Iran

polionline d.a. »Wird es unter Präsident Obama zu einem Neubeginn in den amerikanisch-iranischen Beziehungen kommen?« Dies ist die abschließende Frage des geschichtlichen Abrisses von Prof. Udo Steinbach,

den wir zwecks eines Rückblicks auf die jüngeren Geschehnisse in diesem vom Westen unablässig verunglimpften und mit Drohungen eingekesselten Landes veröffentlichen.
 
Chomeinis Triumph - Von Udo Steinbach
Vor 30 Jahren kehrte der Ajatollah aus dem französischen Exil nach Teheran zurück. Millionen Menschen begrüßten Chomeini nach der Ankunft in der iranischen Hauptstadt. Annähernd das gesamte Land stand hinter ihm. Ruhollah Chomeini hatte die 60 bereits überschritten, als er 1963 mit Protesten gegen den Schah an die Öffentlichkeit trat. Er lehrte damals im iranischen Qum, einem Zentrum schiitischer geistlicher Studien. Politische Agitation war unter der Geistlichkeit tabu gewesen, solange Großajatollah Borudschirdi lebte, der eine Koexistenz mit dem iranischen Schah Mohammed Reza suchte und die Geistlichkeit dazu anhielt, sich auf ihre religiösen Aufgaben zu konzentrieren. Aber mit dem Tod des alle überragenden Theologen 1962 war der Weg für politische Aktivitäten in den Reihen der Geistlichen frei.  Die Einmischung der Geistlichkeit in die Politik hat im Iran Tradition. Schon im 19. Jahrhundert spielte sie eine politische Rolle. Zwar duldete sie die weltliche Macht der Herrscher, auch wenn diese nicht aus dem Hause des Propheten Mohammed und seines Vetters und Schwiegersohns Ali stammte. Wirklich legitime Herrschaft würde erst am Ende der Zeit durch den aus der Verborgenheit zurückkehrenden Imam Mahdi errichtet. Gleichwohl galt es, die Machtausübung des Schahs zu kontrollieren und zu korrigieren.
 
Proteste gegen den Ausverkauf
Dies geschah etwa, als Schah Nasir ad-Din 1890 das Monopol für Produktion, Ankauf und Export des gesamten im Iran hergestellten Tabaks an eine britische Firma vergab. Es kam zu Massendemonstrationen gegen den Ausverkauf der iranischen Wirtschaft. Sie richteten sich sowohl gegen die Abhängigkeit von England und Rußland als auch gegen die absolute Machtausübung des Herrscherhauses. Einen Höhepunkt erreichten sie in der Verfassungsrevolution 1905–1911, einer Vorläuferin der Revolution Chomeinis. Auch damals kam es zu einer Allianz zwischen Teilen der Geistlichkeit mit dem aufbegehrenden Bürgertum. Elf Jahre vor den Protestaufrufen Chomeinis, der mit der Zeit den hohen geistlichen Rang des Zeichen Gottes (Ajatollah) erreicht hatte, war dem weltlichen Widerstand gegen den Schah ein entscheidender Schlag versetzt worden. 1951 war eine nationalliberale Koalition unter dem Führer der Nationalen Front, Mohammed Mossadegh, an die Macht gewählt worden. Der charismatische Ministerpräsident forderte insbesondere England und die USA heraus, als er die Anglo-Iranische Ölgesellschaft verstaatlichte. In der anschließenden Krise floh der Schah 1953 ins Ausland. Er kehrte noch im selben Jahr zurück, nachdem Mossadegh durch einen Staatsstreich der Armee gestürzt worden war. Hierbei hatte der US-Geheimdienst CIA seine Hand im Spiel, um eine Annäherung Irans an die Sowjetunion zu verhindern. Fortan blieb eine säkulare Opposition gegen das autokratische Regime des Schahs ohne Chance. Chomeini kam zu dem Schluß, daß damit der Geistlichkeit eine politische Herausforderung erwachsen war. Seine zentralen Themen waren die Präsenz der Amerikaner im Iran und die Reformen des Schahs - nicht zuletzt auf dem Gebiet des Familienrechts und der Stellung der Frau, die Chomeini als westlich und islamischen Werten widersprechend denunzierte. Er nannte den Schah einen Parasiten am Körper des Volkes und rief zum Widerstand auf.
 
Im Herbst 1964 begann ein langes Exil, aus dem er schließlich als Revolutionsführer zurückkehren sollte. Nach einem kurzen Aufenthalt in der Türkei ließ er sich 1965 in Nadschaf nieder, jenem Ort im Irak, an dem sich die Grabmoschee des Imam Ali befindet und der deswegen für die Schiiten eine besondere Heiligkeit hat. Es gehört zu den fast absurden Pointen der Geschichte, daß er hier von den Sicherheitskräften Saddam Husseins gegen mögliche Versuche aus Teheran, den aufmüpfigen Geistlichen zu eliminieren, geschützt wurde. Erst im Oktober 1978 ließ er Chomeini fallen, als im Nachbarland die revolutionäre Bewegung bereits an Kraft gewonnen hatte. In Nadschaf wurde Chomeini zum Berufsrevolutionär, dessen Denken und Handeln auf den Sturz des verhaßten Regimes im Iran ausgerichtet war. Im Mittelpunkt stand die Propagierung des Konzepts der Islamischen Herrschaft. Die Gläubigen würden nicht länger auf den Mahdi warten, um eine legitime und gerechte Herrschaft zu errichten, sondern dies in seinem Namen selbst in die Hand nehmen. Die umfassende Einführung des islamischen Rechts (Scharia) würde von der Geistlichkeit selbst durchgesetzt, an deren Spitze der anerkannte Gottesgelehrte stehen und die politischen Geschäfte im Namen des Mahdi führen würde.
 
