Die Wahlen im Iran - eine Nachlese 04.07.2009 20:38
politonline d.a. Das Wahlergebnis im Iran liegt inzwischen offiziell vor, dies nach sozusagen »wilden« Tagen westlicher Berichterstattungen,
dem Iran gegenüber ausgesprochenen Befehlen, Verdächtigungen und Drohungen, als sei dieser kein souveräner Staat, sondern müßte sich unausgesetzt den Forderungen von Seiten der EU und des British Empires beugen. Wie immer, hat Thierry Meyssan von Réseau Voltaire einen ausgezeichneten Bericht zu dem ganzen Geschehen erstellt. Dieser zeigt einmal mehr auf, was sich unter der von der Presse präsentierten Nachrichtenoberfläche an Hintergrundmaschinationen verbirgt. Von daher gesehen ist es durchaus zweckmäßig, hier auch Seymour M. Hersh zu Wort kommen zu lassen, der bereits Anfang Juli 2008 im »New Yorker« u.a. folgendes darlegte: In seinem Beitrag »Preparing the Battlefield« berichtet er, daß der US-Kongreß für die Ausweitung der von der Regierung Bush veranlaßten verdeckten, also geheimen Aktivitäten im Iran im Jahr 2007 bis zu 400 Millionen $ bewilligt hatte. Diese zielen darauf ab, die religiöse Führung des Landes zu destabilisieren; dazu gehört es auch, in den Besitz von Geheimdienstinformationen über das vermutete nukleare Waffenprogramm des Irans zu gelangen. Die Aktionen umfassen Entführungen und Attentate auf Ziele, die für die USA von Bedeutung sind; eingeschlossen ist die Hilfe sunnitischer Dissidentengruppen wie Ahwazi Arab und Baluchi im Süden des Irans. Zu den von der CIA gelenkten Operationen gehört die Unterstützung nationalistisch-separatistischer und militant-oppositioneller Organisationen, darunter die kurdische PJAK und die Volksmudschaheddin. Letztere agieren auch unter dem Namen »Nationaler Widerstandsrat« (NCRI), rührten für Bushs Interventionspläne eifrig die Werbetrommel und kämpfen dafür, von der EU-Terrorliste gestrichen zu werden. Treffender als Rüdiger Göbel von der jungen Welt hätte man die Charakterisierung unserer Volksvertreter in diesem Zusammenhang gar nicht ausdrücken können. Er berichtet von der am 29. 6. vor den Toren von Paris abgehaltenen Großkundgebung pro Iran; zu dieser Propagandaveranstaltung waren mehr als 70000 Teilnehmer erschienen, unter ihnen mehrere hundert Politiker aus Europa, Nordamerika, Australien und der arabischen Welt. Der Saarländer Volker Schneider, MdB, erklärte, er befürworte die iranische Opposition und hoffe, daß sich das Europäische Parlament für den Widerstandsrat engagiere. Die Terroristen säßen nicht in Paris, sondern in der Regierung in Teheran. Wozu Göbel meint: [Dies sind] »Harsche Anschuldigungen, die so bisher nicht einmal von Washington erhoben wurden und die unserer Meinung nach einmal mehr aufzeigen, daß es immer noch rechte Anzahl von Volksvertretern gibt, die offenbar noch nie begriffen hat, was sich in Wirklichkeit auf der politischen Bühne abspielt und die obendrein kaum substantielle Informationen gelesen haben können.« * Die nachfolgende Zusammenfassung basiert auf dem Artikel von Thierry Meyssan: »Von Mossadegh bis zu Ahmadinejad - Die CIA und das Iran-Experiment« Die Meldungen über die angebliche Wahlfälschung, schreibt Réseau Voltaire am 19. Juni, hat sich wie ein Lauffeuer über Teheran verbreitet, was zu Straßenkämpfen zwischen den Anhängern von Ayatollah Rafsanjanis und denjenigen von Ayatollah Khamenei führte. Diese chaotische Lage wurde heimlich durch die CIA gesteuert, die eine breite Konfusion hervorrief, indem sie den Iran mit widersprüchlichen SMS-Botschaften überflutete. Thierry Meyssan bezeichnet dies als ein Experiment der psychologischen Kriegsführung. Kurzer Rückblick Im März 2000 räumte die damalige US-Außenministerin Madeleine Albright ein, daß die Regierung Eisenhowers 1953 einen »Regimewechsel« im Iran organisierte und daß dieses historische Ereignis die Erklärung für die heutige Feindseligkeit der Iraner gegenüber den Vereinigten Staaten sei. Während seiner kürzlich in Kairo an die Muslime gerichteten Rede erkannte Präsident Obama offiziell an, daß »die USA mitten im Kalten Krieg beim Sturz einer demokratisch gewählten iranischen Regierung eine Rolle spielte.