Zum Thema Schule und Sprache

Gerät eine Einrichtung in eine Krise, wächst der Hang zur Schaffung neuer Leitungsstrukturen und Kontroll-Instanzen.

Die Schulleitungen an der Volksschule sind aus einer Krise entstanden, die von einem akutem Lehrermangel, zunehmenden Elternklagen, einer ausufernden Reformitis und Bürokratisierung des Schulbetriebs gezeichnet war. Brachten die Schulleitungen etwa eine Besserung? Fakt ist, dass in Zeiten akuten Lehrermangels vor allem dem Unterricht mehrere hundert Lehrkräfte entzogen wurden. Denn Schulleiter stehen höchsten noch stundenweise im Schulzimmer. Im Kanton Zürich wurde daraus ein eigener Beruf – mit akademischem Master-Abschluss. Der Schulleiter hat nur noch Leitungsaufgaben. Wie kann also jemand, der selber keinen Unterricht mehr erteilt, die Unterrichtserteilung seiner Schule nach aussen hin vertreten? Richtig! Er muss den Unterrichtsbetrieb reglementieren, harmonisierenwie die Gleichschaltung beschönigend umschrieben wird. Und er muss einen Kontroll-Apparat mit Fragebögen und Formularen schaffen, um sicher zu sein, dass seine Harmonisierungsanordnungen greifen. Mehr Formulare, mehr Kontroll-Bürokratie: Profitiert davon der Unterricht? Nein  -  und die Lehrer werden zu Formular-Ausfüllern bis zum Geht-nicht-Mehr degradiert. Frust ist das Resultat.

 

Machtstellung

Können die Schulleiter die lohnwirksame Lehrerbeurteilung an sich reissen, können sie ihre Macht erst richtig ausspielen: Wer nicht spurt, muss länger auf Aufstufungen warten als pflegeleichtere Kollegen. Macht bahnt dem Mobbing die Bahn. Ob die Unterrichtsqualität davon profitiert? Die Bildungsdirektionen nutzen die Schulleiter als Transmissionsriemen für ihre unzähligen Reform-Projekte. Die Schulleiter haben im Schulhaus umzusetzen, was die Bildungsdirektion anordnet. Früher wurde der Schulbetrieb von den örtlichen, vom Volk gewählten Schulbehörden geprägt. Diese bremsten, wenn die Reformitis überbordete. Sie verhinderten die Umsetzung von Unsinnigem, Übertriebenem. Erst mit der Schaffung der Schulleiter brach sich die Reformitis Bahn, nach der Ausschaltung der gewählten Behörden. Seither jagt eine Reform die nächste. Neue werden begonnen, noch bevor vorhergehende Reformen, welche die Erwartungen kaum je erfüllt haben, ausgewertet wurden.

 

Tatsache ist auch, dass an der Schulleiter-Karriere besonders auch jene Lehrer interessiert sind, denen Erfolg im Klassenzimmer versagt blieb. Sie beherrschen zwar die Theorie, aber es fehlt ihnen die Fähigkeit zur Klassenführung, die unabdingbare Voraussetzung für eine zielerreichende Unterrichtserteilung. Ob es gut kommt, wenn Lehrer, die sich vor der Klasse als wenig erfolgreich erwiesen, die Führung über erfolgreichere Kolleginnen und Kollegen übernehmen? Die Schulleiter,  von den Bildungsdirektionen zur Entmachtung der gewählten Behörden gedacht, sind und bleiben Fremdkörper in der Volksschule: Werkzeuge zur Zentralisierung und Entdemokratisierung der Volksschule.

 

Die Schulleitungen bescheren der Volksschule Bürokratie, Frust und Unfrieden. Ein von der Lehrerschaft auf Zeit gewählter Kollege als Schulvorstand – dies ohne eine lohnwirksame Kollegenbeurteilung – als Hauptgesprächspartner der Schulpflege: Das ist das bessere System. Mehr Unterricht statt mehr Bürokratie, mehr Methodenfreiheit statt Gleichschaltung der Lehrer: Das bürgt für die Qualität der Volksschule. Die Abschaffung der Schulleitungen ist daher überfällig. [1]

 

