Die unbekannte finanzielle Vernichtungswaffe: TARGET2 - Der Billionen-Solizuschlag für Krisenländer - Warum die EZB fortbestehen muss! 12.05.2013 23:03
Als vor gut 13 Jahren der Euro als Buchgeld eingeführt wurde, konnten die Bürger
erstmals Überweisungen in Euro durchführen. Dass dahinter ein hochkomplexes System namens Target (Transeuropean Automated Real-Time Gross Settlement Express Transfer) steckte, wussten wohl nur die Wenigsten. Warum sollten sie auch. Target war eine reine Geldabwicklungs-Plattform, die kein Land in Schieflage brachte und über die sich niemand aufregte. Im Sommer 2003 erklärten drei Zentralbanken, die Banque de France
Frankreichs, die Bundesbank Deutschlands und die italienische Banca d’Italia ihre Bereitschaft, eine solche Einheitsplattform für Überweisungen zu
installieren und zu betreiben. Ende 2007 wurde Target von Target2 abgelöst.
Wie funktioniert das System? Angenommen ein spanisches Unternehmen bestellt fünfzig
Dieselmotoren bei einem Exporteur in Deutschland. Nach Wareneingang weist der
spanische Importeur seine spanische Hausbank an, das Geld an den Exporteur zu
überweisen. Der Importeur erhält die Motoren, der Exporteur bekommt sein Geld.
Im Detail: Der deutsche Exporteur hat sein Geld zwar von seiner Hausbank erhalten,
jedoch ist der Betrag von der deutschen Bundesbank an diese ausbezahlt worden, ohne
dass die Bundesbank das Geld von der EZB erhalten hat; und der von dem
spanischen Importeur eingereichte Zahlungsauftrag ist von dessen Hausbank
zwecks Begleichung an die spanische Zentralbank Banco de Espana weitergeleitet
worden. Somit scheint alles im Lot. Wohlgemerkt ›scheint‹, denn die Besonderheit an Target ist, dass das Geld als
solches Spanien nie verlässt und in Deutschland und anderen Exportländern nie
ankommt.
Im
Beispiel Deutschland hat also die deutsche Bundesbank eine Target-Forderung an
die spanische Notenbank. Im Gegenzug hat die spanische Notenbank eine
Verpflichtung in derselben Höhe. Diese Salden werden aber nicht tatsächlich
überwiesen, sondern am Ende eines jeden Tages als Buchsalden auf die EZB
überschrieben und verbleiben in deren Büchern. Insofern
geschieht der Geldtransfer zwischen diesen ›alten‹ staatlichen Zentralbanken und der neuen EZB nur noch wie
in einer Scheinwelt, also ausschliesslich auf Papier, da er lediglich auf den
Soll- und Habenseiten festgehalten wird. Neben der Finanzierung von
Exportgeschäften werden über dieses System auch grenzüberschreitende
Grossbetragsüberweisungen zwischen den Geschäftsbanken in ›Zentralbankgeld‹ vorgenommen.
Die technischen Leistungen des TARGET2-Systems wurden zu
keinem Zeitpunkt kritisiert. Jedoch waren schon bei der Einführung von TARGET
die eingeräumten wechselseitigen, unbegrenzten und unbesicherten, also ohne
Hinterlegung von Sicherheiten erteilten Kreditfazilitäten der nationalen
Zentralbanken des Eurosystems einerseits und der EZB andererseits Gegenstand
der Kritik. Die Gefahr, die sich aus dem neu geschaffenen Transfersystem, das
sich quasi durch die Hintertür als stillschweigend akzeptiertes Beihilfesystem
in die Eurozone eingeschlichen hat,
ergab, wurde völlig unterschätzt. Denn mit dem ersten Zusammenbruch des
Interbanken-Markts in Europa Mitte 2007 änderte sich das Gleichgewicht. Wurden
die Target-Salden bis dahin quasi täglich ausgeglichen, wuchsen sie nun
kontinuierlich an. Auch trauten die Banken in den stärkeren Euro-Ländern den
Finanzinstituten schwächerer Euro-Staaten nicht mehr über den Weg und waren
immer weniger bereit, Geld zu verleihen. Folglich floss kein privates Kapital
mehr in die Peripherie.