« 1. Zu jener Zeit wurde der Iran unter Shah Mohammad Reza Pahlavi durch eine Marionettenmonarchie kontrolliert. Der Shah war von den Briten auf den Thron gesetzt worden, nachdem diese seinen Vater, den mit den Nazis sympathisierenden Kossacken-Offizier Reza Pahlavi, zum Rücktritt gezwungen hatten. Allerdings sah sich Pahlavi nun dem nationalistischen Premierminister Mohammad Mossadegh gegenüber, der mit Unterstützung des Ayatollah Abou-al-Qassem Kachami die Ölquellen nationalisiert hatte 2. Die darob erzürnten Briten überzeugten die USA, daß der iranischen Abweichler gestoppt werden müßte, bevor das Land kommunistisch würde. Die CIA organisierte dann die »Operation AJAX«, um Mossadegh mit Hilfe des Shahs zu stürzen und ihn durch den Nazi-General Fazlollah Zahedi zu ersetzen, den die Briten bis dahin in Gewahrsam hielten. Zahedi ist für die Errichtung des grausamsten Terrorregimes seiner Zeit verantwortlich; gleichzeitig deckte der Shah dessen Forderungen, indem er sich für die westlichen Zeitschriften zur Schau stellte. Die »Operation AJAX« wurde von dem Archäologen Donald Wilber, dem Historiker Kermit Roosevelt (ein Enkel des Präsidenten Theodore Roosevelt) und General Norman Schwartzkopf sen. (dessen Sohn gleichen Namens führte dann die »Operation Desert Storm« an) geleitet und bleibt ein Lehrbuchbeispiel für Subversion. Die CIA arbeitete ein Szenarium aus, das den Eindruck eines Volksaufstandes vermittelte, in Wirklichkeit jedoch eine »covert operation«, also eine verdeckte Operation der CIA darstellte, deren Höhepunkt eine Demonstration von 8.000 Teilnehmern bildete, die vom CIA bezahlt waren, mit dem Ziel, auf diese Weise glaubwürdige Bilder für die westlichen Medien zu liefern 3. Es stellt sich hier die Frage, ob sich die Geschichte wiederholt. Washington hat auf einen Angriff auf den Iran verzichtet und Israel davon abgebracht, eine derartige Initiative zu ergreifen. Um einen Regimewechsel herbeizuführen, zieht es die Obama Administration vor, das Drehbuch der verdeckten Operationen einzusetzen, das zwar weniger gefährlich, dessen Ausgang aber auch weniger vorhersehbar ist. Nach den Präsidentschaftswahlen standen dann bei den Demonstrationen in den Straßen Teherans die Anhänger von Mahmoud Ahmadinejad und Ali Khamenei den Anhängern des unterlegenen Kandidaten Mir-Hossein Mousavi und dem vormaligen Präsident Akbar Hashemi Rafsanjani gegenüber. Die Demonstrationen sind ein Zeichen der tiefen Spaltung, die die iranische Gesellschaft kennzeichnet: nämlich zwischen einem national gesinnten Proletariat und einer bürgerlichen Schicht, die frustriert ist, da sie von der wirtschaftlichen Globalisierung ausgeschlossen bleibt 4 . Mittels seiner verdeckten Eingriffe versucht Washington, Einfluß auf die Geschehnisse zu nehmen, um den wiedergewählten Präsidenten zu stürzen. Einmal mehr bildet der Iran das Experimentierfeld für neue subversive Methoden, wobei sich die CIA dieses Mal auf eine neue Waffe abstützt: Die Kontrolle der schnurlosen Telefone. Seitdem die Handys einen »Bestandteil der Demokratie« konstituieren, haben die englischen Geheimdienste ihre Fähigkeiten zum Abhören derselben verstärkt. Während das Abhören von Festnetztelefonen die Installierung von Abzweigschaltungen und lokal ansässige Agenten erfordert, kann das Abzapfen von Nachrichten auf Mobiltelefonen unter Nutzung des Echelon-Systems aus der Ferne geschehen. Allerdings lassen sich über Skype-Handys gesendete Mitteilungen mit Echelon nicht abhören, was erklärt, warum sich diese in Konfliktzonen bewährt haben 5. Daher hat die Lobby der ›National