Fremdbestimmt - Politik-Werbung am Fernsehen - Von Ulrich Schlüer 09.09.2007 11:37
Von welchem Standort für die Schweiz bestimmte Fernsehsendungen auch immer produziert werden: Bis heute besitzt die Schweiz gesetzlichen Einfluss auf den Inhalt solcher Sendungen.
So unterstehen z.B. Werbesendungen (Werbefenster) deutscher Sendeanstalten, die speziell für das Schweizer Publikum gestaltet werden, bis heute strikt der gleichen Gesetzgebung, der auch das Werbefernsehen in der Schweiz unterworfen ist. Solches ist in Spezialverträgen festgelegt, die mit ausländischen Sendern, die Werbefenster für die Schweiz produzieren, auf der Grundlage schweizerischer Gesetze abgeschlossen worden sind. Fernsehwerbung unterliegt in der Schweiz bekanntlich anderen, strengeren Regulierungen als Werbung im Ausland. In der Schweiz gilt insbesondere ein striktes Alkohol-, Tabak- und Politikverbot für die Fernsehwerbung. Man mag über diese Einschränkungen denken, wie man will. Bis heute kommt man indessen um die Feststellung nicht herum, dass diese Regulierung von breiten Kreisen der Schweizer Fernsehkonsumenten gebilligt wird. Keine politische Kraft hat jedenfalls je ernsthaft versucht, hierzulande auf dem Weg der Gesetzgebung eine von allen Beschränkungen freie Fernsehwerbung durchzusetzen. Trotzdem: Die alkohol-, tabak- und politikfreie TV-Werbung wird in der Schweiz schon bald der Vergangenheit an gehören. Die Neuerung wird allerdings hinterrücks eingeführt. Die Schweiz lässt sich nämlich künftig in Sachen TV-Werbung fremdbestimmen. Sie unterwirft sich - am Stimmbürger vorbei - der Europäischen Union.
Das
EU-Programm MEDIA
Die Unterwerfung erfolgt im Rahmen des von
der EU aufgezogenen medienpolitischen Programms MEDIA. Kern dieses Programms
sind äusserst grosszügig fliessende Subventionen an Fernseh- und
Filmschaffende. Der Bundesrat will - unter starkem Druck der hierzulande
bezüglich Subventionsnutzung gut und stramm links organisierten
Medienschaffenden - auch Schweizer Filmschaffenden den Zugang zu diesem EU-Topf
sichern. Dazu sind allerdings Konzessionen einzugehen: Die Schweiz hat sich in
wesentlichen Belangen der EU-Gesetzgebung bezüglich Radio und Fernsehen zu
unterwerfen. Und zumindest eine dieser EU-Regelungen ist einigermassen brisant:
Die EU führt ein, dass, wer immer Fernsehsendungen für welchen Zuschauermarkt
in welchem Land auch immer produziert, ausschliesslich jener Gesetzgebung
unterworfen ist, die am Produktionsstandort in Kraft ist. Die Gesetzgebung im
Empfängerland von Sendungen würde Produzenten folglich nicht mehr binden. Das gilt
auch für Werbesendungen. Mit andern Worten: Werbefenster, die von ausländischen
Sendern für Schweizer Publikum produziert werden, unterliegen fortan
ausschliesslich jener Gesetzgebung, die im Produktionsland gilt. Die Schweizer
Gesetzgebung zur Fernsehwerbung müsste für aus dem Ausland in die Schweiz
ausgestrahlte Werbefenster nicht mehr berücksichtigt werden.
Wettbewerbs-Verzerrung
Die Folgen sind klar: Ausländische
Werbefenster für die Schweiz werden bis in etwa zwei Jahren auch
Alkoholwerbung, auch Tabakwerbung und, besonders bemerkenswert, auch
Politikwerbung in die Schweiz ausstrahlen können. Die Schweizer
Gesetzgebung würde für Werbefenster aus dem Ausland unwirksam. Ohne dass das
Schweizer Volk sich zu dieser Neuerung äussern könnte. Weitere Konsequenzen
sind absehbar: Die ausländischen Werbefenster dürften gegenüber in der Schweiz
produzierter Fernsehwerbung, die noch schweizerischen Gesetzen unterworfen
bliebe, eklatante Marktvorteile erringen. Wer rechnet, wird Werbung vermehrt in
den ausländischen Werbefenstern für die Schweiz platzieren. Schweizer
Sendeanstalten, die von Werbeeinnahmen leben, werden das Nachsehen haben. Dies
trifft insbesondere die Privatsender, die fast ausschliesslich von
Werbeeinnahmen leben, am Existenznerv. Werbung, die nicht nur den lokalen Markt
anvisiert, würde kaum mehr aus der Schweiz gesendet.
