Zu den Ausschreitungen in Griechenland 13.12.2008 17:59
d.a. Was den Krisenzustand Griechenlands betrifft, so befand sich das Land, wie Wassilos Aswestopoulos schreibt, bereits vor den Wahlen 2007 in dieser Lage. Wie diese im einzelnen beschaffen ist, vermitteln die nachfolgenden Auszüge aus seinem Artikel »Griechenland: Chronik einer erwarteten Explosion« [1]. Mitten im Wahlkampf brannten die Wälder Griechenlands, 70 Menschen kamen in den Flammen ums Leben:
Der Staat konnte seine Bürger nicht schützen. Trotzdem oder wegen der damaligen Krise wurde die Regierung bestätigt. Einerseits hatten die Griechen Angst vor einem Wechsel während einer Krise, andererseits konnte die Opposition trotz der Unfähigkeit der Regierung kein schlüssiges Konzept vorweisen. In dieser Situation konnte die Karamanlis-Administration nahezu ungestört Skandale aussitzen, die jede Regierung eines europäischen Staates stürzen können hätten. So wurde z. B. nachgewiesen, daß sowohl die jetzige Regierung als auch die bis 2004 regierenden Sozialdemokraten unter Konstantinos Simitis bei öffentlichen Ausschreibungen von Siemens geschmiert worden waren. Es stellte sich heraus, daß Regierung, Opposition, Journalisten und ausländische Bürger systematisch abgehört wurden. Dieser Umstand wurde vom zuständigen Minister zunächst vertuscht. Weder der Minister noch irgendein anderer Schuldiger mußte sich vor der Justiz verantworten. Es gab noch nicht einmal Rücktritte. Ebenso konnte nachgewiesen werden, daß mehrere Minister in einen lukrativen Grundstücksdeal mit mindestens einem Kloster verwickelt sind, bei dem der öffentlichen Hand ein Milliardenschaden entstand. Sexskandale, Eifersuchtsmorde und Selbstmordversuche erschütterten sowohl das Kultusministerium als auch - dies allerdings kurz vor den Wahlen - das Sozialministerium. Der griechische Bürger konnte nicht feststellen, daß auch nur ein wirklich Verantwortlicher angeklagt, geschweige denn verurteilt wurde. In diesem Skandalsumpf wurde das Land von der weltweit drohenden Wirtschaftskrise kalt erwischt. Völlig unvermittelt traf die Griechen im Herbst dieses Jahres die Ankündigung höherer Steuern, sogar einer Kopfsteuer, die auch von Bürgern mit Einkünften unterhalb des relativ niedrigen, staatlich festgelegten Existenzminimums zu zahlen ist. Enorme Strompreiserhöhungen wurden angekündigt und mit steigenden Energiekosten entschuldigt, während zur gleichen Zeit der Ölpreis auf dem Weltmarkt von 144 $ pro Barrel auf 44 $ sank. Gleichzeitig kündigten die Banken, die den Kunden zuvor Urlaubskredite, Weihnachtskredite, Hochzeitskredite und Ausbildungskredite aufgedrängt hatten, reihenweise Kredite. Die Einhaltung der Kredite wurde nur zu erheblich höheren Zinsen gewährt. Je tiefer die Europäische Zentralbank die Zinsen senkt, umso mehr erhöhen die griechischen Banken ihre Kreditzinsen. Kontoüberziehungen kosten 23 %. Armut und Arbeitslosigkeit Pünktlich zu den ersten Massenentlassungen, die mit der globalen Krise begründet wurden, wurden die gesetzlich Sozialversicherten mit dem Umstand konfrontiert, daß das staatliche Gesundheitswesen de facto nicht mehr existiert. Selbst Versicherte müssen bei Kassenärzten das Honorar zunächst aus eigener Tasche vorfinanzieren, die Medikamente bezahlen und dann die bürokratischen Hürden der Rückerstattung durchlaufen. Der Grund? Die staatlichen Krankenhäuser, staatlich gesicherte