Zum Thema Schule und Sprache 25.03.2012 00:23
Gerät eine Einrichtung in eine Krise, wächst der Hang zur Schaffung neuer Leitungsstrukturen und Kontroll-Instanzen.
Die
Schulleitungen an der Volksschule sind aus einer Krise entstanden, die von
einem akutem Lehrermangel, zunehmenden Elternklagen, einer ausufernden
Reformitis und Bürokratisierung des Schulbetriebs gezeichnet war. Brachten die
Schulleitungen etwa eine Besserung? Fakt ist, dass in Zeiten akuten
Lehrermangels vor allem dem Unterricht mehrere hundert Lehrkräfte entzogen wurden.
Denn Schulleiter
stehen höchsten noch stundenweise im Schulzimmer. Im Kanton Zürich
wurde daraus ein eigener Beruf – mit akademischem Master-Abschluss. Der
Schulleiter hat nur noch ›Leitungsaufgaben‹. Wie kann also jemand, der selber keinen
Unterricht mehr erteilt, die Unterrichtserteilung ›seiner‹ Schule nach
aussen hin vertreten? Richtig! Er muss den Unterrichtsbetrieb reglementieren, ›harmonisieren‹
– wie
die Gleichschaltung beschönigend umschrieben wird. Und er muss einen
Kontroll-Apparat mit Fragebögen und Formularen schaffen, um sicher zu sein,
dass seine Harmonisierungsanordnungen greifen. Mehr Formulare, mehr
Kontroll-Bürokratie: Profitiert davon der Unterricht? Nein - und
die Lehrer werden zu Formular-Ausfüllern bis zum Geht-nicht-Mehr degradiert.
Frust ist das Resultat.
Machtstellung
Können die
Schulleiter die ›lohnwirksame
Lehrerbeurteilung‹ an sich reissen,
können sie ihre Macht erst richtig ausspielen: Wer nicht spurt, muss länger auf
Aufstufungen warten als ›pflegeleichtere‹ Kollegen. Macht bahnt dem Mobbing die Bahn.
Ob die Unterrichtsqualität davon profitiert? Die Bildungsdirektionen nutzen die
Schulleiter als Transmissionsriemen für ihre unzähligen Reform-Projekte. Die
Schulleiter haben im Schulhaus umzusetzen, was die Bildungsdirektion anordnet. Früher
wurde der Schulbetrieb von den örtlichen, vom Volk gewählten Schulbehörden
geprägt. Diese bremsten, wenn die Reformitis überbordete. Sie verhinderten die
Umsetzung von Unsinnigem, Übertriebenem. Erst mit der Schaffung der Schulleiter
brach sich die Reformitis Bahn, nach der Ausschaltung der gewählten Behörden. Seither
jagt eine Reform die nächste. Neue werden begonnen, noch bevor vorhergehende
Reformen, welche die Erwartungen kaum je erfüllt haben, ausgewertet wurden.
Tatsache
ist auch, dass an der Schulleiter-Karriere besonders auch jene Lehrer
interessiert sind, denen Erfolg im Klassenzimmer versagt blieb. Sie beherrschen
zwar die Theorie, aber es fehlt ihnen die Fähigkeit zur Klassenführung, die unabdingbare
Voraussetzung für eine zielerreichende Unterrichtserteilung. Ob es gut kommt,
wenn Lehrer, die sich vor der Klasse als wenig erfolgreich erwiesen, die Führung
über erfolgreichere Kolleginnen und Kollegen übernehmen? Die Schulleiter, von den Bildungsdirektionen zur Entmachtung
der gewählten Behörden gedacht, sind und bleiben Fremdkörper in der
Volksschule: Werkzeuge zur Zentralisierung und Entdemokratisierung der Volksschule.
Die
Schulleitungen bescheren der Volksschule Bürokratie, Frust und Unfrieden. Ein
von der Lehrerschaft auf Zeit gewählter Kollege als Schulvorstand – dies ohne
eine lohnwirksame Kollegenbeurteilung – als Hauptgesprächspartner der
Schulpflege: Das ist das bessere System. Mehr Unterricht statt mehr Bürokratie,
mehr Methodenfreiheit statt Gleichschaltung der Lehrer: Das bürgt für die
Qualität der Volksschule. Die Abschaffung der Schulleitungen ist daher
überfällig. [1]
Was nun die Frage der Zulassung zum Gymnasium angeht, so sind Reformen im
Gang, die von einer pauschalen Absage an Leistungsforderungen geprägt sind. Der
Kanton Zürich will für die ›neue Gymnasialbildung‹ offenbar eine Pionierrolle übernehmen. Für das sich
an die sechste Primarklasse anschliessende Langzeit-Gymnasium werden die mündlichen Prüfungen abgeschafft.
