Die Entkopplung der Welt 26.05.2019 18:58
In der Debatte um die Folgen des US-Wirtschaftskriegs gegen China
nehmen die Warnungen vor einer neuen Zweiteilung
der Welt zu. Der Totalboykott der Trump-Administration gegen den chinesischen
Konzern Huawei markiere einen ›einschneidenden
Wendepunkt‹, der ›als Beginn der Entkopplung im
Hochtechnologiesektor verstanden werden‹
könne, warnt ein Berliner Chinaexperte. Bleibe Washington dabei, dann stehe die
globale Etablierung zweier strikt ›voneinander
getrennter‹ Wirtschaftsblöcke
bevor, wie im Kalten Krieg. Tatsächlich befürworten US-Strategen aus dem Umfeld
der Trump-Administration spätestens seit dem vergangenen Jahr ein ›Decoupling‹ der US-Industrie von China;
der US-Präsident selbst fordert die Rückkehr von Konzernen wie Apple in die Vereinigten
Staaten. Die deutsche Wirtschaft, der der Verlust ihres Chinageschäfts
schwerste Einbrüche bringen würde, lehnt das ›Decoupling‹ dezidiert ab; es wäre, wie Experten
warnen, mit der Eskalation der globalen Spannungen verbunden.
Trumps Wirtschaftskrieg
In der Debatte um die Folgen des
US-Wirtschaftskriegs gegen China werden zunehmend Warnungen vor einer neuen
Zweiteilung der Welt laut. Die derzeitigen Angriffe der Trump-Administration
haben offenkundig das primäre Ziel, die fortgeschrittensten chinesischen
High-Tech-Firmen, mit denen die US-Industrie in einigen Fällen kaum noch
mithalten kann, nach Möglichkeit zu ruinieren. Das gilt insbesondere für
Huawei, mittlerweile aber auch für weitere Unternehmen, denen Berichten zufolge
von Washington droht, ebenfalls auf die ›entity
list‹
gesetzt und damit von der Belieferung mit US-Bauteilen ausgeschlossen zu
werden, so etwa Hikvision, einer der weltweit führenden Produzenten von
Überwachungstechnologie, ebenso Dahua, der zweitgrößte Kamerahersteller der Volksrepublik.
Der Boykott könnte mittel- und langfristig zumindest einige chinesische
Konzerne in ihrer Existenz bedrohen, falls es ihnen nicht gelingt, die
US-Bauteile zu ersetzen. Dafür kommt neben dem Aufbau einer eigenen Produktion
die Suche nach neuen Lieferanten in Drittstaaten in Betracht.
Drittstaaten unter Druck
Nun ist die Trump-Administration allerdings dazu
übergegangen, auch Unternehmen aus Drittstaaten mit massivem Druck zur
kompletten oder zumindest partiellen Einstellung ihrer Lieferungen an Huawei zu
zwingen. Als Druckmittel nutzt Washington eine Vorschrift, der zufolge auch der
Export von im Ausland hergestellten Bauteilen einer US-Genehmigung bedarf,
sofern sie zu mindestens 25 % aus US-Vorprodukten bestehen. Eine vergleichbare
Regelung hatte vor kurzem die Bundesregierung in Europa durchzusetzen versucht,
als sie Frankreich und Großbritannien die Ausfuhr von Waffensystemen, in denen
einzelne deutsche Komponenten enthalten waren, nach Saudi-Arabien verbieten
wollte. Berlin konnte sich damit letztlich nicht durchsetzen. Washington
hingegen hat Erfolg. So hat der britische Chipdesigner Arm Holdings die
Zusammenarbeit mit Huawei eingestellt. Auch Panasonic aus Japan hat die
Lieferungen an den chinesischen Konzern reduziert. Weitere Firmen dürften
folgen. [1]
Ein ökonomischer Eiserner Vorhang
Beobachter warnen zunehmend davor, dass Washingtons
Wirtschaftskrieg auf eine weitreichende Entkopplung der kompletten
High-Tech-Branchen der Vereinigten Staaten und Chinas hinauslaufe, da US-Strategen
seit 2018 den Plan diskutieren, die Volksrepublik von der modernsten
US-Technologie komplett abzuschneiden. Damit soll nicht nur der anhaltende
Aufstieg chinesischer Konzerne gebremst werden, sondern unter der Decoupling-Strategie
ist es darüber hinaus vorgesehen, die bislang eng vernetzte Welt des Internets
und der Telekommunikation in zwei strikt getrennte Bereiche aufzuteilen, wovon