Sozialversicherungen und die öffentliche Hand haben einen Schuldenberg von mehreren Milliarden angehäuft und Ärzte, Apotheker sowie Krankenhauszulieferer nicht bezahlt. Aufgrund erstellter Rechnungen müssen diese allerdings die Mehrwertsteuer sowie ihren Einkommensteueranteil auch für die geschuldeten Rechnungen bezahlen. Diesen Punkt greifen auch die Nachrichten der Bürgerrechtsbewegung Solidarität auf, laut denen das Gesundheitssystem in Griechenland in totalem Verfall ist, seit die Regierung die Einzahlungen in die staatliche Gesundheitsversicherung stoppte. In den letzten Wochen wurde die Polizei wiederholt bemüht, um Krankenschwestern, Ärzten und andere Beschäftigten im medizinischen Bereich den Zutritt zum Gesundheitsministerium zu verwehren, wo sie ihre überfälligen Löhne einfordern wollten 2. All diese Enthüllungen und Mißstände werden in den griechischen Medien haarklein aufgearbeitet. Der normale Medienkonsument kann sich vor diesen »dramatisierenden« Nachrichten, die pünktlich zu den Hauptsendezeiten präsentiert werden, kaum retten. Griechenland gehört zu den Ländern Europas, die eine relativ hohe Rate von Akademikern vorweisen können. Trotzdem herrscht gerade unter Jugendlichen und 30 bis 40-Jährigen eine hohe Arbeitslosigkeit. Viele Ingenieure, Rechtsanwälte und sogar Ärzte müssen mit Monatslöhnen von brutto 800 € in einem Status der Scheinselbstständigkeit überleben. Dies, obwohl selbst griechische Produkte zu höheren Preisen als im Ausland verkauft werden. Das Land gehört zu den teuersten Staaten Europas. Als Sahnehäubchen auf die Skandalserie wurde das Geschenk von 28 Milliarden € direkter Wirtschaftshilfe von der Regierung an die Banken empfunden. Ohne wirkliche Gegenleistung können die griechischen Banken nun völlig furchtlos durch die Wirtschaftskrise kommen. Die Kunden und die für 800 Euro arbeitenden Bankangestellten können allerdings keine Unterstützung erwarten. Vor diesem Hintergrund muß man die Reaktion der etwa dreißig Jugendlichen sehen, die vormittags aufgrund der Schulpflicht staatliche Schulen besuchen müssen und nachmittags in Privatschulen als Nachhilfe den Stoff vermittelt bekommen, den ihnen die vollkommen unorganisierten und unterbesetzten staatlichen Institutionen nicht mehr liefern können. Während Griechenlands Großstädte derzeit im wahrsten Sinn des Wortes in Flammen stehen, Geschäfte geplündert werden, Baudenkmäler von randalierenden Gruppen niedergerissen werden, gibt es kaum einen Griechen, der diese Explosion nicht erwartet oder befürchtet hat. Die Verhängung des Ausnahmezustands wird aus parteipolitischen Gründen nicht erwogen, während die Opposition bei steigenden Umfragewerten lediglich darauf wartet, daß die Regierung wie »eine reife Frucht« fällt. In der Zwischenzeit werden Millionenbeträge und Existenzen mittelständischer Händler und Gewerbetreibender zerstört und ohne Polizeischutz geplündert. Griechenland erscheint sowohl seitens der Regierung als auch der Opposition ohne Regierung zu sein. Fairerweise sollte man auch die Situation der Polizisten betrachten: Mit niedrigen Löhnen von ca. 1.200 € und einer schlechten Ausbildung müssen sie tagtäglich Beschimpfungen, Steinwürfe oder Molotowcocktails über sich ergehen lassen. Dies bestätigt auch Petros Markaris, der große alte Mann der griechischen Kriminalliteratur und scharfzüngige Gesellschaftskritiker 3: »Die Polizei ist nicht gut ausgebildet und hat mittlerweile alles Selbstvertrauen verloren. Den Polizisten wird aufgebürdet, was die Politik nicht lösen kann. Die Nerven liegen blank.