Annulliert der Bundesrat nachträglich die Ausschaffungsinitiative? - Von Nationalrat Ulrich Schlüer 07.07.2011 22:12
Funktionärsarroganz bedroht die Demokratie - Hat irgend jemand im Vorfeld der Volksabstimmung über die Personenfreizügigkeit
in dem vom
Bundesrat abgegebenen Abstimmungsbüchlein auch nur eine Silbe davon gelesen,
dass die EU-Personenfreizügigkeit ausdrücklich auch Geltung für alle
Einbrecher, Diebe, Sozialwerkbetrüger, Räuber, etc., hat? War irgendwo in
diesem bundesrätlichen Abstimmungsbüchlein zu lesen, dass mit der
Personenfreizügigkeit auch alle Verbrecher Europas frei über alle Grenzen
zirkulieren können? Und dass ihnen ein freies Wahlrecht zugestanden würde, wo
sie ihre kriminelle Tätigkeit entfalten und wo sie, falls sie dabei erwischt
würden, ihre Strafe am liebsten absitzen möchten?
Fragen über Fragen
Glaubt
irgend jemand, die Personenfreizügigkeit hätte in der Schweizer Volksabstimmung
auch nur den Hauch einer Chance gehabt, wenn die Funktionäre Berns offengelegt
hätten, dass die Personenfreizügigkeit ausdrücklich auch für alle Verbrecher im
EU-Raum Gültigkeit hat? Dass die Personenfreizügigkeit die Schweiz also auf
eine Politik des generellen «Machet-auf-das-Tor» für alle Kriminellen in Europa
verpflichtet hat?
Oder steht
die Schweiz vor einem Tatbestand widerrechtlicher Volksüberlistung? Wussten
Bundesberns juristische Funktionäre schon vor der
Personenfreizügigkeits-Abstimmung ganz genau, dass diese Personenfreizügigkeit
die Schweiz auch für alle Verbrecher Europas sperrangelweit öffnen würde?
Empfanden Sie, die juristischen Funktionäre, es aber als vorteilhafter für die
Vorlage, die Stimmbürger über solche Konsequenzen der Personenfreizügigkeit
bewusst nicht aufzuklären - weil eine tatsachengerechte Aufklärung
möglicherweise ein Nein an der Urne bewirken können hätte?
Im Vertrag
vorgesehen?
Kann uns -
weitere Frage - irgend jemand wenigstens die Stelle, den Artikel im Vertrag
über die Personenfreizügigkeit zwischen der Schweiz und der EU zeigen, aus der
klar hervorginge, dass diese Personenfreizügigkeit ausdrücklich auch für alle
Verbrecher in Europa Geltung haben soll? Oder gehört es zu den von Funktionären
selbstherrlich in Anspruch genommenen Rechten, einem Vertrag - die Funktionäre
belieben den Vorgang dann gewöhnlich als «Dynamisierung eines Vertrags» zu
bezeichnen - nachträglich ohne mit der Wimper zu zucken neue Geltungsbereiche
unterzujubeln, die anlässlich der Vertragsausarbeitung, der Vertragsunterzeichnung
und der Vertragsgenehmigung nie auch bloss am Rande erwähnt
worden sind?
Muss man
heute selbst in einem Land wie der Schweiz, deren Verfassung dem Volk im Rahmen
der «Volkssouveränität» ausdrücklich das letzte bindende Wort in allen
wesentlichen Fragen zusichert, eine Funktionärskaste akzeptieren, die sich kaltlächelnd
über das gesamte Verfassungsrecht hinwegsetzt, dies mit der Ausrede, dass
«internationale Vereinbarungen», wie immer diese auch entstanden sind, eben
«höhere Geltung» hätten als das, was da irgend welches «gemeine Volk» an der
Urne je beschlossen haben könnte. Und dass sie, die Angehörigen der
internationalen Funktionärskaste, eben das Privileg genössen, dem Volk gnädigst
mitzuteilen, was es noch dürfe, wozu es noch etwas zu sagen habe und wozu eben nicht
mehr.
Ausserhalb der
Verfassung
Die
Arbeitsgruppe des Professors Heinrich Koller, einst Chef des Bundesamtes für
Justiz, geht offensichtlich von solch neuer «dynamisierter Rechtsauslegung» in
der Demokratie aus: selbstherrlich und gelegentlich auch über alle vom Volk
beschlossenen demokratischen Regeln hinweg. Bezüglich der Umsetzung der vom
Volk an der Urne befürworteten Ausschaffungsinitiative empfiehlt diese
Arbeitsgruppe als Grundlage für die nach der Volksabstimmung zu formulierenden
Ausführungsgesetze genau jenen vom Ständerat geschaffenen und anschliessend sowohl
vom Nationalrat als auch vom Bundesrat
übernommenen Gegenvorschlag, der vom Volk in demokratischer Abstimmung in
sämtlichen Kantonen des Landes klar abgelehnt worden ist. Trotzdem will
die Mehrheit der Kommission Koller diesen Gegenvorschlag umsetzen, womit rund
85 % jener Kriminellen, die gemäss der
in demokratischer Abstimmung angenommenen Volksinitiative unser Land nach
verbüsster Strafe zu verlassen hätten, mit ausdrücklicher Genehmigung der Behörden
schlicht und einfach hierbleiben dürfen.
