Nachfolgend zwei Schreiben, die sich auf eine Stellungnahme von Prof. Lahnstein zu dem Buch von Ilan Pappe »Die ethnische Säuberung Palästinas« beziehen 16.12.2007 21:13
Guten Tag, Herr Prof. Dr. h.c. Lahnstein,
in Ihrer »Polemik gegen einen, der entweder ein komischer Kauz oder ein nützlicher Idiot ist«, wiederholen Sie die Mythen Israels, die längst widerlegt sind. Mangels sachlich fundierter Kritik gegen das Buch »Die ethnische Säuberung Palästinas« bleibt Ihnen nichts anderes übrig, als den anerkannten Historiker Ilan Pappe herabzuwürdigen und zu beleidigen. Dieses Verhalten ist typisch für all diejenigen, die israelische Verbrechen totschweigen und den Palästinozid bestreiten.
Wie viele Leugner
der israelischen Verbrechen gegen die Menschlichkeit sind auch Sie kein Mann
des Ausgleichs und der Verständigung - offensichtlich schon gar nicht als
Aufsichtsratsvorsitzender und Ehrenprofessor der Universität Haifa und langjähriger
Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft. Was Sie als den »brutalsten Angriff
auf die historische Wahrheit« bezeichnen, ist doch unter Historikern längst
Konsens, daß nämlich die palästinensische Bevölkerung durch Einschüchterung und
Terror systematisch vertrieben wurde und nicht »freiwillig« flüchtete.
Die Behauptung, die Flucht sei von der arabischen Führung gesteuert worden, »erwies
sich, obwohl deren Unglaubwürdigkeit auf der Hand lag, viele Jahre lang als
propagandistisch wirksam - eine Unterstellung, die sowohl der militärischen
Logistik, als auch der menschlichen Logik Hohn sprach. Tausende von Dokumenten beweisen,
daß die »Befehl-von-oben«-Theorie falsch
ist, und zeugen im Gegenteil von erheblichen Anstrengungen des AHC (Arab Higher Committee) und der arabischen
Staaten, die Fluchtbewegung einzudämmen.« (siehe Simcha Flapan, Die Geburt Israels.
Mythos und Wirklichkeit, Melzer Verlag). Der Historiker Benny Morris schreibt
ebenfalls, daß die Gewalt, die Einschüchterung und die Vertreibung der zivilen
palästinensischen Bevölkerung schon im Dezember 1947 begann: »in general, the
emigration was a direct result of ... specific Haganah attacks ... Several
Communities were attacked or surrounded and expelled by Haganah units .... « und
auf Seite 54: »Like the Beduins, the villagers of the Sharon decamped over December
1947 - March 1948 mainly because of Haganah ...attacs or fear of such attacks
....« Terror und Krieg gegen die zivile Bevölkerung hatten also längst
begonnen, bevor arabische Truppen Israel angriffen.
Als Beispiel
erinnere ich an das Massaker von Deir Yassin am 9. April 1948 - also gut einen
Monat vor der Staatsgründung - das eine riesige Fluchtbewegung auslöste und
gleichsam als Fanal wirkte und sich unauslöschlich in das kollektive Gedächtnis der zu Hunderttausenden
aus ihrer angestammten Heimat Vertriebenen einbrannte. »Menachem Begin hat sich
... damit gebrüstet, daß es ohne Deir Yassin kein Israel gäbe und nach Deir Yassin
die zionistischen Kräfte »wie ein heißes Messer in Butter« vordringen konnten« (Afif
Safieh, zitiert von John Rose in Mythen des Zionismus. Stolpersteine auf dem
Weg zum Frieden, Rotpunkt-Verlag). »…. es gibt
keinen Zionismus, Kolonisierung oder einen jüdischen Staat ohne Vertreibung der
Araber und die Enteignung ihres Landes« meinte Yoram Bar Porath, in der Zeitung
Yediot Aahronot vom 14. 7. 1972, und
Benni Morris ist gar der Meinung, man habe im Jahr 1948 nur halbe Arbeit geleistet.
In einem Interview vom 9. 1. 2004 sagt er ganz offen: »Wenn es die Umstände
erfordern, wird die Ausrottung (der Palästinenser) die »final solution« sein. Es
ist daher unwesentlich, ob es einen »Befehl von Oben« zur Vertreibung gab, denn
jedes Mitglied der Terrorbanden wusste von selbst, was zu tun war: als erstes
wurden die eingenommenen Dörfer dem Erdboden gleichgemacht, um eine mögliche
Rückkehr ihrer Bewohner zu verhindern.« Bei dieser Gelegenheit frage ich Sie,
warum Artikel 13 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, der besagt: »Jedermann
hat das Recht, jedes Land, einschliesslich seines eigenen, zu verlassen und in
sein Land zurückzukehren«, im Falle der vertriebenen Palästinenser nicht
durchgesetzt wird. Die Anerkennung der UN-Resolutionen zum Rückkehrrecht bzw. des Rechtes
auf Entschädigung war doch Voraussetzung für die Aufnahme Israels in die UNO.
