Evelyn Hecht-Galinski - Peres will deutsche Juden von der Schattenseite befreien 31.01.2010 17:11
Fassungslos las ich am Samstag, den 23. Januar, das Interview mit Shimon Peres
in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Als Abonnentin dieser »liberalen« Zeitung empfinde ich es als beschämend, diesen israelischen Präsidenten seine Propagandalügen (neudeutsch PR) so ungebremst verbreiten zu lassen. Die beiden Interviewer - davon K. D. Frankenberger, der extra nach Jerusalem geflogen war, und der Israel Korrespondent der FAZ, H. C. Rößler - verpaßten die Gelegenheit, die richtigen Fragen zu stellen. Lassen Sie mich also das Interview mit Ihnen kurz gemeinsam durchgehen. Erste Frage: Natürlich der Iran und die nukleare Bewaffnung. Antwort: Die Bedrohung, die vom Iran ausgeht - natürlich für die ganze Welt, weil sie den Mittleren und Nahen Osten dominieren, den Libanon erschüttern, mit Syrien und der Hamas zusammenarbeiten und ihren religiös verbrämten Imperialismus bis nach Lateinamerika tragen. Die Wahrheit ist: Im Gegensatz zum Iran, der über keine Atomwaffen verfügt, besitzt Israel bereits Atomwaffen. Das müßte gerade der ›Vater‹ der Atombombe wissen. Nicht der Iran bedroht unsere Sicherheit, sondern Israel; nämlich alle Staaten im Nahen Osten und es stößt weltweit seine Drohungen gegen nicht genehme Regime aus. Peres spricht von der Bedrohung der religiösen Fanatiker. Sind nicht heute im jüdischen Staat die religiösen Fanatiker die größte Gefahr? Danach verlangt er Wirtschaftssanktionen gegen den Iran. Mit welcher Begründung eigentlich? Besetzt, unterdrückt und drangsaliert der Iran ein anderes Volk? Hat der Iran ein Volk seines Landes beraubt und enteignet? Dann bezeichnet sich Peres als Anhänger einer ethischen Außenpolitik. Was meint er damit? Etwa Israel als menschenrechtsverletzender und kriegerischer Staat, der ganze Landstriche mit seinen ›ethischen Waffen‹ verseucht hat? Dann geht Peres auf Carter ein, der den Russen auf einer Konferenz das Thema Menschenrechte vorhielt, denen das sehr peinlich war. Denen war es im Gegensatz zu Israel wenigstens peinlich! Dann geht er wieder auf den Iran und die UNO-Charta ein, die der Iran als Mitglied missachtet. Ja, wer missachtet denn fast jeden UNO-Beschluß und läßt die Schutzmacht USA ständig Vetos einlegen? Nur Israel! Noch verlogener wird es, wenn er fordert, sich an ›Werten‹ zu orientieren - nur die Wirtschaft und die Armeen reichen nicht, nein, die Welt muß moralisch ihre Stimme erheben. Richtig! Die Welt muß moralisch die Stimme gegen die Besatzungsmacht Israel erheben. Er hat recht: Das ist nicht nur die Aufgabe von Regierungen oder internationalen Organisationen, sondern die Stimme des Weltgewissens muß laut und deutlich zu hören sein. Wie wahr, wie wahr! Dann kommt er auf die besonderen Beziehungen zwischen Deutschland und Israel, die mehr auf Werten als auf Interessen bestehen, zu sprechen. Welche Werte sind dies? Die Werte der Unterdrückung und Besatzung? Nein, es sind die Interessen der Waffen- und der Wirtschaftslobby. Sehr interessant ist es, wie er Kanzlerin Merkel diesen moralischen Aspekt der aktuellen Themen erklären wird. Danach spricht Peres den Holocaust-Gedenktag und seine Rede vor dem Bundestag an und zitiert ausgerechnet Ben Gurion, derselbe Ben Gurion, der seinem Sohn schon in den 30er Jahren schrieb, die beste Gelegenheit, um Palästina jüdischer und weniger arabisch zu machen, seien Kriege. Das haben er und der jüdische Staat bis heute bewiesen. Und wie sagt Peres: Wer eine neue Zukunft bauen will, darf die Vergangenheit nicht