauses zwei Millionen übergeben hätte und dann bei Schlüsselübergabe erführe, das Werk sei leider erst provisorisch, nicht wirklich vollendet, bloss ein erster Ansatz? Im Gegensatz zum Hausbesitzer waren die Hüter der Nationalfonds-Gelder mit dem Halbfertig-Produkt des Georg Kreis aber offensichtlich zufrieden.
 
Quelle Schweizerzeit vom 20. November 2007
www.schweizerzeit.ch