Die Destabilisierung Syriens - gezielt 10.06.2012 21:57
d.a. Wie letzten Meldungen zu entnehmen war, beabsichtigt BRD-Wirtschaftsminister Rösler die Wirtschaftsbeziehungen zu Saudi-Arabien
langfristig
auf eine breite Grundlage stellen; er möchte eine Partnerschaft auf gleicher
Augenhöhe, was immer er darunter versteht, denn Saudi-Arabien lässt bei sich weder Parteien noch Gewerkschaften zu,
geschweige denn ein Parlament, und hat die Einführung des Wahlrechts für Frauen
gerade um weitere fünf Jahre hinausgeschoben. Indessen deutet alles darauf hin,
dass die westlichen Verbündeten der
Saudis auch das grosszügig übersehen, die 70 Vertreter deutscher Firmen, die
Rösler bei seinem zweitätigen Besuch in Riad am 6. und 7. Juni begleiteten, eingeschlossen.
Bekannt ist, dass das autoritär regierte islamische Königreich die Anschaffung von 200 oder mehr deutschen Leopard-Panzern in
Erwägung zieht, eine in der BRD umstrittene Lieferung. Hierzu vertritt
allerdings der CDU-Politiker Pfeiffer eine einmalige Sicht: Saudi-Arabien habe sich seit Jahrzehnten als absolut verlässlicher,
stabilisierender Faktor in der Region erwiesen, erklärte er am 7. Juni. [1] Man wüsste
nun gerne, ob Pfeiffer etwa den Fakt, dass auf dem Höhepunkt
des Irakkriegs 200 Flugzeuge und etwa 10 000 US-Militärangehörige von Saudi-Arabien aus zum Einsatz kamen [2], als stabilisierend betrachtet, oder etwa
die Festnahme sogenannter Terroristen; schon Mitte 2009 berichtete Amnesty
International, dass in Saudi-Arabien mehr als 3.100 ›Terrorverdächtige‹ in Geheimgefängnissen gefangengehalten würden und bei den
Verhören Foltermethoden wie schwere Schläge, Elektroschocks und Schlafentzug
eingesetzt würden. So kritisierte ›ai‹ die westlichen Staaten auch
wegen ihres Schweigens angesichts der Verstösse in diesem Land. »Während christliche Würdenträger in Syrien und im Libanon die
Unterstützung des Westens für die islamistischen Rebellen in Syrien verurteilen«, schreibt Strategic Alert
in seiner Ausgabe Nr. 12 vom 21. März dieses Jahres, »schürt der engste
Verbündete der USA und Europas, Saudi-Arabien, durch pseudo-religiöse Aufrufe
von Salafisten-Wahhabiten einen Religionskrieg. Der saudische Grossmufti,
Scheich Abdul-Asis Al-Ascheich, sagte bei einem Treffen mit kuwaitischen
Studenten am 12. 3. 12, dass ›auf der Arabischen Halbinsel
alle Kirchen zerstört werden sollten‹, und forderte seine Anhänger auf, den
Rebellen in Syrien für ihren Dschihad Geld und Unterstützung zu schicken. Die
Saudis, die in ihrem Land Minderheiten unterdrücken und jeden Widerstand gegen
die diktatorische Saud-Herrschaft ersticken sowie Bahrain besetzt haben, um den
dortigen Monarchen gegen eine politische Reformbewegung zu stützen, sind bei
dem Regimewechselplan für Syrien die aktivsten Verbündeten der
Anglo-Amerikaner.«
Auf welche
Art und Weise sich diese ›Stabilisierung‹ vollzieht, ist dem nachfolgenden
Bericht von Thierry Meyssan von ›Réseau
Voltaire‹ - ›Die Konterrevolution im Nahen
Osten‹ - zu entnehmen. Ein saudischer Clan, die Sudairi, schreibt Meyssan, steht im Zentrum
der konterrevolutionären Welle im Nahen Osten, welche die Vereinigten Staaten
und Israel lanciert haben. Meyssan zeichnet aus Damaskus ein allgemeines Bild
der Widersprüche, welche die Region in Unruhe versetzt haben.
Innerhalb
von Monaten fielen in der arabischen Welt drei Regierungen: Im Libanon stürzte das
Parlament die Regierung von Saad Hariri, während die Volksbewegungen in
Tunesien Zine el-Abbidnie Ben Ali vertrieben und danach in Ägypten Hosni
Mubarak festnahmen. Mit diesen Regimeänderungen gingen Demonstrationen gegen
die Vorherrschaft der USA und des Zionismus einher. Politisch profitierten sie
von der Achse des Widerstands, die auf der staatlichen Ebene durch den Iran und
Syrien, auf der nichtstaatlichen Ebene durch die Hizbollah und die Hamas
repräsentiert werden. Um die Konterrevolutionen in dieser Region zu führen,
haben Washington und Tel-Aviv ihre beste Unterstützung angerufen: den
Clan der Sudairi, der wie niemand anderer den Despotismus im Dienst des
Imperialismus verkörpert.
Die Sudairi Vielleicht
haben Sie noch nie von ihnen gehört, dennoch stellen die Sudairi seit mehreren
Jahrzehnten die reichste politische Organisation der Welt dar. Sie sind jene 7
der 53 Söhne von König Ibn Saud, dem Gründer Saudi-Arabiens, die von Prinzessin
Sudairi geboren wurden. Ihr Anführer war König Fahd, der von 1982 bis 2005
herrschte. Seit seinem Tod sind es nur noch 6. Der älteste, Prinz Sultan, seit
1985 Verteidigungsminister, ist 85 Jahre alt. Der jüngste, Prinz Ahmed,
stellvertretender Innenminister seit 1975, ist 71jährig. Seit den 60er Jahren
ist es dieser Clan, der die prowestlichen
Marionettenregimes im ›Greater
Middle East‹ organisiert,
strukturiert und finanziert.