Was nun die Frage der Zulassung zum Gymnasium angeht, so sind Reformen im Gang, die von einer pauschalen Absage an Leistungsforderungen geprägt sind. Der Kanton Zürich will für die neue Gymnasialbildung offenbar eine Pionierrolle übernehmen. Für das sich an die sechste Primarklasse anschliessende Langzeit-Gymnasium werden die mündlichen Prüfungen abgeschafft. Diese seien für die Schüler «ungewohnt». Das ist nichts anderes als eine Konzession an die «Hey-Mann-Generation»: Die Forderung, dass angehende Gymnasiasten nach 6 Jahren Primarschule zu einer korrekten Sprachanwendung fähig sein sollten, dass sie einen Inhalt in ganzen, richtig aufgebauten Sätzen zu formulieren in der Lage sein müssten, wird offensichtlich ersatzlos gestrichen. Die korrekte Anwendung der deutschen Sprache ist in der Primarschule offenbar kein Ausbildungsziel mehr. Das Sprechen in abgehackten, mit Slang-Ausdrücken gespickten Wortfetzen lässt die Volksschulverantwortlichen kapitulieren. Früher Fremdsprachen-Unterricht bleibt Trend. Die Pflege der Muttersprache wird umso bedenklicher vernachlässigt.

 

Die Abwertung des Deutschunterrichts hat weitere Konsequenzen: Der gute alte Aufsatz wird für die Gymi-Prüfung gestrichen. Wer seine Sprache mündlich nicht korrekt anwenden kann, von dem kann das selbständige Formulieren logischer Gedankengänge zu einem vorgegebenen Thema innert einer Stunde natürlich auch nicht mehr verlangt werden. Fortan werde an der Aufnahmeprüfung nur noch ein gewisses Textverständnis geprüft. Selbständiges Formulieren eines Textes kann angehenden Gymnasiasten also nicht mehr zugemutet werden.  

 

Nivellierung nach unten

Auch auf das sich an die Sekundarschule anschliessende Kurzzeit-Gymnasium warten Neuerungen: Chancengleichheit müsse geschaffen werden. Nebst Schülern der Sekundarschule I (Niveau A) müsste auch solchen des Niveaus B das Gymnasium fortan offenstehen. Die leistungsverflachende Nivellierung nimmt damit ihren Fortgang. Die Abteilung A (Sek I) ebnete ursprünglich intellektuell begabten, leistungsstarken Schülern den Weg ins Gymnasium oder in intellektuell anspruchsvolle Berufslehren. Die Abteilung B (Sek II) wurde für weniger intellektuelle, dafür aber praktisch Begabte geschaffen: mit viel handwerklich-praktischem Unterricht, der tüchtige Handwerker und Berufsleute heranwachsen liess. Mit der Akademisierung der Lehrerausbildung verschwand der Unterricht im Werken nach und nach. Jetzt nivelliert man unter Vorwand der Chancengleichheit auch die Leistungsanforderungen auf der Oberstufe.

 

Dabei schielt man aufs Ausland: Andere Staaten, denen unser System der Berufslehre gänzlich fremd ist, hätten mehr Maturanden als wir. Dass es dort auch viel mehr arbeitslose Studierte gibt, wird ausgeblendet. Es diktiert oberflächliche Statistik. Gefährdet wird damit unsere weltweit anerkannte Oberstufen-Ausbildung, die unterschiedlich Begabten bis heute je unterschiedliche, aber auch je exzellente Bildungswege angeboten hat. Ist Nivellierung der Bildungswege das, was jungen Schweizerinnen und Schweizern zu besserer Bildung verhilft?  [2]

 

Im Prinzip sollte nichts mehr überraschen, wird doch das Stammeldeutsch in der Sprachwissenschaft weiterhin als neuer Dialekt gefeiert. Wie Thomas Paulwitz darlegt, soll nun eine breite Öffentlichkeit vom Wert dieser reduzierten Sprechweise überzeugt werden. Dazu soll offenbar das von der Sprachwissenschaftlerin Heike Wiese aufgelegte Buch Kiezdeutsch: Ein neuer Dialekt entsteht beitragen. In manchen, von einem hohen Ausländeranteil geprägten Grossstadtvierteln hat sich in der ungebildeten Unterschicht eine Pidginsprache entwickelt, die sich durch einen verringerten Wortschatz und eine verarmte Grammatik auszeichnet, also etwa nach dem Muster »Ich Erkan – du Mandy«. Ein solches Stammeldeutsch beschönigt Wiese als Kiezdeutsch; Sätze wie »Danach ich geh’ Schule«, »Machstu rote Ampel« oder »Isch mach dich Krankenhaus« seien kein Fehler, sondern eine neue Sprechweise.

 

Die Bundesregierung fördert Kiezdeutsch  

Wie den Ausführungen von Paulwitz weiter zu entnehmen ist, unterstützt das Bundesministerium für Bildung und Forschung Wieses Arbeit. »Offenbar ist es das Ziel, Einwanderern, die an der hochdeutschen Sprache scheitern, dennoch Identität und Selbstbewußtsein zu geben. Statt diese Sprachverlierer an das Hochdeutsche heranzuführen, wählt man den faulen Weg, schlechtes Deutsch einfach zu einer eigenen Sprache zu erheben. Wiese behauptet: Kiezdeutsch ist kein falsches Deutsch, sondern als besonderer Dialekt mit nachvollziehbaren Regeln eine Bereicherung. Es sei ein Dialekt »wie Schwäbisch oder Bayerisch«.

