Syrien 26.02.2012 23:32
Heutigen Meldungen zufolge läuft die Volksabstimmung über eine neue Verfassung inmitten anhaltender Gewalt ab.
Die Reform
sieht vor, die Monopolstellung der regierenden Baath-Partei abzuschaffen; die Opposition
allerdings befürchtet, dass die Macht des Präsidenten damit kaum eingeschränkt
werden wird. Die Entwicklung der Lage dürfe auch davon abhängen, ob die
Versuche der Staatsführung, einen bürgerlichen Dialog zu beginnen, politische
Reformen durchzuführen und dem bewaffneten Flügel der Opposition die Unterstützung
zu entziehen, erfolgreich enden. Der Frieden in Syrien, merkt Alexej Pilko an
[1], hängt aber auch davon ab, ob und wann die internationale Gemeinschaft die
einfache Tatsache begreifen wird: Die Ereignisse in diesem Land entsprechen
nicht unbedingt dem von den Medien gezeichneten Bild. Laut Syriens
Vizepräsidentin Nadschah al-Attar und Vizeaußenminister Faisal Mekdad üben vor
allem die Türkei, Katar, Israel und die USA den grössten Druck auf Syrien aus;
in Damaskus wird insbesondere die USA als Strippenzieher hinter der
Syrien-Krise gesehen. Dabei wird betont, dass Washington und Tel Aviv nicht
Syrien, sondern vor allem den Iran ins Visier genommen haben: Syrien soll
destabilisiert werden, damit der Iran bei einer Militäroperation seitens
Israels oder der USA kein Gegenspiel im Nahen Osten aufziehen kann. Welche
Rolle Israel bei den Ereignissen in Syrien wegen der Besetzung der Golanhöhen
spielt, ist ein heikles Thema. So gibt es syrischen Spitzenbeamten zufolge Beweise
für Verbindungen zwischen den syrischen Muslimbrüdern und der israelischen
Regierung. [1]
Die USA und Al-Kaida:
Seltsame Verbündete in Syrien
Laut Strategic Alert veröffentlichte der ›McClatchy News Service‹ am 10. 2. einen Bericht des
Washingtoner Korrespondenten Jonathan Landay, wonach Beamte der
US-Nachrichtendienste bestätigten, dass die Bombenanschläge in Damaskus und
Aleppo, die Hunderte ziviler Opfer forderten, vom irakischen Zweig der Al-Kaida
ausgeführt wurden. Die Angaben der US-Dienste »bestätigen offenbar die Vorwürfe des
syrischen Präsidenten Assad, daß Al-Kaida in den seit 11 Monaten andauernden
Aufstand gegen seine Herrschaft verwickelt sei.« Das bedeutet, dass sich Barack Obama
einerseits damit brüstet, unter seiner Präsidentschaft Bin Laden getötet zu
haben, andererseits aber in Syrien im Tandem mit dem Terrornetzwerk, dem die
Anschläge vom 11. 9. 2001 zur Last gelegt werden, arbeitet. Die
US-Militärführung hat hier allerdings Skrupel. Nun hat jedoch ›EIR‹, die Executive Intelligence Review, die Allianz der
anglo-saudisch kontrollierten Al-Kaida-Terroristen
mit der Regimewechseloperation von USA, Briten und EU schon lange vor diesen
jüngsten Berichten identifiziert. Nach Meinung des US-Generalstabschef Martin Dempsey
wäre es verfrüht, eine Entscheidung, die Oppositionsbewegung in Syrien zu bewaffnen,
zu fällen: »Ich
würde zuerst jeden auffordern, klar zu identifizieren, wer die
Oppositionsbewegung in Syrien an diesem Punkt überhaupt ist.« Möglicherweise
gebe es eine Auseinandersetzung zwischen Schiiten und Sunniten um die
Vorherrschaft in der Region. »Es gibt Hinweise darauf, daß Al-Kaida daran
beteiligt und daran interessiert ist, die Opposition zu unterstützen.« Dempsey
betonte auch, dass die Lage in Syrien völlig
anders sei als die in Libyen. Syrien verfüge über hochwirksame militärische
Kapazitäten und über chemische und biologische Kampfstoffe. »Sie
haben kein Interesse und keine Absicht bekundet, diese einzusetzen, aber
militärisch gesehen ist dies ein ganz anderes Problem.« Auch der Geheimdienstkoordinator
James Clapper räumte am 17. 2. vor dem Streitkräfteausschuss des US-Senats ein,
dass Al-Kaida gegen Assad aktiv ist. Die Selbstmordanschläge richteten sich
gegen Sicherheits- und Geheimdiensteinrichtungen und »trugen
alle Merkmale eines Al-Kaida-artigen Anschlags. Daher denken wir, daß Al-Kaida
im Irak ihren Aktionsradius auf Syrien ausdehnt.« [2] Wie einem Bericht in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 17.
