NATO - Die Aggression ist ungebrochen - Von Doris Auerbach

Der Auftritt von US-Vizepräsident Joe Biden, Obamas Stellvertreter, am 7. 2. auf der Münchner Sicherheitskonferenz war von den 300 Teilnehmern (die Kosten!) mit Spannung erwartet worden. Von seiner Rede erhoffte man sich, wie es hieß, Hinweise auf den zukünftigen sicherheitspolitischen Kurs und Zeichen einer engeren transatlantischen Zusammenarbeit.

Nun dürfte es für jeden der Anwesenden im voraus klar gewesen sein, daß letztere lediglich erhöhte Verpflichtungen für die bereits hoch verschuldeten Europäer bedeuten kann, was Biden denn auch mit folgenden Worten deutlich machte: »Amerika wird mehr tun. Aber die schlechte Nachricht ist: Wir werden von unseren Partnern auch mehr verlangen.« [1] Hinter dem »mehr« Amerikas jedenfalls steht nichts anderes als mehr Krieg, und das »mehr«, das der EU abverlangt wird, schlägt sich in einer erhöhten Truppenanzahl und verstärkten finanziellen Leistungen nieder. Biden sprach u.a. auch von Gemeinsamkeit, die hinsichtlich der Angriffslust der USA auf EU-Ebene allenfalls bei den Spitzen der Regierungen auszumachen ist und mit dem Friedenswillen der Mehrheit der EU-Bürger nichts, aber auch nicht das Geringste gemein hat; ebenso von Vertrauen. Auch das läßt sich, zumindest was das gemeine Volk betrifft, eher in den Bereich der Fiktion verweisen. »In der Sache aber« schreibt Ulrich Rippert 2, »d.h. in der konkreten politischen und militärischen Zielsetzung, war kein Kurswechsel zu erkennen. Nachdem Obama letztes Jahr bereits in Berlin an die Europäer appelliert hatte, »ihre pazifistische Zurückhaltung aufzugeben«, ist die EU nun damit konfrontiert, mit den Amerikanern gleichzuziehen, indem sie mehr Soldaten nach Afghanistan schickt.« Man kann dies ruhig als einen Befehl betrachten, dem die EU nicht entkommt. Geht man Bidens diversen Aussagen auf den Grund, so führen diese, auch wenn er erklärt, »einen neuen Ton in Washington und in Amerikas Beziehungen zu den Staaten der Welt anschlagen zu wollen«, dennoch zu der Feststellung, daß hinsichtlich aller an die NATO gestellten US-Forderungen keine Nachsicht zu erwarten ist.  
 
Dies zeigt sich allein schon in Bezug auf das Drogenproblems. Der Anbau von Mohn war, wie hinlänglich bekannt, zu Zeiten der Taliban-Herrschaft noch massiv bekämpft worden; erst nach ihrem Sturz änderte sich diese Haltung. Unter dem Dach des UN-Mandats für den Wiederaufbau des Landes hat sich der afghanische Drogenexport erheblich erhöht. Auch  2007 hat Afghanistan erneut mehr als 90 % allen weltweiten Opiums produziert, was pro Jahr zwischen 60 und 80 Millionen $ einbringt. Was die Rüstungsindustrie hoch erfreutem dürfte, ist der dadurch ermöglichte Waffenabsatz doch gesichert. Und dieser nimmt - mit oder ohne Embargo oder Restriktionen diverser Art - unweigerlich den Weg dorthin, wo Krisen und Krieg blühen. Das Empfängerland ist hier nicht ausschlaggebend, direkt oder indirekt werden allebedient. Vom Drogenhandel profitieren natürlich alle der Marionettenregierung Karsai nahestehende Kräfte. Die Zahl der durch die NATO- und US-Truppen getöteten Zivilisten steigt derzeit von Monat zu Monat. Nun hatten es Spanien, Italien und Deutschland zuvor abgelehnt, daß die internationale Afghanistan-Schutztruppe Isaf auch gegen Drogenhändler einzuschreiten hatte, dennoch war es US-Verteidigungsminister Gates auf der Konferenz der 26 NATO-Verteidigungsminister am 10. 10. 08 in Budapest gelungen, sich durchzusetzen, so daß die Isaf künftig auch gegen Drogenhändler vorgehen muß; hierzu meinte Jaap de Hoop Scheffer: »Unser Problem ist, daß unsere Leute wegen dieses fürchterlichen Drogenproblems umgebracht werden.« Laut der Frankfurter Allgemeinen Zeitung gab der Senlis Council, eine Politikberatungsorganisation, unter Berufung auf örtliche Quellen Ende August 2008 an, daß die halbe Provinz Wardak, eine Dreiviertelstunde von Kabul entfernt, unter Talibanherrschaft sei. In und um die Hauptstadt erstarkten die Taliban immer mehr, und im ganzen Land kontrollierten sie mehr als die Hälfte des Territoriums.
 