vergessen. Deshalb wird den Palästinensern auch die Erinnerung an die Nakba verboten. * Dann kommt er auf deutsche Waffenlieferungen an Israel und sein gutes Verhältnis zu Strauß zu sprechen, dessen er sich natürlich nicht schämt. Dem ist nichts hinzuzufügen. Aber daß er stolz darauf ist, daß Israel konservative Parteien unterstützte, um Israel zur Selbstverteidigung beizustehen, spricht schon wieder für sich. Anschliessend greift er wieder die Public Relations (= Propagandalüge) auf. Nein, sein Holocaustgedenken soll ›ausgewogen‹ sein, ohne irgend jemanden Freude zu machen. Dieses Interview und der bevorstehende Besuch lassen schon keine Freude aufkommen! Daneben macht ihn eine Umfrage in Deutschland besorgt, laut der nämlich viele Deutsche Israel für gefährlicher halten als den Iran. Wenn es denn so ist, hätte die Arbeit der Friedensaktivisten Früchte getragen und sollte fortgesetzt werden: bis Israel zur Vernunft kommt. Peres spricht uns voll aus dem Herzen, wenn er jede Regung von Rassismus, Antisemitismus, Gewalt und Missachtung der Menschenrechte auf der ganzen Welt bekämpfen will. Wo immer das geschieht, sollten wir uns sofort dagegen erheben und nicht die Fehler der Vergangenheit wiederholen. Genau das sage ich seit vielen Jahren: Gerade auf Grund unserer Vergangenheit haben wir die Verpflichtung, nicht wegzusehen, wenn die ›einzige Demokratie‹ im Nahen Osten dies alles eklatant verletzt. Im Gegensatz zum hochbewaffneten Israel muß man heute den wehrlosen Palästinensern beistehen. Schließlich kommt er auf das deutsch-israelische Zukunftsforum zu sprechen - eine neue Idee der wissenschaftlich begleiteten Israel Propaganda, um Deutschland auch zukünftig für Israels einseitige Interessen bei der Stange zu halten. Das unterstreicht wieder den besonderen Charakter der Beziehungen im Unterschied zu allen anderen internationalen Beziehungen. Damit übt Israel wieder den moralischen Druck aus, was außer in Deutschland nicht mehr möglich ist. Klar, daß das in der jüngeren deutschen Bevölkerung nicht mehr so gut ankommt. In dasselbe Raster paßt die neue gesponserte Reise der ›Bundeszentrale für Politische Bildung‹ im Mai mit verbilligten Propagandareisen für Journalisten und Politiker nach Israel - als Geburtstagsgeschenk. Der größte Skandal verbirgt sich aber in der Antwort auf die Frage 13 (Welchen Platz sehen Sie für die jüdische Gemeinde in Deutschland? Einer Ihrer Vorgänger, Ezer Weizmann, forderte während eines Besuchs in Deutschland die Juden auf, nach Israel zu kommen.) Antwort: Der beste Ort für Juden ist Israel. Er ist besser als jeder andere Ort; das gilt auch für Deutschland. In Israel können Juden sich selbst ausdrücken, ihre Tradition fortsetzen und an ihre Vergangenheit anknüpfen. In Israel haben sie ihren eigenen Staat, der Juden einlädt, zu kommen. Heute sind sie eingeladen, Teil eines Landes zu werden, das viel zu bieten hat. Es ist ein moderner, demokratischer, lebendiger Staat. Warum sollten sie sich eher für die Schattenseiten entscheiden, wenn die Sonnenseite offensteht? Gilt das auch für Menschen mit Behinderung und für Kranke? Schon Golda Meir wollte laut Ha’aretz Einwanderer aus Polen 1958 selektieren - »die guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Gröpfchen«. Ich frage mich als deutsche Jüdin, warum sollte Israel für Juden das ›gelobte Land‹ sein? Weil im jüdischen Staat Juden endlich Besatzer, Unterdrücker und Kriegs führende Nationalisten sein können? Glücklicherweise sieht man ja, daß diese Aufrufe nicht wirken. Gerade auch die glühendsten Zionisten in Deutschland, Europa