2. zu entnehmen war, bezeichnete Leon Panetta bei einer Pressekonferenz mit Thomas
de Maizière im Pentagon das Einsickern von Al-Kaida-Kämpfern in Syrien als ›besorgniserregend‹. Unklar sei aber noch, welche Rolle die Extremisten spielten. Der
aus Ägypten stammende und vermutlich im Nordwesten Pakistans versteckte Al-Kaida-Chef
Ayman al Zawahiri hatte am Wochenende [11. / 12. Februar] zur Unterstützung der
Revolte in Syrien aufgerufen. [3]
Weiteren Berichten
zufolge leisten ehemalige libysche Aufständische dem Westen in Syrien exklusive
Dienste. Die österreichische Tageszeitung Die
Presse bestätigt nun, was unterschiedliche Quellen bereits zuvor vermeldet
hatten: Der libysche Islamist Abd al Hakim Belhaj, der mit seinen Truppen eine
wichtige Rolle bei der Eroberung von Tripolis gespielt hatte und danach zum
Militärchef der libyschen Hauptstadt ernannt worden war, kämpft zur Zeit
offenkundig gegen das Regime Assad. Belhaj habe bereits im vergangenen Herbst
über Ägypten Waffen nach Syrien geschmuggelt, berichtet das Blatt unter
Berufung auf westliche Geheimdienste. Nun hätten gut 250 Milizionäre,
mittlerweile möglicherweise sogar 600, unter seiner Führung ›vom türkisch-syrischen Grenzgebiet aus
den Kampf gegen Assad aufgenommen‹.
Sie würden ›immer wieder nach Syrien
eindringen‹. Damit leistet der
militante Islamist, der im ›Anti-Terror-Krieg‹ von der CIA festgenommen und in
libysche Folterhaft verschleppt worden war, seinen neuen westlichen Verbündeten
nach der Eroberung von Tripolis einen zweiten militärischen Dienst. [4]
In einem
mit Günter Meyer, dem Orientexperten der Universität Mainz, zur Situation in
Syrien geführten Interview legt dieser folgendes dar: »Wir haben es mit einem massiven Eingreifen von außen zu tun.« Gerade das, was auch von westlichen Medien immer wieder hervorgehoben
wird, daß es sich einzig und allein darum handelt, daß eine repressive
Herrschaft der Alewiten friedliche Demonstranten niederschießt, stimmt überhaupt nicht. Es ist ganz
offensichtlich, daß wir es mit einer
bewaffneten terroristischen Organisation zu tun haben, die ebenfalls für einen
sehr großen Teil der Toten im Lande
verantwortlich ist. Das heißt, wir haben eine
klare Anti-Sichtweise gegen das Regime, eine Sichtweise, die durch die
Interessen - insbesondere der USA - aber auch durch die westlichen Verbündeten
England, Frankreich, nicht zuletzt auch Deutschland, massiv gestärkt wird. Es
geht in erster Linie darum, die Achse ›Iran-Syrien-Hisbollah‹ auszuschalten. Wenn man Syrien ausschaltet,
bedeutet es, daß keine Waffen mehr aus dem
Iran über Syrien an die Hisbollah geliefert werden und dann gegen Israel
eingesetzt werden können. Es ist ganz offensichtlich, daß Assad ein repressives Regime hat und daß er gewaltsam gegen Demonstranten vorgegangen ist.
