Kein Ende der Drohungen

politonline d.a. Wie auch aus dem von Armin Fiand an die deutsche Bundeskanzlerin gerichteten Schreiben hervorgeht, nehmen die gegen den Iran gerichteten Drohungen kein Ende. So erklärte Merkel jetzt in der Knesset, Deutschland setze zwar auf eine diplomatische Lösung. Wenn der Iran aber nicht einlenke, werde die Bundesregierung für weitere Sanktionen plädieren. Als ob es an zusätzlichen Einengungen des Irans noch mangelte.

Die am 3. März vom UNO-Sicherheitsrat ausgesprochenen verschärften Bestimmungen sehen u.a. striktere Reiseverbote für Atomwissenschaftler und deren Mitarbeiter vor, und verschärfte Handelsbeschränkungen für Güter, die sowohl zu friedlichen Zwecken als auch zum Bau von Waffen verwendet werden können. Darüber hinaus geht es um das Einfrieren von Konten, die stärkere Inspektion von Frachtgut und die Überwachung von Exportkrediten. Demzufolge werden Mitgliedstaaten bevollmächtigt, die Transaktionen der beiden iranischen Banken Melli und Saderat zu überprüfen. Man fragt sich ferner, ob der Bundeskanzlerin bei ihren  Worten überhaupt zum Bewusstsein kommt, dass die USA vor dem Hintergrund des Atomkonflikts sogar erreicht hat, dass zahlreiche Banken keine Geschäfte mehr mit iranischen Kunden machen dürfen - was immerhin ein glattes Verlustgeschäft bedeutet - und was auch die Banken der BRD trifft. Es ist immer wieder erstaunlich, mit welcher Unverfrorenheit die USA auch in Europa diktiert, was Sache zu sein hat, ohne dass sich hiergegen im Bundestag, im EU-Parlament in Strassburg oder in Brüssel Widerstand regen würde. Der vor kurzem in der Süddeutschen Zeitung erschienene Artikel von Katajun Amirpur über den angeblich in der Rede des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad enthaltenen Satz, Israel von der Landkarte zu tilgen 1, wirft nochmals Licht darauf, wie ein falsch übersetzter Ausspruch auf höchst hartnäckige Weise überlebt, auch wenn er wiederholt widerlegt wurde. Da die meisten von uns inzwischen einen Begriff davon haben dürften, wie die Presse immer wieder vom Hintergrund aus gesteuert wird, sollte erkennbar sein, dass dieser Satz vermutlich die dienliche Funktion bekleidet, die Hetze gegen den Iran nicht nur aufrechtzuerhalten, sondern weiterhin zu schüren. Auf den Umstand, dass Ahmadinedschad besagten Satz nie ausgesprochen hat, hatten wir auf politonline schon vor längerer Zeit hingewiesen 2. Was Ahmadinedschad forderte, war, um die Autorin zu Wort kommen zu lassen, folgendes: Dieses Besatzerregime muss von den Seiten der Geschichte (wörtlich: Zeiten) verschwinden‹ - oder, weniger blumig ausgedrückt: Das Besatzerregime muss Geschichte werden. Das ist keine Aufforderung zum Vernichtungskrieg, sondern die Aufforderung, die Besatzung Jerusalems zu beenden. Amirpur legt ferner folgendes dar: »Unter den Tisch gefallen ist auch der Kontext, in dem Ahmadinedschad gesprochen hat. Seine Äusserung war nämlich ein Zitat Chomeinis, und Ahmadinedschad fügte hinzu, dass das israelische Besatzungsregime verschwinden müsse, so wie das Regime des Schahs verschwunden sei, wie dies Chomeini einst prophezeit habe. Chomeini machte seine Bemerkung, dass das Besatzerregime zu verschwinden habe, in den achtziger Jahren. Damals verkaufte Israel Waffen an Chomeinis Iran - ungeachtet der rhetorischen Verteufelung gab es also unter der Hand funktionierende Beziehungen.« Letzteres führt erneut vor Augen, dass uns zahlreiche im Geheimen gesponnenen Fäden verborgen bleiben und oft erst nach Jahren an die Öffentlichkeit gelangen, wenn das Wirken der Geheimdienste offengelegt resp. die Archive geöffnet werden. In Amirpurs Artikel heisst es aber auch: »Es bleiben immer noch genug Äusserungen übrig, in denen Ahmadinedschad dumm, unverschämt und rassistisch über Israel spricht. Es geht hier nicht darum, Ahmadinedschad zu verteidigen, sondern um die journalistische Redlichkeit.« Um dieser Redlichkeit willen gilt es hinzufügen, dass dasselbe den Gegnern bezüglich ihrer  gegenüber dem  Iran ausgesprochenen Verunglimpfungen auf die absolut gleiche Weise angelastet werden kann, worin sich gerade George Bush immer wieder besonders auszeichnet. So nutzte er Anfang Januar seine Nahost-Tournee, um wilde Attacken gegen den Iran auszusprechen. »Iran ist heute der weltweit führende staatliche Förderer des Terrors«, behauptete der US-Präsident und warf den Iranern vor, den Frieden im Libanon zu untergraben, Waffen an die afghanischen Taliban zu liefern, die UNO zu missachten, die Palästinenser zu unterstützen und den gesamten Nahen Osten zu destabilisieren. Seinen Zuhörern in Abu Dhabi wird, wie Knuth Mellenthin 3 vermerkt, dabei wohl kaum entgangen sein, dass Bush gerade aus einem Land, nämlich Israel kam, das mehr UNO-Beschlüsse ignoriert als alle übrigen Mitglieder zusammen und das im Sommer 2006 einen rücksichtslosen Bombenkrieg gegen den Libanon führte. Schon im Oktober 2007 hatte die USA im Alleingang den Druck auf Teheran weiter verschärft und die weitreichendsten Sanktionen gegen den Iran seit der islamischen Revolution vor fast 30 Jahren verhängt. Die Revolutionsgarden als Teil der iranischen Streitkräfte wurden dabei als Lieferanten von Massenvernichtungswaffen gebrandmarkt. Ihre Elitetruppe, die Al-Kuds- Einheit, kam auf die Liste von Staaten und Organisationen, die den Terrorismus unterstützen. Dies veranlasste Putin dazu, beim EU-Russland-Gipfel Ende Oktober 2007 in Lissabon mit Blick auf unverhohlene Drohungen mit Militäraktionen einiger US-Politiker folgendes zu äussern: »Sie können herumlaufen wie Verrückte und Rasierklingen schwenken, aber das ist nicht der beste Weg, das Problem zu lösen.« Nach all den Lügen, deren sich Bush und Blair bedient hatten, um den Irakkrieg zu entfesseln, kann allerdings nichts mehr überraschen, was aus dem Munde des US-Präsidenten und seines Stabs kommt.  
 
