Die Aussetzung der Demokratie signalisiert eine Bewegung zum Krieg

Die Beseitigung von demokratisch gewählten Regierungen in Italien und Griechenland und ihre Ablösung durch »Bankiers-Regierungen«

rückt die Welt näher an einen dritten Weltkrieg heran. Diese Liquidierung parlamentarischer Demokratien an Europas Südflanke signalisiert den Willen der transatlantischen Eliten, keine Lösung für den Zusammenbruch des globalen Finanzsystems zu suchen, sondern Zeit zu gewinnen, während der man sich auf Krieg vorbereitet. Präsident Obama war eine Schlüsselfigur in den Coups in Italien und Griechenland. Er begrüßte Ministerpräsident Silvio Berlusconis Rücktritt zum 12. November und bezeichnete diesen als positiv. Gleiches kam von Sarkozy und Merkel. Sie   billigten die Einsetzung des Goldman-Sachs-Beraters sowie des ehemaligen EU-Kommissars Mario Monti als Leiter eines Experten-Kabinetts. Merkel trieb ihre Einmischung so weit, zu sagen, daß »das wahre Italien an der Seite von Staatspräsident Napolitano und nicht an der von Berlusconi steht.« Damit bestätigte sie die Rolle des britischen Agenten Napolitano als ausführendes Organ für Wall Street, London und Brüssel. Berlusconi wurde nicht durch eine Abstimmung des Volkes oder des Parlaments gestürzt, sondern durch finanziellen Terror. Der Kredit des italienischen Staats  und die Banken Italiens waren die Zielscheibe massiver Finanzspekulationen, die zunächst durch eine Herabstufung durch die Ratingagenturen im Mai und dann vor kurzem durch einen Beschluß der European Banking Authority ausgelöst wurde, mit dem europäische Banken gezwungen wurden, sich ihrer italienischen Staatsanleihen zu entledigen. Die Herabstufung löste die erste  Verkaufswelle aus, die im August die Zinsen für italienische Staatsanleihen auf über 5 % brachte, der zweite Schritt trieb die Zinsen auf über 7 %. Washington, London, Paris und Berlin machten Italien gemeinsam für ein drohendes Scheitern des Euros verantwortlich und warfen der Regierung  einen Mangel an Glaubwürdigkeit in den Augen der Finanzmärkte vor. Italien wurde zunehmend bevormundet, während die EU nach den Worten von EU-Währungskommissar Olli Rehn, die Macht der erweiterten Wirtschaftssteuerung an Italien ausprobierte, bevor sie ein Team von EU- und EZB-Inspektoren mit der Aufgabe nach Rom schickte, die Durchführung der EU-Maßnahmen zu überwachen. Als schließlich ein von zwei Hedgefonds, die selbst Anteilseigner sind, angeführter Run auf Berlusconis eigenes Familienunternehmen Mediaset zum Zusammenbruch der Aktien des Unternehmens um 12 % an einem Tag führte, warf Berlusconi das Handtuch und kündigte seinen Rücktritt an. Während dieser ganzen Zeit hat Staatspräsident Napolitano seine  verfassungsmäßigen Rechte mißbraucht, indem er als die wirkliche Exekutive handelte und deutlich  machte, daß er Monti nominieren würde, und zu diesem Zweck mit ausländischen Mächten konspirierte. Dem Parlament wurde lediglich gestattet, im Eiltempo ein Stabilisierungsgesetz zu verabschieden, das alle Forderungen des Geheimbriefs der EZB vom 5. 8. 11 enthielt, abzüglich der  berüchtigten Strukturreformen. Um letztere soll sich Monti kümmern, der ankündigte, daß er keine Politiker für sein Kabinett nominieren wird. 