An dieser
Stelle ist ein Rückblick unerlässlich. Saudi-Arabien wurde während des Ersten
Weltkriegs von den Briten als juristische Person geschaffen, um das Osmanische
Reich zu schwächen. Obwohl Lawrence von Arabien das Konzept der ›Arabischen Nation‹ erfunden hatte, gelang es ihm nie, aus diesem neuen Land eine
Nation, geschweige denn einen Staat zu machen. Saudi-Arabien war und ist noch
immer Privateigentum der Familie Al-Saud. Wie die britische Untersuchung des
Al-Yamameh-Skandals [3] gezeigt hat, existieren auch im 21. Jahrhundert noch
keine Bankkonten und kein Budget des Königreichs; es sind die Konten der königlichen
Familie, aus denen die Verwaltungskosten des Königreichs gedeckt werden. Als
Grossbritannien am Ende des Zweiten Weltkriegs die Mittel für seinen
Imperialismus ausgingen, kam das Territorium unter US-Oberhoheit. Präsident
Franklin D. Roosevelt schloss ein Abkommen mit König Ibn Saud: Die Familie der
Saud garantierte die Öl-Versorgung der USA, während diese im Gegenzug die für
den Machterhalt des Hauses Saud notwendige Militärhilfe garantierte. Diese
Allianz ist unter dem Namen ›Vereinbarung
von Quincy‹ bekannt, da sie an Bord
eines Schiffes mit diesem Namen ausgehandelt wurde. Es dreht sich hier um eine
Vereinbarung, und nicht um einen Vertrag, denn sie bindet nicht zwei Staaten,
sondern einen Staat und eine Familie. Da der Gründungskönig, Ibn Saud, 32
Ehefrauen und 53 Söhne hatte, dauerte es nicht lange, bis ernste Rivalitäten
unter den potentiellen Nachfolgern auftraten. So beschloss man, die Krone nicht
vom Vater auf den Sohn, sondern von Halbbruder zu Halbbruder zu übertragen.
Fünf Söhne von Ibn Saud haben den Thron bereits bestiegen. Der am 1. August
1924 geborene jetzige König Abdullah I. ist ein eher aufgeschlossener Mann,
wenn auch ohne Kontakt zur heutigen
Realität. Da er sich bewusst ist, dass das gegenwärtige dynastische System
seinem Ruin entgegengeht, möchte er die Nachfolgeregelung reformieren. Der
Souverän würde dann durch den Rat des Königreichs ernannt, das heisst durch
Vertreter aus verschiedenen Zweigen der Königsfamilie, und könnte aus einer
jüngeren Generation kommen. Diese weise Idee passt allerdings den Sudairi
nicht. Angesichts verschiedener Verzichtserklärungen auf den Thron - aus gesundheitlichen Gründen oder wegen
Genusssucht - gehören die drei nächsten
Thronbewerber tatsächlich ihrem Clan an: der bereits erwähnte Verteidigungsminister
Prinz Sultan, 85 Jahre alt; Prinz Nayef, Innenminister, 78 Jahre alt, und Prinz
Salman, Gouverneur von Riad, 75 Jahre alt. Sollte die neue Regelung angewendet
werden, wäre sie zum Nachteil der Dynastie. Man kann nachvollziehen, dass die
Sudairi, die sich nie viel aus ihrem Halbbruder, König Abdullah, gemacht haben,
ihn nunmehr hassen und beschlossen haben, all ihre Kräfte in den gegenwärtigen
Kampf zu werfen.
Die Rückkehr von ›Bandar Bush‹ Ende der
70er Jahre wurde der Sudairi-Clan von Prinz Fahd angeführt. Er erkannte die
seltenen Qualitäten eines Kindes seines Bruders Sultan: Prinz Bandar. Diesen sandte
er ihn nach Washington, um Rüstungsverträge auszuhandeln, und schätzte die Art,
wie er die Einwilligung von Präsident Carter erwarb. Als Fahd 1982 den Thron
bestieg, machte er Prinz Bandar zu seinem Vertrauten. Er wurde zum
Militärattaché ernannt, dann zum Botschafter in Washington, ein Posten, den er
während der ganzen Herrschaft beibehielt – bis zu seiner knallharten Entlassung
durch König Abdullah im Jahre 2005. Prinz Bandar, Sohn von Prinz Sultan und
einer libyschen Sklavin, eine ebenso brillante wie skrupellose Persönlichkeit,
hat es verstanden, sich trotz des Makels seiner mütterlichen Herkunft in der
Königsfamilie zu behaupten und ist heute der aktive Arm des gerontokratischen
Sudairi-Clans. Während seines langen
Aufenthalts in Washington hat sich Prinz Bandar freundschaftlich mit der
Familie Bush verbunden, vor allem mit George Herbert Walker Bush, mit dem er
unzertrennlich war, wofür er sich den Spitznamen ›Mr. Bandar Bush‹ einhandelte. Was George H. W. Bush, ehemaliger
Direkter der CIA, dann US-Präsident, an Bandar besonders schätzte, war seine
Vorliebe für Geheimaktionen. ›Mr.