und den USA bleiben lieber dort, wo sie sind, nämlich in der Diaspora. Anläßlich eines Staatsbesuchs zur Emigration nach Israel aufzufordern, ist an Dreistigkeit und Unverfrorenheit kaum zu überbieten. Auch wenn Zentralratspräsidentin Knobloch geistig in Israel weilt, hat sie ja das Gemeindezentrum dennoch bombastisch gebaut, mit einem Hubert Burda Saal (Spende: 1 Mio €). Also, wozu die ganzen Gemeindezentren und Synagogen? Was wird aus den Rückforderungen der skandalgeschüttelten und über ihre Einkünfte lebenden Berliner Gemeinde? Der Berliner Senat fordert inzwischen 6 Mio € an zuviel gezahlten Geldern zurück. Diese kann die jüdische Berliner Gemeinde natürlich nicht zurückzahlen. Und die jüdische Gemeinde wirft - Angriff ist immer die beste Verteidigung - dem Senat wegen jahrelanger Duldung des Verstoßes gegen den Staatsvertrag eine moralische Mitschuld an der Situation vor. In der Tat - im Judentum und im jüdischen Staat wird die Moral sehr hochgehalten. Was wird also mit den Zentren und Synagogen geschehen? Werden diese zu Moscheen umfunktioniert? Das sollte ein Ansporn für den Zentralrat der Muslime sein, nämlich sich endlich als Körperschaft des Öffentlichen Rechts zu gründen. Hat der Zentralrat der Juden in Deutschland schon die Koffer gepackt? Haben gewisse jüdische Publizisten und Pornoverfasser schon ihren Umzug in den Sonnen-Judenstaat geplant? Wohl kaum, so wie hier im ›Schattenstaat Deutschland‹ könnten sie Israel nicht mehr agieren, als Gleicher und Gleichen. Als Tochter sage ich: Schon mein Vater, Heinz Galinski, hat sich dem israelischen Anliegen widersetzt, daß alle Juden nach Israel zu kommen hätten. Er vertrat immer die Meinung, jeder Jude habe das Recht selbst zu entscheiden, wo er leben möchte. Das hat er dann auch im Abkommen wegen der russischen Kontingentflüchtlinge mit Kanzler Kohl manifestiert, gegen alle Widerstände. Normalerweise müßte Peres für diese Äußerungen von deutschen Politikern gerügt werden. Dann kommt er wieder auf Arafat, das Oslo-Abkommen und seinen Friedensnobelpreis zu sprechen. Er erdreistet sich auch noch, die Palästinenser zu beschuldigen durch ihren Terror seine Wahlen verloren zu haben. Es gab nur einen, nämlich Uri Avnery, der sich verbotenerweise und heimlich mit Arafat traf. Man kann gut verstehen, warum Frau Rabin Peres nach der Ermordung ihres Mannes durch einen jüdischen Extremisten nicht mehr die Hand geben wollte und Peres auch nicht bei der Beerdigung ihres Mannes dabei haben wollte. Das spricht für sich, ebenso für die fehlgeleiteten Friedensnobelpreise - bis heute. Danach folgt das Märchen von Sharons Umzug aus dem Gazastreifen. Letzterer wurde als verbrannte Erde zurückgelassen. Es folgt die Mär vom fehlenden Friedenspartner auf palästinensischer Seite. Wie wir alle wissen, werden die Palästinenser in Israel niemals einen Friedenspartner haben. Dann beschädigt Peres die Autonomiebehörde noch mehr, indem er Ministerpräsident Fajad als Anhänger Ben Gurions outet. Schön, daß Peres den Bau einer neuen Stadt im Westjordanland unterstützt. Will Netanjahu aus diesem Grund auch nach sogenannten Friedensverhandlungen Teile des Westjordanlandes behalten, um die Grenzen weiter zu kontrollieren und damit die Zweistaatenlösung endgültig ad acta zu legen? Schließlich beleuchtet Peres das Mißverständnis über die Rolle der Amerikaner. Diese dürften bei Friedensverhandlungen nicht Partei ergreifen. Sonst wären sie selbst Teil des Konfliktes. Hört! Hört! Auf Präsident Obama eingehend, hat dieser es bei aller Selbstüberschätzung ›gut gemacht‹. Interessanterweise hat