Was Rußland betrifft, so berichtete die New York Times laut Rippert in ihrer online-Ausgabe am 7. 2. 09, daß der amerikanische Vizepräsident in München ausdrücklich betont habe, daß seine Regierung die Konzeption einer ›russischen Einflußzone‹ nicht anerkenne und eine solche zurückweise. Mit anderen Worten, so Rippert, bedeute dies, daß »eine Regierung, die sich das Recht herausnimmt, den ganzen Globus als ihre Einflußzone zu betrachten, die ihre Interessen im Nahen Osten ebenso wie in Afghanistan und der kaspischen Region mit Waffengewalt verfolgt und Rußland sowie China militärisch einkreist, Einflußzonen anderer Länder nicht zuläßt.« Biden betonte auch, daß die USA die Unabhängigkeit der  Kaukasusrepubliken Abchasien und Südossetien unter keinen Umständen anerkennen wird, was bereits den Keim weiterer Auseinandersetzungen in sich birgt, da er sich gleichzeitig zur Fortsetzung der Unterstützung Georgiens bekannte. Zu dem Angriff Georgiens am 8. 8. 08 hatte Michail Gorbatschow in einem Interview mit dem CNN folgendes dargelegt: »Für mich sieht das wie ein gut geplantes Projekt aus. Der Plan war es, die Schuld auf Rußland zu schieben.« Nun vertritt F. William Engdahl in Apokalypse jetzt! folgende Auffassung: »Die mit dem ersten Irakkrieg 1991 begonnene Militarisierung des Mittleren Ostens durch die USA ist Teil eines größeren geopolitischen Plans, der im Pentagon als Full Spectrum Dominance bezeichnet wird: die völlige See-, Land, Weltraum- und Cyberspace-Kontrolle durch eine US-geführte NATO.« Dieses Ziel kann die USA jedoch nicht erreichen, »solange eine Atommacht Rußland existiert, die auf Grund ihrer riesigen Energieressourcen eine aktive Außenpolitik gegenüber China und den EU-Staaten betreiben kann.« »Daher«, fährt Engdahl fort, »soll mit Hilfe eines neuen Kalten Krieges, den Washington minutiös vorbereitet und dann einem aggressiven Rußland in die Schuhe schieben will, ein neuer Eiserner Vorhang zwischen Deutschland und Zentraleuropa auf der einen und Rußland auf der anderen Seite gezogen werden.«
 
Wie Engdahl u.a. Anfang Februar berichtete, sei Moskau richtigerweise zu dem Schluß gekommen, daß es bei der von US-Präsident Obama angekündigten Verstärkung der amerikanischen Truppen in Afghanistan weniger um die Bekämpfung der Taliban geht, wie dies stets behauptet wird, sondern vielmehr um einen neuen Versuch der Strategen im Pentagon, Rußland und China auf dem Eurasischen Kontinent einzukreisen und dadurch die weltweite militärische Vorherrschaft der USA zu erreichen. Dennoch erlaubt Moskau - man möchte fast sagen eigenartigerweise - der USA nach dem Beschluß Kirgistans, den US-Truppenstützpunkt zu schließen, daß diese den Transport ziviler Güter für ihre Truppen in Afghanistan künftig auch über Rußland und Tadschikistan transportieren kann. Dadurch wird ein Abkommen zwischen Moskau und der NATO vom April 2008 in Kraft gesetzt, wonach das Militärbündnis seine Truppen in Afghanistan über Rußland mit zivilen Gütern versorgen darf. Indessen wartet man in Moskau, so Engdahl, nicht auf eine neue Politik aus Washington. Denn angesichts der zahlreichen bewußten amerikanischen Bombenangriffe in den vergangenen Monaten auf Dörfer auf pakistanischem Gebiet - trotz vehementer Proteste der Regierung von Pakistan - die angeblich Stellungen der Taliban treffen sollten, ist klar, daß die USA den Konflikt auch auf Pakistan ausdehnen will. Wie BBC news Anfang September vergangenen Jahres berichtete, hatte George W. Bush die US-Angriffe auf Pakistan autorisiert, ohne daß hierfür zuvor das Einverständnis Islamabads einzuholen war. Und am 28. Januar ordnete Obama in seiner ersten Woche als Präsident Luftangriffe auf ein ländliches Gebiet mit zahlreichen Dörfern in Pakistan an, die angeblich gegen afghanische Taliban-Basen in dieser Grenzregion gerichtet waren. »Illusionen«, schreibt Engdahl, »eine Präsidentschaft Obama könnte einen Wandel zu mehr Diplomatie und weniger Projektion militärischer Macht bedeuten, werden wohl schon bald schwinden. Seine Bereitschaft, ohne Rücksicht auf mögliche Konsequenzen das zu tun, was die Drahtzieher hinter den Kulissen von ihm verlangen, hat Obama schon während der Wahlkampagne signalisiert, als er ankündigte, Robert Gates, einen Freund der Familie Bush, Protégé von Vater G.H.W. Bush und Verteidigungsminister unter George W. Bush, in diesem Amt zu belassen.«
 
