Diktatur auf leisen Sohlen - Von Prof. Wilhelm Hankel 05.02.2012 20:16
Den im Oktober von einem britischen Lord gestifteten Preis für den schmerzfreien Ausstieg aus dem Euro wird keiner der noch lebenden
Europa-Visionäre gewinnen, aber
auch keiner aus der Gilde der europäischen Staatsschauspieler. Erstere gehören
laut Helmut Schmidt (er zählt selber dazu) ohnehin zum Psychiater, letztere
müssen sich demnächst mit Plänen zur Schließung ihres absurden
Euro-Rettungstheaters befassen. Das Stück wird spätestens dann abgesetzt, wenn
sich die ›zusammengehebelte‹ Euro-Rettungsfonds-Billion als
unzureichend erweist, um aus den Schulden der Krisenländer in
letzter Instanz deutsche zu machen. ……. Das
Publikum mag noch so sehr (und zu Recht) über die Folgen entsetzt sein.
Überrascht ist es nicht. Es weiß längst, daß Angela Merkels ›alternativlose‹ Realpolitik nichts weiter ist als der ›Mitternachtstraum‹ blind
und verwirrt herumtappender politischer Spukgeister. [1]
Prof. Dieter Spethmann, ehemaliger Generaldirektor der Thyssen AG, hat das
nachfolgende Schreiben an die Abgeordneten des Deutschen Bundestags gerichtet. Der beigefügte
Überblick über den Verlauf der Euro-Einführung und die sich daraus ergebenden
Konsequenzen zeigt in aller Schärfe auf, was hier zu erwarten steht:
Sehr
geehrte Damen und Herren!
Dieses ist die
deutsche Zukunft,
wenn Sie den Weg EU/Euro weitergehen, zumal in der
neuesten
Ausprägung durch die Italiener Monti und Draghi. Bringen Sie also Deutschland
zurück unter die Herrschaft des Grundgesetzes. Das ist auch Ihre Verantwortung
vor der Geschichte, von der Sie ohnehin niemand befreien kann, schon gar nicht
EU und Euro. EFSF und ESM führen uns nur zum Staatskapitalismus. Glauben Sie
mir. Wie Deutschland endet, wenn Sie untätig bleiben, zeigt die Anlage.
Mit
freundlichen Grüßen Ihr Dieter Spethmann
Der Euro plündert
Deutschland - Von Dieter Spethmann
Am Anfang
des Euro standen Versprechungen über Versprechungen. Sie sollten und mußten den
Geburtsfehler des Euro überdecken, dass er uns Deutschen durch ein politisches
Ultimatum aufgezwungen wurde: Wiedervereinigung plus Fortführung der D-Mark
waren gewissen Nachbarn eine Horrorvorstellung gewesen.
Geblieben
ist heute, 20 Jahre später, nur ein Katzenjammer. Hatte der Lebensstandard des
Bürgers der Bonner Republik 1989/90 noch
in der Weltspitze gelegen, liegt derjenige des Bürgers der Berliner Republik
heute nur noch auf Platz 19 der Weltrangliste, und dies mit weiter abwärts weisender
Tendenz. Ursächlich hierfür ist das Eurosystem, das Deutschland seit
dessen Einführung 1999 unablässig Schäden zufügt, die aber den Bürgern von den
Politikern mit größten Mühen verborgen gehalten werden.
Rettungsmaßnahmen für
den Euro
Am 24.
März 2011 beschlossen die 27 EU-Staats- und Regierungschefs auf einem Gipfeltreffen
in Brüssel die Einrichtung eines
permanenten Mechanismus zur Absicherung des Euro, den sogenannten ›European Stability Mechanism‹ (ESM). Er soll Mitte 2013 den gegenwärtigen
Krisenfonds EFSF, die ›European
Financial Stability Facility‹,
ablösen. Das Rettungskonzept sieht Hilfen
für in Not geratene Staaten vor, sofern sich diese unter Aufsicht der
Euro-Partner einem strengen Sparkurs unterziehen. Bereits im Mai 2010 hatten
sich die Euro-Länder mit dem Internationalen Währungsfonds auf einen Rettungsschirm
im Umfang von bis zu 750 Milliarden zum Schutz des
Euro geeinigt. Die EU wollte mit diesem ›Schutzschirm
für hoch verschuldete Euro-Länder die Währungsunion vor dem Zerfall bewahren‹. Welches Land wieviel von diesen Bürgschaften
zu übernehmen hatte, richtete sich nach dem Anteil am Kapitalschlüssel der EZB,
der Europäischen Zentralbank. Deutschland hatte damals den höchsten Anteil
zu tragen. Dabei sah der
Eurozonen-Schutzschirm keine direkten Zahlungen aus den Staatskassen vor. Es
handelte sich vielmehr ›um
staatliche Bürgschaften für Kredite, die mit Zinsen zurückgezahlt‹ werden müssen.
In den im
März 2011 beschlossenen neuen Fonds muß
Deutschland neben 168 Milliarden Euro an Bürgschaften 22 Milliarden € als
Bareinlage einzahlen. Insgesamt werden mit dem Krisenfonds 500
Milliarden € für mögliche Pleitestaaten bereitgestellt. Ein Wettbewerbspakt
soll dafür sorgen, dass abgehängte Volkswirtschaften mit Strukturreformen
wieder fit gemacht werden, und schärfere Regeln für den Stabilitätspakt sollen
die Regierungen zum soliden Haushalten zwingen. Bundeskanzlerin Angela Merkel
bezeichnete den neuen Euro-Rettungsschirm als unabdingbar. Mit diesem Paket
werde die Gemeinschaftswährung dauerhaft krisenfest gemacht.
Kernproblem nicht
gelöst
Tatsächlich
kann jedoch das Kernproblem des Euroraums auch durch die dauerhafte Krisenhilfe nicht gelöst werden. Bei der Einführung
des Euro versprach man, dass er die Wirtschaftsstrukturen im Euroraum
harmonisieren würde. Doch das krasse Gegenteil ist eingetroffen. ›Es gibt nur eine Währung mit einem
Notenbankzins für 17 Länder, deren Wirtschaftsentwicklung auseinander strebt‹ und deren externe Wettbewerbsfähigkeit
erheblich divergiert. Vor allem unterschiedliche Entwicklungen in den
Lohnkosten wirken sich aus, indem sie zu mitunter sehr hohen Leistungsbilanzdefiziten
in einzelnen Euroländern geführt haben und weiter führen. So stiegen vom Beginn der Währungsunion bis zum Ausbruch der
momentanen Krise die Lohnstückkosten in Paris siebenmal so stark wie in Berlin. Besonders
starke Lohnanstiege gab es in Griechenland, Irland und Spanien. Die Lohnstückkosten
kletterten hier sogar neun- bis elfmal so stark wie hierzulande. In der Vergangenheit stand Ländern mit stark
wachsenden Löhnen der nominelle Wechselkurs zur Verfügung, um die entstandenen
Unterschiede in den Lohnstückkosten über den Wechselkurs auszugleichen und somit ihre
Wettbewerbsfähigkeit wieder herzustellen. Italien hatte bis 1997 dieses
Instrument erfolgreich eingesetzt und die Lira kontinuierlich abgewertet. Mit
der Einführung des Euro ist der Wechselkurs als Anpassungsmechanismus jedoch keine Option mehr. Die Mitgliedstaaten gaben die Wechselkursflexibilität
auf und verzichteten darauf, ihre Zinssätze unabhängig voneinander festzulegen. Besonders
Irland, aber auch Spanien, Italien, Portugal und Griechenland haben seit dem
Jahr 2000 und bis zur Wirtschaftskrise eine starke Aufwertung des realen
Wechselkurses erfahren, wogegen Deutschland und Österreich dank einer rigiden
Lohnpolitik die realen Lohnstückkosten
senken bzw. nahezu konstant halten konnten.