Nun
erhalten die Schuldner durch das EZB-Zahlungssystem erstklassiges Geld gegen
drittklassige Sicherheiten. Mit diesen Schulden kaufen sie in den
Gläubigerstaaten und in den grossen Finanzzentren [auch in der Schweiz] Real- und Finanzkapital und tragen so zur
Bildung von Preisblasen bei. Über den Euro-Mindestkurs der SNB bleibt auch die
Schweiz von dieser Schuldenblase nicht unberührt. Was den Gläubigerstaaten am
Ende bleibt, sind einige windige Forderungen, eine Art Zwangs-Eurobonds, die
sie zeichnen müssen, ob sie nun
wollen oder nicht. Als Teilnehmer an Target2 sind alle Zentralbanken
des Euro-Systems dazu verpflichtet, einander derart künstlich verbilligte
Kredite zu gewähren. Daher ist es nicht verwunderlich, dass solche Target2-Kredite
nicht nur in Griechenland, sondern auch in anderen Euro-Krisenstaaten,
neuerlich insbesondere in Italien, Spanien, Portugal, Zypern etc., sehr beliebt
geworden und folglich enorm angestiegen sind. Target2-Kredite dienen vor allem
dazu, den Bankensektor der südlichen Staaten, der das ins Ausland - auch in die Schweiz - verlagerte Fluchtkapital ersetzen muss, zu refinanzieren. Mittlerweile umfassen
die dadurch aufgelaufenen Verbindlichkeiten der peripheren Staaten etwa 1 Billion
Euro, von denen sich Ende März 588 Milliarden Euro in Forderungen bei der Deutschen
Bundesbank niedergeschlagen haben. Dies entspricht ca. der Hälfte aller
Vermögenswerte der Deutschen Bundesbank.
Erschreckend sind hierbei die Grössenordnungen, denn es
geht um riesige Zahlen. Zahlen, welche die geflossenen Gelder der
milliardenschweren Rettungspakete in den Schatten stellen. Die
Bundesbank-Volkswirte Jens Ulrich und Alexander Lipponer schrieben in einem
Aufsatz im ›ifo-Schnelldienst‹ 2011, dass allein 2010 über die deutsche
Target2-Komponente Transaktionen mit einem Gesamtwert von etwa 214 Billionen
Euro!! liefen, rund ein Viertel aller Überweisungen waren grenzüberschreitend.
Stand der Target2-Salden per März 2013 in Milliarden:
Forderungen
Unter diesen Gesichtspunkten ist die Behauptung der
deutschen Politiker, die deutsche Haftung bei der Euro-›Rettung‹ läge nur bei 190 Milliarden Euro, absurder
denn je. Wie der obigen Aufstellung zu entnehmen ist, beläuft sich
beispielsweise die Höhe der Forderungen der deutschen Bundesbank an die EZB auf
588 Milliarden €, für die die EZB geradezustehen hat. Gesetzt den Fall, diese
Summe ist in der EZB nicht mehr verfügbar, haftet die BRD hierfür gänzlich
allein, so dass die 589 Mrd. restlos abzuschreiben wären.
Wird
jedoch ein Euro-Land zahlungsunfähig, erleidet also den
Staatsbankrott, so tritt die sogenannte anteilsmässige Haftung der übrigen
Euro-Länder in Kraft, was für die Steuerzahler der BRD eine Beteiligung an der
Übernahme der Schulden des betreffenden Landes in Höhe von 27 % der Summe
bedeuten würde. So haften im Prinzip auch die Steuerzahler der Euro-Länder im
Falle eines Staatsbankrotts von Frankreich gemäss ihrem Kapitalanteil an der EZB für
die der EZB von Frankreich geschuldeten 46 Milliarden Euro. Ginge andererseits
Deutschland pleite, dann müssten die restlichen Euro-Staaten die deutschen
Schulden unter sich aufteilen, wiederum nach dem Schlüssel ihrer
Anteilsbeteiligung an der EZB. Es kann sich allerdings jeder ausrechnen, dass
die insgesamt hochverschuldeten Euro-Staaten zu keinem Zeitpunkt je in der Lage
wären, eine derart grotesk hohe Forderung wie die der BRD zu schultern.
Da die Euro-Notenbanken seit Ausbruch der Krise die
qualitativen Anforderungen an die Sicherheiten für Geldleihgeschäfte
heruntergeschraubt haben, akzeptieren sie inzwischen auch Ramschanleihen wie
griechische oder zypriotische Staatspapiere als Sicherheiten. Sollte nur einer
der Krisenstaaten pleite gehen, wird er seine Verpflichtungen nie begleichen. Geradezu dramatisch
würde es, wenn der Euro gesamthaft auseinanderbräche: »Dann hat«, wie dies Prof. Hans-Werner Sinn darlegt, »die Deutsche Bundesbank eine
Forderung von über 588 Milliarden Euro gegenüber einem System, das
es dann nicht mehr gibt«. Besonders Deutschland ist durch
Target2 erpressbar geworden. Bei einem finanziellen Zusammenbruch des gesamten
Euro-Raums, ein Szenarium, das durchaus Wirklichkeit werden kann, müsste also
jedes Land seine Forderungen an die EZB abschreiben. Und damit würde auch das
gesamte Konzept des ESM unweigerlich funktionsunfähig.
Im Februar 2012 warnte der Präsident der Deutschen
Bundesbank Jens Weidmann in einem Brief den EZB-Präsidenten Mario
Draghi vor den wachsenden Risiken innerhalb von Target2. Weidmann schlug
eine Besicherung
der Forderungen vor. In einem am 12. März veröffentlichten FAZ-Gastbeitrag äusserte
sich Weidmann jedoch mit einer völlig
gegensätzlichen Aussage erneut zu dem Thema: Wurde er dazu gezwungen oder erpresst?