Wie nicht anders zu erwarten, war in München in der harten Linie gegenüber dem Iran kaum eine Aufweichung zu verzeichnen. In Merkel und Sarkozy hatte die USA auf der  Konferenz laut BBC bewährte Gefolgsleute. Sarkozy rief Rußland dazu auf, Druck auf den Iran auszuüben, damit dieser seine Urananreicherung einstelle. Deutschland warnte den Iran, daß es schärfere Sanktionen gegen das Land unterstützen würde, sollte das Ziel diplomatischer Bemühungen, den Iran von seinem Trachten nach Nuklearwaffen abzubringen, fehlschlagen. Merkel erklärte sich bereit, jegliche Änderung in der Einstellung Präsident Obamas in dieser Sache mitzutragen 3. Nun haben sowohl der Iran als auch die USA dieser Tage signalisiert, daß sie zu Gesprächen bereit seien. Dennoch enthalten die von Ulrich Rippert festgehaltenen Worte Bidens die alte Drohung: »Die Machthaber im Iran stünden vor der Wahl: Setzten die Verantwortlichen den gegenwärtigen Kurs fort, dann hätte das Sanktionen und Isolation zur Folge; oder sie geben das umstrittene Nuklearprogramm und jegliche Unterstützung für den Terrorismus auf: dann seien vielfältige Formen der Unterstützung und Zusammenarbeit möglich.« Also zuerst Selbstaufgabe und Unterwerfung, das alte pattern. Wie Rippert ferner berichtet, enthielten Bidens Äußerungen zum Nahost-Konflikt kein kritisches Wort über Israels Massaker im Gazastreifen. Er setzte damit die stillschweigende Unterstützung der israelischen Regierung fort, die Obama bereits in den Tagen des Massenmordens geleistet hatte, auch wenn er die übliche Redeweise, daß es an der Zeit sei, sich um eine »sichere und gerechte Zwei-Staaten-Lösung zu bemühen«, nicht ausläßt. So ist Biden auch der Ansicht, daß beim Wideraufbau nicht die Hamas, sondern die Palästinenserbehörde gestärkt werden müsse.  
 
Bidens Appell zur Zusammenarbeit verliert viel an Glaubwürdigkeit, bedenkt man, daß er in München »ohne jede Rücksprache mit den Verbündeten heftige Angriffe gegen China richtete.« Das hinderte ihn aber nicht daran, seinen Zuhörern gleichzeitig folgendes zu erklären: »Angesichts der großen Probleme der Welt seien es die Staaten ihren Bürgern schuldig, starre Ideologien und belanglose Streitereien beiseite zu lassen. Unsere Aufgabe ist es, einander zuzuhören, voneinander zu lernen und uns gemeinsam für Wohlstand und Sicherheit für alle einzusetzen. …. Das ist es, was dieser Moment von uns fordert. Das ist es, was die Vereinigten Staaten entschlossen sind, zu tun.« 2. Man staunt nicht schlecht, vor allem deswegen, weil sich in den Reihen der Zuhörer offenbar niemand fand, der diese Behauptungen relativierte;  ist etwa die von der USA verfolgte Full Spectrum Dominance etwas anderes als eine starre Ideologie? Und im Auslösen von Streitereien kann man der USA durchaus eine rechte Praxis bescheinigen. Und wo hätte diese je von Europa gelernt? Auf den propagierten Wohlstand warten die Afghanen im übrigen seit sieben Jahren vergebens.
 