« Im Fernsehen trat ein Einsatzleiter der Spezialeinheiten auf, die vier Nächte in Folge in die Straßenschlacht geschickt wurden: Seine Leute bekämen 600 € netto, referierte der Beamte, Überstunden würden nicht bezahlt: »Was glauben Sie, was für eine Qualität Sie dafür bekommen?« Mit rund drei Millionen Einwohnern, schreibt der Autor Udo Ulfkotte 4, ist Athen die bevölkerungsreichste Stadt Griechenlands. Liest man in diesen Tagen die Berichte deutscher Journalisten über die schweren Unruhen, dann kamen diese aus dem Nichts. Eine Polizeikugel traf einen jungen Griechen - und auf einen Schlag brandete eine Welle wüster Demonstrationen durch das Land. Wer das glaubt, der dürfte bei den PISA-Studien nicht sonderlich gut abgeschnitten haben. Denn die Realität ist für jeden, auch für Journalisten, offen einsehbar. In Athen randalieren seit Monaten immer wieder »Demonstranten«. Sie zünden immer wieder einmal Buchhandlungen und Geschäfte an - und die Medien schauen politisch korrekt weg. Das ermuntert die »Demonstranten«. Sie warteten nur auf einen Anlaß, um landesweit losschlagen zu können. Die Gewalt der »Autonomen« und gewalttätige Demonstrationen von Einwanderern aus islamischen Staaten, die sich mit Autonomen verbünden, gehören in manchen Stadtteilen inzwischen zum ganz »normalen« Bild Athens. Man muß nur genau hinschauen. Seit dem 5. Juni 2008 haben die »Autonomen« in Athen ein neues »Hobby«: sie überfallen Buchhandlungen und setzen Zehntausende von Büchern in Brand. Nicht ein deutscher Journalist hat bislang über die öffentlichen Bücherverbrennungen in Athen berichtet. Seit dem 5. Juni wurden immerhin vier Buchhandlungen überfallen und die Bücher mit Benzin in Brand gesetzt. Frau Ana Maria Cabanellas ist die Präsidentin der Internationalen Buchhändler-Vereinigung mit Sitz in Genf. Dort hat man die Welle der brutalen Übergriffe auf griechische Buchhandlungen seit Monaten aufmerksam verfolgt. Aufgefallen ist vor allem, daß die Polizei nicht eingegriffen hat. Sie hat die »Autonomen« in Ruhe abziehen lassen, wenn diese Buchhandlungen in Brand setzten. Die Polizei, so das Signal, schaut lieber weg. Man will keinen Ärger haben. Davon haben die Sicherheitskräfte in Athen nämlich schon genug. In den letzten Jahren sind etwa 80.000 moslemische Flüchtlinge nach Athen gekommen, sie alle leben illegal in Athen. Sie kommen aus dem Nahen Osten, vom Balkan, aus Afghanistan, dem Irak. Sie leben von Überfällen, dem Rauschgifthandel, bilden brutale kriminelle Gangs, greifen Athener an und liefern sich gegenseitig Straßenschlachten. Entlang ihrer ethnisch-religiösen Herkunft bilden sie Gruppen, die mit brutalster Gewalt gegen andere Gangs vorgehen. Mit Äxten und Macheten schlagen sie mitten auf den Straßen im Stadtzentrum aufeinander ein. Die Polizei ist ratlos. In solchen Stadtgebieten schließen die Geschäfte, die ethnischen Griechen ziehen weg - man kennt das ja aus vielen anderen europäischen Städten. Der sozialistische Bürgermeister von Athen, Yiannis Sgouros (PASOK-Partei), sprach im Oktober 2008 von einer »explosiven Lage«. Die aus dem Nahen Osten zugewanderten Mitbürger hätten die griechische Hauptstadt als »Geisel« genommen. Er warnte vor schweren »Unruhen« mitten