Nur hat sich der regional begrenzte Konflikt innerhalb kürzester Zeit in einen
globalen Konflikt ausgeweitet, in dem nicht nur die westlichen Mächte ihre
Interessen haben, sondern in dem die arabischen Staaten, allen voran Katar und
Saudi-Arabien, ganz genauso ihre Interesse haben, um auf diese Art und Weise
ebenfalls eine Schwächung des Irans erreichen zu können. Das heißt, wir haben es nicht mehr mit einem isolierten
Konflikt zu tun, sondern mit einem massiven Eingreifen von außen. So haben wir nicht zuletzt Berichte darüber, daß - von der
CIA initiiert - etwa 600 Mudschaheddin
aus Libyen eingeflogen worden sind. CIA-Beamte, genauso Geheimdienstbeamte aus
Frankreich und Großbritannien, bilden
Oppositionelle aus und rüsten sie in der Nähe von Iskendria, nahe der syrischen
Grenze, mit den Waffen aus, die aus den Arsenalen von Gaddafi herübergebracht werden,
um hier einen Bürgerkrieg zu initiieren und das Land insgesamt zu schwächen. Was
bei uns in den Medien nicht genannt wird, ist zum Beispiel die Tatsache, daß Assad nach wie vor die Mehrheit des syrischen
Volkes hinter sich hat, und diese Untersuchung ist ausgerechnet von Katar
durchgeführt worden, von der Katar-Stiftung, in der klar gezeigt worden ist, daß 55 % der syrischen Bevölkerung nicht die Ablösung
von Assad wünschen. Das wird bei uns in den Medien überhaupt nicht dargestellt. Assad
wird auf jeden Fall noch etliche Monate an der Macht bleiben. Viel wird davon
abhängen, in welchem Maße ausländische Kräfte
im Land intervenieren und dadurch die Situation noch wesentlich verschärfen,
und zwar nicht nur begrenzt auf Syrien, sondern auf die gesamte Region. [5]
»Ausländische Kräfte unterstützen den Aufstand«
Der
ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete Jürgen Todenhöfer besucht Syrien so oft er
kann, manchmal mehrmals im Jahr. Er hat ein Buch über Syrien und den Irak
geschrieben, das auch in Arabisch übersetzt wurde. Es beginnt beim Hakawati,
dem Märchenerzähler an der Omaijaden-Moschee in Damaskus. Wie er erklärt, ist
Syrien die Wiege unserer Zivilisation und Damaskus eine der schönsten Städte
Arabiens. In der Omaijaden-Moschee ist der Kopf von Johannes dem Täufer
begraben, in Damaskus wurde Saulus zu Paulus. Vor einem Monat reiste er fast 4 Wochen
lang durch das Land. Er konnte sich ungehindert bewegen. Er war in Damaskus,
aber auch in Homs, Hama und Daraa, den Orten, die seit fast einem Jahr wegen
blutiger Auseinandersetzungen zwischen den Sicherheitskräften des Regimes und
Aufständischen Schlagzeilen machen. Er hat sich auch mit Assad getroffen; der
Autor plädiert für eine neutrale Sicht auf den Konflikt. Aus seinem mit Carolin
Brühl von der Tageszeitung »Die Welt« geführten Interview geht u.a.
folgendes hervor:
Carolin
Brühl: Assad hat für März eine
Volksabstimmung über eine neue Verfassung angekündigt. Wie ernst ist diese
Initiative zu nehmen? Lenkt Assad eigentlich selbst die Geschicke in seinem
Land?
Jürgen
Todenhöfer: Ich glaube, daß er der mächtigste
Mann im Land ist. Und daß er durch die Krise
stärker geworden ist. In einer Krise entscheidet sich, ob man die Dinge an sich
ziehen kann oder eher anderen übergeben muß.
Mir scheint, daß Assad die Richtung der Politik
inzwischen klar vorgibt. Ich glaube, daß diese
Volksabstimmung über eine demokratische Verfassung seine Idee ist. Assad hat,
als er vor zehn Jahren an die Regierung kam, versucht, das Land zu
modernisieren. Er ist dabei auf viele
Schwierigkeiten gestoßen. Im Westen wurde ja
eine Zeitlang der Vorwurf erhoben, er habe etwas mit dem Mord an dem früheren
libanesischen Ministerpräsidenten Hariri zu tun. Heute ist es erwiesen, daß es nicht so war. Assad ist jedenfalls mit dem
Bemühen, das Land umzugestalten, nicht so weit gekommen, wie er es vorgehabt
hatte. In Ländern wie Marokko, Saudi-Arabien oder Syrien gibt es starke
beharrende Kräfte. Assad hatte nicht nur das Hariri-Problem, er mußte anschließend
auch die syrischen Truppen aus Libanon abziehen. Das alles hat zu einer
innenpolitischen Situation geführt, in der es schwer war, grundlegende Reformen
gegen die beharrenden Kräfte durchzusetzen. Assad hat mir ausdrücklich gesagt,
daß er Demokratie in Syrien für «zwingend»
hält. Und daß die Erarbeitung einer
demokratischen Verfassung dabei eine große
Rolle spielen müsse.