Bandar Bush‹ integrierte sich in die
High-Society der USA. Er ist sowohl Kurator auf Lebenszeit des Aspen Institute
als auch Mitglied von Bohemian Grove. Die britische Öffentlichkeit entdeckte
seine Existenz anlässlich des Al-Yamamah-Skandals: Das grösste Rüstungsabkommen
ist zugleich die wichtigste Korruptionsaffaire. Während zwanzig Jahren (1985–2006)
hat British Aerospace, 1999 in BAE Systems umbenannt, für 80 Milliarden $ Rüstungsgüter
an Saudi-Arabien verkauft und liess dabei einen Teil dieses Geldsegens ganz
diskret auf die Bankkonten saudischer und möglicherweise auch britischer
Politiker zurückfliessen; 2 Milliarden gingen allein an Prinz Bandar. Dies,
weil Seine Hoheit eine Menge Ausgaben hat. Prinz Bandar hat viele arabische
Kämpfer, die während des kalten Krieges von den saudischen Geheimdiensten ausgehoben
wurden, um die Rote Armee in Afghanistan zu bekämpfen, auf Ersuchen der CIA und
des MI6 auf sein Konto übernommen. Natürlich war die in diesem Milieu
bekannteste Figur niemand anderer als der antikommunistische Milliardär, der
zum Guru der Dschihadisten wurde: Osama bin Laden. [4]
Es ist
unmöglich, genau zu sagen, über wie viele Männer Prinz Bandar verfügt. Im Laufe
der Zeit konnte man seine Beteiligung an verschiedenen Konflikten und terroristischen
Akten in der ganzen muslimischen Welt beobachten, von Marokko nach
Xinjiang in China. Exemplarisch erinnere man sich an die kleine Armee, die er
unter dem Namen ›Fatah al-Islam‹ in das palästinensische Lager ›Nahr el Bared‹ im Libanon eingeschleust hatte. Die Mission dieser Kämpfer war
es, die palästinensischen Flüchtlinge, mehrheitlich Sunniten, dazu
aufzuwiegeln, ein unabhängiges Emirat auszurufen und die schiitische Hizbollah
zu bekämpfen. Die Affäre wandte sich zum Schlechten, als die Gehälter der
Söldner nicht rechtzeitig ausbezahlt wurden. Schliesslich verschanzten sich
Prinz Bandars Leute 2007 in dem Lager: 30 000 Palästinenser waren gezwungen zu
fliehen, während die libanesische Armee einen zweimonatigen Kampf führte, um
die Kontrolle über das Lager zurückzugewinnen. Diese Operation kostete 50 Söldnern,
32 palästinensischen Zivilisten und 68 libanesischen Soldaten das Leben. Anfang
2010 zettelte Bandar einen Coup an, um König Abdullah zu stürzen und seinen
Vater Sultan auf den Thron zu heben. Das Komplott wurde entdeckt, Bandar fiel
in Ungnade, allerdings ohne seine offiziellen Titel zu verlieren. Ende 2010
aber verschlechterte sich der Gesundheitszustand des Königs und die Sudairi
gewannen wieder die Oberhand. Nach einem etwas vorschnellen Schluss, dass der
in Washington hospitalisierte König im Sterben liege, schloss sich der
libanesische Premierminister Saad Hariri den Sudairi an. Dieser, ein 1970 als
zweiter Sohn des 2005 ermordeten Rafiq Hariri in Riad geborene Saudi, besitzt
die doppelte Staatsangehörigkeit und wurde auf dringendes Verlangen von König
Abdullah Premierminister [vom 9. 11. 2009 bis 12. 1. 2011], obwohl sich das US-Aussenministerium
gefragt hatte, ob er fähig sei, diese Position zu bekleiden. Während der Zeit,
in der er König Abdullah gehorchte, begann sich Saad Hariri mit Präsident
Bashar al-Assad zu versöhnen. Er zog die Anschuldigungen, die er diesem
gegenüber bezüglich der Ermordung seines Vaters geäussert hatte, zurück und
bedauerte, manipuliert worden zu sein, um zwischen dem Libanon und Syrien künstlich
Spannungen zu schaffen. Mit seiner Unterstützung der Sudairi machte Saad Hariri
eine politische Kehrtwende. Von einem Tag auf den anderen sagte er sich von der
Appeasement-Politik König Abdullahs gegenüber Syrien und der Hizbollah los und setzte
eine Offensive gegen das Regime von Bashar al-Assad, für die
Entwaffnung der Hizbollah und für einen Kompromiss mit Israel in Gang. Indessen
erwachte Abdullah aus seinem semikomatösen Zustand und verlangte ohne langes
Zögern Rechenschaft. Nach Entzug der unentbehrlichen Unterstützung des
saudischen Königs wurden Saad Hariri und seine Regierung durch das libanesische
Parlament zugunsten eines weniger abenteuerlichen Milliardärs und
Doppelbürgers, Najib Mikati, gestürzt. Als Strafe leitete Abdullah eine
Steueruntersuchung gegen die wichtigste saudische Gesellschaft der Hariri ein
und liess mehrere seiner Mitarbeiter wegen Betrugs verhaften.
Die Legionen der
Sudairi Der Clan
beschloss nunmehr, die Konterrevolution in alle Richtungen in Gang zu
setzen. Ägypten, wo sie einerseits Hosni Mubarak und andererseits die Muslimbruderschaft
finanzierten, zwangen sie in der Folge eine Allianz zwischen der Bruderschaft
und den pro-USA orientierten Offizieren auf; diese neue Koalition teilte die
Macht unter sich auf und schloss dabei die Führer der Revolution des
Tahrir-Platzes aus. Sie verweigerte die Einberufung einer verfassungsgebenden
Versammlung und begnügte sich mit marginalen Ergänzungen der Verfassung. Als
erstes erklärten sie den Islam zur Staatsreligion, dies auf Kosten der
koptisch-christlichen Minderheit (etwa 10 %), die von Mubarak unterdrückt
worden war und sich massenhaft gegen ihn mobilisiert hatte. Darüber hinaus rief
Dr. Mahmoud Izat, die Nummer zwei der Bruderschaft, zur raschen Einführung der
Scharia und der Wiederherstellung islamistischer Bestrafung auf. Dem jungen
Waël Ghoneim, der beim Sturz des ägyptischen Tyrannen eine Hauptrolle gespielt
hatte, verbot man das Podium seit den Manifestationen des Sieges am 18.