Die
gemeinsame Geldpolitik verstärkt also ›die
Tendenz zu wachsenden Ungleichgewichten im Euro-Raum, mit hohen
Überschüssen in sehr wettbewerbsfähigen Mitgliedsländern wie Deutschland
einerseits und zunehmender (hauptsächlich privater) Verschuldung in den südlichen
Euroländern andererseits‹. Die Unterschiede
in der Wettbewerbsfähigkeit zwischen den Euro-Ländern stürzen die gemeinsame
Währung jetzt in eine tiefe Krise. Darauf hatten Kritiker, zu denen auch ich gehöre,
schon früh hingewiesen.
Griechenland – der
Euro und realwirtschaftliche Entwicklung
Der Euro
schadet in den Ländern mit schwächerer Volkswirtschaft der realwirtschaftlichen
Entwicklung – dies zeigt ein Vergleich der wirtschaftlichen Entwicklung in
diesen Ländern vor und nach der Einführung des Euro sowie die Betrachtung der
fatalen Auswirkungen der Euro- Rettungspakete auf die Wirtschaftsentwicklung
der betroffenen Länder. Dass der Euro gerade in Ländern mit schwächerer
Volkswirtschaft der realwirtschaftlichen Entwicklung schadet, beweist die
Tatsache, dass sowohl Griechenland als auch andere Sorgenkinder der Eurozone seit
der Euro- Einführung auf Schuldenkurs sind. Aus den Daten des
Statistikamtes der Europäischen Union geht hervor, dass Griechenland bis zur
Euro-Einführung ›noch relativ solide‹ wirtschaftete und sowohl in der
Tarifpolitik als auch bei der Verschuldung Zurückhaltung geübt hatte. Griechenland
hatte damals sogar eine positive Leistungsbilanz gegenüber Deutschland. Erst
mit der Einführung des Euro am 1. Januar
2002 betrieben Griechenland und Portugal eine expansive Haushalts- und
Wirtschaftspolitik, die eine der Ursachen für die heutigen Probleme beider
Länder ist. Mit der Einführung des Euro explodierten vor allem die
Arbeitskosten. Im Jahr vor der Euro-Einführung waren die Arbeitskosten in
Griechenland um 1,5 % in der gewerblichen Wirtschaft, um 2,6 % in der Industrie
und um 4,7 % in der öffentlichen Verwaltung gestiegen. Nach der Euro-Einführung
im Jahr 2002 gingen diese Werte aber steil nach oben: um 11,7 % im Gewerbe, 13 %
in der Industrie und 15,1 % in der öffentlichen Verwaltung. Auch 2003 und 2004
gab es Anhebungen, die deutlich über dem
EU-Durchschnitt lagen. Hingegen waren die Investitionen nach 2001 - mit
Ausnahme von 2003 - jedes Jahr gegenüber dem Wert vor der
Euro-Einführung zurückgegangen. Gleichzeitig stieg die Staatsverschuldung von rund
152 Milliarden € im Jahr 2001 auf 224 Milliarden € im Jahr 2006.
2008 lag
der Schuldenstand bei fast 95 %, 2009 stieg er auf 120 % des
Bruttoinlandsprodukts (BIP). Das ist doppelt soviel wie der europäische
Stabilitäts- und Wachstumspakt erlaubt. 2010 drohte schließlich der
Staatsbankrott. Um diesen abzuwenden, einigten sich die europäischen Staats-
und Regierungschefs im Frühjahr 2011 auf ein Rettungspaket für Griechenland.
Die Euro-Länder und der IWF räumten dem Land eine Drei-Jahres-Kreditlinie von
110 Milliarden € ein. Deutschlands Anteil daran umfasste rund 22,4 Milliarden
Euro. Doch während der Staat mit den Hilfskrediten der Euro-Länder und des IWF
über Wasser gehalten wird, droht die Realwirtschaft ›abzusaufen‹. Seit dem
politisch motivierten Beitritt zum Euro ist dessen Außenkurs für Griechenland
zu hoch geworden, so dass es am Weltmarkt in vielen Produkten nicht mehr wettbewerbsfähig
ist. Ohne
Wiederherstellung dieser Wettbewerbsfähigkeit haben jedoch alle Rettungsschirme
keinen Sinn. 2009 kam es in Griechenland im Zuge der globalen Rezession
in allen wirtschaftlichen Bereichen zu einem massiven Umsatzeinbruch. Vor allem
die beiden Sektoren, auf denen die griechische Konjunktur basiert, die
Handelsschifffahrt und der Tourismus, waren betroffen. Das Minus von 14 % in
der Tourismusindustrie schlug auf die Bauwirtschaft durch. 2009 war das BIP bereits
um 2,3 % zurückgegangen, auch 2010 schrumpfte es weiter. So lag z. B. der
Rückgang der Umsätze des Einzelhandels Ende 2009 bereits bei 15 %. Die
verbleibenden Einzelhändler meldeten dann für das vergangene Weihnachtsgeschäft
ein Minus von über 13 % im Vergleich zum Vorjahr. 2010 gingen jeden Monat rund
4.000 Unternehmen in die Insolvenz. Auch viele Ladengeschäfte, vor
allem in Athen, mußten schließen. 2010 war jedes dritte Geschäft betroffen. Aus
dem Handelssektor verschwanden 50.000 Arbeitgeber, mit ihnen 82.500
Beschäftigte. Handelskammern und Unternehmerverbände warnen, 2011 könnten Zehntausende
weiterer Unternehmen schließen. Daneben führten auch Kürzungen im Gesundheitswesen
zu vielen Firmenpleiten. Letztlich war zwischen 2007 und 2010 ein Rückgang der
Wirtschaftsleistung in Griechenland um fast 10 % zu verzeichnen. Die
Arbeitslosigkeit lag 2010 auf dem höchsten Stand seit 13 Jahren. Besonders hoch
ist sie bei der jungen Generation. Unter den bis zu 29jährigen Jobsuchenden ist jeder
Dritte arbeitslos. Hier sammelt sich erheblicher sozialer Sprengstoff an, wie die schweren
Ausschreitungen, von denen viele Protestkundgebungen in Athen begleitet waren,
gezeigt haben. Die griechische Wirtschaft steckt derzeit in ihrer schwersten Rezession
seit fast 40 Jahren. Höhere Mehrwertsteuern und andere indirekte Steuern sowie
Kürzungen bei den Löhnen und Gehältern im öffentlichen Dienst belasten das
Wachstum. Der Zustand der öffentlichen Finanzen läßt jedoch keine staatlichen Konjunkturprogramme
zu, um die Realwirtschaft zu stützen und somit auch die Arbeitslosigkeit zu
senken. Schließlich hat die griechische
Regierung ›den EU-Partnern zugesagt,
das Haushaltsdefizit bis 2012 auf weniger als 3% des BIP zu senken‹. Das von der griechischen Regierung
hierfür eingeleitete rigorose Sparprogramm, das unter anderem die Erhöhung der
Umsatzsteuer und Pensionskürzungen beinhaltet,
ist die Bedingung für die Bewilligung der Hilfskredite von insgesamt 110
Milliarden €, die die EU und der IWF in vierteljährlichen Raten bis zum Frühjahr
2013 auszahlen wollen. Die Haushaltskonsolidierung, die der griechischen
Regierung deshalb von der EU-Kommission, der EZB und von den Märkten
abgefordert wird, verhindert allerdings eine Belebung der Realwirtschaft. Unter
diesen Bedingungen leiden vor allem Investitionen und der private Konsum. Eine
hohe Arbeitslosenrate und niedrige Löhne lähmen die Binnenwirtschaft - wer kein
Geld hat, kann auch nichts kaufen. Schließlich machen in der griechischen
Wirtschaft die Konsumausgaben über 70 % des BIP aus (der höchste Anteil in der