So schreibt denn auch Amirpur, dass es nicht vollkommen von der Hand zu weisen ist, dass die Gefahr einer Atommacht Iran, die zudem noch Vernichtungsphantasien gegenüber Israel hegen soll, zur Zeit künstlich heraufbeschworen wird, um einen Militärschlag gegen den Iran zu rechtfertigen. »Die Reaktion auf Ahmadinedschads angeblicher wipe off the map Äusserung fiel«, so die Autorin, »deutlich aus: Der israelische Premierminister Ehud Olmert entwickelte das falsche Zitat zu der Behauptung weiter, der iranische Präsident spreche von der völligen Zerstörung und Vernichtung des jüdischen Volkes und schlug den Bogen zur atomaren Bedrohung Israels durch den Iran. Die unterstellte atomare Bedrohung ebenso wie die mutmassliche verbale Drohung können so jederzeit einen Angriff auf den Iran rechtfertigen.Olmerts Argumentation übersieht allerdings zweierlei: Allen geheimdienstlichen Erkenntnissen zufolge sind die Iraner noch weit vom Bau einer Atombombe entfernt (im Gegensatz zu Israel). Und die iranischen Herrscher, man mag von ihnen halten, was man will, würden vermutlich nicht so dumm sein, sie einzusetzen. Zu gross ist ihr Selbsterhaltungstrieb, und sie sind gegenüber Israel weit weniger ideologisch verbrämt als oft angenommen wird, siehe die Waffengeschäfte mit Israel in den Achtzigern. Erstaunlich ist in diesem Zusammenhang auch die verschobene Logik unserer Wahrnehmung. Während der acht Jahre, in denen der Reformer Mohammad Chatami Präsident des Irans war, wurden westliche Medien nicht müde, darauf hinzuweisen, dass er keine Reformen durchbringen könnte, weil er als Präsident kaum über Macht verfüge und dass diese in den Händen von Revolutionsführer Chamenei liege. Nun plötzlich scheint dies vergessen zu sein. Und den tatsächlichen und angeblichen Aussagen Ahmadinedschads wird so viel Bedeutung beigemessen, als handle es sich bei ihm als Präsidenten plötzlich um einen Entscheidungsträger ersten Ranges. Der ist jedoch nach wie vor Revolutionsführer Ali Chamenei. Er entscheidet über Krieg und Frieden und hat die Richtlinienkompetenz in der Politik. Chamenei aber bemühte sich wenige Tage nach dem Wirbel um die Äusserungen Ahmadinedschads um Schadensbegrenzung, indem er sagte: Der Iran wird gegen keine Nation eine Aggression begehen. Auch Aussenminister Manutschehr Mottaki bemühte sich um Richtigstellung. Nur Ahmadinedschad liess den Übersetzungsfehler auch auf Nachfrage bestehen. Die einzige Nation, gegen die das iranische Regime eine Aggression begehen will und begeht, ist folglich die iranische. Denn das iranische Regime ist weit eher eine Bedrohung für die eigene Bevölkerung als für jede andere Nation der Welt.«
 