in Athen - vergeblich, man belächelte den Mann. Bis es dann im Dezember knallte. Die Einwohner Griechenlands reagieren auf diese seit einem Jahr anhaltenden schlechten Nachrichten über immer neue Unruhen in Athen, die man außerhalb Griechenlands nicht zur Kenntnis nimmt: sie wählen auf einmal extremistische rechte Parteien - früher war das in Griechenland einfach undenkbar. Im Oktober 2008 stimmten 5,3 % bei jüngsten Umfragen für die extrem rechte Laos-Partei, die seit einem Jahr im Parlament sitzt. Und die Zahl ihrer Anhänger steigt - ebenso wie die Zahl der nahöstlichen Migranten, die gemeinsam mit den »Autonomen« den Bürgerkrieg nach Athen bringen. Deutsche Qualitätsjournalisten – etwa vom Spiegel – nennen die aktuellen schlimmen Proben für den Bürgerkrieg allen Ernstes »Protest gegen die Polizei«. Nun, so kann man das natürlich auch nennen, wenn man alles andere politisch korrekt beiseite schiebt … Einem weiteren Bericht von Wassilos Aswestopoulos 5 ist zu entnehmen, daß die Sekretärin der Kommunistischen Partei Griechenlands nach einem Treffen mit Ministerpräsident Karamanlis am 9. 12. folgendes Statement abgegeben hatte: »Die Parteiführung des Syriza (vereinigte Linke und Eurokommunisten) soll aufhören, den Randalierern die Ohren zu streicheln, um damit Wählerstimmen zu gewinnen.« Kurz zuvor hatte sie organisierte Berufsrandalierer, die nach dem Vorbild der Taliban von den Regierungen sowohl der PASOK als auch der regierenden Nea Dimokratia aufgebaut und gefördert worden seien, als Drahtzieher hinter den Eskalationen vermutet. Seit Jahren werden hinter den regelmäßig in Gewaltexzessen ausufernden Demonstrationen in Griechenland organisierte »Parakratos« (Staat im Staat) genannte Gruppierungen vermutet. Diese werden in griechischen Medien als »bekannte Unbekannte« bezeichnet. Es handelt sich dabei um Gruppen mit einer maximalen Stärke von 30 bis 80 Personen, die es bei nahezu jedem Anlaß schaffen, eine Demonstration von 10.000 friedlichen Bürgern in eine Straßenschlacht zu verwandeln. Seltsam dabei ist: Selbst vor laufenden Kameras lassen die hochgerüsteten Polizeikräfte solche Randalierer nahezu frei agieren. Nach deren Abzug schlagen die Einsatzkräfte aber oft unvermittelt auf alternativ gekleidete, eher unbeteiligte Demonstranten brutal ein. So konnte auch gestern [8.12.08] in den griechischen Medien beobachtet werden, wie von diesen Gruppen Schaufensterscheiben zerstört und Geschäfte in Brand gesetzt wurden, ohne daß die zuschauenden Polizeikräfte eingriffen. Dafür wurde kurz darauf ein ca. 18jähriges einzelnes Mädchen, das unvermummt an der Demonstration teilnahm, vor abermals laufenden Kameras von einer Gruppe von 10 Elitepolizisten umkreist, mit Fußtritten versehen und weggeschleift. Die Existenz von Agents Provocateurs bei solchen Demonstrationen ist unbestritten. Die Tatsache wird lediglich von der jeweils von den Krawallen profitierenden Seite geleugnet. Allerdings ist nicht klar, ob diese Berufsrandalierer noch unter Kontrolle sind, also von ihrem ehemaligen oder jeweiligen Auftraggeber Befehle erhalten, oder ob sich Teile dieser Gruppen autonomisiert haben. Jede Partei pflegt hierbei ihre eigene Verschwörungstheorie, von Regierungsanhängern werden gerne »ausländische Agenten« als Drahtzieher vermutet. Was die sogenannten Autonomen betrifft, so führt die Bürgerrechtsbewegung Solidarität folgendes aus 2: »Diese Ausschreitungen laufen nach ähnlichem Muster ab wie jene 2001 beim G-8 Gipfel in Genua. Die Netzwerke der Autonomen sind darauf aus, durch Provokationen zuerst einen Märtyrer zu bekommen, um dann im Namen der ›Solidarität mit dem Opfer‹ eine Welle der Gewalt loszutreten. Schon am 3. Dezember war von einer Gruppe, die sich selbst die ›Verschwörung der Zellen des Feuers‹ nennt, ein Anschlag gegen das Athener Büro der Agence France Presse (AFP) verübt worden. Sie selbst gaben an, dies in ›Solidarität mit unseren französischen Genossen‹ gemacht zu haben, mit einem klaren Bezug zur ›Unsichtbaren Zelle‹ von Julien Coupat, die im Verdacht steht, in Sabotageakten gegen den TGV in Frankreich verwickelt zu sein.« Viel von dem erbeuteten Diebesgut der Plünderer wird sowohl auf den Flohmärkten als auch im illegalen Straßenverkauf erwartet. Bedenklich hierbei ist die komplette Plünderung eines Waffengeschäfts am zentralen Omoniaplatz in Athen. Foteini Pipili, ehemalige Journalistin und nun Abgeordnete der regierenden Nea Dimokratia, bemerkte u.a. »daß 50 hirnlose Extremisten ganz Griechenland in ein Schlachtfeld verwandelt haben.« (Fotini Pipili, Spätnachrichten Ant1, 09.12.2008, ca. 2h) Wie breit der Protest im Gegensatz zu den prozentual wenigen Randalierern tatsächlich von der Gesellschaft getragen wird, beweisen die Aufrufe zu dem [inzwischen erfolgten] Generalstreik gegen die sich ständig verschlechternden Arbeitsbedingungen. Soziale Gerechtigkeit, soziale Sicherheit und das Recht auf persönliche Unversehrtheit lauten die Forderungen der Gewerkschaften. Die Bürger erwarten endlich Maßnahmen, die ihnen bei der Bewältigung der Krise helfen. Das bereits erwähnte Milliardenpaket an die Banken setzte dem Ganzen die Krone auf. »Die Wut«, sagt Petros Markaris 3, »die Wut ist groß.« Er glaubt nicht an das »Märchen« von 300 Linksradikalen aus dem Viertel Exarchia, die die Stadt allein in Brand gesetzt haben sollen. »Die Wut sitzt mittlerweile tiefer in diesem Land.« Er spricht von der Wut auf einen Staat, der einen mit Bürokratie ersticke und den Cliquen untereinander aufgeteilt haben: »Griechenland ist eine Gesellschaft geschlossener Kreise geworden. Jeder Kreis verteilt die Ressourcen nur an seine Leute. Und jeder Kreis hält das Land für sein Ebenbild.« Korruption gab es immer im Land. »Aber nun werden die Zahlen ein paar Nummern zu groß. Und nie wird einer bestraft.« Eine etwas andere, durchaus wissenswerte Sicht nimmt Michael Kelpanides, Professor an der Aristoteles-Universität, ein, der in Deutschland durch sein Buch über die Renaissance des westlichen Neomarxismus bekannt wurde 6. Ihm zufolge ist die griechische Gesellschaft eine Anspruchsgesellschaft mit wenig Realitätssinn. Die jüngsten Unruhen seien keineswegs als Aufstand der Jugend zu bezeichnen. »Tatsächlich ist es den Jugendlichen, ohne existierende Unterschiede zu ignorieren, in der Geschichte noch nie so gut ergangen wie in den heutigen wohlfahrtsstaatlichen Demokratien des Westens. Das eigentliche Problem ist, daß die Griechen, vom einfachen Bürger bis zum Staat, über ihre Verhältnisse leben. Sie verlangen immer wieder die Angleichung ihrer Löhne und Gehälter an die westeuropäischen, obwohl die Produktivität auf allen Sektoren in Griechenland weit unterhalb der westeuropäischen Mittelwerte liegt. Der individuelle Hang zum Konsum ist nicht zu übersehen. Nicht zu