Wie Rippert weiter festhält, sollten die Verbündeten laut Biden nicht nur eigene Ideen einbringen, sondern auch die eigene Politik überdenken, einschließlich ihres Willens, Gewalt anzuwenden, wenn alle anderen Mittel versagen, womit die Gewalt unverändert im Zentrum steht. Selbstredend fühlt sich die USA nicht gehalten, auseinanderzulegen, ob und welche Mittel sie zur Befriedung eines Landes einzusetzen gedenkt, bevor sie es überfällt. »Ein neues Konzept für den Krieg in Afghanistan erfordere eine umfassende Strategie, die die zivilen und militärischen Fähigkeiten der Partner bündle und für die sich alle verantwortlich fühlen sollten. Damit das Grenzgebiet zu Pakistan kein Rückzugsraum für Extremisten bleibe, müsse Pakistan in die strategische Planung einbezogen werden.« Diese Strategie konstituiert sich, wie bereits dargelegt, in der Ausweitung des Krieges auf Pakistan. Daneben wird in gewohnter Form jeder, der um sein angestammtes Territorium kämpft und Widerstand gegen den Welthegemon USA leistet, als Extremist oder Terrorist stigmatisiert.
 
In Jaap de Hoop Scheffer hat Obama ebenfalls einen aufrechten Verbündeten, der uns klarmacht, daß die US-Regierung »eine gerechtere Lastenteilung« erwartet. Gleich was den Europäern bedeutet wird, die NATO Obrigkeitist in der Regel gewillt, sich US-Direktiven zu beugen. Als ob es bezüglich Afghanistans, wo ein reiner Angriffskrieg vor sich geht, eine Last zu teilen gäbe. Wir, die Bürger, haben diesen lange im voraus geplanten Krieg nicht begonnen, aber wir haben uns daran gewöhnen müssen, Kriege und Kriegsschauplätze, mit deren Ursachen und Entstehung wir nichts zu tun haben, mitzufinanzieren. Wie kommt also der NATO-Generalsekretär dazu, zu behaupten, daß der Einsatz in Afghanistan für die Allianz höchste Priorität habe? Er zeigte sich, wie Rippert festhält, »darüber besorgt, daß die USA ein größeres Engagement in Afghanistan planten, andere Staaten aber schon ausgeschlossen hätten, mehr zu tun.. Dies sei für die Balance im Bündnis nicht gut und lasse die Stimme Europas in Washington schwächer klingen, als sie sein sollte.« Hieraus muß man folgern, daß er für eine starke, kriegsbereite EU eintritt, die sich auch weiterhin den von mir im höchsten Grad als unmenschlich eingestuften Plänen Washingtons beugt. Fest steht, daß Obamas Administration angekündigt hat, innerhalb der kommenden 18 Monaten weitere 30 000 Soldaten nach Afghanistan zu senden, um dadurch zu versuchen, den wachsenden, von der Bevölkerung positiv mitgetragenen Widerstand gegen die amerikanische Besetzung des Landes zu unterdrücken. Gates hatte schon am 25. 1. 08 von Berlin »den Kampfeinsatz der Bundeswehr« verlangt. Was Italien betrifft, so hat Ministerpräsident Silvio Berlusconi soeben in einem Interview für das Panorama del giorno erklärt, Italien sei bereit, sein Militärkontingent in Afghanistan zu verstärken. Er habe das Thema am 11. Februar in einem Telefongespräch mit US-Präsident Barack Obama erörtert.
  
Es ist anzunehmen, daß Biden ungeachtet der Unzulänglichkeit in Sachen Wahrnehmung ihrer Pflichten, die de Hoop Scheffer bei einem Teil der NATO-Verbündeten festzustellen glaubt, darauf zählen kann, daß sich die Mehrheit der Anwesenden ihres Auftrags, auch weiterhin zur Niederwerfung Afghanistans beizutragen, bewußt bleiben wird. Rainer Rupp 4 schreibt unter anderem: »Für Washington steht seine sicherheitspolitische und damit seine weltpolitisch führende Rolle auf dem Spiel - auch die politische und ökonomische Oberaufsicht über Europa. Vorrangig aus diesem Grund kann es, so heißt die Formel aus Washington, in Afghanistan keine Alternative zum Sieg geben. Obama hat mit dem Versprechen sein Amt angetreten, die amerikanische Führerschaft in der Welt wiederherzustellen. Daher muß Washington Freund und Feind beweisen, daß es - wenn auch mit NATO-Unterstützung - in der Lage ist, einem Land wie Afghanistan seinen Willen aufzuzwingen. Die USA und Großbritannien sind in Afghanistan ausschließlich an einem totalen Sieg interessiert, der von niemandem angezweifelt werden kann und deshalb globale Signalwirkung hat. Daher wird die einst folgsame Marionette Karsai mit ihrer Kritik an dem militärischen Vorgehen der Besatzer - inklusive verschiedener Massaker an der afghanischen Zivilbevölkerung sowie mit seiner gefährlichen Vorstellung von einer Aussöhnung mit den Taliban - zunehmend zu einem Ärgernis für die westlichen Strategen. Am 4. Februar hat der Präsident erstmals auch öffentlich seine tiefgehenden Kontroversen mit Washington eingestanden. Gleichzeitig wird er seit einiger Zeit in US-Medienberichten, die sich meist auf ungenannte US-Regierungsbeamte berufen, systematisch diskreditiert. Insbesondere wird ihm vorgeworfen, Korruption zu dulden, ein Witz, denn die US-Regierung hat sich noch nie über Korruption bei befreundeten Diktatoren aufgeregt. Doch offensichtlich ist man in Washington fest entschlossen, Karsai abzuservieren und bei den Wahlen im Herbst einen willfährigeren Präsidenten für Afghanistan wählen zu lassen.«
 