Security Agency‹ (NSA, die nationale Sicherheitsagentur der USA) die weltweit operierenden Internet Provider bearbeitet, um deren Mithilfe zu erreichen, was denjenigen, die darauf eingingen, großzügige finanzielle Belohnungen einbrachte 6. In den besetzten Ländern - Irak, Afghanistan und Pakistan - fangen die Engländer alle telefonisch erfolgenden Mitteilungen ab, gleich ob diese von ans Netz angeschlossenen oder mobilen Apparaten ausgehen. Das Ziel besteht nicht darin, ganze Gespräche aufzuzeichnen, sondern darin, die bestehenden Netzwerke identifizieren zu können. Mit anderen Worten: Telefone bilden sozusagen eine Wanze, die die Möglichkeit bietet, festzustellen, wer mit wem in Verbindung steht, wobei vor allem gehofft wird, das Netz der Widerstandsbewegung identifizieren zu können. Darüber hinaus wird es auf diese Weise ermöglicht, identifizierte Ziele zu lokalisieren und diese zu »neutralisieren«. Das war der Grund, warum die afghanischen Widerstandskämpfer im Februar 2008 den Befehl erteilten, daß verschiedenen Funkstationen ihre Tätigkeit täglich von 17.00 Uhr bis 3.00 morgens einzustellen hatten, um zu verhindern, daß die Engländer feststellen konnten, wo sie ihren Standort hatten. Stationen, die dem Befehl nicht nachkamen, wurden zerstört. Die jetzt im Iran zum Einsatz gekommene Methode bestand darin, die iranische Bevölkerung in die Irre zu führen, Horrornachrichten zu versenden und die sich hieraus ergebende Wut zu kanalisieren. Zunächst wurden während der Nacht, in der die Stimmauszählung erfolgte, SMS gesendet, denen zufolge der Wächterrat [Guardian Council of the Constitution] Mir-Hossein Mousavi dahingehend unterrichtet hätte, daß er die Wahl gewonnen hätte. Danach erschien die Bekanntmachung des offiziellen Resultats, nämlich die Wiederwahl von Ahmadinejad mit einem Anteil von 64 % der abgegebenen Stimmen als riesiger Betrug. Noch drei Tage zuvor hatten allerdings Mousavi und dessen Freunde den überwältigenden Sieg von Ahmadinejad durchaus in Betracht gezogen und dies durch einseitig erfolgte Wahlkampagnen zu erklären versucht. Jedenfalls hatte Ex-Präsident Akbar Hashemi Rafsanjani seine Beanstandungen in einem offenen Brief detailliert zum Ausdruck gebracht. Was die US-Meinungsforschungsinstitute im Iran betrifft, so hatten diese für Ahmadinejad einen Vorsprung von 20 Punkten vor Mousavi vorausgesagt 12. Ein Sieg Mousavis erschien also zu keinem Zeitpunkt als möglich, selbst wenn man die Wahrscheinlichkeit einbezog, daß eine Fälschung den Abstand zwischen den beiden Kandidaten vergrößern können hätte. Zweitens wurden Iraner ausgewählt - oder diese stellten sich im Internet von sich aus zur Verfügung - um bei Facebook zu chatten oder sich an Twitter-Feeds zu beteiligen. Diese wurden per SMS mit Informationen - mit wahren oder falschen - über die Entwicklung der politischen Krise und die andauernden Demonstrationen versorgt. Diese anonymen Nachrichtenquellen verbreiteten Meldungen über Schießereien und zahlreiche Todesfälle, die bis zum Tag unserer Berichterstattung noch nicht bestätigt werden konnten. Auf Grund einer unglücklichen Überschneidung von Kalenderdaten war angenommen worden, daß Twitter seinen Service eine Nacht lang aussetzen würde, um eine Wartung vorzunehmen, woraufhin das US-Außenministerium eingriff, um darum zu bitten, die Wartung zu verschieben 13. Der New York Times zufolge trugen diese Aktivitäten dazu bei, den Trotz breit in die iranische Bevölkerung zu tragen 14. Meldungen, die von Todesdrohungen berichteten sowie von Polizisten, die Überfälle auf Wohnungen verübten, wurden von Quellen versandt, die weder identifiziert noch lokalisiert werden konnten. Gleichzeitig setzten neue Bemühungen der CIA ein, um militante anti-iranische Kräfte in der USA und in England zu mobilisieren, um das Chaos zu steigern. An diese wurde ein Praktischer Führer