Eurozone); schon deshalb kann sich das Land das schrumpfende Masseneinkommen
gar nicht leisten. So wird eine Abwärtsspirale in Gang gesetzt, durch die die Realwirtschaft
weiter an Substanz verliert. Dabei ist die griechische Realwirtschaft
›letztlich diejenige, die am Ende
alles bezahlen muß‹, was sie aber mit Sicherheit nicht kann, wenn sie immer weiter
schrumpft. Tatsächlich sind die Aussichten düster. Das BIP war im 3. Quartal
2010 um 1,7 % zurückgegangen. Im Vergleich zum Vorjahresquartal sank das BIP um
6,6 %. Jüngste Zahlen lassen befürchten, dass die griechische Wirtschaft zum
dritten Mal in Folge in ihrer Leistung
zurückgehen wird – mit verheerenden Folgen für die Staatsfinanzen. So sanken
die Steuereinnahmen im Januar und Februar um 9 %. Die Arbeitslosigkeit verharrt
bei knapp 14 %, und außerdem hat Griechenland mit 4,2 % eine der höchsten
Inflationsraten innerhalb der EU. Dieser realwirtschaftliche Schrumpfkurs wird
die Eurokrise weiter verschärfen. Daneben wächst trotz eisernen Sparens der
Schuldenberg weiter an. Schon Ende 2010 erreichte der Schuldenstand den Rekord
von 340 Milliarden €, das sind 148 % der Wirtschaftsleistung. Nach Berechnungen
des IWF werden die Staatsschulden Ende 2011 über 150 % der jährlichen
Wirtschaftsleistung betragen. Schon 2013 dürften sie auf 160 % klettern. Das
Wachstum des Landes lag 2010 bei minus 4,5 %, für das laufende Jahr
prognostiziert die OECD minus 3 %. Anfang Juni war bekannt geworden, ›dass die fünfte, 12 Milliarden € umfassende
Tranche des bereits vereinbarten ersten Hilfspakets an Griechenland in Kürze
ausgezahlt werden soll.‹ Die
griechische
Regierung plant in diesem Zusammenhang bereits neue Sparmaßnahmen, die wiederum
einer wirtschaftlichen Erholung im Wege stehen werden. Es handelt sich um ›die alten Rezepte: Senkung von
Steuerfreibeträgen, Erhöhung der Mehrwertsteuer für Restaurants von 13 auf 23 %
sowie weitere Steigerungen der Abgaben auf Gas, Heizöl und Tabak. (…) Im
Wesentlichen geht es also nur um die Feinjustierung der Daumenschrauben. Der
Aufschwung der griechischen Wirtschaft wird so nicht kommen.‹ Martin Knapp von der
deutsch-griechischen Industrie- und Handelskammer bekommt die Rezession täglich
zu spüren. ›Das mit Abstand
wichtigste Problem ist derzeit die gewaltige Kreditklemme im Land. Acht von
zehn Kreditanträgen werden abgelehnt.‹ Mit
anderen Worten: Selbst viele Unternehmen, die investieren wollen, können das derzeit
nicht. Fazit: Obwohl Griechenland seit mehr als einem Jahr Milliarden an Euro von der
Gemeinschaft erhalten hat und die Griechen große Opfer bringen, kommt das Land
nicht auf die Beine. Der Rettungskredit von insgesamt 110 Milliarden € ,
der bis 2013 in mehreren Tranchen ausgezahlt werden soll, scheint bisher nicht
zu helfen. Seit Beginn der Kreditzahlungen durch die EU und den IWF und dem
damit verbundenen Sanierungsprogramm hat sich der Zustand der griechischen Staatsfinanzen sogar weiter verschlechtert,
die Rezession hat sich verschärft, die Arbeitslosigkeit erhöht. Eine
wirtschaftliche Gesundung ist nicht in Sicht. Mit den herkömmlichen Mitteln
kann Griechenland die Krise also nicht
überwinden. ›Ob Schuldenschnitt,
Austritt aus der Eurozone, Verlängerung der Rückzahlungsfristen - im Ergebnis
ist es für den Mann auf der Straße immer dasselbe: Griechenland hat eine lange
Durststrecke vor sich, der Lebensstandard der Griechen wird weiter zurückgehen.‹
2012 muß Griechenland mehr als 50 Milliarden Euro aufwenden,
um fällige Staatsanleihen zu bedienen und Zinsen zu zahlen, im Jahr 2013 werden
es 44 Milliarden sein. Eine griechische Zeitung führt diese Zahlen zu einer einfachen
Rechnung zusammen: ›Griechenland
benötigt allein für die Zeit zwischen 2012 und 2013 mehr als 84 Milliarden Euro‹ und die eigentliche Bewährungsprobe
wird erst 2014 folgen, wenn die Belastung durch die in den vergangenen Jahren
angehäuften Schulden nochmals steigen wird. Für den boulevardesken Teil der
griechischen Medien trägt indessen Deutschland die Hauptschuld an der Krise des
Landes. Es wird hier argumentiert, ›dass die Griechen und ihr Staat in den
vergangenen Jahrzehnten schließlich (…) deutsche Autos, Kühlschränke,
Maschinen, Panzer oder Unterseeboote gekauft, den Deutschen also viele Milliarden
D-Mark und später Euro beschert haben‹.
Nachdem sich die Deutschen ›eine
goldene Nase an den Griechen verdient haben‹
sei es demnach ›nur recht und billig,
wenn Berlin jetzt (…) ein paar Dutzend Milliarden € nach Athen zurücküberweise.
Auch die Verhandlungen über das neueste, milliardenschwere Hilfspaket für
Griechenland werden von manch einem Kommentator in diesem Licht dargestellt‹. Tatsächlich gehen jedoch nur 0,6 %
der deutschen Exporte ›nach Griechenland,
Rüstungsgüter nicht mitgerechnet. Selbst wenn man die Rüstungsexporte in die Rechnung
einbezöge, würde das kaum ein wesentlich anderes Bild ergeben‹. Denn wenn ›es Deutschland nicht gäbe, hätten die Griechen ihre Autos und
Spülmaschinen eben aus anderen Ländern bezogen. Das Handelbilanzdefizit wäre
dasselbe‹.
Irland in der Krise
Ähnlich
dramatisch ist die Lage in Irland. Hier gab es zwischen 1991 bis 2001, also vor
Einführung des Euro, ein Wachstum des Bruttosozialprodukts von 6,4 %. Dies verdankte
das Land zu einem großen Teil den Direktinvestitionen der ausländischen
Hightech Industrie. Die Integration Irlands in das Eurosystem erschien auf den ersten Blick
von Vorteil. So war der Euro für Zinssenkungseffekte in Irland verantwortlich,
die für eine Stimulierung der Wirtschaftsaktivität sorgten. Frisches Kapital
kostete weniger. Gleichzeitig trugen die Zinssenkungen aber auch die
Verantwortung für den spekulativen Immobilienboom in Irland. Außerdem
bedeutete der steigende Wechselkurs des Euro für Irland eine zunehmende Erschwerung
des Handels und des Wettbewerbs um Direktinvestitionen, da sich irische Waren
außerhalb der EU verteuerten. Zunächst aber fielen in Irland durch die
Einführung des Euro die Kapitalmarktzinsen, und die Banken begannen - von den
Aufsichtsbehörden unbehelligt - den Markt mit billigen Hypothekenkrediten zu
überschwemmen. Der Staat, dem der Immobiliensektor wachsende Einnahmen bescherte,
heizte den Bauboom noch an. Irland hätte seine überhitzte Wirtschaft
theoretisch mit einer Zinserhöhung bremsen können, doch die Entscheidung hierfür
konnte nicht mehr in Dublin getroffen werden, sondern das Land mußte sich der Zinspolitik der EZB unterwerfen.