Februar, zu denen sich nahezu 2 Millionen Menschen versammelten. Im Gegensatz
dazu konnte sich der Starprediger der Bruderschaft, Youssef al-Qardawi, nach 30
Jahren Exil in Katar, ausführlich zu Wort melden. Er, dem Gamal Abdel Nasser
die Staatsbürgerschaft aberkannt hatte, spielte sich als Inkarnation der neuen
Ära auf: jener der Scharia und der friedlichen Koexistenz mit dem zionistischen
Regime von Tel Aviv. Der Träger des Friedensnobelpreises, Mohammed el-Baradei, den
die Muslimbruderschaft während der Revolution zum Sprecher gewählt hatte, um
sich ein liberaleres Image zu geben, wurde anlässlich des
Verfassungsreferendums von derselben Bruderschaft körperlich angegriffen und
verdrängt. Ihren Einzug in die politische Szene kündigte die Muslimbruderschaft
mit der Gründung einer neuen politischen Partei, ›Freiheit und Gerechtigkeit‹,
an: dies mit Unterstützung des ›National
Endowment for Democracy‹ (NED der
USA) und dem Vorbild der türkischen AKP. [Die gleiche Strategie wurde in
Tunesien mit der Renaissance-Partei gewählt] In diesem Zusammenhang wurden
gewalttätige Angriffe auf religiöse Minderheiten verübt. So wurden zwei
koptische Kirchen niedergebrannt. Weit davon entfernt, die Aggressoren zu
bestrafen, gab ihnen der Premierminister ein Pfand: Er enthob den gerade von ihm
ernannten Gouverneur der Provinz Qenna, den geachteten General Imad Mikahel,
seiner Ämter, weil dieser nicht sunnitischer Muslim, sondern koptischer Christ ist.
In Libyen verlegten die Sudairi bewaffnete Kämpfer in die Region Cyrenaika,
noch bevor das französisch-britische Signal zum Aufstand gegen die Macht in Tripolis
erfolgte. Sie waren es, welche die Waffen und die rot-schwarz-grünen Fahnen mit
Stern und Mondsichel, verteilten: Symbole der Senoussi-Monarchie, der
historischen Beschützerin der Muslimbruderschaft. Ihr Ziel war, dem Störenfried
Gaddafi ein Ende zu setzen und Prinz Mohammed wieder auf den Thron dessen zu
setzen, was einst das Vereinigte Königreich Libyen gewesen war.
Es war der
Golf-Kooperationsrat, der als erstes eine bewaffnete Intervention gegen die Regierung in
Tripolis forderte; und innerhalb dieses Rats ist es die saudische Delegation, die
die diplomatischen Manöver so steuerte, dass die arabische Liga den Angriff
durch die westlichen Armeen guthiess. Oberst Gaddafi seinerseits hatte in
mehreren Reden versichert, es habe keine Revolution in der Cyrenaika gegeben, sein Land müsse aber einer Destabilisierungsoperation
von Al?Kaida die Stirn bieten; Äusserungen, die - zu Unrecht belächelt - jedoch vom Kommandanten des US-Africom,
General Carter F. Ham, persönlich bestätigt wurden: Man erinnere sich an das
Unbehagen Hams, des Kommandanten der ersten US-Militäroperation, bevor diese
von der NATO übernommen wurde. Er wunderte sich darüber, dass er sich bei der
Wahl seiner Ziele am Boden auf Spione, die dafür bekannt waren, die
Streitkräfte der Alliierten in Afghanistan bekämpft zu haben - im Klartext: auf die Männer bin Ladens - abstützen sollte.
Was Bahrain
betrifft, so präsentiert es sich seit 1971 als unabhängiges Königreich. In
Wirklichkeit handelt es sich noch immer um ein von den Briten regiertes
Territorium. Während ihrer Herrschaft wählten sie Prinz Salman bin Hamad Al
Khalifa als Premierminister und haben diesen während 40 Jahren ohne Unterbruch
auf diesem Posten gehalten, auch nach der Fiktion der Unabhängigkeit. Eine
Kontinuität, die bei den Sudairis kein Missfallen erregt. [Bahrain gehört, wie
Jordanien, Kuwait und Marokko, zu den NATO-Verbündeten.] König Hamad al Kalifa
hat der USA eine wichtige Konzession erteilt: die Installation des
Marine-Hauptquartiers des ›Central
Command‹ und der V. Flotte im Hafen
von Juffair. Unter diesen Umständen wäre die Forderung des Volkes nach einer konstitutionellen
Monarchie gleichbedeutend mit dem Erlangen einer echten Unabhängigkeit, dem
Ende der britischen Herrschaft und dem Abzug der US-Truppen. Eine solche
Entwicklung würde mit Sicherheit auf Saudi-Arabien übergreifen und die Fundamente
des Systems bedrohen. So haben die Sudairi den König von Bahrain davon überzeugt,
alle Hoffnungen der Bevölkerung blutig niederzuschlagen. Am 13. März 2011 traf
US-Verteidigungsminister Robert Gates in Bahrains Hauptstadt Manama ein, um die
Koordination der Operationen einzuleiten, die am Tag zuvor mit dem Einmarsch saudischer
Spezialtruppen - als ›Nayefs Adler‹ bekannt – unter dem Kommando des Prinzen Nayef ihren Anfang
genommen hatten. In wenigen Tagen waren alle Symbole des Protestes zerstört,
auch das öffentliche Denkmal, das einst auf dem Platz der Perle errichtet worden
war. Die Folge: Hunderte von als tot oder vermisst gemeldeter Menschen. Die
Folter, die seit einem Jahrzehnt nahezu aufgegeben war, wurde erneut
angewendet. Die Krankenpfleger und Ärzte, die verletzte Manifestanten pflegten,
wurden in ihren Spitälern festgenommen, in Isolationshaft gebracht und vor
Militärtribunale gestellt. Das Wichtigste an dieser schrecklichen Repression
ist allerdings der Wille, einen Klassenkampf – bei dem sich eine ganze Bevölkerung
gegen eine privilegierte Klasse, die sich einem ausländischen Imperialismus
verkauft hat, zur Wehr setzt – in eine religiöse Auseinandersetzung zu
transformieren. Da die Mehrheit der Bahrainer Schiiten sind, während
die herrschende Familie sunnitisch ist, ist es das Schiitentum, Träger des
revolutionären Ideals von Ruhollah Khomeini, das ins Visier genommen wurde. In
einem Monat macht den ›Nayefs Adler‹ 25 schiitische Moscheen dem Erdboden gleich
und beschädigten 253 weitere. Für die Verurteilung der 21 wichtigsten Anführer
des politischen Protests - was die
Todesstrafe beinhalten kann - war ein Ausnahmegericht vorgesehen. Noch mehr als
auf die Schiiten geht die Monarchie allerdings auf den sunnitischen Ibrahim
Chérif los, den Präsidenten der Waed Partei (links-laizistisch), dem sie
vorwirft, das konfessionelle Spiel nicht mitzuspielen.