einer sich um die Vereinigten Staaten, der andere um die Volksrepublik
zentriert. Experten weisen darauf hin, dass Huawei, von der Nutzung des
Smartphone-Betriebssystems Android (Google) ausgeschlossen, jetzt ein eigenes chinesisches
Betriebssystem entwickeln müssen wird. Dies läßt sich
auf andere High-Tech-Felder übertragen. »Ich
sehe jetzt die Perspektive eines ökonomischen Eisernen Vorhangs, der auf beiden
Seiten neue Mauern hochzieht und die globale Wirtschaft, wie wir sie kennen,
zerstört«, wird der einstige
Goldman Sachs-Chef und US-Finanzminister Henry Paulson zitiert. [2]
Die Entglobalisierung
Inzwischen werden auch in Deutschland warnende
Stimmen laut. Die Welt stehe an einem einschneidenden Wendepunkt, der
offenkundig als ›Beginn
der Entkopplung‹ im
Hochtechnologiesektor verstanden werden müsse, urteilt auch Klaus Mühlhahn,
Professor für chinesische Geschichte und Kultur an der FU Berlin. [3] Die
Trump-Administration, die seit geraumer Zeit etwa auch den Konzern Apple zur
Rückverlagerung seiner Produktion in die USA drängt, wolle ›globale Lieferketten
unterbrechen und entflechten‹:
Damit solle ›der
grenzüberschreitende transnationale Handel ….. eingeschränkt und kanalisiert
werden‹. Wie Mühlhahn
ferner feststellt, »werden
damit Prozesse der Globalisierung rückgängig gemacht. Sollten sich die
Strategen des Decoupling durchsetzen, sei mit der Entwicklung getrennter Wirtschaftsblöcke
zu rechnen; man kenne dies aus dem Kalten Krieg «.
Für Deutschland keine Option
In Deutschland haben sich bislang vor allem
führende Wirtschaftsvertreter zur Strategie des Decoupling, die von ihnen
abgelehnt wird, geäußert: Das deutsche Chinageschäft boomt ungebrochen; zwar
sind die deutschen Investitionen in den Vereinigten Staaten noch deutlich
größer als diejenigen in der Volksrepublik, doch ist letztere inzwischen
Deutschlands größter Handelspartner, und die Dax-Konzerne, die 22 % ihres Geschäfts
in den USA machen, erwirtschaften bereits 16 Prozent ihres Umsatzes in China. Ernsthafte Erschütterungen in den
Wirtschaftsbeziehungen zur Volksrepublik brächten der deutschen Industrie schwerste
Einbrüche. Zu Jahresbeginn hat der Bundesverband der Deutschen
Industrie (BDI) in einer Stellungnahme ausdrücklich bekräftigt, »eine wirtschaftliche Entflechtung von China sei
aufgrund der derzeitigen Position der deutschen Industrie auf dem chinesischen
Markt sowie aufgrund der bestehenden Potentiale [...] im Chinageschäft keine
Option: Die deutsche Industrie lehnt sie ab und sieht mit Sorge, dass das
Decoupling zur Zeit in den USA zunehmend thematisiert werde«. Der BDI schreibt: »Kooperation ist notwendig - trotz Konkurrenz«. [4]
Ein absteigender Block
Dies hindert die Trump-Administration freilich
nicht daran, das Decoupling weiter zu forcieren. Gelingt es, dann werden sich Berlin
und die EU vermutlich für eine Seite
entscheiden müssen - ebenso wie andere Staaten auch. Bezogen auf Huawei urteilt
Mühlhahn, der Konzern werde sich dann »zu
einem Unternehmen hin wandeln, das vor allem in China agiert und Kunden in
China, Asien, Afrika und Lateinamerika
beliefert«. [3] Damit
allerdings hätten Huawei und die Volksrepublik voraussichtlich die bessere
Perspektive. Die alten Industriestaaten, die mehr oder weniger eng an die USA
gebunden sind, erwirtschaften seit 2008 nicht mehr - wie zuvor -
die Mehrheit des globalen Bruttoinlandsprodukts (nach Kaufkraftparität).
Mittlerweile stehen die Schwellen- und Entwicklungsländer Asiens, Afrikas und
Lateinamerikas für 60 % der Weltwirtschaftsleistung, und ihr Anteil wächst
konstant. Fiele der ›ökonomische
Eiserne Vorhang‹
zwischen dem alten Westen und den aufstrebenden Ländern der genannten drei
Kontinente, dann hätten sich die USA und die Staaten Europas als absteigender
Block einzementiert.
