Die Entkopplung der Welt

In der Debatte um die Folgen des US-Wirtschaftskriegs gegen China

nehmen die Warnungen vor einer neuen Zweiteilung der Welt zu. Der Totalboykott der Trump-Administration gegen den chinesischen Konzern Huawei markiere einen einschneidenden Wendepunkt, der als Beginn der Entkopplung im Hochtechnologiesektor verstanden werden könne, warnt ein Berliner Chinaexperte. Bleibe Washington dabei, dann stehe die globale Etablierung zweier strikt voneinander getrennter Wirtschaftsblöcke bevor, wie im Kalten Krieg. Tatsächlich befürworten US-Strategen aus dem Umfeld der Trump-Administration spätestens seit dem vergangenen Jahr ein Decoupling der US-Industrie von China; der US-Präsident selbst fordert die Rückkehr von Konzernen wie Apple in die Vereinigten Staaten. Die deutsche Wirtschaft, der der Verlust ihres Chinageschäfts schwerste Einbrüche bringen würde, lehnt das Decoupling dezidiert ab; es wäre, wie Experten warnen, mit der Eskalation der globalen Spannungen verbunden.

Trumps Wirtschaftskrieg

In der Debatte um die Folgen des US-Wirtschaftskriegs gegen China werden zunehmend Warnungen vor einer neuen Zweiteilung der Welt laut. Die derzeitigen Angriffe der Trump-Administration haben offenkundig das primäre Ziel, die fortgeschrittensten chinesischen High-Tech-Firmen, mit denen die US-Industrie in einigen Fällen kaum noch mithalten kann, nach Möglichkeit zu ruinieren. Das gilt insbesondere für Huawei, mittlerweile aber auch für weitere Unternehmen, denen Berichten zufolge von Washington droht, ebenfalls auf die entity list gesetzt und damit von der Belieferung mit US-Bauteilen ausgeschlossen zu werden, so etwa Hikvision, einer der weltweit führenden Produzenten von Überwachungstechnologie, ebenso Dahua, der zweitgrößte Kamerahersteller der Volksrepublik. Der Boykott könnte mittel- und langfristig zumindest einige chinesische Konzerne in ihrer Existenz bedrohen, falls es ihnen nicht gelingt, die US-Bauteile zu ersetzen. Dafür kommt neben dem Aufbau einer eigenen Produktion die Suche nach neuen Lieferanten in Drittstaaten in Betracht.

Drittstaaten unter Druck

Nun ist die Trump-Administration allerdings dazu übergegangen, auch Unternehmen aus Drittstaaten mit massivem Druck zur kompletten oder zumindest partiellen Einstellung ihrer Lieferungen an Huawei zu zwingen. Als Druckmittel nutzt Washington eine Vorschrift, der zufolge auch der Export von im Ausland hergestellten Bauteilen einer US-Genehmigung bedarf, sofern sie zu mindestens 25 % aus US-Vorprodukten bestehen. Eine vergleichbare Regelung hatte vor kurzem die Bundesregierung in Europa durchzusetzen versucht, als sie Frankreich und Großbritannien die Ausfuhr von Waffensystemen, in denen einzelne deutsche Komponenten enthalten waren, nach Saudi-Arabien verbieten wollte. Berlin konnte sich damit letztlich nicht durchsetzen. Washington hingegen hat Erfolg. So hat der britische Chipdesigner Arm Holdings die Zusammenarbeit mit Huawei eingestellt. Auch Panasonic aus Japan hat die Lieferungen an den chinesischen Konzern reduziert. Weitere Firmen dürften folgen.  [1]

Ein ökonomischer Eiserner Vorhang

Beobachter warnen zunehmend davor, dass Washingtons Wirtschaftskrieg auf eine weitreichende Entkopplung der kompletten High-Tech-Branchen der Vereinigten Staaten und Chinas hinauslaufe, da US-Strategen seit 2018 den Plan diskutieren, die Volksrepublik von der modernsten US-Technologie komplett abzuschneiden. Damit soll nicht nur der anhaltende Aufstieg chinesischer Konzerne gebremst werden, sondern unter der Decoupling-Strategie ist es darüber hinaus vorgesehen, die bislang eng vernetzte Welt des Internets und der Telekommunikation in zwei strikt getrennte Bereiche aufzuteilen, wovon einer sich um die Vereinigten Staaten, der andere um die Volksrepublik zentriert. Experten weisen darauf hin, dass Huawei, von der Nutzung des Smartphone-Betriebssystems Android (Google) ausgeschlossen, jetzt ein eigenes chinesisches Betriebssystem entwickeln müssen wird. Dies läßt sich auf andere High-Tech-Felder übertragen. »Ich sehe jetzt die Perspektive eines ökonomischen Eisernen Vorhangs, der auf beiden Seiten neue Mauern hochzieht und die globale Wirtschaft, wie wir sie kennen, zerstört«, wird der einstige Goldman Sachs-Chef und US-Finanzminister Henry Paulson zitiert.  [2]