Die Destabilisierung
Syriens Da sie den
Iran nicht destabilisieren können, haben die Sudairi ihre Attacken auf Syrien konzentriert.
Anfang Februar 2011, als das Land noch keine Kundgebung erlebt hatte, wurde auf
Facebook eine Seite mit dem Titel ›The
Syrian Revolution 2011‹ kreiert. Sie
rief für Freitag, den 4. Februar, zu einem ›Tag
des Zorns‹ auf; der Aufruf wurde von
Al-Jazira übertragen, stiess aber nirgendwo auf ein Echo. Der katarische Kanal
bedauerte das Ausbleiben einer Reaktion und brandmarkte Syrien als ›Königreich des Schweigens‹ [sic!]. Am Tag ihrer Neuschöpfung
registrierte die Seite auf Facebook mehr als 80 000 Freunde. Eine solche
Begeisterung innerhalb weniger Stunden, die jedoch keine Folgen zeitigte, lässt
an eine Manipulation denken, die mit Computer-Software zur [automatischen]
Erzeugung von Benutzerkonten realisiert wurde. Dies umso mehr, als die Syrer
das Internet mässig nutzen und erst seit dem 1. Januar Zugang zu ADSL haben.
Die Unruhen begannen einen Monat später in Deraa, einem ländlichen Städtchen an
der jordanischen Grenze, wenige Kilometer von Israel entfernt. Unbekannte hatten
Halbwüchsige dafür bezahlt, regierungsfeindliche Graffiti auf die Mauern der
Stadt zu sprayen. Die Polizei nahm die Gymnasiasten fest und behandelte sie zum
grossen Missfallen ihrer Familien wie Kriminelle. Die lokale Oberschicht, die
anbot, die Streitsache zu regeln, wurde vom Gouverneur als unehrenhaft
abgewiesen und die jungen Leute verdroschen. Die wütenden Familien griffen die
Polizeistation an, um letztere zu befreien, woraufhin die Polizei mit noch
grösserer Brutalität reagierte und Protestierende tötete. Präsident Bashar
al-Assad griff dann ein, um die Polizisten und den Gouverneur zu bestrafen –
letzterer ist niemand anderer als einer seiner Cousins, den er auf den Posten
nach Deraa berufen hat, weitab von der Hauptstadt, um ihn zu vergessen. Es
wurde eine Untersuchung eingeleitet, um das polizeiliche Fehlverhalten
aufzuklären. Die für die Gewalttaten verantwortlichen Beamten wurden angeklagt
und unter Kaution gestellt. Minister machten sich auf den Weg, um den Familien
der Opfer die Entschuldigungen und das Beileid der Regierung zu überbringen;
Entschuldigungen und Beileidsbezeugungen, die öffentlich akzeptiert wurden. Alles
hätte zur Normalität zurückkehren sollen, als plötzlich vermummte
Scharfschützen, die auf Dächern postiert waren, gleichzeitig in die Menge und
auf die Polizisten schossen und die Stadt ins Chaos stürzten. Die Verwirrung
nutzend, begaben sich bewaffnete Individuen ausserhalb der Stadt, um ein
staatliches Gebäude anzugreifen, das die Geheimdienste, die mit der Beobachtung
des von Israel besetzten syrischen Territoriums auf dem Golan beauftragt sind,
beherbergt. Die Sicherheitsdienste
eröffneten das Feuer, um Gebäude und Archive zu verteidigen, wobei es auf
beiden Seiten Tote gab. Diese Art der Konfrontation wiederholte sich, so dass
die führenden Schichten angesichts der Angreifer, welche die Stadt umzingelten,
den Schutz der Armee verlangten, wozu 3000 Mann und Panzer aufgeboten wurden.
Schliesslich wurden die in die syrische Armee eingeschleusten Kämpfer in einer
Schlacht gestellt, in einer Art Neuauflage der Belagerung von Nahr el-Bared
durch die libanesische Armee. Nur dass die internationale Presse dieses Mal die
Fakten entstellte und die syrische Armee bezichtigte, die Bevölkerung von Deraa
anzugreifen.
Was die
gleichzeitig in Lattaquié ausgebrochenen Zusammenstösse betrifft, so wird dieser
Hafen seit langem von Mafiaorganisationen beherrscht, die sich auf den Schmuggel
auf dem Seeweg spezialisiert haben-. Letztere erhielten Waffen und Geld
libanesischer Herkunft und verwüsteten das Stadtzentrum. Die Polizei, die intervenierte,
war auf Order von Assad nur mit Schlagstöcken bewaffnet, was dazu führte, dass
die Mafia Kriegswaffen einsetzte und unbewaffnete Polizisten tötete. Das
gleiche Szenarium wiederholte sich im Nachbarort Banias, einer weniger
bedeutenden Stadt, die aber von umso grösserer strategischer Bedeutung ist, da
sich dort die wichtigste Ölraffinerie des Landes befindet. Diesmal machten die
Ordnungskräfte von ihren Waffen Gebrauch, so dass die Auseinandersetzung zur
offenen Feldschlacht wurde. In der Folge nahmen Individuen in Homs an einem
Gebet in einer fundamentalistischen Moschee teil und riefen die Gläubigen zur
Protestkundgebung ›gegen das Regime,
das unsere Brüder von Lattaquié tötet‹,
auf. Die Reaktion war, dass die syrische Bevölkerung in Massen auf die Strasse
ging, um ihre Unterstützung für die Republik zu bekräftigen. Gigantische
Demonstrationen, wie sie das Land in seiner Geschichte noch nie erlebt hatte, führten
in Damaskus, Aleppo und Lattaquié jedesmal Hunderttausende von Menschen unter
dem Ruf ›Gott, Syrien, Bashar!‹ zusammen. Während die Zusammenstösse
in den betroffenen Orten härter wurden, schafften es die Ordnungskräfte, den
Kämpfern Einhalt zu gebieten. Ihren am Fernsehen übertragenen Aussagen zufolge
wurden letztere von dem libanesischen Parlamentsmitglied und Hariri?Anhänger Jamal Jarrah rekrutiert, bewaffnet und bezahlt,
was dieser dementierte. Jamal Jarrah ist ein Freund von Prinz Bandar. Sein Name
wurde auch in der Affäre von Fatah al-Islam in Nahr el-Bared genannt. Er ist
der Cousin von Ziad Jarrah, einem Dschihadisten, der vom FBI für die Entführung
der Maschine des Fluges UA93 verantwortlich gemacht wird, die am 11. September
2001 in Pennsylvania zerschellt war. Jarrah ist ausserdem der Cousin der
Gebrüder Ali und Youssouf Jarrah, die 2008 von der libanesischen Armee wegen
Spionage zugunsten Israels verhaftet wurden. Jamal Jarrah soll ferner ein
Geheimmitglied der Muslimbruderschaft sein, was er ebenfalls dementiert. 1982 hatte
die Bruderschaft versucht, die Macht in Syrien zu übernehmen, erlitt jedoch
eine Niederlage und wurde damals Opfer einer entsetzlichen Massenrepression. Diese
schmerzlichen Erinnerungen glaubte man seit der von Bashar el-Assad
proklamierten Amnestie vergessen. Dem ist nicht so: dieser Arm der Bruderschaft
wird seither von den Sudairi, die sie einstmals exkommuniziert hatten, finanziert.
