Washingtons Eiserner Vorhang in der Ukraine - Von Diana Johnstone 30.06.2014 00:02
Die NATO-Führer führen zur Zeit ein wohldurchdachtes Affentheater in Europa auf,
das darauf
ausgerichtet ist, wieder einen Eisernen Vorhang zwischen Rußland und dem
Westen zu errichten. Mit erstaunlicher Einmütigkeit heucheln die NATO-Führer angesichts
Ereignissen, die sie schon Monate im voraus geplant hatten, Überraschung.
Geschehnisse, die sie absichtlich ausgelöst haben, werden jetzt falsch
als plötzliche, überraschende und ungerechtfertigte ›russische Aggression‹ dargestellt. Die
USA und die EU haben in der Ukraine eine aggressive Provokation unternommen,
von der sie wußten, daß sie Rußland zwingen würde, auf die eine oder andere Weise defensiv zu reagieren.
Der russische Verteidigungszug war ein sehr vernünftiger Mittelweg. Dank der
Tatsache, daß sich die überwiegende Mehrheit der Krimbewohner als Russen fühlt - nachdem sie russische Bürger gewesen waren,
bis Chrustschow das Territorium 1954 leichtfertig der Ukraine schenkte - wurde eine friedliche demokratische Lösung
gefunden. Der Wechsel des Status der Krim wurde ohne Blutvergießen an der
Wahlurne erreicht. »Dessen ungeachtet war das Geschrei der Empörung aus dem
Westen in jeder Beziehung so hysterisch feindselig, als hätte Putin
überreagiert und die Ukraine einer Bombenkampagne im Stil der Vereinigten
Staaten von Amerika ausgesetzt, oder als wäre er einfach in das Land
einmarschiert, was sie vielleicht von ihm erwartet hatten.« Der Außenminister
der Vereinigten Staaten von Amerika John Kerry leitete den Chor selbstgerechter
Entrüstung, indem er Rußland der Art von Handlungen beschuldigte, die
seine Regierung gewohnheitsmäßig betreibt. "Man marschiert einfach nicht
unter fadenscheinigem Vorwand in ein anderes Land ein, um seine Interessen
durchzusetzen. Das ist ein Akt der Aggression, der unter einem völlig an den
Haaren herbeigezogenen Vorwand betrieben wird," schwadronierte Kerry
hochtrabend. "Das ist in Wirklichkeit ein Verhalten des 19. Jahrhunderts
im 21. Jahrhundert.” Anstatt über diese Scheinheiligkeit zu lachen, griffen die
Medien der Vereinigten Staaten von Amerika, Politiker und Experten beflissen
das Thema der inakzeptablen expansionistischen Aggression Putins auf. Die
Europäer folgten mit einem schwachen gehorsamen Echo.
Geplant wurde das alles in Jalta Im September 2013 finanzierte
Viktor Pinchuk, einer der reichsten Oligarchen der
Ukraine, eine strategische Konferenz der Elite über die Zukunft der Ukraine,
die in demselben Palast in Jalta auf der Krim abgehalten wurde, in dem
Roosevelt, Stalin und Churchill zusammenkamen, um 1945 die Zukunft Europas zu
beschließen. Wie der englische ›Economist‹ berichtete, wurde über die Zukunft der Ukraine und Europas in Echtzeit entschieden. Unter den Teilnehmern waren Bill und Hillary Clinton, der
ehemalige CIA-Chef General David Petraeus, der ehemalige US-Finanzminister Lawrence Summers, der ehemalige Vorstand der
Weltbank Robert Zoellick, der schwedische Außenminister Carl Bildt, Shimon Peres,
Tony Blair, Gerhard Schröder, Dominique Strauss-Kahn, Mario Monti, die
litauische Präsidentin Dalia Grybauskaite sowie Polens einflußreicher Außenminister Radek Sikorski. Sowohl Präsident
Viktor Janukowitsch, fünf Monate später gestürzt, als auch sein Nachfolger
Petro Poroschenko waren anwesend. Der frühere US-Energieminister, Bill Richardson, war ebenfalls anwesend, um über die
Schiefergasrevolution zu reden, die die USA zu benutzen hofft, um Rußland zu schwächen, indem sie
die russischen natürlichen Gasreserven durch Fracking zu ersetzen
beabsichtigen. Anmerk. der Redaktion: Petraeus, Zoellick, Bildt und Monti
waren im selben Jahr Teilnehmer der Bilderberger-Konferenz vom 6. bis 9. Juni
2013 Juni Hertfordshire, England [1]
Mittelpunkt der Diskussion was
das ›Deep and Comprehensive Free Trade Agreement‹ [DCFTA] zwischen der Ukraine
und der EU, sowie die Aussicht einer Integration der Ukraine in den Westen. Im
Großen und Ganzen war die Stimmung angesichts der Aussicht, die