Ruf nach Reformen
Chomeini löste die Revolution nicht aus. Unzufriedenheit wurde im Herbst 1977 vielmehr in säkular-liberalen Kreisen laut, die wirtschaftliche und politische Reformen forderten. Erst als die ersten Toten zu beklagen waren, trat die Person Chomeinis in den Vordergrund. Jetzt zeigte sich, wie der Ajatollah mit der revolutionären Gesinnung und dem schwarzen Turban (der seine Abstammung vom Propheten Mohammed anzeigt) seine Zeit genutzt hatte. Tonbandaufnahmen mit seinen Reden und Predigten wurden durch ein Netzwerk religiöser Zirkel verbreitet. Im Laufe des Jahres 1978 gelang es Chomeini, eine Massenbewegung in Gang zu bringen, die ein breites Spektrum unterschiedlicher Oppositionsgruppen vereinte: Linke und Rechte, Liberale und Konservative, Intellektuelle und den Bazar, die radikalen und gemäßigten Gruppen der Geistlichkeit, sowie die große Masse der verarmten ehemaligen Landbewohner in den Slums der Großstädte. Um die divergierenden Kräfte zusammenzuhalten, unterließ es Chomeini, sich auf konkrete Aussagen zur Zukunft des Irans festzulegen. Unter dem enormen Druck verließ Schah Mohammed Reza im Januar 1979 das Land. Nachdem die Armee versichert hatte, sie werde nicht eingreifen, kehrte Chomeini am 1. Februar 1979 in den Iran zurück - aus Frankreich, wohin ihn seine Anhänger nach seiner Ausweisung aus Nadschaf gebracht hatten. Auf dem Platz der Freiheit in Teheran wurde er von Millionen begeisterter Menschen begrüßt. Am 11. Februar löste sich die letzte vom Schah eingesetzte Regierung auf.
 
Tage der Morgenröte
Seit 1980 werden die Zehn Tage der Morgenröte, der Sieg der Revolution, in jedem Jahr gefeiert. Im Rückblick liegen Licht und Schatten über dem Ereignis, das bald eine islamische Revolution werden sollte. Schon im März 1979 fand eine Volksbefragung über die Errichtung einer Islamischen Republik statt, die mit 97 %  der Stimmen gebilligt wurde. Sie war der Beginn einer Art Gottesstaat, der auf dem Prinzip der Herrschaft des anerkannten Gottesgelehrten beruhen sollte. Mit Gewalt wurden die Hoffnungen auf eine Demokratie zerschlagen, um derentwillen sich viele Iraner der Revolution angeschlossen hatten. Auch in der Außenpolitik erfolgte eine radikale Wende. Der große und der kleine Satan - die USA und Israel - rückten in den Mittelpunkt der Propaganda. Die Besetzung der US-Botschaft im November 1979 und die Übergabe der israelischen Vertretung an PLO-Chef Arafat als palästinensische Botschaft im Sommer 1979 stehen symbolisch für die revolutionäre Orientierung. Während es mit der USA in den drei Jahrzehnten seither immer wieder zu Kontakten kam, bleibt die Gegnerschaft zu dem jüdischen Staat Teil der Staatsräson. Dies schließt freilich ein pragmatisches Nebeneinander – wie unter Präsident Chatami - nicht aus.
 
Wird es unter Präsident Obama zu einem Neubeginn in den amerikanisch-iranischen Beziehungen kommen? Der Schlüssel dazu liegt bei dem Nachfolger Chomeinis, Ajatollah Chamenei. Der aber macht aus seinem Misstrauen, daß Washington Unterwerfung, nicht aber eine wirkliche Partnerschaft wolle, keinen Hehl. Auf zwei Errungenschaften der Revolution wird die Führung in Teheran bestehen: ihrer Unabhängigkeit in Sachen iranischer Interessen und der gleichen Augenhöhe in der internationalen Politik. An der Atomfrage, die mit beiden verbunden ist, wird sich erweisen, ob sich Washington und Teheran weiterhin von den Belastungen der Vergangenheit leiten lassen werden oder gemeinsam konstruktiv an der Lösung der politischen Probleme im Nahen Osten arbeiten werden.   
 
http://www.merkur.de/2009_05_Chomeinis_Triumph.32311.0.html?&no_cache=1 Nr. 5 29. 1. 09 - Prof. Udo Steinbach war von 1976 bis 2007 Leiter des Deutschen Orient-Instituts und lehrt heute am Zentrum für Nah- und Mitteloststudien der Universität Marburg
Siehe auch http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=762 
Was ausser den sich steigernden Kriegsdrohungen gegen den Iran sonst noch gegen das Land unternommen wird