Diese seien für die Schüler «ungewohnt». Das ist nichts anderes als eine
Konzession an die «Hey-Mann-Generation»: Die Forderung, dass angehende Gymnasiasten
nach 6 Jahren Primarschule zu einer korrekten Sprachanwendung fähig sein
sollten, dass sie einen Inhalt in ganzen, richtig aufgebauten Sätzen zu
formulieren in der Lage sein müssten, wird offensichtlich ersatzlos gestrichen.
Die korrekte Anwendung der deutschen Sprache ist in der Primarschule offenbar kein
Ausbildungsziel mehr. Das Sprechen in abgehackten, mit Slang-Ausdrücken gespickten
Wortfetzen lässt die Volksschulverantwortlichen kapitulieren. Früher Fremdsprachen-Unterricht bleibt Trend.
Die Pflege der Muttersprache wird umso bedenklicher vernachlässigt.
Die Abwertung des Deutschunterrichts hat weitere Konsequenzen: Der ›gute alte Aufsatz ‹ wird für
die Gymi-Prüfung gestrichen. Wer seine Sprache mündlich nicht korrekt anwenden
kann, von dem kann das selbständige Formulieren logischer Gedankengänge zu
einem vorgegebenen Thema innert einer Stunde natürlich auch nicht mehr verlangt
werden. Fortan werde an der Aufnahmeprüfung nur noch ein gewisses ›Textverständnis‹ geprüft.
Selbständiges Formulieren eines Textes kann angehenden Gymnasiasten also nicht
mehr zugemutet werden.
Nivellierung nach unten
Auch auf das sich an die Sekundarschule anschliessende Kurzzeit-Gymnasium
warten Neuerungen: ›Chancengleichheit‹ müsse geschaffen werden. Nebst Schülern der
Sekundarschule I (Niveau A) müsste auch solchen des Niveaus B das Gymnasium
fortan offenstehen. Die leistungsverflachende Nivellierung nimmt damit ihren
Fortgang. Die Abteilung A (Sek I) ebnete ursprünglich intellektuell begabten,
leistungsstarken Schülern den Weg ins Gymnasium oder in intellektuell
anspruchsvolle Berufslehren. Die Abteilung B (Sek II) wurde für weniger intellektuelle,
dafür aber praktisch Begabte geschaffen: mit viel handwerklich-praktischem
Unterricht, der tüchtige Handwerker und Berufsleute heranwachsen liess. Mit der
Akademisierung der Lehrerausbildung verschwand der Unterricht im ›Werken‹ nach und nach. Jetzt nivelliert man unter Vorwand der
Chancengleichheit auch die Leistungsanforderungen auf der Oberstufe.
Dabei schielt man aufs Ausland: Andere Staaten, denen unser System der Berufslehre
gänzlich fremd ist, hätten mehr Maturanden als wir. Dass es dort auch viel mehr
arbeitslose Studierte gibt, wird ausgeblendet. Es diktiert oberflächliche
Statistik. Gefährdet wird damit unsere weltweit anerkannte
Oberstufen-Ausbildung, die unterschiedlich Begabten bis heute je
unterschiedliche, aber auch je exzellente Bildungswege angeboten hat. Ist
Nivellierung der Bildungswege das, was jungen Schweizerinnen und Schweizern zu
besserer Bildung verhilft? [2]
Im Prinzip
sollte nichts mehr überraschen, wird doch das ›Stammeldeutsch‹ in der
Sprachwissenschaft weiterhin als neuer ›Dialekt‹ gefeiert. Wie Thomas Paulwitz
darlegt, soll nun eine breite Öffentlichkeit vom Wert dieser reduzierten
Sprechweise überzeugt werden. Dazu soll offenbar das von der Sprachwissenschaftlerin
Heike Wiese aufgelegte Buch ›Kiezdeutsch:
Ein neuer Dialekt entsteht‹
beitragen. In manchen, von einem hohen Ausländeranteil geprägten Grossstadtvierteln
hat sich in der ungebildeten Unterschicht eine Pidginsprache entwickelt,
die sich durch einen verringerten Wortschatz und eine verarmte Grammatik auszeichnet,
also etwa nach dem Muster »Ich Erkan – du Mandy«. Ein solches Stammeldeutsch beschönigt
Wiese als ›Kiezdeutsch‹; Sätze wie »Danach
ich geh’ Schule«, »Machstu rote Ampel« oder »Isch
mach dich Krankenhaus« seien kein Fehler, sondern eine neue Sprechweise.