Die Rolle der Bruderschaft bei den Zusammenstössen von Banias wird heute jedoch
von allen anerkannt. Jamal Jarrah soll auch militante Libanesen des Hizb ut
Tahrir, eine islamistische Organisation mit Sitz in London, benützt haben; diese
ist vor allem in Zentralasien aktiv. Diese Partei, die sich als gewaltlos
deklariert, wird beschuldigt, zahlreiche Attentate im Fergana-Tal organisiert
zu haben. Um sie zu bekämpfen, hat China im Rahmen des Shanghai-Kooperationsrats
seine Annäherung insbesondere an Russland in die Wege geleitet. Trotz mehrerer
Debatten im Unterhaus wurden die Londoner Verantwortlichen der Gruppe nie
behelligt; sie alle besetzen hohe Kaderpositionen in anglo-amerikanischen multinationalen
Konzernen. Die Hizb ut Tahrir [5] hat 2011 eine Sektion in Libanon eröffnet.
Bei dieser Gelegenheit wurde ein Kongress organisiert, zu dem ausländische
Persönlichkeiten, darunter auch ein russischen Intellektuelle von internationalem
Ruf, eingeladen wurden. Im Laufe der Debatten riefen die Organisatoren zur
Errichtung eines islamischen Staates auf, wobei sie klarstellten, dass für sie
die Schiiten und die libanesischen Drusen – und sogar gewisse Sunniten – keine
echten Muslime seien und wie die Christen vertrieben werden müssten. Bestürzt
ob solcher Äusserungen, beeilte sich der eingeladene Russe, Fernsehinterviews
zu geben, um sich von diesen Fanatikern zu distanzieren.
Die Lage kehrte
sich dann in der Folge schrittweise um. Präsident Bashar übernahm wieder die
Kontrolle, änderte die Regierung, hob den Ausnahmezustand auf und löste das
Gericht für Staatssicherheit auf. Er gewährte Tausenden von Kurden die syrische
Staatsbürgerschaft, die ihnen seit einer umstrittenen Volkszählung entzogen
worden war. Ausserdem traf er verschiedene weitere Massnahmen wie die
Abschaffung von Bussen bei Verzug der Zahlung an öffentliche Unternehmen. Damit
hatte er die grundsätzlichen Forderungen der Bevölkerung erfüllt und die Opposition
beruhigt. Anlässlich des ›Tages des
Trotzes‹, am Freitag, 6. Mai,
erreichte die Zahl der Manifestanten im Land keine 50 000 Personen, dies bei
einer Bevölkerung von 22 Millionen Einwohnern. Insbesondere der neue
Innenminister, Mohammad al-Sha’ar, rief jedermann, der sich in die Unruhen hineinziehen
liess, dazu auf, sich freiwillig bei der Polizei zu melden und als
Gegenleistung für Informationen von der vollständigen Amnestie zu profitieren.
Mehr als 1100 Personen antworteten. In wenigen darauf folgenden Tagen wurden die
hauptsächlichen Verbindungen zerschlagen und zahlreiche Waffenverstecke
konfisziert; nach fünf Wochen der Gewalt war in fast allen in Aufrührung
versetzten Städten langsam wieder Ruhe eingekehrt. Unter den identifizierten
und festgenommenen Anführern seien mehrere israelische oder libanesische
Offiziere gewesen, und einer sei ein Saad Hariri nahestehender libanesischer
Politiker gewesen. Dieser Destabilisierungsversuch sollte allerdings seine
Fortsetzung haben.
Ein offenes Komplott Was
ursprünglich ein Komplott zum Sturz des syrischen Regimes war, ist zu einer
öffentlichen Erpressung durch Destabilisierung geworden. Als sie feststellten,
dass die Revolte nicht in Gang kam, haben die antisyrischen arabischen
Tageszeitungen die laufenden Verhandlungen schamlos wiedergegeben. Sie
berichteten über Besuche von Unterhändlern, die nach Damaskus gekommen waren,
um die Forderungen der Sudairi zu präsentieren. Glaubt man diesen Zeitungen,
wird die Gewalt nicht aufhören, bevor sich Bashar al-Assad nicht zwei
Befehlen fügt: Mit dem Iran zu brechen und die Unterstützung des
Widerstands in Palästina, im Libanon und im Irak einzustellen.