Die soziale Lage ist verheerend: Die Arbeitslosenrate wird derzeit auf 40 % geschätzt, etwa 5 Millionen Menschen leben unterhalb der Armutsgrenze. Nach einem Bericht von UNICEF sind seit Beginn des Krieges 7 Millionen Menschen getötet worden, davon mehr als 2 Millionen Kinder. Afghanistan ist weltweit weiterhin das von explodierenden Landminen am stärksten betroffene Land. Wie die UNO mitteilte, werden dort im Durchschnitt jeden Monat bis zu 50 Menschen durch Minen getötet oder verstümmelt. Nun leiden von den seit Jahren von Gewalt gezeichneten Afghanen inzwischen immer mehr Menschen an Depressionen oder rutschen in die Drogenabhängigkeit ab. Laut Regierungsangaben sind 66 % depressiv oder von anderen Gemütserkrankungen erfaßt. Hiervon sind alle Bevölkerungsteile betroffen, auch die Menschen in der Regierung und im Parlament. Zu den dringendsten Problemen zählen Selbstmord, Gewalt in der Familie und Drogenmißbrauch. Wobei die fortschreitende Verwüstung des Landes nicht einmal angesprochen ist.
 
Es ist ausgeschlossen, daß die europäischen Konferenzteilnehmer auch nur einen einzigen Gedanken an diese Lage verschwendet haben, sonst hätten sie Bidens Appell »Ich meine es ganz ehrlich, wir brauchen Ihre Unterstützung und Ihren Rat« nicht, wie es heißt, »nahezu euphorisch aufgenommen«. So meinte auch Lutz Herden 5: »Niemand sollte der Illusion erliegen, die NATO könnte die Gleise verlassen, die mit dem NATO-Gipfel im April 1999 in Washington gelegt wurden, als mit der neuen Doktrin eine globale Interventionsagentur aus der Taufe gehoben wurde. Bill Clinton hat all das befürwortet, was die westliche Allianz auf den verhängnisvollen Weg des Völkerrechtsbruchs und der Abkehr von ihrer Charta lotste. Dieser Weg führte bis nach Afghanistan, wo die NATO zum Rückgrat des herrschenden Besatzungsregimes wurde. Er wird dort auch enden, so oder so. Die NATO kann sich in diesem regionalen Krieg aufreiben und verschleißen, womit das Schicksal des Nordatlantikpaktes besiegelt sein wird. Oder sie kann sich zur Umkehr entschließen und den geordneten Rückzug antreten, was zunächst nichts anderes heißen muß, als sich auf eine verbindliche Exit-Strategie zu einigen. Die freilich dürfte Joseph Biden nicht mit nach München bringen«, worin er vollkommen recht behalten hat.
 
 
1 http://www.welt.de/politik/article3165220/Washington-will-mehr-als-gute-Worte-von-Europa.html  7.2.09
2 http://www.wsws.org/de/2009/feb2009/sich-f10.shtml  10. 2. 09
Münchner Sicherheitskonferenz: US-Vizepräsident Biden kündigt Fortsetzung der aggressiven US-Militärpolitik an  Von Ulrich Rippert  
3 http://news.bbc.co.uk/2/hi/europe/7876659.stm
4 http://www.jungewelt.de/2009/02-11/026.php
Das Ziel heißt »Sieg« - Afghanistan: Washingtons Strategie stößt selbst in Kabul auf wachsenden Widerspruch Von Rainer Rupp
5 http://www.freitag.de/politik/0907-muenchen-biden-sicherheitskonferenz-afghanistan
vom 6. 2. 09 Lutz Herden