Was Mario Monti betrifft: er ist ein eiskalter ökonomischer Hitman. In einem Fernsehinterview auf La7 am 26. 9. 11 behauptete Monti, der Euro sei ein großer Erfolg; man sehe nur den Fall Griechenland. Wie das? Weil der Euro geschaffen wurde, »um natürlich eine einzige Währung zu haben, aber vor allem, um Deutschland, das die DM für eine gemeinsame europäische Währung opferte, davon zu überzeugen, daß sich die deutsche Stabilitätskultur durch den Euro und die mit ihm verbundenen Auflagen langsam auf alle ausdehnen würde. Kann man sich ein besseres Drehbuch vorstellen« für den auf Griechenland ausgeübten Zwang, die  Stabilitätskultur anzunehmen? Auch in diesem Fall aus dem Drehbuch Griechenland ist die Demokratie außer Kraft gesetzt worden. Der neue Ministerpräsident, Lucas Papademos, ist ehemaliger Vizepräsident der EZB und Gouverneur der griechischen Zentralbank. Seit seinem Ausscheiden aus der EZB im  Jahr 2010 war er Hauptfinanzberater Papandreous. Seine Beratertätigkeit drehte sich hauptsächlich um die Durchführung des EU-Rettungspakets und dem dazugehörigen Memorandum of Understanding. Papademos ist nie in irgendein Amt gewählt worden. Darüber hinaus ist das neue griechische Kabinett eine Ansammlung ehemaliger EU-Kommissare. Die eigentliche Macht hinter dem neuen Ministerpräsidenten wird jedoch von Horst Reichenbach ausgeübt werden, der die berüchtigte Griechenland–Arbeitsgruppe der Europäischen Kommission anführt. Gemeinhin wird ihre Vergrößerung und Ausweitung auf alle griechischen Ministerien erwartet, um bei der Durchführung von Sparmaßnahmen und der Restrukturierung der griechischen Wirtschaft Beihilfe zu leisten. [1]

Was die Beurteilung der Lage innerhalb der EU angeht, so fügen wir einen Auszug aus dem Artikel Die »systemische« Krise von Friedrich Romig an, der in Wien, Graz und Aachen politische Ökonomie lehrte:

Ist von der »systemischen« Krise die Rede, so denkt jeder sogleich an die Finanzmärkte mit den Banken, die zu groß sind, um sie Pleite gehen zu lassen, an die sich auftürmenden Risiken aus Derivatgeschäften, an Hedgefonds und ihre Spekulationen gegen ganze Staaten, an die Bailouts und Rettungsfonds, die durch ihre Auflagen laut Hans-Werner Sinn, Präsident des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung in München, die Fahrt ins Verderben noch beschleunigen, statt sie aufzuhalten, oder an die Gipfelbeschlüsse zur Lösung der Euro-Krise mit immer kürzeren Halbwertzeiten. Was gestern noch tabu war: Staatspleite, Schuldenschnitt, Bailout, Staatsschuldenfinanzierung durch die EZB, Hebelung, Austritt, wird heute zur Option und in diversen Szenarios durchgespielt. Aus dem Theater um die Griechenlandhilfe ist inzwischen eine veritable Systemkrise der Euro-Zone entstanden. 80 % der Deutschen oder der Österreicher lehnen laut Umfragen die Zahlungen für Griechenland ab. Jetzt wird die Notwendigkeit oder auch Zweckmäßigkeit eines Austritts aus der Währungsunion selbst von Merkel oder Sarkozy offen angesprochen. Die Nichtbeteiligung einzelner Staaten an Rettungsschirmen oder ihrer Aufstockung wird gebilligt. Sondervereinbarungen zur Beschränkung des Haftungsrisikos sind aushandelbar (Finnland). Die Spaltung und Aufsplitterung der Euro-Zone vollzieht sich bereits. Die verzweifelten Versuche, sie durch immer neue Ankündigungen von im Detail noch auszuarbeitenden Projektenaufzuhalten, bleiben wirkungslos. Die schleichende Übertragung von Souveränitäts- und Eingriffsrechten unter so wolkigen Vorhaben wie Koordination der Wirtschaftspolitik,  Wirtschaftsregierung, Europäisches Semester, Euro plus-Pakt, Schuldenbremse, Stabilitäts- und Wachstumspakt, Selbstverpflichtung, vorbeugende Haushaltskontrolle, Verschärfung der Stabilitätskriterien, Sparauflagen, Strafzahlungen, Einsetzung von Finanzkommissären bei Schuldensündern, Durchgriffsrechte, usw., stoßen zunehmend auf Widerstand und fördern die politische Instabilität. Regierungen zerbrechen, die Bevölkerung protestiert, Gewerkschaften legen das Land mit Streiks lahm, Parlamente werden gestürmt, Banken belagert, Schaufenster eingeschlagen, Geschäfte geplündert, ganze Stadtviertel beginnen zu brennen. Mit Knüppel, Wasserwerfern, Tränengas und Gummigeschossen gelingt es der Polizei und Schutztruppen, das Versinken in der Anarchie zu verhindern, doch wie lange noch?