Uneingeschränkte Konfrontation
Umso schwerer wiegt, worauf im Februar Chinas
ehemalige stellvertretende Außenministerin Fu Ying hingewiesen hat: Das
Decoupling; sie warnte in einer Online-Veröffentlichung der Deutschen Gesellschaft
für Auswärtige Politik [DGAP], dieses drohe die Welt wie einst im Kalten Krieg »in die Spaltung und letztlich in eine
uneingeschränkte Konfrontation zu führen«.
[5]
Dann wäre das Mindeste, sagt auch sie, womit zu rechnen
wäre, ein weiterer Kalter Krieg. [6]
Schon am 17.
5. war bekannt geworden, dass die Trump-Administration am 15. Mai den ›nationalen Notstand‹ ausgerufen hatte, um die
Nutzung von Huawei-Technologie durch US-Unternehmen zu verbieten und auch den Verkauf
von US-Produkten an den chinesischen Konzern zu untersagen. Somit bleibt es das
Ziel des Wirtschaftskriegs der Vereinigten Staaten gegen China, das Vorzeigeunternehmen,
das eine wichtige Rolle bei Chinas technologischem Aufstieg spielt, irreparabel
zu schädigen. [7]
Trumps Mann in Berlin, US-Botschafter Grenell,
drohte Deutschland mit einem Ende der Sicherheitskooperation, sollte die
Bundesrepublik chinesische Firmen am Ausbau des 5G-Mobilnetzes beteiligen, wie
es in seinem Brief vom 7. März an Wirtschaftsminister Altmaier darlegt ist; in
diesem, schreibt er, würde er Altmaier gerne auf seine Bedenken hinsichtlich
des Ausbaus des 5G-Netzwerks aufmerksam machen.
[8]
Diesbezüglich hatten auch die deutschen
Sicherheitsbehörden Ende Januar vor einer Zusammenarbeit mit Huawei beim Ausbau
des Mobilfunknetzes gewarnt. Der chinesische Staat könne dessen Technik
möglicherweise für Spionage nutzen, hieß es; das könne man nicht ausschließen.
Die USA, aber auch andere Staaten, warnen schon seit längerem davor, dass
Huawei den Westen mit heimlich eingebauter Überwachungstechnik ausspionieren
könnte. Sie werfen dem Konzern enge Verbindungen zur chinesischen Regierung
vor. Wie ferner verlautete, prüfe die Bundesregierung inzwischen, wie Huawei
vom Ausbau des neuen Mobilfunknetzes auszuschließen wäre. [9] Konkret
lautet der Vorwurf des US- Justizministeriums,
dass Huawei die US-Justiz behindere und systematische Industriespionage
betreibe. Diese Vorwürfe hat Huawei in einer Stellungnahme zurückgewiesen, während
das chinesische Aussenministerium das Vorgehen der USA als ›Schmierenkampagne‹ bezeichnet hat; das
Ganze sei politisch motiviert. [10]
Ganz sicherlich sind gerade die EU-Konzerne um
diese Konstellation nicht zu beneiden……
[1] Dan Strumpf, Mayumi Negishi: Huawei Feels U.S.
Squeeze in U.K., Japan as Partners Curb Business. wsj.com 23. 5. 2019
[2] Richard McGregor, Hervé Lemahieu: Why the US
should not simply decouple from China without building new partnerships.
scmp.com 21.11.2018.
[3] Klaus Mühlhahn: Der Abschied von der
Globalisierung. cicero.de 22. 5. 2019
[4] Partner und systemischer Wettbewerber - Wie
gehen wir mit Chinas staatlich gelenkter Volkswirtschaft um?
BDI-Grundsatzpapier China vom Januar 2019
[5] Fu Ying: »Are
the US and China ›Decoupling‹?« berlinpolicyjournal.com 6. 2. 19
[6[ https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/7948/ 24. 5. 19 Die Entkopplung der Welt
[7] https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/7940/
17. 5. 19 Deutschland im
Wirtschaftskrieg
[8] https://www.welt.de/politik/ausland/article190152543/5G-Netzausbau-Richard-Grenells-Drohbrief-an-Altmaier-im-Detail.html 13. 3. 19
[9] https://www.swr.de/swraktuell/Deutsche-Sicherheitsbehoerden-warnen-vor-Huawei,kurz-huawei-100.html 30. 1. 19
[10] https://www.srf.ch/sendungen/heutemorgen/usa-verklagen-huawei 29. 1. 19
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