Beziehungen der Ukraine mit Rußland zugunsten des Westens zu zerbrechen, euphorisch. Im Gegensatz zu den
Besprechungen auf den Bilderberger-Konferenzen waren die Beratungen nicht
geheim; anwesend war auch ein Berater Putins, der Ökonom Sergei Glazyew
gegenüber, der die russische Position eindeutig klar machte. [2] Glazyew
brachte eine Note von politischem und wirtschaftlichem Realismus in die Konferenz ein. ›Forbes‹ berichtete damals
über den ›großen Unterschied‹ zwischen der
russischen und westlichen Sichtweise, und zwar ›nicht über die
Ratsamkeit einer Integration der Ukraine in die EU, sondern über deren
wahrscheinliche Auswirkungen.‹ Im Gegensatz zur westlichen Euphorie
gründete sich die russische Sichtweise auf ›sehr spezifische
und gezielte wirtschaftliche Kritikpunkte‹ hinsichtlich der
Auswirkungen dieses Handelsabkommen auf die ukrainische Wirtschaft, indem sie
feststellte, daß die Ukraine ein enormes Defizit an Fremdwährungen aufwies - mit ausländischen Krediten finanziert
- und daß der sich daraus ergebende bedeutende Anstieg
bei Importen aus dem Westen nur das Defizit steigern konnte. Die Ukraine »wird
entweder auf Grund ihrer Schulden pleite gehen oder einen beträchtlichen
Freikauf erfordern«, was ›Forbes‹ zu der Folgerung
veranlaßte, daß »die russische Position viel näher an der Wahrheit liegt als das nette
Gerede, das aus Brüssel oder Kiew kommt.« In Hinblick auf die politischen
Auswirkungen wies Glazyew darauf hin, daß sich die russisch sprechende Minderheit in
der östlichen Ukraine in Richtung Abspaltung bewegen könnte, als Protest gegen
den Abbruch der Beziehungen zu Rußland, und daß Rußland das Recht habe, sie zu unterstützen, wie dies die London ›Times‹ darlegte. Kurz
gesagt, während sie planten, die Ukraine in die westliche Sphäre einzugliedern,
war den westlichen Führern perfekt bewußt, daß dieser Zug zu ernsthaften Problemen mit den
russisch sprechenden Ukrainern und mit Rußland selbst führen würde. Statt aber an einem
Kompromiß zu arbeiten, beschlossen die westlichen Führer, weiter vorzustoßen und
Rußland für alles die Schuld zuzuschieben. Hierbei ging als erstes ging schief, daß Janukowitsch
angesichts des wirtschaftlichen Zusammenbruchs, der mit dem Handelsabkommen mit
der EU ins Haus stand, kalte Füße bekam. Er verschob die Unterschrift, wobei er
auf einen besseren Handel hoffte. Nachdem der ukrainischen Öffentlichkeit nichts
von all dem erklärt worden war, folgten erregte Demonstrationen, welche schnell
von den Vereinigten Staaten von Amerika ausgenutzt wurden ... gegen Rußland. Der bereits
zitierte ›Forbes‹-Bericht betonte:
»Die meiste Zeit in den letzten fünf Jahren spielte die Ukraine im Grunde
genommen ein Doppelspiel, indem sie der EU sagte, sie sei an der Unterzeichnung
des DCFTA interessiert, während sie den Russen erklärte, sie sei daran
interessiert, der Zollunion beizutreten.« Entweder konnte Janukowitsch sich
nicht entscheiden, oder er versuchte, von beiden Seiten die besten Bedingungen
zu bekommen. Jedenfalls war er nie ›Moskaus Mann‹ und sein Sturz
hängt sehr mit seiner Rolle zwischen zwei Fronten zusammen. Er spielte das
gefährliche Spiel, größere Mächte gegeneinander auszuspielen.
Man kann mit
Sicherheit sagen, daß das, was notwendig war resp. ist, in der
Ukraine bisher völlig zu fehlen scheint: Eine Führung, die die geteilte Natur
des Landes anerkennt und diplomatisch daran arbeitet, eine Lösung zu finden,
die beiden lokalen Bevölkerungen und ihren historischen Beziehungen zum
katholischen Westen und zu Rußland gerecht wird. Kurz gesagt, könnte die
Ukraine eine Brücke zwischen Ost und West sein; genau diese Auffassung wurde
übrigens von Rußland vertreten. Die russische Position war nicht darauf ausgerichtet,
die Ukraine aufzuteilen und schon gar nicht darauf, sie zu erobern,
sondern die Rolle des Landes als Brücke zu
erleichtern. Dazu bräuchte es ein bestimmtes Ausmaß an Föderalismus und lokaler
Regierung, was in diesem Land, in dem die Provinzgouverneure nicht gewählt,
sondern von der Zentralregierung in Kiew bestellt werden, bisher völlig fehlt.