Schließlich wird die Geldpolitik seit 1999 einheitlich von der Europäischen
Zentralbank gemacht, deren erklärtes Ziel die Wahrung der Preisstabilität im Euroraum insgesamt ist. Dabei
nimmt sie keine Rücksichten auf Entwicklungen in einzelnen Ländern. Damit ist
eine geldpolitische Flankierung der realwirtschaftlichen Anpassungsprozesse, die bei Divergenzen im Euroraum
zwischen den einzelnen Ländern hilfreich ist, ausgeschlossen. Inzwischen ist
die Immobilienblase geplatzt, die Hauspreise fielen um mehr als ein Drittel,
die irische Wirtschaft ist um 20 % geschrumpft. Die Banken wurden von der Regierung
gerettet, indem sie ihnen faule Hypothekenkredite im Nominalvolumen von 80
Milliarden € abnahm, eine Summe halb so hoch wie die gesamte irische
Wirtschaftsleistung. Ende 2010 mußte das
inzwischen hoch verschuldete Land schließlich um Finanzhilfen bei der EU
nachsuchen. Im November 2010 sagten die EU und der IWF Irland Finanzhilfen in
Höhe von 85 Milliarden Euro zu. Doch das
Hilfspaket kommt Irland teuer zu stehen. So muß
das Land für die Hilfsgelder aus Brüssel 5,8 % Zinsen berappen, das ist ein
höherer Satz als bisher jener Griechenlands. Denn bei der Aushandlung des
Hilfspakets wurde auf Druck der Regierung Merkel nicht nur durchgesetzt, dass
Irland Strafzinsen auf die Stützungskredite aus dem Krisenfonds bezahlt, es
wurde zudem, gegen den ausdrücklichen Rat der Experten des IWF, beschlossen,
dass der irische Staat alle Gläubiger der überschuldeten Banken in vollem
Umfang auszahlt. Damit aber droht Irland nach jüngsten Berechnungen eine zusätzliche
Last von bis zu 25 Milliarden €. Auch in Irland flossen die Milliardenhilfen
also größtenteils in die Bankenbranche, deren Krise Irland die schwerwiegenden
Haushaltsprobleme erst beschert hatte. Der Rest des Geldes war zur Sanierung
des irischen Staatshaushaltes vorgesehen. Doch die Konditionen, mit denen die
Hilfen verknüpft wurden, sind wirtschaftlich unsinnig. Irland soll in den
kommenden vier Jahren Einsparungen von 15 Milliarden € im Staatshaushalt
durchführen. Damit soll das Defizit, das derzeit bei 32 % des Bruttoinlandsprodukts
liegt, mittelfristig wieder auf die in Europa vorgeschriebenen 3 % gesenkt werden.
Die Last der Staatsschulden droht jedoch trotz aller Einsparmaßnahmen nach
Kalkulation des IWF bis 2014 auf mehr als 120 % des BIP anzuwachsen.
Das
Spardiktat aus Brüssel und das Fehlen einer Abwertungsmöglichkeit für die
Währung - all dies ist Gift für die irische Wirtschaft. 70 % der irischen Wirtschaft
hängen von der Inlandsnachfrage ab, da ist es fatal, dass die Bürger ihre
Konsumausgaben auf Grund drastischer Lohnkürzungen und Steuererhöhungen radikal
senken. Die Arbeitslosenquote erreichte 2010 mit 13 % den höchsten Stand seit
15 Jahren. Irland ist nun neben Griechenland und Portugal einer der größten Krisenherde
in der Währungsunion. Und die wirtschaftliche Sanierung wird nicht gelingen, wenn
der irische Staat noch einmal zusätzlich Milliarden Euro in die maroden Banken
leiten muß und die Staatskasse die
hohen Zinsen auf ihre Schulden zahlen soll. Tatsächlich werden ja nicht etwa
die Iren gerettet, sondern die Banken und deren vermögende Kundschaft in den
anderen Eurostaaten. Die Liste der Gläubiger ist lang und reicht vom
Allianz Konzern über die Deutsche Bank-Fondsgesellschaft DWS und die Landesbank
Baden-Württemberg bis zur Union Investmentgesellschaft der Raiffeisenbanken –
all jene also, die auch schon von der Bankenrettung im Herbst 2008
profitierten. Sie alle haben mit ihren Investitionen bei Irlands Banken erheblich
zur Vergrößerung
der irischen Immobilienblase beigetragen, die dann später in sich zusammenfiel.
Doch
für die Verluste sollen allein die Steuerzahler eintreten. Ebenso wie
die griechische schrumpfte auch die irische Wirtschaft im 4. Quartal 2010 erneut.
Das BIP fiel um 1,6 %. Die Verbraucherausgaben
gingen um 0,4 % zurück, die Exporte um 1,4 % und die Investitionen sogar um 2,3
%. Im Gesamtjahr 2010 schrumpfte die Wirtschaft um 1,0 %. 2010 war das dritte
Jahr mit einem Wachstumsrückgang in Folge. Statt die Banken als Verursacher der
Tragödie zu retten, wäre es wesentlich zielführender gewesen, sie in den
Konkurs gehen zu lassen und stattdessen die Realwirtschaft zu stützen.
Portugal und Spanien
im Strudel
Auch
Portugal geriet nach Einführung des Euro immer tiefer in den Strudel aus steigenden Schulden und sinkender Wirtschaftskraft.
Die Staatsverschuldung stieg zwischen 2001 und 2006 um 50 %. 2010 lag das
Haushaltsdefizit mit 9,3 % mehr als dreimal über der zulässigen Quote von 3 %. Die
Höhe der Staatsverschuldung Portugals betrug geschätzte 142 Milliarden €. Angesichts
der angespannten Haushaltslage wurde ein
Sparpaket beschlossen, das u.a. mehrjährige Nulllohnrunden im öffentlichen Dienst, das
Einfrieren der Pensionen und Sozialleistungen sowie Verschiebungen großer Infrastrukturprojekte
beinhaltet. Die Mehrwertsteuer wurde um einen Prozentpunkt auf 21 % erhöht.
Außerdem wurde eine neue Einkommenssteuer mit einem Aufschlag von bis zu 1,5 % eingeführt.
Unternehmen mit Gewinnen von mehr als 2 Millionen € sollten eine zusätzliche ›Krisensteuer‹ von 2,5 % zahlen. Doch das Sparpaket ist gescheitert, und am 6. April
2011 verkündete der portugiesische Ministerpräsident, dass man die EU um Finanzhilfe
bitten wolle. Vorausgegangen waren neue
Herabstufungen der Bonität des Landes durch internationale Ratingagenturen und
in der Folge neue kräftige Zinsschübe bei dem Verkauf von Staatsanleihen. Kurz zuvor hatte sich der
Schuldendienst Portugals abermals dramatisch erhöht, als für fünfjährige
Anleihen nun schon 9,75 % Zinsen geboten werden mußten.
Am 16. Mai 2011 beschlossen die EU-Finanzminister ein 78 Milliarden € Hilfspaket
für Portugal, das vom IWF und dem Rettungsfonds der EU zur Verfügung gestellt
wurde. Von den zugesagten 78 Milliarden € waren 12 Milliarden Euro für die
Rekapitalisierung der portugiesischen Banken zu verwenden. Das ›Hauptziel des Abkommens mit EU und IWF
ist die Verringerung des Haushaltsdefizits, das im Vorjahr bei 9,1 % des BIP lag‹. Mit Portugal hängt mittlerweile also
bereits das dritte Land am EU-Finanztropf. ›Europas
Rettungsroutine‹, die sich
mittlerweile ›eingeschliffen‹ hat, wird die Staatsschuldenkrise
jedoch nicht beenden, wie die griechische Tragödie und das irische Debakel
gezeigt haben, denn die Rettungsschirme ›bewirken
bei den betroffenen Volkswirtschaften, die allesamt durch den für sie
überhöhten Außenkurs des Euro partiell wettbewerbsunfähig geworden sind, keine
Besserung der Wettbewerbsfähigkeit, sondern schonen nur fremde Gläubiger
fremder Staaten‹.