Die Entglobalisierung

Inzwischen werden auch in Deutschland warnende Stimmen laut. Die Welt stehe an einem einschneidenden Wendepunkt, der offenkundig als Beginn der Entkopplung im Hochtechnologiesektor verstanden werden müsse, urteilt auch Klaus Mühlhahn, Professor für chinesische Geschichte und Kultur an der FU Berlin.  [3]  Die Trump-Administration, die seit geraumer Zeit etwa auch den Konzern Apple zur Rückverlagerung seiner Produktion in die USA drängt, wolle globale Lieferketten unterbrechen und entflechten: Damit solle der grenzüberschreitende transnationale Handel ….. eingeschränkt und kanalisiert werden. Wie Mühlhahn ferner feststellt, »werden damit Prozesse der Globalisierung rückgängig gemacht. Sollten sich die Strategen des Decoupling durchsetzen, sei mit der Entwicklung getrennter Wirtschaftsblöcke zu rechnen; man kenne dies aus dem Kalten Krieg «.

Für Deutschland keine Option

In Deutschland haben sich bislang vor allem führende Wirtschaftsvertreter zur Strategie des Decoupling, die von ihnen abgelehnt wird, geäußert: Das deutsche Chinageschäft boomt ungebrochen; zwar sind die deutschen Investitionen in den Vereinigten Staaten noch deutlich größer als diejenigen in der Volksrepublik, doch ist letztere inzwischen Deutschlands größter Handelspartner, und die Dax-Konzerne, die 22 % ihres Geschäfts in den USA machen, erwirtschaften bereits 16 Prozent ihres Umsatzes in China. Ernsthafte Erschütterungen in den Wirtschaftsbeziehungen zur Volksrepublik brächten der deutschen Industrie schwerste Einbrüche. Zu Jahresbeginn hat der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) in einer Stellungnahme ausdrücklich bekräftigt, »eine wirtschaftliche Entflechtung von China sei aufgrund der derzeitigen Position der deutschen Industrie auf dem chinesischen Markt sowie aufgrund der bestehenden Potentiale [...] im Chinageschäft keine Option: Die deutsche Industrie lehnt sie ab und sieht mit Sorge, dass das Decoupling zur Zeit in den USA zunehmend thematisiert werde«. Der BDI schreibt: »Kooperation ist notwendig - trotz Konkurrenz«.  [4]

Ein absteigender Block

Dies hindert die Trump-Administration freilich nicht daran, das Decoupling weiter zu forcieren. Gelingt es, dann werden sich Berlin und die EU vermutlich für eine  Seite entscheiden müssen - ebenso wie andere Staaten auch. Bezogen auf Huawei urteilt Mühlhahn, der Konzern werde sich dann »zu einem Unternehmen hin wandeln, das vor allem in China agiert und Kunden in China, Asien, Afrika  und Lateinamerika beliefert«.  [3]  Damit allerdings hätten Huawei und die Volksrepublik voraussichtlich die bessere Perspektive. Die alten Industriestaaten, die mehr oder weniger eng an die USA gebunden sind, erwirtschaften seit 2008 nicht mehr  - wie zuvor -  die Mehrheit des globalen Bruttoinlandsprodukts (nach Kaufkraftparität). Mittlerweile stehen die Schwellen- und Entwicklungsländer Asiens, Afrikas und Lateinamerikas für 60 % der Weltwirtschaftsleistung, und ihr Anteil wächst konstant. Fiele der ökonomische Eiserne Vorhang zwischen dem alten Westen und den aufstrebenden Ländern der genannten drei Kontinente, dann hätten sich die USA und die Staaten Europas als absteigender Block einzementiert.  