Im Januar hatte Admiral William F. Fallon, Oberbefehlshaber der US-Truppen für den Nahen Osten verlauten lassen, er werde mit seinem gesamten Stab zurücktreten, wenn ihm ein Angriff auf den Iran befohlen werde. Dieser Rücktritt erfolgte am 12. März. Fallon hatte schon zuvor militärische Gewalt gegen Teheran abgelehnt. Wie es heisst, will die US-Regierung diese Möglichkeit jedoch offiziell nicht ausschliessen. Der Amerikaner James P. Tucker berichtete allerdings im Juni 2006, dass die europäischen Bilderberger erklärt hätten, dass sie sich an einer Invasion des Irans, was laut Bush als Option auf dem Tisch liegt, nicht beteiligen würden 4. Obwohl die NATO durch eine Erhöhung ihrer Truppen in Afghanistan einen Beitrag leistete, wurde erklärt, dass von dieser keine Hilfe zu erwarten sei, würde die USA im Iran einfallen: »Wir werden Euch nicht dabei helfen, einen Krieg für Israel zu kämpfen.« Das war im Jahr 2006: es bleibt zu hoffen, dass diese Aussage ihre Gültigkeit behält und dieser auch von der deutschen Bundeskanzlerin Rechnung getragen wird.
 
Was Israels Überlegungen betrifft, so schliesst das Land einer Meldung der Jungen Welt vom 14. 12. 07 zufolge einen »militärischen Alleingang gegen den Iran nicht aus« 5. » Für den Fall, daß die »internationale Gemeinschaft« es nicht schafft, Iran zur Aufgabe seines Atomprogramms zu zwingen, werden sich die israelischen Streitkräfte »auf jedes Szenario vorbereiten.« Im Prinzip ist dies das gleiche Muster, wie es bei den Massenvernichtungswaffen, die dem Irak angelastet wurden, zum Einsatz kam. Wie Seymour Hersh und Scott Ritter darlegten, wissen sowohl der israelische Geheimdienst Mossad als auch die CIA definitiv - nicht zuletzt von den vom Mossad in das iranische Urananreicherungsprogramm eingeschleusten Quellen - dass der Iran kein Atomwaffenprogramm verfolgt. »Bei einem Angriff«, erklären die beiden Autoren, »wird die Antwort des Irans hauptsächlich auf ökonomischem Gebiet erfolgen, insbesondere in der Unterbrechung/Zerstörung wichtiger Ölförderanlagen und Transportwege im Mittleren Osten; der Rohölpreis wird innerhalb von Tagen emporschnellen.« Ende Januar hat Israel einen neuentwickelten Spionagesatelliten ins All gebracht, der Aktivitäten im Iran auch bei Nacht und wolkigem Wetter erfassen können soll. Durchaus interessant hierbei ist der Fakt, dass der Satellit mit einer indischen Rakete von einem Raumfahrtzentrum in Südindien aus ins All befördert wurde. Womit wir erneut bei den vor der Öffentlichkeit verborgenen Beziehungen zwischen den Staaten angekommen wären, auch wenn nach aussen hin Anfeindungen oder Beschuldigungen bestehen sollten.
 
Es bleibt trotz aller negativen Anzeichen zu hoffen, dass doch noch soviel Vernunft regieren wird, dass wir von einem weiteren Inferno verschont bleiben, denn, wie die Indianer des Amazonasgebiets sagen: Auf einem zerstörten Planeten finden sich keine Arbeitsplätze! Und damit auch keine Gehälter mehr für unsere Volksvertreter, für die es ohnehin an der Zeit wäre, sich die Frage zu stellen, wie oft sie das Wohl ihrer »Untertanen« aus der Sicht der Bürger vernachlässigen und mit welchen Folgen! 
 
1 Quelle: Süddeutschen Zeitung vom 15./16. März 2008 (Feuilleton, Seite 15) - Der iranische Schlüsselsatz - Ein Übersetzungsfehler macht gefährliche Weltpolitik von Katajun Amirpur 
2 http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news_search Der Krieg gegen den Iran hat schon begonnen
Die Professorin Virginia Tilley hat zudem in einer interessanten Publikation nachgewiesen, daß beispielsweise das berüchtigte Zitat - Israel muß von der Landkarte gelöscht werden - ganz einfach falsch ist. Begriffe wie Landkarte oder auslöschen kommen in der Rede des iranischen Präsidenten gar nicht vor; es ist schlichtweg falsch übersetzt - ob absichtlich oder nicht, lasse ich offen.
3 http://www.jungewelt.de/2008/01-15/020.php  Attacken gegen Teheran »Alle Optionen sind möglich«: US-Präsident Bush läßt bei seiner Nahost-Tournee keine Gelegenheit aus, Iran mit Krieg zu drohen - Von Knut Mellenthin
4 http://www.bilderberg.org/2006.htm#where  By James P. Tucker Jr. 19th June 2006 sowie http://www.americanfreepress.net/html/big_surprises_at_bilderberg.html
European Bilderbergers said they would have no part in an invasion of Iran, something Bush says is an “option on the table.” Although NATO is helping by adding 9,000 troops in Afghanistan, expect no help if Iran is invaded, they said. “We will not help you fight a war for Israel,” one said.
5 http://www.jungewelt.de/2007/12-14/002.php 14. 12. Drohung mit Krieg - Israel schließt militärischen Alleingang gegen Iran nicht aus. USA und EU wollen erneut Sanktionen verschärfen - Von Knut Mellenthin