Sie behaupten, daß »die Juden in Palästina diesen Teilungsplan akzeptiert haben«.
Richtig ist, daß die Mehrheit der Zionisten gegen eine Teilung waren. Ben
Gurions Eintreten für den Teilungsplan war rein taktischer Natur und »ein
Sprungbrett für eine weitere Expansion« - wie man bis heute sieht. Der
ehemalige Terrorist Menachem Begin erklärte: »Die Zweiteilung unseres
Heimatlandes ist ungesetzlich. Sie wird niemals anerkannt werden.« (Simcha Flapan)
Das Arab Higher Committee lehnte den Teilungsplan als ungerecht ab; »mit Gewalt
bekämpft«, wie Sie behaupten, ist nur die halbe Wahrheit, denn die Mehrheit der
Palästinenser verweigerte sich dem Aufruf des Mufti, der Freiwillige für eine
Armee warb. »In der Tat war es so, daß vor der einseitigen
Unabhängigkeitserklärung viele palästinensische Persönlichkeiten und Gruppen
mit dem Mufti und seiner politischen Partei nichts zu tun haben wollten und
diverse Versuche unternahmen, einen Modus vivendi mit den Zionisten zu finden.«
(Simcha Flapan)
Als einen
traurigen Witz betrachte ich Ihren Einwand, daß Pappe für ein einheitliches
Palästina optiert, während »die Mehrheit der Israelis, der Palästinenser und
der Völkergemeinschaft insgesamt an der »Zwei Staaten-Lösung« festhält und für
einen unabhängigen Palästinenserstaat eintritt.« Nur: die sogenannte »Weltgemeinschaft«
hat bisher rein gar nichts dafür getan, einen „unabhängigen Palästinenserstaat“
zu errichten, denn sie hat jahrzehntelang zur fortgesetzten israelischen
Landnahme geschwiegen, so daß ein »unabhängige Palästinenserstaat« faktisch
unmöglich geworden ist. Wie die zionistischen Besatzer gesteht die sogenannte »Weltgemeinschaft«
den Palästinensern allenfalls Bantustans zu. Seit Beginn der Kolonisierung
schaut die sogenannte »Weltgemeinschaft« - die sich zivilisiert nennt -
tatenlos zu, wie die Existenz des palästinensischen Volkes systematisch zerstört
und geleugnet wird. Die sogenannte »Weltgemeinschaft« spricht beständig vom
Schutz der Existenz Israels, meint aber in Wirklichkeit den Schutz israelischer
Expansionspolitik! Weil Ilan Pappe für einen Boykott israelischer Universitäten
eintritt, sehen Sie die »akademische Freiheit« in Gefahr. Ist das nicht
gnadenlos heuchlerisch, wenn man nicht gleichzeitig ganz laut protestiert, wenn
»per Militärdekret« im besetzten Palästina »die Universitäten geschlossen
werden, oft monatelang. (Israelische) Soldaten gehen auf den Campus der
Universitäten und richten Verwüstungen an - so in der offenen Universität von
Ramallah oder im Landwirtschaftskolleg von Tul Karm. Aber das interessiert
unsere Universitätsleitungen in keinster Weise. Akademische Freiheit - nur für
uns. Und unsere Schülerorganisationen organisieren wilde Demonstrationen gegen
Schulgeld, aber wenn es um das Schicksal palästinensischer Schüler geht, die in
ihren Häusern eingesperrt sind und nicht zur Schule gehen können, verhalten sie
sich apathisch.« (Gideon Levy, Haaretz/Znet 2003)
Weder Sie noch
die sogenannte »zivilisierte« Welt hat je laut aufgeschrieen, als die
rassistischen Kolonialherren die Palästinenser »auf Diät setzten« - eine tödliche
Diät, wie wir in Gaza sehen! »Unanständig« ist nicht Ilan Pappe, sondern das System, das
diese Ungerechtigkeiten zulässt und einen seiner fähigsten Köpfe ins Exil nach
England treibt.
Kein Friede ohne Gerechtigkeit ! Claudia Karas, Aktionsbündnis
für einen gerechten Frieden in Palästina
|