Nun
betonte er, die Target2-Forderungen der Bundesbank stellen kein eigenständiges
Risiko dar, »weil ich ein Auseinanderbrechen der Währungsunion
schlichtweg für absurd halte.«
Massive Kritik an dem dramatischen Anstieg der
Target2-Salden in der Deutschen Bundesbank äusserte auch der Bund der
Steuerzahler in einem Einschreiben an den Präsidenten der Deutschen Bundesbank
im Februar 2012. Im Zusammenhang mit dem geplanten ESM sprach er vom
Versagen der Bundesregierung, zu keiner Zeit die katastrophalen
Konstruktionsfehler des Target-Systems und anderer Fehlkonstruktionen
des Euros, die im Krisenfall, besonders seit 2007, zu widerrechtlichen
Kapitalströmen in die ›schwachen Länder führen
- dies zu Lasten und aus den Kassen der
starken Zentralbanken‹ - behoben zu haben.
Von der Öffentlichkeit unbemerkt hat das Target2-System
den Deutschen eine derzeit fast 600 Milliarden Euro schwere Fussfessel
angelegt, die sie an das Fortbestehen der EZB bindet. Keine Regierung, die
während ihrer Amtszeit einen derart grossen Verlust verantworten muss, könnte
noch mit der Wiederwahl rechnen. Target ist eine politische Zeitbombe, auf
der keiner sitzen will, wenn sie hochgeht. Sie zu entschärfen würde Jahre, wenn
nicht Jahrzehnte dauern. Einstweilen
kann man die Detonation nur hinauszögern, indem man dem bereits im Feuer
stehenden Geld weiteres hinterher wirft, jeden ›Rettungsfonds‹ absegnet, nichts gegen die verbotenen Anleihekäufe unternimmt
und sich im EZB-Direktorium von den Regierungen der Peripherie-Länder auf der
Nase herumtanzen lässt.
Die EZB hat den Geschäftsbanken erlaubt, sich für drei
Jahre soviel Geld zu leihen, wie diese möchten. Tatsächlich haben sich diese
Banken zum Ende des Monats Februar 2013 insgesamt 1,2 Billionen Euro von der
EZB geliehen – das Zwölffache der vorgeschriebenen Reserven der
EZB. Mit soviel überschüssiger
Liquidität im Geldmarkt ist es fast schon sicher, dass die Kapitalflucht aus
Südeuropa anhalten wird und dieses Geld schlussendlich in Deutschland landen
wird, nämlich bei den deutschen Exporteuren: Denn mit liquiden Mitteln wird
jeweils wieder eingekauft und im Euroraum eben vor allem im exportstarken
Deutschland. Hier schliesst sich der Teufelskreis erneut, denn der deutsche
Exporteur kriegt zwar sein Geld, aber die Zentralbanken bleiben auf immer
höheren Salden sitzen.
Unverständlich und unfassbar ist, dass in diesem System
keine Obergrenze in der Bilanz der Bundesbank und auch kein Mechanismus im
TARGET2-System festgeschrieben wurde, der diesen Auswuchs verhindern könnte.
Die Deutsche Bundesbank wurde durch die Hintertür entmachtet! Kanzlerin und
Regierung mögen diesen Kurs alternativlos nennen, in Wahrheit müssen sie jede
noch so unverfrorene Forderung absegnen und stellen sich taub und blind bei
verbalen und medialen Angriffen von aussen. Durch ›Nichterkennen
oder gar Verdrängen des TARGET2-Problems‹
verspielen die verantwortlichen Politiker in Deutschland und in der Euro-Zone
die Zukunft unserer Kinder und Kindeskinder und führen Deutschland in den
politischen und wirtschaftlichen Abgrund. Für den deutschen Steuerzahler ist
TARGET2 eine Katastrophe.
Statt einer fairen Politik im Interesse der Völker
begehen deren Vertreter einen Rechtsbruch nach dem anderen, um die eigentlichen
Machtinhaber zu befriedigen: ›Die Finanzoligarchen‹. Das Perfide an dieser verkorksten Euro-Situation ist,
dass
keinem Portugiesen, Griechen, Spanier, Zyprioten oder Iren geholfen wird, sondern
nur dem Bankensystem, das Angst um seine Leistungs- und endlosen
Renditen hat.
Quellen:
http://www.abgeordneten-check.de/artikel/2032-europarechtler-gunnar-beck-zum-target-saldo.html
http://de.statista.com/statistik/daten/studie/233148/umfrage/target2-salden-der-euro-laender/
http://www.wiwo.de/politik/europa/euro-krise-wie-funktioniert-das-target-system/6277238-3.html
http://www.wissensmanufaktur.net/der-bund-der-braven-steuerzahler
http://www.sendungen.sf.tv/eco/Nachrichten/Archiv/2012/06/18/Uebersicht/Gefaehrliche-Geldstroeme-zwischen-den-Notenbanken
http://de.pimco.com/DE/Insights/Pages/TARGET-2-%E2%80%93-Ein-Ausweg-f%C3%BCr-Europas-Kapitalflucht.aspx
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