C.B.: Will er auch auf das Primat seiner
Baath-Partei verzichten?
J.T.: Er
hat mir gegenüber betont, alle Parteien würden zugelassen. Die Volksabstimmung
im März ist für ein autokratisches Land wie Syrien eine revolutionäre
Entscheidung, weil Assad dadurch die Entscheidung über die Zukunft des Landes
in die Hände des Volkes legt. Das Volk hat ja nicht nur die Möglichkeit, diese
Verfassung anzunehmen, es kann sie auch ablehnen. Ich kenne nicht viele
autokratische Herrscher, die eine solche Volksabstimmung wagen würden.
C.B.: Das heißt,
Sie glauben an den Veränderungswillen Assads, und Sie glauben, daß das ein realistischer Weg für das Land sein kann?
J.T.: Je
stärker der Westen auf ihn einprügelt, desto schwerer wird es für Assad. Mir
hat ein marxistischer Oppositionspolitiker, der unter Assads Vater 14 Jahre im
Gefängnis saß, gesagt, der einzige, der Syrien
auf friedlichem Weg in die Demokratie führen könne, sei Assad. Auch weil die Mehrheit
der Syrer noch immer einen großen Unterschied
zwischen Assad und dem System mache. Die Lage in Syrien ist sehr komplex.
Obwohl überraschenderweise nicht nur Assad-Gegner, sondern auch Assad-Anhänger
lautstark Demokratie fordern. Demokratie ist in Syrien inzwischen weitgehend
unstreitig. Die syrischen Aufständischen wollen natürlich auch Demokratie,
allerdings ohne Assad. Es gibt also friedliche Demonstrationen für und gegen
Assad, aber immer für Demokratie. Allerdings gibt es auf beiden Seiten auch
bewaffnete Einheiten, die sich gnadenlose militärische Auseinandersetzungen
liefern. Dabei werden immer wieder Zivilisten getötet. Das ist völlig
inakzeptabel und wird zu Recht hart kritisiert. Das sind bürgerkriegsähnliche
Auseinandersetzungen. Wir bekommen im Westen immer nur zu hören, welche Untaten
die staatlichen Sicherheitskräfte verüben. Aber die Untaten der anderen Seite
werden totgeschwiegen. Die internationale Berichterstattung ist
extrem einseitig.
C.B.: Warum läßt
Assad dann keine Journalisten im Land zu, die ein objektiveres Bild zeichnen
könnten?
J.T.: Das
ist ein großer Fehler der Regierung. Ich habe
den Wert des freien Journalismus noch nie so stark gespürt wie in Syrien. Zur Zeit
hat die Opposition in Syrien ein Informationsmonopol, das sie über al-Jazira
und al-Arabia gnadenlos ausübt. In Homs z.B. gibt es 4 Satellitenstationen, denen
jeder Handyfotograf in Sekundenschnelle seine Bilder übermitteln kann. Das wird
verständlicherweise auch genutzt.
C.B.: Wie sieht es mit dem freien Zugang ins
Internet aus?
J.T.: In
Sachen Internet ist Syrien eines der am weitesten entwickelten Länder der
arabischen Welt. Das hat Assad übrigens persönlich angeordnet. Wenn Sie in ein
Restaurant gehen, haben Sie fast überall sofort kostenlos Wireless-Lan und können
Ihre e-mails empfangen. Vor ein paar Wochen ging trotzdem die Meldung durch die
Welt-Presse, dass iPhones jetzt in Syrien verboten seien. Ich habe darauf in
Damaskus angerufen und meinen Gesprächspartner danach gefragt. Er lachte: «Sie
rufen mich doch gerade auf meinem iPhone an.» Die Hälfte der Meldungen zu
Syrien sind falsch.