Obama in seinem letzten Times Interview zugegeben, mit seiner Nahostpolitik gescheitert zu sein. Die Fragen 17 und 18 beziehen sich auf die Sympathieverluste Israels jenseits der USA. Die frappierende Antwort: »Israel ist das beliebteste Land auf der Welt. Sie müssen nur nachzählen. Es gab nie bessere Beziehungen zur Katholischen Kirche. Die Evangelikalen sind die größten Zionisten, die es je gegeben hat. Das sind immerhin 1,3 Milliarden Menschen. Weitere 1,3 Milliarden leben in Indien, das wie Israel unter Terrorismus leidet. Wir unterhalten exzellente Beziehungen zu China. Damit sind wir schon bei fast 4 Milliarden. Die Beziehungen zu Russland werden verbessert. Dazu unterstützen uns 63 % der Amerikaner. Aber nennen Sie mir ein Land, das auf der ganzen Welt soviel Unterstützung hat wie Israel.« Das ist hohe Arithmetik des jüdischen Staates! Israel verteidigt seine Kinder - die Hamas-Kämpfer verstecken sich hinter ihren Kindern. Kein Wort und keine Frage über Israels Kriegsverbrechen und die Benutzung von Palästinensern durch die israelische Armee als Schutzschild im dichtest besiedelten Gazastreifen mit 1,5 Millionen eingepferchten und verelendeten Menschen. Zuletzt kommen noch Angriffe auf die Türkei und Rundumschläge gegen religiöse Fanatiker in Pakistan. Konsequent nennt Peres die Palästinenser immer Araber. Er spricht von 1,5 Millionen Arabern unter den insgesamt 7,5 Millionen Bürgern des Landes. Unter diesen 1,5 Millionen Arabern sind 60.000 Akademiker, die meisten davon Ärzte in israelischen Krankenhäusern. Also wieder der Mythos vom guten Zusammenleben der Juden und Araber in Israel als gleichberechtigte Bürger. Israel als ›einzige Demokratie“ des Nahen Ostens. Die Wirklichkeit ist etwas schlichter: Israel ist eine Ethnokratie und nicht ein Naher Osten als das ›Peres Paradies‹. Dieses Interview ist gelinde gesagt ein Skandal für diese liberale Zeitung. Oder ist es die späte Wiedergutmachung für Graumanns Angriffe in der Jerusalem Post, daß die FAZ aus Quotengründen in die Nähe der Jungen Freiheit gerückt wäre? Diese Beleidigung kam nach einem Israel-kritischen Artikel der FAZ. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung hat in Hans Christian Rößler einen der bestens informierten Korrespondenten, der selbst hervorragende Artikel schreibt. Das ist für mich der eigentliche Skandal: Diese Fragen von Rößler und Frankenberg - ohne weiter nachzufragen und Peres so ein Forum für seine Israel Projekt-Propaganda-Lüge zu geben. Fazit: Deutschland soll ›judenrein‹ werden und alle Juden sollen in den jüdisch-demokratischen Judenstaat auswandern. Das ist ein wirklicher Eklat, den alle Medien und politischen Mandatsträger aufgreifen sollten und über den sie sich empören sollten. Was ist das für ein Staatsbesuch, der im Vorfeld schon solche Töne anschlägt? Quelle: http://www.palaestina-portal.eu/Stimmen_deutsch/hecht-galinski_evelyn_peres_will_deutsche_juden_befreien.htm 24. 1. 2010 Kommentar 2 des Monats Januar 2010 von Evelyn Hecht-Galinski, Publizistin; Hervorhebungen durch politonline Das Interview ist auf http://madrasaoftime.wordpress.com/2010/01/23/im-interview-schimon-peres/ einsehbar: Im Interview: Schimon Peres By Time 23. 1. 2010 Klaus-Dieter Frankenberger und Hans-Christian Rößler haben für die heutige FAZ ein Interview mit dem israelischen Staatspräsidenten Schimon Peres geführt, der am 25.1.10 zu seinem ersten Besuch in Deutschland erwartet wird. * Siehe http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=701 Zum Gedenken an Al-Nakba
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