Eine föderalistisch strukturierte Ukraine könnte sowohl Beziehungen mit der EU
entwickeln, als auch die lebenswichtigen (und gewinnbringenden)
Wirtschaftsbeziehungen zu Rußland weiterhin pflegen. Diese Anordnung
verlangt jedoch, daß der Westen bereit ist, mit Rußland zu
kooperieren. Die Vereinigten Staaten haben diese Möglichkeit indessen eindeutig
unterbunden, indem sie es vorzogen, die Krise dafür auszunutzen, um Rußland als ›den Feind‹ zu brandmarken.
Die US-Politik,
die sich bereits bei dem Treffen im September 2013 in Jalta abzeichnete, wurde
vor Ort bekanntlich von Victoria Nuland, der ehemaligen Cheney-Beraterin,
stellvertretenden Botschafterin bei der NATO und Sprecherin für Hillary Clinton
umgesetzt. Ihre führende Rolle bei den Vorgängen in der Ukraine beweist, daß der
neokonservative Einfluß im Außenministerium, der unter George Bush aufgebaut
worden war, von Obama beibehalten wurde. Wie die meisten anderen Präsidenten in
jüngerer Vergangenheit ist Obama ein zeitweiliger Verkäufer einer Politik, die
von anderen gemacht und ausgeführt wird. Nuland gab in Washington damit an, daß die USA seit der
Auflösung der Sowjetunion 1991 5 Milliarden $ ausgegeben hat, um politischen
Einfluß in der Ukraine zu erlangen, was unter dem Titel ›Förderung der Demokratie‹ läuft. Die Hauptmotive hierbei sind
geopolitischer Natur, weil die Ukraine Rußlands Achillesferse ist, das Territorium mit
dem größten Potential, Problemen für Rußland zu verursachen. Was die öffentliche
Aufmerksamkeit auf Victoria Nulands Rolle in der ukrainischen Krise richtete,
war ihr Gebrauch von ›fuck the EU‹. Jedoch verdeckte
die Aufregung über ihre Ausdrucksweise ihre bösen Absichten. Es ging darum, wer
die Macht von Janukowitsch übernehmen sollte; die Partei Merkels hatte den
ehemaligen Boxer Vitaly Klitschko als ihren Kandidaten vorgeschlagen. Nulands
rüde Zurückweisung besagte, daß die USA und nicht etwa Deutschland oder die
EU den nächsten Führer aussuchten, und das war nicht Klitschko, sondern ›Yats‹. Und Arseniy
Yatsenyuk, ein die zweite Geige spielender, von der USA gesponserter Technokrat - für seine Begeisterung für die
IWF-Sparpolitik und Mitgliedschaft bei der NATO bekannt - war es dann auch, der den Job kriegte. Das
versetzte eine von der USA gesponserte Regierung in die Lage, die Wahlen am 25.
Mai zu bewältigen, von denen der russisch sprechende Osten weitgehend
ausgeschlossen wurde. Plan A des Victoria Nuland-Putsches war wahrscheinlich
der, in Kiew rasch eine Regierung zu installieren, die der NATO beitreten und
damit formell die Voraussetzungen dafür schaffen würde, daß die USA Besitz von Rußlands unverzichtbarem Schwarzmeer-Marinehafen
in Sebastopol ergreifen könnte. Die Wiedereingliederung der Krim in Rußland war somit
Putins defensiver Zug, um das zu verhindern.