Und ob es
bei der Rettung Portugals bleibt, ist fraglich. In der EU herrscht die Sorge, dass
auch Spanien in den Strudel der EU-Schuldenkrise geraten könnte. Auch
in Spanien lief die Verschuldung mit dem Euro aus dem Ruder. Bis zur
Euro-Einführung hatte das Land solide gewirtschaftet, und bis zur Finanzkrise
erlebte es, ebenso wie Irland, sogar einen bemerkenswerten wirtschaftlichen
Aufschwung. Industriesparten wie die Autobranche boomten, und bis 2008 gab es sogar
einen Budgetüberschuss. Doch stand dieser Aufschwung auf tönernen Füßen, denn
in Spanien wuchs das BIP vor allem deshalb,
weil nach der Euro-Einführung die Zinsen auf Kredite drastisch sanken und ein
gewaltiger Bauboom einsetzte. So wurde ein großer Teil des Aufschwungs auf dem Bausektor
erzielt. Appartementanlagen schossen aus dem Boden. Ende 2008 platzte dann die
Immobilienblase, und die Arbeitslosigkeit stieg seither auf mehr als 20 %. Bei
jüngeren Arbeitnehmern liegt sie sogar bei mehr als 40 %. Die daraus resultierenden
hohen Sozialausgaben schlugen schnell aufs Budget durch, so dass das Defizit 11
% erreichte. Nach der Euro-Einführung stiegen außerdem auch in Spanien die
Arbeitskosten an – sie lagen jährlich im Schnitt um 1 % über dem
EU-Durchschnitt. Und auch Spanien befindet sich durch den Euro in dem Dilemma,
dass es die Wettbewerbsfähigkeit seiner Industriezweige im In- und Ausland
nicht einfach durch eine Währungsabwertung gegenüber den wichtigsten
Handelspartnern erhöhen kann. Wenn der Euro stark ist, muß die Anpassung mühsam über die Realwirtschaft
erfolgen, über Rezession, Entlassungen und Neuverhandlungen von Tarifverträgen,
durch die die Löhne nach unten korrigiert werden. Eine reale Abwertung durch
sinkende Löhne und Staatsausgaben ist jedoch keine Lösung, da der Staat dann nicht in Bildung und Infrastruktur
investieren kann, was für ein künftiges Wachstum
unabdingbar ist. Und niedrigere Löhne hemmen das Wachstum ebenfalls. 2010
stufte der ›New Misery Index‹ der Ratingagentur Moody’s, der
Arbeitslosigkeit, Staatsverschuldung und Wirtschaftsleistung bewertet, Spanien
noch schlechter als Griechenland ein.
Deutschland fehlt
Kapital für Investitionen in die Realwirtschaft
Für
Deutschland wird der ›Pakt für den
Euro‹ teuer. Der Rettungsfonds
schlägt mit 700 Milliarden Euro (80 Milliarden als Bareinlage und 620 als
Garantie oder abrufbares Kapital) zu Buche. Die BRD bürgt für 168 Milliarden € und zahlt fast 22
Milliarden € als Bareinlage. Geld, das man leihen muß
und das dann einfach für soziale Zwecke oder anderes wie Investitionen
in die Realwirtschaft nicht zur Verfügung steht. Dabei ist es eine bittere,
aber immer wieder verschwiegene Erkenntnis, dass bisher noch in keinem Land
der Euro-Zone staatliche Schulden an die Gläubiger zurückgezahlt worden sind,
d.h. in absoluten Größen verringert wurden. So werden die deutschen
Bürger um ihren in der Vergangenheit erarbeiteten Wohlstand gebracht! 2010 war
der Eurokurs wegen der Schuldenkrise in der Währungsunion zeitweise auf den tiefsten Stand seit 4 Jahren
abgerutscht. Ein schwacher Euro hilft den Exporteuren, verteuert aber die
Importe. Die deutsche Industrie beklagte deshalb 2010 den stärksten
Kostenanstieg seit fast 2 Jahren. Daraus folgten Erhöhungen der Verkaufspreise,
vor allem die Benzin- und Dieselpreise stiegen exorbitant. Weil die Einkommen
2010 wegen Kurzarbeit und schwacher Lohnerhöhungen kaum stiegen, wiegt eine
höhere Teuerungsrate doppelt schwer. Sie
belastet die Realeinkommen und damit den Konsum. Hinzu kommt, dass durch den Zinsaufschlag, den die EU-Kommission für ihre
Gemeinschaftsanleihe zahlen muß, die Kreditaufnahme
für den Staat, aber auch für Bürger und Betriebe in Deutschland teurer wird. Und
da mit EFSF- und ESM-Milliarden nun auch die Anleihen überschuldeter Staaten
gekauft werden können, kämen gesamtschuldnerische Euro-Bonds quasi
durch die Hintertür. Dann wäre der Umbau der Währungsunion zur Schuldengemeinschaft
besiegelt. In Deutschland nimmt die Staatsverschuldung, verursacht durch die
Bankenrettungs-Pakete und die Euro-Rettungsschirme, rasant zu. So stieg die
Neuverschuldung im vergangenen Jahr allein aufgrund der Bankenhilfe um 0,4 % des
BIP. Die staatliche Gesamtverschuldung nahm um 9,5 Prozentpunkte zu. Aktuelle Zahlen des europäischen Statistikamts Eurostat
belegen, dass die Bankenhilfen die öffentlichen
Haushalte Deutschlands im Saldo mit 9,8 Milliarden € belastet haben.
›Zusammen mit dem Aufwand von 2008
und 2009 ergibt sich ein Minus von 16,6 Milliarden €.‹ Und Eurostat hat dabei noch ›nicht
die sogenannten Opportunitätskosten berechnet, die aus Ökonomensicht dadurch
entstehen, dass der Staat das Geld für eine andere Verwendung ausgeben können hätte‹. In den Medien wird über diese Zusammenhänge
nicht berichtet. Der Gesamtschuldenstand der öffentlichen Haushalte in
Abgrenzung des Maastricht-Kriteriums lag im Jahr 2010 bei 75,7 % des BIP. 2011 liegt
er voraussichtlich bei 75,9 %. Mitte 2010 war der Staat mit etwa 470
Milliarden Euro bei Kreditinstituten und mit rund 894 Milliarden Euro im
Ausland verschuldet. Zudem haben Privatleute, Bausparkassen,
Sozialversicherungen und
Versicherungen
dem Staat Kapital in Höhe von rund 320 Milliarden € zur Verfügung gestellt.
Gegenwärtig muss der Staat jeden achten Euro, den er durch Steuern einnimmt,
für Schuldzinsen ausgeben. Dieses Geld fehlt dann natürlich an anderer Stelle,
um die eigentlichen Aufgaben des Staates zu erfüllen. Außerdem wird dadurch der
Spielraum für dringend notwendige Entlastungen auf der Steuer- und Abgabenseite
erheblich eingeschränkt
Wie
gefährlich eine hohe Staatsverschuldung für die wirtschaftliche Entwicklung
ist, hat erst jüngst der Ökonom Nouriel Roubini, der schon mit seinen
Vorhersagen zur Finanzkrise als ›Dr.