C.B.: Kennen Sie weitere Beispiele?
J.T.: In
der Weltpresse wurde während meines Aufenthaltes in Damaskus gemeldet, daß das Hauptquartier der Baath-Partei angegriffen und
schwer beschädigt worden sei. Es habe einen Toten gegeben. Mich hat das sehr
beeindruckt. Bis dahin war Damaskus für mich eine sichere Stadt, in der es sogar noch einige Touristen gab. Ich
bin daher am nächsten Tag zu dem Gebäude hingefahren. Zwei freundliche
Polizisten standen vor dem unversehrten Gebäude. Als ich fragte, wo denn die
schweren Beschädigungen seien, haben sie mir zwei zerstörte Glasscheiben in der
Eingangshalle gezeigt, in die jemand einen Knallkörper geworfen hatte. Bei
meinem Besuch in Homs habe ich gesehen, daß die
Marktstände mit Essen und Gemüse gefüllt waren. Auch ich habe da eingekauft.
Ein paar Tage später las ich in der Weltpresse: «Humanitäre Katastrophe in Homs».
Ich bin kurz danach noch ein zweites Mal in die Stadt gefahren und habe mich
dort mit Rebellen getroffen. Ich treffe mich immer mit beiden Seiten. Ich habe
sie nach der «humanitären Katastrophe» gefragt. Sie haben lachend zugegeben: «Das
haben wir lanciert.» Sie waren ganz stolz. Wenige Tage später wurde in
Homs ein Bus mit jungen Alawiten von Motorrädern gestoppt. Die jungen Männer
wurden von den Angreifern aus wenigen Metern exekutiert. Nur einer hat
überlebt. Er schilderte, daß die Täter
bewaffnete Rebellen waren. Der Angriff war ein Signal an Assad, der auch Alawit
ist. Am Abend hieß es trotzdem in den
Nachrichten von al-Jazira, Assad habe in Homs wieder einmal unschuldige junge
Männer umbringen lassen. Mich erinnert die Berichterstattung aus Syrien in
erschreckender Weise an die Berichterstattung vor Beginn des Irak-Kriegs. Die
Berichterstattung des syrischen Staatsfernsehens ist allerdings auch nicht
besser.
C.B.: Woher bekommen denn die Rebellen ihre
Unterstützung? Sind es feindlich gesinnte Nachbarländer wie Saudi-Arabien und
Katar, die sich ja auch schon in Libyen engagiert haben? Ist dieser Konflikt
auch ein innerislamischer Konflikt?
J.T.: Ich
war vier Wochen im Land. Trotzdem weiß ich, daß ich vieles nicht gesehen habe. Aber ich habe
gesehen, daß dieser Aufstand nicht immer
friedlich ist. Es gibt Kräfte im Ausland, die dem gewalttätigen Teil des
Aufstands schwere Waffen zur Verfügung stellen. Da ist die heißeste Spur Katar. Katar war auch der große Waffenlieferant in Libyen. Die Amerikaner greifen nicht
direkt ein, der bewaffnete Widerstand wird über arabische Nachbarstaaten
organisiert, vor allem über Katar und Saudi-Arabien.
C.B.: Ist das dann so eine Art
Stellvertreter-Krieg?
J.T.: Das
weiß ich nicht. Ich bin auch kein Anhänger von
Verschwörungstheorien. Aber im Hintergrund steht der Versuch der USA, einen
«Greater Middle East» zu schaffen, in dem es nur noch linientreue,
pro-amerikanische Staaten gibt. Die USA betrachtet die gesamte Region als
ihr Revier. Von Kissinger stammt der Satz, daß
Öl viel zu wertvoll sei, als daß man es den
Arabern überlassen dürfe. Ich habe große
Sympathien für das demokratische Amerika, aber im Nahen Osten geht es der USA
nicht um Demokratie. Sonst müßten sie
ja auch die Demonstrationen in Saudi-Arabien, Katar und Bahrain unterstützen,
aber dort unterstützen sie die diktatorischen Regierungen.
C.B.: Wie wird es Ihrer Einschätzung nach
weitergehen in Syrien?
J.T.: In
Syrien wird es eine Demokratie geben - wie in der gesamten arabischen Welt.