Die Vereinigten Staaten von Amerika
brauchen einen Feind, um die Welt vor ihm zu retten Aber zu allererst
brauchen sie Rußland als einen Feind, um ›Europa zu retten‹, was nichts
anderes heißt, als Europa zu beherrschen. Washingtons Politikmacher schienen
besorgt zu sein, daß Obamas Hinwendung nach Asien und Gleichgültigkeit
gegenüber Europa die Kontrolle der USA über ihre NATO-Alliierten schwächen
könnte. Die Wahlen zum Europäischen Parlament am 25. Mai zeigten ein hohes
Ausmaß an Unzufriedenheit mit der Europäischen Union. Diese Unzufriedenheit ist
besonders in Frankreich mit einem wachsenden Bewußtsein verbunden, daß die EU, weit davon entfernt, eine potentielle
Alternative zur USA zu sein, in Wirklichkeit ein Mechanismus ist, der die europäischen
Länder in eine von der USA vorgegebene Globalisierung, in den wirtschaftlichen
Untergang und in die US-Außenpolitik mit ihren Kriegen hineinzwängt. So ist
Washington imstande, die antikommunistische, antirussische und sogar
pro-Nazi-Nostalgie Nordosteuropas auszubeuten, um den falschen Aufschrei ›die Russen kommen!‹ ertönen zu
lassen, um die wachsende wirtschaftliche Partnerschaft zwischen der alten EU,
besonders zwischen Deutschland und Rußland, zu blockieren. Rußland ist keine Bedrohung. Aber für die
lärmenden Russophoben in den Baltischen Staaten, in der Westukraine und Polen,
stellt schon die bloße Existenz Rußlands eine Bedrohung dar. Durch die
Vereinigten Staaten und die NATO ermutigt, bildet diese endemische
Feindseligkeit die politische Grundlage für den neuen ›Eisernen Vorhang‹, der dazu gedacht
ist, das zu erreichen, was Zbigniew
Brzezinski 1997 in ›The Grand Chessboard‹ niedergelegt hat: Den europäischen Kontinent
geteilt zu erhalten, um die Weltherrschaft der USA zu verewigen. Der alte Kalte
Krieg diente diesem Zweck, indem er die militärische Präsenz und den politischen
Einfluß der USA in Westeuropa einbetonierte. Ein neuer Kalter Krieg kann
verhindern, daß der Einfluß der Vereinigten Staaten dadurch verwässert wird, daß
zwischen Westeuropa und Rußland gute Beziehungen
herrschen.
Obama ist nach
Europa gekommen und hat großtuerisch versprochen, Europa zu ›beschützen‹, indem er in
Regionen, die möglichst nahe bei Rußland liegen, mehr Soldaten stationiert,
während er gleichzeitig Rußland anweist,
seine eigenen Soldaten auf sein Staatsgebiet, also weiter weg von der problemgeplagten
Ukraine, zurückzuziehen. Dies scheint dazu gedacht zu sein, Putin zu demütigen
und ihm die politische Unterstützung im eigenen Land zu entziehen. Um die
Umklammerung Europas durch die USA zu verstärken, benützt diese die künstliche
Krise, um von ihren verschuldeten Alliierten zu fordern, mehr für die Verteidigung
auszugeben, in erster Linie durch den Kauf amerikanischer Waffensysteme. Obwohl
die USA weit davon entfernt ist, Europas Energiebedarf
aus dem neuen Frackingboom in den Vereinigten Staaten decken zu können, wird diese Aussicht als Ersatz für die russischen
Erdgasverkäufe bejubelt.
Putin wird weithin
als ›der beste Schachspieler‹ anerkannt, der die erste Runde der Krise in
der Ukraine für sich verbuchen konnte. Zweifelsohne hat er aus der ihm
aufgezwungenen Krise das Beste gemacht. Indessen verfügt die USA reihenweise
über Bauern, die Putin nicht hat. Und das Ganze ist nicht nur ein Schachspiel,
sondern Schach mit Poker und russischem Roulette kombiniert. Die Vereinigten
Staaten sind bereit, Risken einzugehen, die die klügeren russischen Führer
lieber vermeiden wollen ...... so lange wie möglich. Alles, was es bräuchte,
wären Massenmedien, die die Wahrheit sagen, und daß Europa einigermaßen kluge und mutige Führer
hervorbringt, damit die ganze falsche Kriegsmaschine ihren Glanz verliert und
die Wahrheit zu dämmern beginnt.
Quelle –
auszugsweise:
http://www.berliner-umschau.de/news.php?id=34139&title=Washingtons+Eiserner+Vorhang+in+der+Ukraine&storyid=1001402987210 17. 6. 14
Washingtons Eiserner Vorhang in der Ukraine - Von
Diana Johnstone; veröffentlicht mit
freundlicher Genehmigung von http://antiwar.com/ resp. http://antikrieg.com/inhalt.htm
[1] Teilnehnmerliste 2013:
http://www.bilderbergmeetings.org/participants2013.htm Teilnehnmerliste 2014:
http://homment.com/fgGtWkcSUt
[2] Siehe hierzu: Sergei Glazyew: ›US is militarizing Ukraine to invade Russia‹ http://www.youtube.com/watch?v=nWT5HM_NMlI 20. 6. 14
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