Untergang‹ bekannt geworden ist,
herausgestellt. Er warnt, dass die hohen Schulden der Industriestaaten weltweit
die wirtschaftliche Entwicklung bedrohen. Er sieht die Weltwirtschaft deshalb
in einem Abschwung und befürchtet einen Einbruch der globalen Konjunktur.
Einige Länder in der Eurozone seien nicht nur illiquide, sondern faktisch
insolvent. Seine Prognose: Ein gravierender Konjunkturrückgang würde die
Regierungen vor ein ›ernsthaftes
Problem‹ stellen. ›Im Gegensatz zur Finanzkrise zwischen
2007 und 2010, die mit staatlichen Maßnahmen bekämpft werden konnte, ginge den
politischen Entscheidungsträgern nun die Munition aus. ›Die öffentlichen Schulden sind hoch und viele Staatsanleihen in
arger Bedrängnis, so dass die Fähigkeit der Regierungen, ihre Banken durch weitere
Rettungspakete zu unterstützen, massiv beeinträchtigt ist‹. 2009 gewährte Deutschland allein für die Bankenrettung für 1,889
Billionen € Bankgarantien. Dem gegenüber steht die geradezu lächerliche Summe
von 81 bis 84 Milliarden €, die der Staat für Konjunkturprogramme aufbrachte. Auf
Grund der zunehmenden Verschuldung durch den Euro-Rettungsschirm wird auch in
Zukunft kaum Geld zur Förderung der Realwirtschaft vorhanden sein.
Dabei sind Konjunkturprogramme in den Arbeitsmarkt der Realwirtschaft die
einzige Chance, über die die deutsche Wirtschaft verfügt, um etwas
anzuschieben. Die Rettungsbillionen für das
marode Bank- und Versicherungssystem werden dagegen verpuffen. Die
abgeschöpften Mittel durch den Dauer-Fonds zur Euro-Rettung sind nicht nur nutzlos
zur Förderung der Volkswirtschaft in den Nehmerländern, sondern sie fehlen Deutschland
bei der Finanzierung von Investitionen und bei der Nachfrage an den Gütermärkten.
Durch die zur Rettung des Euro eingeleiteten Maßnahmen verliert Deutschland
Kapital für die Weiterentwicklung der Realwirtschaft, und zwar irreversibel,
endgültig. Aber nicht nur dadurch. Schon seit seiner Einführung schadet der Euro der
deutschen Realwirtschaft. Vor der Einführung des Euro war Deutschland das europäische
Land mit der niedrigsten Inflationsrate und dem stabilsten Wechselkurs und hatte
– verglichen mit den anderen europäischen Staaten – stets ein besonders
niedriges Zinsniveau. Das war ohne Frage ein Vorteil gegenüber anderen Ländern,
denn deutsche Unternehmen konnten günstiger an Kapital kommen. Dies änderte
sich schlagartig durch den Beitritt zur Währungsunion und dem damit zum 1.
Januar 1999 für alle Euro-Staaten verfügten einheitlichen Notenbank-Zinssatz,
durch den die Zinsdifferenz
zum deutschen Kapitalmarkt verschwand. Für die Staaten mit den bis dahin
hochverzinsten
›weicheren‹ Währungen ergab sich aus dem mit
Einführung der Währungsunion für alle Euro-Staaten verfügten einheitlichen
Notenbank-Zinssatz eine große Erleichterung. Der Zinsrückgang wirkte, wie das
Beispiel Irlands zeigt, wie ein gewaltiges Konjunkturprogramm. Und
genau das war ja ein erklärtes Ziel des Euro: All diesen Minderleistern die
Kapitalkosten zu senken, damit sie per Zinssubvention, also Verbesserung ihrer
Produktivität, zu den ›Kernländern‹ (Deutschland und einige
Nachbarn) aufschließen konnten. Was keiner von ihnen tat – die
Zinssubventionen erwiesen sich als reiner Kaufkrafttransfer, also als ›Konsumhilfe‹. Ich erinnere an den Fall Italien, das mit einer Staatsschuld von
mehr als 100 % seines BIP in den Euro ging (erlaubt waren 60 %). Sein Zinssatz
hierfür sank per Januar 1999 von 11 auf 5 %. Die Einsparung von 6 % betrug
angesichts der Höhe der Staatsschuld schon im ersten Jahr 70 Mrd. € – und
seither alle Jahre wieder.
In
Deutschland gab es durch den einheitlichen Notenbank-Zinssatz keinen
Konjunktur-Schub, da die deutschen Kreditnehmer seither höhere Zinsen als in
der DM-Zeit zahlen. Dies mußte vergleichsweise negative Auswirkungen auf das
deutsche Wirtschaftswachstum haben, und so blieben dann auch seine
Wachstumsraten hinter den eigenen der DM-Zeit und hinter denen der meisten
anderen europäischen Länder zurück. Seit Herbst 2000 verharrt die deutsche Volkswirtschaft
in Stagnation. Die Volkswirtschaft hatte ihr Wachstum praktisch eingestellt.
2003 war das Wachstum bei minus 0,2 % angekommen. Im Durchschnitt der Jahre
1999 – 2010 liegt es bei nur 1,2 %. Für die deutsche Volkswirtschaft war die
Auswirkung des einheitlichen Zinssatzes eine quasi über Nacht eintretende
Belastung. Für Banken, die sich in größerem Umfang durch Ausgabe von Schuldverschreibungen am deutschen
Kapitalmarkt refinanzieren, stieg 1999 der Zinsfuss um bis zu 2 % pro Jahr an,
was viele von ihnen in Schwierigkeiten brachte, die sich ab 2007 im Rahmen der
Weltfinanzkrise auswirkten. Makroökonomisch gesehen machte die plötzliche
Mehrbelastung der deutschen Volkswirtschaft mit Zinsen sicherlich jährlich bis
zu 4 % des Sozialprodukts aus. Bei einem
Sozialprodukt von 2.500 Milliarden € sind das 100 Milliarden € pro Jahr.
Natürlich waren die Einsparungen der Euro-Weichwährungsländer unvergleichlich größer.
Aber der Finanzmarkt, also die Verhaltensweise der kreditgebenden Banken, pendelte
sich mit der ihm eigenen Gesetzmäßigkeit auf diesen für deutsche Kreditnehmer
deutlich höheren Zinsfuß ein. Seit ich Anlass
habe, das Kreditvolumen der deutschen Volkswirtschaft bei 5.000 Milliarden zu
sehen, muss ich die Mehrbelastung (nominal rund 2 %) mit rund 4 % des BIP pro
Jahr annehmen. Das ist aber nicht unsere einzige ›verdeckte‹ Leistung an
das Eurosystem. Einen weiteren Nachteil brachte die Einführung des Euro für die
Realwirtschaft: Durch die Überschußabführungen
an die EU erleidet Deutschland seit 1999 erhebliche Einbußen. 2008 erzielte
Deutschland einen Außenhandelsüberschuss von 176,2 Milliarden €. Im gleichen
Jahr wurde an die EU die Summe von 18,9 Milliarden € überwiesen. Zwar erhielt
Deutschland im Rahmen des EU-Budgets auch wieder Geld aus Brüssel zurück, doch
es versickerten immer noch Milliarden im Haushalt der EU. Die Überschüsse
kommen deshalb nicht wie zu DM-Zeiten dem deutschen Staat beziehungsweise seiner Volkswirtschaft zugute, sondern sie
werden heute mit den Negativsalden der EU-Partnerländer verrechnet. Somit
schenkt Deutschland seine im Außenhandel erzielten Überschüsse den Ländern, die
es bis heute nicht geschafft haben, Überschüsse im Außenhandel zu erzielen.