für die Revolution im Iran verteilt; letzterer enthielt eine ganze Reihe von Ratschlägen, so u.a. die Twitter accounts der Teheraner Zeitzone anzupassen, oder die Nachrichten auf die Twitter accounts @stopAhmadi, #iranelection and #gr88 zu zentralisieren; ferner hieß es, daß offizielle websites des iranischen Staates nicht angegriffen werden sollten, dies sollte man dem US-Militär überlassen. Gelangen Empfehlungen dieser Art zur Anwendung, dann ist es unmöglich, irgendeine der Twitter-Meldungen zu identifizieren. Es ist dann auch nicht möglich, herauszufinden, ob diese von Augenzeugen der Demonstrationen in Teheran versendet wurden oder von CIA-Agenten in Langley. Es ist ferner unmöglich, richtige von falschen Nachrichten zu unterscheiden. Das angestrebte Ziel bestand darin, eine immer größer werdende Verwirrung zu schaffen und die Iraner dazu zu bringen, gegeneinander zu kämpfen. Das Geschehen in Teheran ist von Armeeangehörigen in der ganzen Welt genau verfolgt worden. Diese versuchen, die Effizienz dieser neuen subversiven Methode, die jetzt auf dem iranischen Experimentierfeld zur Anwendung gelangt ist, auszuwerten. Es ist ersichtlich, daß der Destabilisierungsprozeß funktionierte. Thierry Meyssans Artikel endet mit den Worten, daß es jedoch unklar sei, ob es die CIA schaffen würde, die Demonstranten so zu lenken, daß sie das durchführen, worauf das Pentagon verzichtet hat und was die CIA nicht selbst tun will, nämlich einen Regimewechsel herbeizuführen und der islamischen Revolution ein Ende zu setzen. * Quellen: http://www.newyorker.com/reporting/2008/07/07/080707fa_fact_hersh?currentPage=all 7. 7. 2008 Preparing the Battlefield -The Bush Administration steps up its secret moves against Iran by Seymour M. Hersh http://www.welt.de/welt_print/article2165370/US_Kommandoeinheiten_bereiten_das_Schlachtfeld_Iran.html US-Kommandoeinheiten bereiten das Schlachtfeld Iran Von Uwe Schmitt http://21stcenturyfox.blog.de/2008/07/03/opec-warnt-vor-iran-krieg-4399295/ 4.7.08 Opec warnt vor Iran-Krieg Von Rüdiger Göbel Thierry Meyssan ist Präsident des Voltaire Networks und Autor diverser Bücher http://www.voltairenet.org/article160670.html 19. 6. 09 From Mossadegh to Ahmadinejad - The CIA and the Iranian experiment - by Thierry Meyssan [1] »Obama Speech In Cairo«, Voltaire Network, June 6, 2009. [2] »BP-Amoco, coalition pétrolière anglo-saxonne«, Arthur Lepic, Voltaire Network, June 10, 2004. [3] On the 1953 coup, the reference work is »All the Shah’s Men: An American Coup and the Roots of Middle East Terror«, by Stephen Kinzer, John Wiley & Sons, 2003 [4] »La société iranienne paralysée«, Thierry Meyssan, Réseau Voltaire, 5 février 2004. [5] »Taliban using Skype phones to dodge MI6«, Glen Owen, Mail Online, Sept.13, 2008. [6] »NSA offering ›billions‹ for Skype eavesdrop solution«, Lewis Page, The Register, February 12, 2009. [7] »Taliban Threatens Cell Towers«, Noah Shachtman, Wired, February 25, 2008. [8] Jawwal belongs to PalTel, Palestinian billionaire Munib Al-Masri’s company. [9] Jibran Bassil is one of the main leaders of the ›Courant patriotique libre‹, the nationalist party of Michel Aoun. [10] »Freed Lebanese say they will keep fighting Israel«, Associated Press, July 17, 2008. [11] The author of this article witnessed these phone calls. Also see »Strange Israeli phone calls alarm Syrians; Israeli intelligence services accused of making phone calls to Syrians in bid to recruit agents«, Syria News Briefing, December 4, 2008. [12] Quoted in »Ahmadinejad won. Get over it«, Flynt Leverett and Hillary Mann Leverett, Politico, June 15, 2009. [13] »U.S. State Department speaks to Twitter over Iran«, Reuters, June 16, 2009. [14] »Social Networks Spread Defiance Online«, Brad Stone and Noam Cohen, The New York Times, June 15, 2009.
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