Das politische System wankt. Gerade einmal 13 % der Bevölkerung in Österreich haben noch   Vertrauen in die Problemlösungskompetenz der Politik [Die Presse vom 11. 11., S 1], 82 % mißtrauen den Politikern. Die von Finanztechnokraten ins Spiel gebrachten Special Purpose Vehicles, die mit Ablaufdatum 2013 versehene European Financial Stability Facility und der noch zu schaffende permanente European Stability Mechanism, konnten die Finanzmärkte nicht beruhigen. Mit ihrer Hilfe wird bloß Zeit gekauft, die grundlegenden Probleme wie Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum werden jedoch nicht behoben. Die Aufstockung des EFSF von ursprünglich 500 auf 780 Milliarden € erwies sich schon nach wenigen Tagen als unzureichend, die Hebelung auf die von der Finanzindustrie geforderten 3 Billionen € als undurchführbar. Die Öffnung der Schleusen für einen unbegrenzten Geldfluß aus der EZB zwecks Finanzierung von Staatsschulden scheint deshalb nur noch eine Frage der Zeit. Die Inflation zeigt bereits ihre Krallen. Alle diese Versuche oder Vehikel-Kreationen konnten den Geburtsfehler des Euros (Botschafter M. Scheich) nicht beheben. Ein einziger Maßanzug paßt nicht für Dicke und Dünne, Große und Kleine, es braucht schon jeder Staat seinen eigenen, für ihn passenden Anzug, d. h. seine eigene Währung. An der Unbehebbarkeit des Geburtsfehlers scheitert der Euro, denn die Vereinigten Staaten von Europa, die seine Voraussetzung sind, werden von allen Völkern dieses Kontinents mit überwältigenden Mehrheiten abgelehnt. Sie schrittweise und durch die Hintertür einzuführen, funktioniert nicht. Am Geld und beim Erben sind oft genug schon die engsten Verwandtschaften zerbrochen. Aus der EU kann nie eine Haftungs-, Schulden-, Transfer- und Fiskalunion werden, das widerspricht den unaufgebbaren nationalen Interessen ihrer Mitglieder. Gegen das Volkkann auf die Dauer nicht regiert werden. Der Stimmenzuwachs von Rechtsparteien, die sich zum Vorrang der nationalen Interessen bekennen, spricht eine eindeutige und nicht mehr überhörbare Sprache. Der Euro spaltet nicht nur die Mitglieder innerhalb der Eurozone, er vertieft auch die schon seit langem bestehenden Risse in der Europäischen Union zwischen den Euro-Zonenmitgliedern und Nichtmitgliedern, zwischen den Mitgliedern auf dem Festland und der britischen Insel. Das ganze System und Konzept einer europäischen politischen Union mit dem Endziel der Vereinigten Staaten von Europa vor Augen, wird mehr und mehr infrage gestellt.