übersehen ist auch, daß die Cafés rund um die Universitäten und in weiteren konzentrischen Kreisen zu jeder Tageszeit und bis in die frühen Morgenstunden voll besetzt sind. Die Studenten verbraten enorme Summen durch diesen täglichen stundenlangen Aufenthalt in Cafés. Morgens schlafen sie dann lange, so daß vor zwölf Uhr mittags in manchen Fächern kaum Studenten in den Vorlesungen erscheinen. Private Paukkurse am Nachmittag, in den sogenannten ›Frontistiria‹, gab es in Griechenland immer. Ihre Existenz ist ein Beleg für die enorme Ineffizienz des öffentlichen Schulwesens, doch das hat nichts, aber wirklich gar nichts, mit den jetzigen Ausschreitungen zu tun. Vor mehreren Jahren hat übrigens die damalige sozialistische PASOK-Regierung staatlich finanzierten Nachhilfeunterricht angeboten, der aber sang- und klanglos eingegangen ist, weil keiner hinging. Die Schüler, das heißt ihre Eltern, wollten lieber zahlen, damit sie das, was sie bekamen, auch schätzen konnten. Jeder Schüler sitzt nachmittags fast ebenso lang in einem Paukkurs wie vormittags in der Schule. Das ist absurd und völlig unpädagogisch. Niemand konnte dieses System bisher abschaffen. Die ersten, die dagegen Sturm liefen, waren die Lehrer, weil sie mit privatem Unterricht mindestens ein zweites Gehalt verdienen. Da kommen wir wieder zu den Schablonen: Ein europäischer Leser, der so etwas nicht kennt, kann das nicht in seine Kategorien einordnen. Man muß dazu über eine Gesellschaft wie die griechische, die ganz anders funktioniert als die westeuropäischen, viel mehr wissen. Viel wird nun von vorzeitigen Neuwahlen geredet und von einem Machtwechsel.« Auf die ihm von Michael Martens gestellte Frage, ob die geringste Aussicht bestehe, daß Griechenland unter einem Ministerpräsidenten Papandreou und der PASOK in den ungelösten Fragen der Bildungspolitik, bei der Reform des Rentensystems oder des Gesundheitswesens vorankäme, meinte Professor Kelpanides, er glaube nicht, daß eine PASOK-Regierung in der jetzigen Konstellation mit zerrütteten Staatsfinanzen irgendetwas besser machen könnte. Er vertrete auch hier die Nullhypothese. Das einzige, was nützen könnte, wäre eine harte Austeritätspolitik und eine Politik des harten Durchgreifens gegen die ausufernden Partikularinteressen. »Aber dazu«, meinte er abschließend, »fehlen sowohl die gesellschaftlichen als auch die politischen Voraussetzungen.« 1 http://www.hintergrund.de/content/view/320/63/ 9. 12. 08 Griechenland: Chronik einer erwarteten Explosion Von Wassilos Aswestopoulos 2 http://www.bueso.de/news/griechenland-jungstes-opfer-strategie-spannungen 9.12.08 Griechenland jüngstes Opfer der Strategie der Spannungen 3 http://www.bazonline.ch/ausland/europa/Alex-fuer-dich-brennen-wir-Athen-nieder/story/26068946 Von Petros Markaris; 10. 12. 08 4http://info.kopp-verlag.de/news/schwere-unruhen-in-athen-was-deutsche-medien-ihnen-verschweigen.html 10. 12. 08 Schwere Unruhen in Athen - Was Ihnen deutsche Medien verschweigen - Udo Ulfkotte 5http://www.hintergrund.de/content/view/321/63/ 10. 12. 08 Staatlich gelenkte Randale in Griechenland? Mittwoch: Generalstreik - Von Wassilos Aswestpopoulos 6 http://www.faz.net/s/Rub117C535CDF414415BB243B181B8B60AE/Doc~EA249B45262A5472C89F9D307664C37BD~ATpl~Ecommon~Scontent.html 11.12.08 - Der Nepotismus ist das Lebensprinzip Griechenlands
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