Gewalt gegen die dafür friedlich Demonstrierenden ist inakzeptabel. Aber als
ich Assad fragte, warum nicht auch die Gewalt gegen die bewaffneten Rebellen wenigstens
für eine bestimmte Zeit eingestellt werden könne, fragte er mich, ob ich ihm
ein westliches Land nennen könnte, das es zuließe,
daß jeden Tag 20 bis 30 seiner Soldaten
getötet würden. Würde Frau Merkel das akzeptieren? Ich hatte darauf keine
Antwort. Ich habe ihm gesagt, daß er dennoch
einen Dialog führen müsse, auch mit den extremen Kräften. Nur über einen Dialog
könne es einen Waffenstillstand geben. Er müsse sich an die Spitze der Demokratiebewegung
stellen, um Frieden und Demokratie zu erreichen.
C.B.: Was hat er darauf geantwortet?
Das
Wichtigste sei, daß eine wirklich
demokratische Verfassung erarbeitet werde, und das Volk darüber entscheiden
könne. [6]
»Hinter den hysterischen Reaktionen auf die
russisch-chinesische ›Blockadepolitik‹ steht die Angst der Westmächte, die Oberhoheit über den ›arabischen Frühling‹
wieder zu verlieren«, legt Werner Pirker in der jungen Welt dar und führt Christoph Prantner an: Dieser beklagt im Standard, der österreichischen
Tageszeitung, daß ›Moskaus
Starrsinn‹ ›den arabischen
Umbruch seine Richtung verlieren ließe‹. ›Go west‹ hat die
Richtung offenbar gelautet. ›Denn die
vielen Initiativen, dem arabischen Übergang eine Richtung zu mehr Demokratie
und Freiheit zu geben, fahren sich fest‹, so Prantner.
Hierzu Pirker: Wie die sich ihre Welt zurechtlügen!
Die gleichen, die aus Angst vor der antiimperialistischen›arabischen Straße‹ über
Jahrzehnte mit den reaktionärsten, demokratiefeindlichsten arabischen Regimes
verbündet waren, spielen sich jetzt als Ideengeber und Schutzherren des
arabischen Umbruchs auf. Und das nach wie vor im Bündnis mit den Todfeinden der
arabischen Demokratie. Mit Saudi-Arabien, dessen Einmarsch in Bahrein die
arabische Konterrevolution eingeleitet hat. Mit Katar, das sich an der
Aggression gegen Libyen direkt beteiligt hat und nun am lautesten für eine
Militärintervention in Syrien trommelt.« [7]
[1] http://www.berlinerumschau.com/news.php?id=45070&title=Falsches+Bild+von+der+Syrien-Krise&storyid=1001330163682 25. 2. 12 Falsches Bild von der Syrien-Krise
– Von Alexej Pilko
RIA Nowosti, de.rian.ru
[2] Strategic Alert Jahrg. 25, Nr. 8 vom 22. Februar 2012
[3] http://www.faz.net/aktuell/politik/arabische-welt/amerikanische-geheimdienste-al-qaida-unterwandert-syrische-opposition-11653683.html 17. 2. 12
[4] http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/58274 22. 2. 11 Europas Wächter
[5] Quelle: Interview auf ›Radio Bayern2‹ vom
19.1.2012
[6] Quelle:
Welt Online vom 10. 2. 2012
Nachdruck mit freundlicher Genehmigung von Dr. Jürgen Todenhöfer
Siehe http://www.zeit-fragen.ch/index.php?id=677 - auszugsweise
-
«Ausländische Kräfte
unterstützen den Aufstand» Zeit-Fragen 2012 Nr.8 vom 20.2.2012
Jürgen
Todenhöfer studierte Rechts- und Staatswissenschaften an den Universitäten
München, Paris, Bonn und Freiburg. Er promovierte an der Universität Freiburg.
1972 wurde er als Direktkandidat der CDU in den Deutschen Bundestag gewählt.
Dort war er Abgeordneter bis 1990 und entwicklungspolitischer Sprecher der
CDU/CSU-Fraktion. Mehr Informationen über Jürgen Todenhöfer findet man auf
seiner Internetseite www.juergentodenhoefer.de
[7] http://www.jungewelt.de/2012/02-11/003.php 11. 2. 12
Der Schwarze Kanal
- Demokratie-Kartell - Von
Werner Pirker
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