Die Gültigkeit von
Volksinitiativen
Zur Frage,
ob eine Volksinitiative gültig ist oder nicht, existieren hierzulande klare, in
der Bundesverfassung festgelegte Regeln: Verstösst eine Volksinitiative gegen
die Einheit der Materie oder gegen sogenannt zwingendes Völkerrecht, dann wird
sie von der Bundesversammlung, also von Ständerat und Nationalrat, für ungültig
erklärt. Beide Räte haben die Gültigkeitsfrage bezüglich
Ausschaffungsinitiative behandelt. Beide Räte erklärten die Initiative als
gültig. Ein Rekursrecht gegen ihren Entscheid gibt es nicht, aber die
Arbeitsgruppe Koller betrachtet sich als etwas Höheres als das Parlament und das
Volk und
setzt den abgelehnten Gegenvorschlag statt der angenommenen Volksinitiative um:
Eine Ohrfeige für die direkte Demokratie!
Ahnungsloser
Besserwisser
Professor
Heinrich Koller pflegte - schon lange bevor er Präsident der erwähnten
Arbeitsgruppe wurde - seine Abneigung gegen diese SVP- Ausschaffungsinitiative
seit deren Lancierung im Juli 2007 deutlich zur Geltung zu bringen. So auch am
Schalttag des Jahres 2008 in einem Vortrag am Europa-Institut zu Zürich mit dem
Titel «Stellung des Völkerrechts im schweizerischen Rechtssystem». In diesem
Vortrag schoss er scharf gegen verschiedene teils beschlossene, teils aber auch
erst hängige Initiativen, insbesondere gegen die Verwahrungsinitiative, gegen
die Minarettverbots-Initiative und gegen die Ausschaffungsinitiative. Letztere,
erläuterte Professor Koller in jenem Vortrag, sei deshalb ungültig, weil sie
die Forderung nach Familien-Ausweisung enthalte. Im Klartext: Wenn ein
Minderjähriger eine Straftat begehe, welche die Ausweisung des Kriminellen aus
der Schweiz gemäss dem in der Ausschaffungsinitiative enthaltenen
Deliktekatalog zur Folge hat, dann verlange die Ausschaffungsinitiative die
Ausweisung der ganzen Familie des minderjährigen Delinquenten, ausdrücklich
also auch von Personen, die selber nicht straffällig geworden seien. Dies sei
illegal und widerspreche dem Völkerrecht. Deshalb müsse die Ausschaffungsinitiative
zwingend für ungültig erklärt werden. So dozierte Koller am 29. Februar 2008.
Das
Auditorium schien dem Vortragenden zu glauben - bis diesem in der Diskussion
die Aufforderung übermittelt wurde, er möge den Passus, der die
Familien-Ausweisung vorsehe, aus dem Text der Ausschaffungsinitiative doch
bitte einmal vorlesen. Das gelang deshalb nicht, weil eine
entsprechende Forderung in dieser Initiative schlicht nicht enthalten war.
Sie existierte lediglich in Professor Kollers Phantasie, weshalb er sich sagen
lassen musste, dass es selbst für einen juristischen Experten wie ihn doch eher
ratsam sei, eine Initiative, bevor er im Politeifer verlange,
diese ungültig zu machen, vielleicht doch zuerst einmal in ihrem ganzen
Wortlaut zu lesen.....
Was
Professor Koller mit seiner Behauptung der in der Ausschaffungsinitiative
angeblich enthaltenen Forderung auf Familienausweisung vortrug, war nichts
anderes als Besserwisserei eines Ahnungslosen. Denn zutreffend ist, dass die angebliche
Familienausweisung in einzelnen Medien
zwar als haltlose Unterstellung erschien, nach Intervention der Initianten aber
rasch wieder verschwunden ist. Wer diese Unterstellung erfunden hat, ist heute
nicht mehr zu eruieren. Sicher aber ist, dass in der Initiative kein Wort von
Familienausweisung steht, was dem hochwohllöblichen Herrn Professor, bevor er
in besagtem Vortrag darauf aufmerksam gemacht wurde, offensichtlich entgangen
war. Trotzdem wurde Heinrich Koller als kompetent genug eingeschätzt, einer
Arbeitsgruppe vorzustehen, welche über die Umsetzung der Ausschaffungsinitiative
dem Bundesrat eigentlich Ernstzunehmendes zu übermitteln hätte.
Quelle: Der
aktuelle Freitags-Kommentar der Schweizerzeit vom 1. 7. 2011
http://www.schweizerzeit.ch/cms/index.php?page=/News/Funktionaersarroganz_bedroht_Demok-224
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