Rechtsgleichheit
müsste geschaffen werden
Um Ebenbürtigkeit bezüglich Marktchancen zu
garantieren, müssten den Schweizer Werbeproduzenten im Sinne der
Rechtsgleichheit wohl umgehend die gleichen Bedingungen für Werbesendungen
eingeräumt werden, wie sie durch das MEDIA-Programm der EU schon bald für
ausländische Werbefenster gelten werden. Alles andere hätte Marktverzerrungen
zur Folge, welche alle Fernsehanstalten in der Schweiz, am schwersten
zweifellos die Privatsender, materiell empfindlich treffen dürften. So wird,
als Folge der Unterwerfung der Schweiz unter die EU-Mediengesetzgebung, die
Zeit schon sehr bald zu Ende gehen, in der der Schweizer Konsument
Fernsehwerbung ohne Alkohol, ohne Tabak und ohne Politik vorgesetzt bekommt. Es
sei denn, man wollte sich zu Bern auf die doch recht pikante Situation
einstellen, dass Schweizer (und ausländische!) Parteien, Komitees und andere
Kräfte künftig via ausländische Werbefenster Abstimmungspropaganda in die
Schweizer Stuben senden könnten - derweil die Schweizer Sender zum Stillesitzen
verurteilt blieben. Freuen wir uns, bis die EU via deutsche Werbefenster ihre
erste Breitseite gegen den Schweizer Steuerföderalismus völlig ungehindert in
alle Schweizer Haushalte pfeffern kann . . .
Am
Volk vorbei
Äusserst stossend - wenn auch EU-konform -
ist die Art und Weise, wie es dem Bundesrat gelingt, diese den TV-Konsumenten
zweifellos störende Neuerung hinter dem Rücken des Volkes durchzusetzen. Das
bundesrätliche Vorgehen folgt bewährten EU-Mustern: Zuerst werden Termine
verschlampt, ist doch sowohl die Revision des MEDIA-Programms als auch die
EU-Mediengesetzgebung in der Europäischen Union bereits seit langem in
Diskussion und Beratung. Der Bundesrat hat mit der Beratungsaufnahme bis in den
Frühsommer dieses Jahres zugewartet. Dann wählte er hastig das Dringlichkeitsverfahren,
bei welchem er vor Beschlussfassung bloss die Präsidenten zuständiger
Parlamentskommissionen orientieren muss.
Äussern diese - was bezüglich MEDIA der Fall war - Bedenken, werden die
Einwände in den Wind geschlagen. Dann, wenn das Parlament - was frühestens im
September der Fall sein kann - insgesamt Stellung nehmen möchte, ist der
Beitritt zu MEDIA vom Bundesrat bereits beschlossen. Und, fast nur zwischen den
Zeilen, orientiert der Bundesrat die Parlamentarier, dass der Beitritt zu MEDIA
bis in etwa zwei Jahren die hier erwähnten Konsequenzen auf die Fernsehwerbung
haben dürfte . . . Weil alle Linken aber all ihren Freunden in der Kulturszene
unbedingt die überquellenden Subventionstöpfe der EU zugänglich machen wollen,
ist klar, dass wirksame Opposition gegen die Unterstellung der Schweiz unter
die Mediengesetzgebung der EU chancenlos ist.
Nebenbei: Die gleichen Kräfte, die
gegenwärtig unermüdlich Bundesrat Blocher anpflaumen, weil die Schweiz gegen
aus den fernsten Winkeln der Welt in unser Land eindringende kriminelle
Internet-Inhalte weitgehend machtlos ist, betreiben, um des Geldbeutels ihrer
mehr oder weniger künstlerischen Freunde Willen, hemmungslos den Ausverkauf
schweizerischer Souveränität bezüglich Mediengesetzgebung. Das Volk wird zur ganzen
Angelegenheit überhaupt nicht befragt. Die EU exportiert ihr oft
beklagtes Demokratiedefizit mithilfe der Verwaltung, der politischen Linken und
einigen kopflosen Mitte-Politikern in die Schweiz. Ende der Vorstellung.
Erschienen in Schweizerzeit vom 24. 8. 07
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