War es eine idée fausse, wie sie einst die Kommunistische Internationale oder Kant [1] mit seiner Weltfriedensgemeinschaft pflegte ? Letztere fand immerhin im Völkerbund und in der UNO in Ansätzen Verwirklichung, doch die rund 200 kriegerischen Auseinandersetzungen seit dem Ende

des Zweiten Weltkriegs, der nun permanent gewordene Krieg gegen den Terror, die Verwerfungen in Afrika und Lateinamerika, das seit bald hundert Jahren glimmende Glutnest im Nahen Osten, jederzeit fähig, einen Weltbrand auszulösen, verweisen die Hoffnung auf Weltfrieden ins Reich der Träume. Der Kampf um Macht und Vormacht, um geistige und materielle Ressourcen, um Einfluß und Profit, wird in unserer Welt und auch unter den Völkern Europas nie enden. Sie in einem Europa der Vaterländer zusammenzuhalten, sie auf ihre Façon leben zu lassen und in Fragen des gemeinsamen Interesses zur Kooperation zu bringen, das erscheint viel richtiger und wichtiger als eine Währungs- und neuerdings Fiskalunion krampfhaft gegen den Willen der Völker durchzusetzen. Die EU sollte eine Allianz sein, that understands and values national identity and sees the diversity of Europe’s nations as source of strength, mit diesen Worten sprach der  britische Premier David Cameron am 14. November wohl fast allen europäischen Völkern aus dem Herzen. Die Systemkrise von EU, Euro und Banken führte bereits zu solchen Betitelungen, wie der Euro kollabiert, die Europäische Union zerfällt, Europa schafft sich ab, der gemeinsame Markt wird als Bedrohung empfunden, Demokratie ist Ramsch, Chaos droht. Der Zweifel an der Zweckmäßigkeit unseres auf die EU und den Euro ausgerichtete politische Systems wächst und füllt sogar schon die Spalten der Massenmedien. Dieser Zweifel hängt wohl damit zusammen, daß uns die Maßstäbe der Unterscheidung abhanden gekommen sind, was denn nun eigentlich richtig oder unrichtig, wahr oder falsch, dem Gemeinwohl förderlich oder abträglich, dem Bürger zumutbar oder unzumutbar, moralisch vertretbar oder unvertretbar, gerecht oder ungerecht ist. Wegen des Vorrangs von Moral und Ethik vor Politik und Finanz ist die Wurzel unserer systemischen Krise in der Erschütterung unseres Wertesystems zu suchen und zu finden. Wenn Staatschefs
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Recht und Verfassung brechen,
- Finanzminister Steuern hinterziehen und sich an der Geldwäsche beteiligen,
- Innenminister  Lobbyismus betreiben,
- Verteidigungsminister für Rüstungskäufe Provisionen scheffeln,
- Landeshauptleute und Bürgermeister mit Derivaten spekulieren,
- die Bundesbahnen öffentliche Gelder verschieben, statt in ihre Infrastruktur zu investieren,
- Gewerkschaften ihre Streikfonds ausräumen lassen,
- Verbund und Länder unsere Kraftwerke verhökern,
- unsere Großbanken das ihnen anvertraute Volksvermögen im Ausland versenken, statt im Inland zu investieren oder dabei zu helfen, die  Auslandsschulden des Staates abzubauen,
- Pensionskassen Angespartes verspielen, 
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Wohnbauförderungsfonds durch Finanzwetten Verluste von Hunderten Millionen Euro einfahren, 
dann ist die Frage berechtigt, was in unserem Staate eigentlich noch gilt?
Nur noch Korruption? Nur noch Lug und Trug? Nur noch das gebrochene Wort?


[1] Strategic Alert Jahrgang 24, Nr. 46 vom 16. November 2011

[2] Die »systemische« Krise  von Friedrich Romig  - auszugsweise. Das jüngstes Buch von Romig »Der Sinn der Geschichte« erschien 2011 im Regin-Verlag, Kiel; die Vernachlässigung des nationalen Interesses thematisiert der Autor in »Die Rechte der Nation« L. Stocker-Verlag, Graz 2002

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