Deutschland bezahlt ihnen über die EZB ihre ungedeckten Importe, was jährlich nochmals
6 % unseres BIP oder 150 Milliarden € ausmacht. Somit findet ein Wohlstandstransfer
in Milliardenhöhe zu unseren Ungunsten statt. Im Budget hat Deutschland von
2000 bis 2010 netto bereits rund 70 Milliarden € an Brüssel überwiesen. Und es
werden weiterhin Steuergelder nach Brüssel transferiert – trotz der desolaten Lage
der öffentlichen Haushalte. Die europäische Gemeinschaftswährung hat Deutschland
bislang mehr als 2.500 Milliarden gekostet. Zum Vergleich: Die Kosten für den Wiederaufbau nach der Erdbeben- und
Tsunamikatastrophe in Japan könnten nach Einschätzung der Ratingagentur
Standard & Poor’s bei ca. 400 Milliarden Euro liegen. Während
die Medien jedoch täglich über Fukushima berichteten, liest man wenig über den ›Super-Gau‹ Euro, obwohl dessen Schaden für uns Deutsche ein Vielfaches von
Fukushima beträgt. Zwar werden die ›Rettungsschirme‹, die seit einem Jahr Blitze über Europa werfen, als ›Schaden‹ wahrgenommen. Aber niemand erwähnt die eigentlichen Euro-Schäden
für Deutschland, die sich seit dessen Einführung ereignen – alle Jahre wieder.
Im Übrigen
habe ich erstmals diesen Vergleich gezogen. Schnell wurde er Mitte des Jahres
2011 von den Medien aufgenommen, weil er so wunderbar anschaulich ist und weil
wir mit Blick auf den Euro in der Tat von einem›Super-Gau‹ sprechen
müssen. Das Geld, das an die EU überwiesen wird, fehlt natürlich für
öffentliche und private Investitionen in Deutschland. Deshalb mehren sich die
Schlaglöcher in unseren Straßen, mindern sich die kommunalen Dienstleistungen
und verteuert sich das Reisen mit der Staatsbahn. Wie ein Blick in die
Statistik beweist, sind seit Mitte der 1990er Jahre die Investitionsanteile am
BIP tendenziell rückläufig. Bei den öffentlichen Investitionen ist die
Nettoinvestitionsquote sogar negativ. Deutschland hat unter allen Euroländern seit
Einführung des Euro die schwächste Nettoinvestitionsquote und das
zweitniedrigste Wachstum. Und auch der Produktionsindex zur Messung der
monatlichen Leistung des produzierenden Gewerbes in Deutschland, der als
zeitnaher und wichtiger Indikator für die konjunkturelle Entwicklung dient, zeugt von Stagnation. Die schwache Investitionsquote
ist auch ein Ergebnis des durch den Euro geschaffenen gemeinsamen Kapitalmarkts,
in
dessen Folge seit 2002 zwei Drittel der deutschen Ersparnisse ins Ausland
gebracht wurden und zu Hause für Investitionen nicht mehr zur Verfügung
standen. Ich sagte schon: So wird das Guthaben aus unseren Export-Überschüssen
(derzeit rund 6 % unseres BIP) an die EZB verschenkt, damit diese die Defizite
anderer Euro-Länder daraus bezahlen kann. Allein dies macht jenseits aller
Rettungsschirme jährlich rund 150 Milliarden € aus. Letztlich bezahlen immer
die Realwirtschaft und die Bürger die Zeche derartiger Währungs- und
Finanzabenteuer. Während Angela Merkel den Rettungsschirm preist, üben die
Berater des Finanzministers in einem Brief scharfe Kritik an dem neuen dauerhaften Rettungsschirm ab 2013. ›Die Vereinbarungen seien ›besorgniserregend‹, zitiert Der Spiegel aus dem Schreiben des
Wissenschaftlichen Beirats im Finanzministerium. Für die 31 Ökonomen verfestigt
der europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) die ›Fehlsteuerung in der Finanzpolitik
und auf den Kapitalmärkten‹, weil Pleiteländer
Hilfe von finanziell gesunden bekommen. Das nehme ›der Politik Anreize, Verschuldungs- und Finanzkrisen vorzubeugen‹. Der EMS drohe ›die Entwicklung der Eurozone zu beeinträchtigen und Deutschland
sowie andere Geberländer zu überfordern‹.
Die deutsche Politik
ficht diese warnenden Worte indes nicht an: Außenminister
Westerwelle kann
keine Krise des Euro erkennen. Er mahnte stattdessen zur dauerhaften
Stabilisierung
des Euro eine Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der EU-Mitglieder an. Jedes
europäische Land müsse sich bemühen, seine Realwirtschaft so wettbewerbsfähig
zu erhalten, dass der Euro nicht leidet. Doch der Euro verhindert ja gerade die
Wettbewerbsfähigkeit der Euroländer. [Man muss sich hier zwangsläufig
fragen, ob Westerwelle von den gesamten Vorgängen überhaupt etwas begriffen
hat; Anmerk. von politonline]
Deshalb
ist eine Rückkehr zum Vor-Euro-Status des Europäischen Währungssystems
notwendig. Deutschland muss eine Revision
der EU fordern. Für den deutschen Bürger liegt die ultimative Verantwortung beim
gewählten Bundestag, und dieser muß aufhören,
sich ihr zu entziehen. Schließlich ist
die deutsche Volkswirtschaft bereits durch die ersten 12 Euro-Jahre schwer geschädigt
– in der Summe sind es mittlerweile sicher 2.500 Milliarden € oder das deutsche
BIP eines Jahres. Jetzt kommen die Leistungen aus den verschiedenen ›Rettungsschirmen‹ dazu. Die deutsche Politik steht umso stärker unter Handlungszwang,
als sie uns Bürgern mit Atomausstieg und Klimaschutz-Strategien weitere schwere
Lasten aufbürdet.
Finanzsektor wächst
Während
man für die Realwirtschaft der Eurozone nicht von einem nennenswerten Wachstum
sprechen kann, ist der Finanzsektor in den vergangenen Jahren überproportional
gewachsen. Die Gewinne der Unternehmen dieser Branche haben stark zugenommen,
so dass sie ihren Managern riesige Boni ausschütten konnten. Möglich wurden die
enormen Gewinne des Finanzsektors vor allem durch das Versagen der staatlichen
Aufsicht. Darüber hinaus hat sich das Wachstum der Finanzmärkte aber auch durch
den mit der Einführung des Euro verbundenen Wegfall von Währungsbarrieren
verstärkt. Durch den Euro entstand einer der größten Finanzmärkte der Welt, der
umfassendere Anlage- und Finanzierungsmöglichkeiten bietet, als es die nationalen
Märkte könnten. Das Zusammenwachsen der Märkte im Rahmen der Deregulierung hat
zu einer Veränderung der Finanzströme geführt. In der Vergangenheit waren die
Anlage- und Finanzmärkte weitgehend
national segmentiert; nun ermöglicht die Deregulierung eine Konzentration der
Geschäfte auf die profitabelsten und kostengünstigsten Märkte. Die zur Verfügung
stehenden Mittel fließen nun dorthin, wo sie den effizientesten Einsatz versprechen.
Dabei ermöglicht die größere Liquidität des europäischen Marktes Finanzierungen
in Größenordnungen, die früher undenkbar waren.
Die
Geldvermögensanlage wächst deshalb in Europa schneller als die Rate der
Realinvestitionen. Es ist zu einer Verschiebung des Gleichgewichts zwischen
Finanz- und Realwirtschaft gekommen. Die Finanzwirtschaft hat sich im
vermeintlichen Interesse der Anleger in den vergangenen Jahren fast vollständig
von der Realwirtschaft abgekoppelt. Inzwischen gibt es zu viele und zu große
Banken – ›Wertpapierhandelsfabriken‹, die die Realwirtschaft nicht unterstützen.