Uneingeschränkte Konfrontation

Umso schwerer wiegt, worauf im Februar Chinas ehemalige stellvertretende Außenministerin Fu Ying hingewiesen hat: Das Decoupling; sie warnte in einer Online-Veröffentlichung der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik [DGAP], dieses drohe die Welt wie einst im Kalten Krieg »in die Spaltung und letztlich in eine uneingeschränkte Konfrontation zu führen«. [5] 

Dann wäre das Mindeste, sagt auch sie, womit zu rechnen wäre, ein weiterer Kalter Krieg.  [6]

Schon am 17. 5. war bekannt geworden, dass die Trump-Administration am 15. Mai den nationalen Notstand ausgerufen hatte, um die Nutzung von Huawei-Technologie durch US-Unternehmen zu verbieten und auch den Verkauf von US-Produkten an den chinesischen Konzern zu untersagen. Somit bleibt es das Ziel des Wirtschaftskriegs der Vereinigten Staaten gegen China, das Vorzeigeunternehmen, das eine wichtige Rolle bei Chinas technologischem Aufstieg spielt, irreparabel zu schädigen.  [7] 

Trumps Mann in Berlin, US-Botschafter Grenell, drohte Deutschland mit einem Ende der Sicherheitskooperation, sollte die Bundesrepublik chinesische Firmen am Ausbau des 5G-Mobilnetzes beteiligen, wie es in seinem Brief vom 7. März an Wirtschaftsminister Altmaier darlegt ist; in diesem, schreibt er, würde er Altmaier gerne auf seine Bedenken hinsichtlich des Ausbaus des 5G-Netzwerks aufmerksam machen.  [8] 

Diesbezüglich hatten auch die deutschen Sicherheitsbehörden Ende Januar vor einer Zusammenarbeit mit Huawei beim Ausbau des Mobilfunknetzes gewarnt. Der chinesische Staat könne dessen Technik möglicherweise für Spionage nutzen, hieß es; das könne man nicht ausschließen. Die USA, aber auch andere Staaten, warnen schon seit längerem davor, dass Huawei den Westen mit heimlich eingebauter Überwachungstechnik ausspionieren könnte. Sie werfen dem Konzern enge Verbindungen zur chinesischen Regierung vor. Wie ferner verlautete, prüfe die Bundesregierung inzwischen, wie Huawei vom Ausbau des neuen Mobilfunknetzes auszuschließen wäre.  [9]  Konkret lautet der Vorwurf des US- Justizministeriums, dass Huawei die US-Justiz behindere und systematische Industriespionage betreibe. Diese Vorwürfe hat Huawei in einer Stellungnahme zurückgewiesen, während das chinesische Aussenministerium das Vorgehen der USA als Schmierenkampagne bezeichnet hat; das Ganze sei politisch motiviert.  [10]


Ganz sicherlich sind gerade die EU-Konzerne um diese Konstellation nicht zu beneiden……

 

[1]  Dan Strumpf, Mayumi Negishi: Huawei Feels U.S. Squeeze in U.K., Japan as Partners Curb Business. wsj.com 23. 5. 2019

[2]  Richard McGregor, Hervé Lemahieu: Why the US should not simply decouple from China without building new partnerships. scmp.com 21.11.2018.

[3]  Klaus Mühlhahn: Der Abschied von der Globalisierung. cicero.de 22. 5. 2019

[4]  Partner und systemischer Wettbewerber - Wie gehen wir mit Chinas staatlich gelenkter Volkswirtschaft um? BDI-Grundsatzpapier China vom Januar 2019

[5] Fu Ying:
»Are the US and China Decoupling?«
berlinpolicyjournal.com
  6. 2. 19 

[6[  https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/7948/    24. 5. 19
Die Entkopplung der Welt

[7]  https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/7940/
17. 5. 19  Deutschland im Wirtschaftskrieg

[8]  https://www.welt.de/politik/ausland/article190152543/5G-Netzausbau-Richard-Grenells-Drohbrief-an-Altmaier-im-Detail.html   13. 3. 19

[9]  https://www.swr.de/swraktuell/Deutsche-Sicherheitsbehoerden-warnen-vor-Huawei,kurz-huawei-100.html    30. 1. 19

[10]  https://www.srf.ch/sendungen/heutemorgen/usa-verklagen-huawei
29. 1. 19