 

Gemäss dieser Logik ist Stammeldeutsch sogar genauso gut wie Hochdeutsch. Wiese ist Sprecherin des Zentrums Sprache, Variation und Migration. Dies ist eine Gruppe von Potsdamer Sprachwissenschaftlern, die leugnen, dass es das Problem doppelter Halbsprachigkeit gibt. In einer Stellungnahme dieses Zentrums heisst es: Das Standarddeutsche (das sogenannte Hochdeutsch) ist ..… nur eine von vielen Varianten des Deutschen. Es besitzt zwar ein besonderes soziales Prestige, ist jedoch nicht grammatisch besserals andere Varianten. Die Sprachwissenschaftler fragen sich jedoch nicht, warum das Stammeldeutsch ein solch niedriges soziales Prestige hat. Darüber nachzudenken könnte sich lohnen! 

 

Die Kreolisierung schafft Verlierer

Die sprachpolitische Gefahr dieser staatlich geförderten Sichtweise ist beträchtlich. Aus einer Pidginsprache kann nämlich eine Kreolsprache erwachsen, in der sich Aussprache, Wortschatz und Grammatik mehrerer Sprachen miteinander vermischen. So bildet sich im Laufe der Zeit tatsächlich eine neue Sprache. Der Traum von der Mehrsprachigkeit wird somit zum sprachpolitischen Albtraum. Die Förderung der Kreolisierung verbaut den Sprachverlierern den Weg zur Bildung und zur Eingliederung ins deutsche Volk. Die sozialen Verlierer bleiben unter sich und bilden eine eigene Welt mit einer eigenen, undifferenzierten Sprache. Dass es mittlerweile Jugendliche gibt, die sowohl Stammeldeutsch als auch Hochdeutsch sprechen, wertet Wiese als Beweis dafür, dass es sich um zwei verschiedene Sprachen handelt. Man kann dies aber auch andersherum sehen: Immer öfters sehen sich Jugendliche, die des Standarddeutschen mächtig sind, gezwungen, im Gespräch mit Gleichaltrigen in deren reduzierte Sprache zu wechseln, um sich noch verständlich machen zu können, da immer mehr Grossstadtjugendliche nicht mehr in der Lage sind, differenziert gesprochenes Deutsch zu verstehen. Wer Kritik übt, macht sich übrigens höchst verdächtig. In einem Agenturbericht lesen wir: »Immer, wenn über ihr Thema etwas in den Medien erscheint, häufen sich Beschimpfungen von Kritikern, die die Reinheit der Sprache gefährdet sehen. Einmal habe jemand gar gedroht, ihre beiden kleinen Töchter zu vergewaltigen, erzählt Wiese und wirkt dabei erschreckenderweise fast schon so, als sei das bereits Routine. « Sprachschützer werden also auf eine Stufe mit Kinderschändern gestellt. Das macht nun wirklich sprachlos.  [3]

 

Anmerkung politonline d.a.: Bei der konstanten politischen Verlogenheit, mit der wir uns auch sonst auf zahlreichen Ebenen konfrontiert werden, und dies nur zu oft im Verbund mit einem ausgeprägten brainwashing, steht zu vermuten, dass für den Niedergang auf jedem level von oben grünes Licht gegeben wird, sonst könnten Behauptungen dieser Art schon gar nicht in Druck gehen.

 

 

[1]  Quelle:

http://www.bildungskompass.ch/bildungskompass/-archiv-2012/schulleitungen-buerokratie-aufblaehung.php  6. 3. 12  Von Ulrich Schlüer

[2]  Quelle:

http://www.bildungskompass.ch/bildungskompass/-archiv-2012/gymnasien-nach-jekami-system.php   20. 3. 12  Von Ulrich Schlüer

[3]  Quelle: 

http://www.jungefreiheit.de/Single-News-Display-mit-Komm.154+M5235681c3d4.0.html?PHPSESSID=b146d9281d14d9d2b280bc5168ec5640

28. 1. 12   »Ich Erkan – du Mandy«  -  Von Thomas Paulwitz

Paulwitz ist Historiker und Sprachpfleger, studierte Biologie, Politik und Geschichte in Erlangen und ist Gründer und Chefredakteur der Zeitschrift Deutsche Sprachwelt. 2006 erhielt er den Gerhard-Löwenthal-Preis für Journalismus.