Zwar brauchen moderne Volkswirtschaften entwickelte Kapitalmärkte, um das Geld
der Sparer zu bündeln und denen zukommen zu lassen, die Investitionsideen
haben. Banken sind Finanzintermediäre – die Brücke zwischen
Kapitalangebot und Realwirtschaft. Die Krise hat aber gezeigt, dass die Brücke ins
Nichts führen kann, wenn sich der Finanzsektor von der Realwirtschaft entkoppelt. Die Profitziele der
Finanzinstitute sind durch die Entwicklung der realen Wirtschaft nicht mehr
gedeckt. Die Investitionsanreize für Anleger in die Realwirtschaft werden
gemindert, woraus eine starke Instabilität des gesamten Wirtschaftssystems
resultiert. Während die Profite bei ca. 15 % und im Fall der Deutschen Bank gar
bei 25 % lagen, stürzte die Realwirtschaft ab – 2009 war hier ein Minus von ca.
6 % zu verzeichnen. In Deutschland und in anderen Industrienationen wurden die
wachsenden Profite in die Spekulation gepumpt, zu sagenhaften Reichtümern auf
dem Papier aufgeblasen. ›Grundsätzlich
gibt es viel zuviel Papiergeld auf dieser Welt. (…), dabei bräuchten wir nur eine
begrenzte Menge, die nötig wäre, um die Realwirtschaft zu finanzieren‹. Eine Folge des Ansteigens der
Geldflut: der Verwertungsdruck der Geldmassen nimmt zu. Sie strömen auf der
Suche nach möglichst hohen Zinsen und Renditen ›via Banken und Fonds in schwächere EU-Länder wie Griechenland,
Portugal, Irland und Spanien, spekulieren mit Kredit-Ausfallversicherungen wie
Credit Default Swaps (CDS) und anderen ›finanziellen
Massenvernichtungswaffen‹ (Warren
Buffett) auf die Pleite ganzer Staaten‹. Sie ›verdienen dann prächtig an neuen Staatsanleihen, deren Renditen doppelt
und dreifach so hoch sind wie bei deutschen Bundesanleihen. Das höhere Risiko lassen sie
sich über ›Rettungsschirme‹ auf Kosten der europäischen
Steuerzahler absichern‹. Und
in Deutschland profitieren sie von der rasant zunehmenden Staatsverschuldung,
die durch die Bankenrettungs-Pakete und die Euro-Rettungsschirme verursacht
wird. Doch die Rettungspakete helfen weder den Menschen noch den
Volkswirtschaften der betroffenen Staaten, sondern nur den Banken. »Der
Ministerpräsident nimmt das Geld an der Vorderpforte und gibt es an der
Hinterpforte den Banken. Und die freuen sich, dass sie den ganzen
Wert der Staatsanleihen bekommen, obwohl sie nur 80 % vom Preis bezahlt haben.« Am Ende
sind für die meisten Länder nicht etwa enorme Staatsschulden das größte Problem,
sondern die Bankschulden.
Neben der
Neuverschuldung müssen die Euro-Krisenländer Spanien, Irland, Portugal, Italien
und Griechenland auch noch einen Teil ihrer vorhandenen Staatsschuld regelmäßig
refinanzieren, d. h. auslaufende Staatschuldpapiere auszahlen und dafür frische
Kredite aufnehmen. ›Nach Schätzungen
des Informationsdienstes Bloomberg müssen die genannten Länder allein dieses
Jahr insgesamt 176 Milliarden € refinanzieren. Für die nächsten 5 Jahre beläuft
sich ihr Refinanzierungsbedarf für auslaufende Staatsanleihen und fällige
Zinsen auf insgesamt 927 Mrd. €‹. Die
verheerende Staatsschuldenkrise gibt frühen Euro-Kritikern wie Wilhelm Hankel, Wilhelm
Nölling, Karl A. Schachtschneider und Joachim Starbatty recht: Es sind die Unterschiede
in der Wettbewerbsfähigkeit zwischen den Euro-Ländern, die die gemeinsame
Währung jetzt in eine tiefe Krise stürzen. Nun rächt sich, dass Länder wie Griechenland
mit schwacher Währung und schwacher Wirtschaft den Euro bekamen. Aus
der Währungsunion wurde eine Haftungs- und Schuldengemeinschaft.
Wissentlich wird gegen die Maastrichter ›No
bailout-Klausel‹, nach der ein
Mitgliedsland einem anderen nicht finanziell helfen darf, verstoßen. Nach
Artikel 125, Absatz 1 AEUV ›haftet die
Europäische Union‹ (Satz 1) und ›haftet ein Mitgliedstaat‹ (Satz 2) ›nicht für die Verbindlichkeiten
der Zentralregierungen, der regionalen und lokalen Gebietskörperschaften oder
anderer öffentlich-rechtlicher Körperschaften, sonstiger Einrichtungen des
öffentlichen Rechts oder öffentlicher Unternehmen von Mitgliedstaaten und tritt
sie/er nicht für derartige Verbindlichkeiten ein‹. Helfen könnte nur noch der Austritt von Griechenland und den
anderen Krisenstaaten aus der Eurozone. Die betroffenen Länder würden die alten
Währungen einführen, ›im Verhältnis
eins zu eins zum Euro, dann können sie alle Preislisten und Lohnkontrakte
behalten. Gleichzeitig müßte die neue Währung
abwerten‹.
Doch
EU-Kommissionspräsident Barroso und die deutsche Kanzlerin bestehen weiterhin
darauf, dass der Euro in der bisherigen Form erhalten bleiben müsse – koste es was
es wolle. Tatsächlich werden diese Kosten sehr hoch sein, jedenfalls für Deutschland,
und zwar nicht nur wegen der riesigen Transferzahlungen für Griechenland,
Irland und Portugal, sondern auch, weil die Ungleichgewichte bestehen bleiben,
was zu immer neuen Krisen führen wird. Die Bemühungen, Griechenland, Irland
und nun Portugal aus der Klemme zu helfen wird die Zunahme der Schulden in ganz
Europa bewirken – letztlich werden alle Staaten Probleme bekommen. Es ist
außerdem abzusehen, dass sich die Menschen in den Krisenstaaten gegen die
Sparpolitik immer mehr auflehnen werden und auch die Menschen in Deutschland
werden sich bis zur nächsten Bundestagswahl
nicht mehr von der Transferunion und Gefährdung der Kaufkraft unserer Währung
ablenken lassen. Ließe man heute deutsche, französische oder holländische
Wähler darüber abstimmen, was sie von der Griechenlandhilfe, dem Portugal-Rettungsschirm
oder der ständigen Transfer-Union ab 2013 halten, wäre das Ganze wohl schon
Geschichte: Europa würde abgewählt werden.
Auch wenn
es Barroso, Merkel & Co. noch nicht wahrhaben wollen: Das Euro-Experiment
ist gescheitert, und je länger daran herumgeflickt wird, umso schlimmer wird
es! In anderen Worten: Andere Euro-Staaten verzehren das deutsche Saatkorn, Jahr
für Jahr. Also ist es nur noch eine Frage der Zeit, dass Deutschland endgültig
in die Knie geht – auch politisch. Dann wäre nach der Weimarer Republik (1933)
auch der Versuch der zweiten deutschen Republik gescheitert – gescheitert an
der politischen Intransigenz gewisser politischer ›Freunde‹.
[1]
http://www.jungefreiheit.de/Single-News-Display-mit-Komm.154+M573dac2a714.0.html
6. 11. 11 Diktatur auf leisen Sohlen - Von
Wilhelm Hankel
Alle Hervorhebungen durch politonline
Siehe auch
http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=1864 9. 1. 2012
Das
Euro-Dogma - Von Luz Radtke
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