Die internationale
Propaganda Die
Sudairi wünschen eine westliche Militärintervention, um den syrischen
Widerstand zu beenden, in der gleichen Art, wie sich die Aggression gegen
Libyen abspielte. Dazu haben sie Propagandaspezialisten mobilisiert. Zur
allgemeinen Überraschung hat der Satellitenfernsehkanal Al-Jazira seine
redaktionelle Linie brutal geändert. Die Spatzen pfeifen es von den Dächern,
dass dieser Sender durch die Brüder David und Jean Frydman geschaffen wurde,
französische Milliardäre, die Berater von Ytzakh Rabin und Ehud Barak waren.
Sie wollten ein Medium schaffen, das eine Debatte zwischen Israeli und Arabern
erlaubt, obwohl eine solche Debatte in jedem der betroffenen Länder gesetzlich
verboten war. Um den Kanal aufzubauen, ersuchten sie anfänglich den Emir von
Katar, die Rolle des Deckmantels zu spielen. Das Redaktionsteam ist innerhalb
der arabischen Abteilung der BBC rekrutiert worden, so dass die Mehrheit der
Journalisten von Anbeginn führende britische MI6-Agenten waren.
Der Emir übernahm allerdings die politische Kontrolle des Kanals, der zum
agierenden Zweig seiner Monarchie wurde. Während Jahren hat Al-Jazira tatsächlich
eine beruhigende Rolle gespielt, indem er den Dialog und die Verständigung in
der Region förderte. Al-Jazira, dessen Berichterstattung über die Revolutionen
in Tunesien und Ägypten ausserordentlich war, änderte seine redaktionelle Linie
mit der libyschen Angelegenheit abrupt, um zum Sprachrohr der Sudairi zu werden.
Dieser Gesinnungswandel ist eine Erklärung wert. Die Offensive gegen Libyen ist
ursprünglich ein im November 2010 und daher lange vor dem ›arabischen Frühling‹
konzipierter französisch-britischer Plan, an dem die USA beteiligt war. Paris und London beabsichtigen,
einige Punkte mit Tripolis zu regeln und ihre kolonialen Interessen zu verteidigen.
Tatsächlich hatte die nationale libysche Ölgesellschaft, die NOC, in den Jahren
2005 – 2006 drei internationale Ausschreibungen für die Erforschung und
Ausbeutung der Reserven – den bedeutendsten Afrikas – durchgeführt. Oberst
Gaddafi hatte seine Spielregeln durchgesetzt. Die westlichen Gesellschaften
hatten verschiedene Abkommen geschlossen, sicher profitabel, aber in ihren
Augen viel zu wenig. Es handelte sich um die unvorteilhaftesten
Verträge mit multinationalen Unternehmen weltweit. Dazu kamen
verschiedene Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit der Annullierung
lukrativer Verträge für Ausrüstung und Waffen. Von den ersten Tagen des
angeblichen Aufstands von Benghasi an setzten Paris und London einen nationalen
Übergangsrat ein, den Frankreich offiziell als legitime Vertretung des
libyschen Volkes anerkannte. Dieser Rat begründete eine neue Ölgesellschaft,
die LOC, die von der internationalen Gemeinschaft am Gipfel von London als rechtmässiger
Ausbeuter der Kohlenwasserstoffe des Landes anerkannt wurde. Anlässlich dieses
Überfalls wurde beschlossen, dass die Vermarktung des von LOC gestohlenen Öls
durch Katar erfolgen sollte und dass sich die Kontaktgruppe
der alliierten Staaten künftig in Doha treffen werde. Sofort legte der
religiöse Ratgeber des katarischen Fernsehsenders, Youssef al-Qardawi, los und rief
jeden Tag zum Sturz von Bashar al-Assad auf. Qardawi ist sowohl
Präsident der Internationalen Union der islamischen Religionsgelehrten als auch
des Europäischen Rats für Fatwa und islamische Studien. Er ist Ratgeber der Muslimbruderschaft und
predigt einen Islam, der eine Mischung aus ›Demokratie
des Marktes‹ à la USA und saudischem
Obskurantismus darstellt: Er lässt das Prinzip gewählter Führungskräfte zu,
vorausgesetzt, sie engagieren sich dafür, die Scharia in ihrer borniertesten
Form zur Anwendung zu bringen. Youssef al-Qardawi hat sich der saudische
Kleriker Saleh al-Luhaidan angeschlossen, der dazu aufrief, ›ein Drittel der Syrer zu töten, auf
dass die andern zwei Drittel leben‹.
Einen Drittel der Syrer töten? Das bedeutet, die Christen, die Juden, die
Schiiten, die Alawiten und die Drusen umzubringen. Damit zwei Drittel leben?
Das heisst, um einen sunnitischen Staat zu etablieren, bevor dieser seine
eigene Gemeinschaft läutert.
Bis heute
scheint nur der palästinensische Zweig der Muslimbruderschaft, die Hamas,
unempfänglich für die verführerische Macht der Petrodollars der Sudairi. Ihr
Chef, Khaled Meshaal, hat ohne einen Augenblick zu zögern bekräftigt, dass er
im Exil in Damaskus bleibe und Präsident al-Assad unterstütze. Mit Hilfe des
letzteren hat er versucht, imperialistischen und zionistischen Plänen
zuvorzukommen, indem er mit der Fatah von Mahmoud Abbas ein Abkommen
verhandelte.
Seit März
haben sich Al-Jazira, der arabische Sender der BBC und der arabische Sender von
›France 2‹ zu massiven Propagandaorganen gemausert. Mittels falscher
Zeugenaussagen und manipulierter Bilder erzählen sie fabrizierte Ereignisse,
um der syrischen Republik das Stereotyp des tunesischen Regimes von Ben Ali
aufzudrücken. Sie versuchen glauben zu machen, dass die syrische Armee eine mit
der tunesischen Polizei vergleichbare Macht der Repression sei, die nicht
zögere, auf friedliche Bürger, die für ihre Freiheit kämpften, zu schiessen.
