Der Schengener-Vertrag: Richtungsentscheid für die Schweizer Aussenpolitik - von Patrick Freudiger, Stadtrat SVP, Langenthal

In der Dezembersession 2004 hat das Parlament den Verträgen über Schengen und Dublin zugestimmt. In engem inhaltlichem Kontext dazu steht die Erweiterung der Personenfreizügigkeit mit den neuen EU-Staaten. Ich werde mich im Folgenden jedoch auf Ersteres konzentrieren.

Der Schengen-Vertrag will ein Europa ohne Grenzen. Deshalb hob man die nationalen Grenzkontrollen auf (Artikel 2 Absatz 1 des Schengener Durchführungsübereinkommens: "Die Binnengrenzen dürfen an jeder Stelle ohne Personenkontrollen überschritten werden"). Zur Verbrechensbekämpfung erschuf man eine europaweite Computerfahndungsdatei (SIS). Kontrollen soll es nur noch mobil im Hinterland geben (Schleierfahndung).
 
Wenn die Schweiz sich nun ebenfalls diesem Abkommen anschliesst, so wird sie sich europäischem Recht unterwerfen müssen, dem 500-seitigen Schengen-Acquis. Dieser verpflichtet die Schweiz, nicht nur gegenwärtiges, sondern auch zukünftiges, fremdes Recht widerstandslos und ohne Mitbestimmungsmöglichkeit zu übernehmen. Nicht weniger als 8 Gesetze (u.a. Ausländer- und Asylgesetz) müssten sofort angepasst werden. Faktisch werden auch Volksabstimmungen über dieses fremde Recht ausgeschlossen sein. EU-Kommissar Chris Patten mahnte bereits: "Schengen à la carte ist nicht möglich."
Mit dem Schengener-Abkommen wird auch die kantonale Polizeihoheit untergraben. Mit der Zentralisation der Kompetenzen in der Sicherheitspolitik verlieren die Kantone Kompetenzen. Dies bestätigte selbst der Zürcher SP-Justizdirektor Markus Notter.
Weiter würde ein Schengen-Beitritt unser Selbstverständnis einer liberalen Waffenregelung empfindlich tangieren. "Die Vollendung des Binnenmarktes setzt ? eine Angleichung des Waffenrechtes voraus", verlangt eine weitere Richtlinie.
 
Solche Bestimmungen sind eines souveränen Staates unwürdig. Noch 1999 erklärte auch der Bundesrat explizit, Schengen mache "Souveränitätsübertragungen an supranationale Instanzen unerlässlich." Heute behauptet man das Gegenteil. Warum? Der Bundesrat will in die EU, um jeden Preis! Dies gab selbst Bundesrätin Micheline Calmy-Rey zu: "Indem wir die bilateralen Beziehungen zur EU intensivieren, können wir den Boden für den EU-Beitritt bereiten." 
 
Um dieses Europadossier Schengen durchzubringen, probiert man das Ganze unter dem Sicherheitsaspekt zu verkaufen. Dies ist absurd: "Die Abschaffung der Grenzkontrollen ist der Sicherheit aber zwangsläufig abträglich", sagt etwa Thomas Hug, als erster Staatsanwalt des Grenzkantons Basel-Stadt ein Praktiker mit Erfahrung. Mit der Osterweiterung und nach einem EU-Beitritt der Türkei verläuft die Schengen-Aussengrenze entlang dem Irak, dem Iran, Weissrussland. Glaubt man im Ernst, dass diese Grenzen adäquat vor Kriminellen geschützt werden? Sind Schlepper, Asylmigranten, Illegale aber erstmals im Schengen-Raum, können sie sich darin frei bewegen. Auch in die Schweiz. Das heisst: weniger Sicherheit! Die Schleierfahndung kann dieses Defizit nicht ausgleichen. Diese soll übrigens nach Willen der EU-Kommission abgeschafft werden. Die EU-Staaten führen zudem selbst für grössere Anlässe wieder nationale Grenzkontrollen durch: Ein weiterer Beweis für die Unwirksamkeit des grenzenlosen Schengenraumes.
Einzig der Anschluss ans SIS hätte Vorteile. Immerhin geht unsere Zusammenarbeit mit einigen Ländern bereits heute weiter als diejenige unter Schengenländern.
 
Das Dubliner-Abkommen andererseits will die Asylpolitik europaweit koordinieren. Ein Asylsuchender soll nur noch in dem Land ein Gesuch stellen können, das er als erstes betreten hat. Kontrolliert wird dies mit dem Fingerabdrucksystem EURODAC.

Wirksam kann die Schweiz das Asylproblem nur selbst bekämpfen, indem sie die Attraktivität für Asylsuchende einschränkt. Das Dubliner Abkommen versagt vor den Anforderungen der Realität: Viele Asylsuchende melden sich erst in dem Staat mit den attraktivsten Asylbedingungen. Grenzkontrollen gibt es ja keine mehr, welche den Asylsuchenden nachweisen können, von wo sie gekommen sind. Deutschland konnte 2002 das Abkommen nur auf  6,6% der Asylsuchenden anwenden. In Schweden verätzten sich hunderte Asylsuchende die Fingerkuppen, um nicht von EURODAC identifiziert werden zu können. 

Fazit: Das Schengen-/Dublin-Dossier ist eine Schicksalsfrage, die über die Zukunft der Schweiz entscheidet. Wenigen Vorteilen stehen zahlreiche, gewichtige Nachteile gegenüber. Umso unverständlicher ist die Weigerung von Bundesrat und Parlament, diese Schicksalsfrage dem Souverän zum Entscheid zu unterbreiten. Ich bitte Sie deshalb, das Referendum zu unterschreiben und bei der Abstimmung klar NEIN zu stimmen, im Interesse der Schweiz.