Diese Medien haben sogar den Tod eines jungen Soldaten gemeldet, der sich
geweigert hätte, auf seine Mitbürger zu schiessen und durch seine Vorgesetzten
zu Tode gefoltert worden sei. In Wirklichkeit ist die syrische Armee eine Armee
von Wehrpflichtigen, und der junge Soldat, dessen Personendaten veröffentlicht
worden waren, war auf Urlaub. In einem Gespräch am syrischen Fernsehen
bestätigte er seinen Willen, das Land gegen ausländische Söldner zu
verteidigen. Ausserdem versuchten die Satellitenkanäle, mehrere syrische
Persönlichkeiten als Profiteure im Stile der eingeheirateten Verwandten von Ben
Ali darzustellen. Sie haben ihre Kritik auf Rami Makhlouf, den reichsten Mann
des Landes und Cousin von Präsident al-Assad, konzentriert und behauptet, er
habe nach tunesischem Vorbild von allen ausländischen Unternehmen, die sich im
Land niederlassen wollten, Anteile verlangt. Das ist absolut unbegründet und im
syrischen Kontext unvorstellbar. In Wirklichkeit hat Rami Makhlouf das
Vertrauen von Präsident al-Assad genossen, da er die Konzession für
Mobiltelephone erhalten hat. Und wie alle andern in der Welt, die solche
Konzessionen bekommen haben, ist er Milliardär geworden. Die wirkliche Frage,
die sich stellt, ist die, ob er aus der Situation Profit gezogen hat, indem er
sich auf Kosten der Konsumenten bereichert oder nicht. Die Antwort ist: nein.
Syratel bietet die billigsten Mobiltelefontarife der Welt an! Wie dem auch sei,
die
Lügenmedaille geht an Al-Jazira. Der katarische Sender ging so weit,
Bilder einer Demonstration von 40 000 Moskauern zu zeigen, die das Ende der
russischen Unterstützung für Syrien forderten. Tatsächlich handelte es sich
dabei um Bilder, die anlässlich der jährlichen 1. Mai-Kundgebung gedreht worden
waren, und in die der Sender Schauspieler eingeschleust hatte, um gefälschte
Passantenbefragungen zu produzieren.
Reorganisation der
Netzwerke von Prinz Bandar und der Administration Obama Das
konterrevolutionäre System der Sudairi stösst auf eine Schwierigkeit: Bis heute
kämpften die Söldner von Prinz Bandar unter der Flagge von Osama bin Laden, ob
in Afghanistan, in Bosnien, in Tschetschenien oder anderswo. Zu Beginn als
Antikommunist betrachtet, war bin Laden allmählich zum Antiwestler geworden.
Seine Weltanschauung war von der Ideologie des Zusammenpralls der
Zivilisationen gekennzeichnet, die durch Bernard Lewis formuliert und durch
seinen Schüler Samuel Huntington verbreitet worden war. Sie erlebte ihre
ruhmreiche Ära mit den Attentaten des 11. Septembers und dem Krieg gegen den
Terrorismus: Die Männer von Bandar zettelten überall Unruhen an, wo die USA intervenieren
wollte. In der aktuellen Situation ist es nun notwendig, das Bild der
Dschihadisten zu ändern. Jetzt werden sie eingeladen, an der Seite der NATO zu kämpfen, wie sie einst in Afghanistan an
der Seite der CIA gegen die Rote Armee gekämpft hatten. Deshalb ist es
angemessen, auf den prowestlichen Diskurs von damals zurückzukommen und eine
andere Grundlage als den Antikommunismus dafür zu finden. Dies wird die
ideologische Arbeit von Scheich Youssef al-Qardawi sein. Um diesen Schritt
zurück zu erleichtern, hat Washington den offiziellen Tod von Osama bin Laden
verkündet. Nachdem diese Leitfigur verschwunden ist, können die Söldner von
Prinz Bandar unter einer neuen Flagge mobilisiert werden. Diese Neuverteilung
der Rollen wird von einem Sesselrücken in Washington begleitet. General David
Petraeus, der als Kommandant des Centcom (Central Command) mit den Leuten
Bandars im Nahen Osten verhandeln musste, ist inzwischen Direktor der CIA. Wir
müssen uns also auf einen beschleunigten Rückzug der NATO-Truppen aus
Afghanistan gefasst machen und auf ein zunehmendes Engagement der
Bandar-Söldner in geheimen Operationen der CIA. Leon Panetta, der scheidende
CIA-Chef, ist heute Verteidigungsminister. Gemäss einer internen Absprache der
herrschenden Klasse der USA soll dieser Posten für ein Mitglied der Kommission
Baker-Hamilton reserviert sein. Nun ist der Demokrat Panetta – wie der
Republikaner Gates – effektiv ein Mitglied dieser Kommission. Im Falle neuer
Kriege müsste er die Aufgebote für Bodentruppen limitieren, ausser für die Spezialtruppen.
In Riad
und in Washington wird schon der Totenschein für den arabischen
Frühlings bereitgelegt. Die Sudairi können über den Nahen Osten das sagen, was ›der Leopard‹ im Roman ›Il
Gattopardo‹ von Giuseppe Tomasi di
Lampedusa über Italien sagte: »Alles muss geändert werden, damit sich nichts ändert
und wir weiterhin die Herren bleiben«.
[1] http://www.neues-deutschland.de/artikel/229076.leo-wir-fahr-n-nach-riad.html 8. 6. 12 Leo, wir fahr'n nach Riad - CDU-Wirtschaftspolitiker befürwortet
Panzerdeal mit Saudi-Arabien [2] Neue Zürcher Zeitung Nr. 100
vom 2. 5. 2003 [3] Siehe hierzu http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=1283 Neue
Enthüllungen über den Al-Yamamah-Apparat - Von Jeffrey Steinberg; weitere
Artikel auf politonline findet man unter dem
Stichwort ›Bandar‹ [4] Siehe hierzu: Die Erschaffung fehlender
Beweise - Von Paul Craig Roberts auf http://www.politonline.ch/?content=news&newsid=1787 [5] Siehe hierzu
http://www.hizb-ut-tahrir.org/index.php/DE/def
Quelle: http://www.zeit-fragen.ch/index.php?id=236&print=1&no_cache=1 Die
Konterrevolution im Nahen Osten - von Thierry Meyssan http://www.voltairenet.org Überarbeitet
von politonline; alle Hervorhebungen
durch politonline
|