Die Bundesregierung
fördert ›Kiezdeutsch‹
Wie den
Ausführungen von Paulwitz weiter zu entnehmen ist, unterstützt das
Bundesministerium für Bildung und Forschung Wieses Arbeit. »Offenbar
ist es das Ziel, Einwanderern, die an der hochdeutschen Sprache scheitern,
dennoch Identität und Selbstbewußtsein zu geben. Statt diese Sprachverlierer an
das Hochdeutsche heranzuführen, wählt man den faulen Weg, schlechtes Deutsch
einfach zu einer eigenen Sprache zu erheben. Wiese behauptet: ›Kiezdeutsch ist kein falsches Deutsch,
sondern als besonderer Dialekt mit nachvollziehbaren Regeln eine Bereicherung‹. Es sei ein Dialekt »wie
Schwäbisch oder Bayerisch«.
Gemäss
dieser Logik ist Stammeldeutsch sogar genauso gut wie Hochdeutsch. Wiese ist
Sprecherin des Zentrums ›Sprache,
Variation und Migration‹. Dies ist
eine Gruppe von Potsdamer Sprachwissenschaftlern, die leugnen, dass es das
Problem doppelter Halbsprachigkeit gibt. In einer Stellungnahme dieses Zentrums
heisst es: ›Das Standarddeutsche
(das sogenannte Hochdeutsch) ist ..… nur eine von vielen Varianten des
Deutschen. Es besitzt zwar ein besonderes soziales Prestige, ist jedoch nicht
grammatisch ›besser‹ als andere Varianten‹. Die Sprachwissenschaftler fragen
sich jedoch nicht, warum das Stammeldeutsch ein solch niedriges ›soziales Prestige‹ hat. Darüber nachzudenken könnte sich lohnen!
Die Kreolisierung
schafft Verlierer
Die
sprachpolitische Gefahr dieser staatlich geförderten Sichtweise ist
beträchtlich. Aus einer Pidginsprache kann nämlich eine Kreolsprache erwachsen,
in der sich Aussprache, Wortschatz und Grammatik mehrerer Sprachen miteinander
vermischen. So bildet sich im Laufe der Zeit tatsächlich eine neue Sprache. Der
Traum von der Mehrsprachigkeit wird somit zum sprachpolitischen Albtraum. Die Förderung
der Kreolisierung verbaut den Sprachverlierern den Weg zur Bildung und zur
Eingliederung ins deutsche Volk. Die sozialen Verlierer bleiben unter sich und
bilden eine eigene Welt mit einer eigenen, undifferenzierten Sprache. Dass
es mittlerweile Jugendliche gibt, die sowohl Stammeldeutsch als auch
Hochdeutsch sprechen, wertet Wiese als Beweis dafür, dass es sich um zwei
verschiedene Sprachen handelt. Man kann dies aber auch andersherum
sehen: Immer öfters sehen sich Jugendliche, die des Standarddeutschen mächtig
sind, gezwungen, im Gespräch mit Gleichaltrigen in deren reduzierte Sprache zu
wechseln, um sich noch verständlich machen zu können, da immer mehr Grossstadtjugendliche
nicht mehr in der Lage sind, differenziert gesprochenes Deutsch zu verstehen. Wer
Kritik übt, macht sich übrigens höchst verdächtig. In einem
Agenturbericht lesen wir: »Immer, wenn über ihr Thema etwas in den Medien erscheint,
häufen sich Beschimpfungen von Kritikern, die die Reinheit der Sprache
gefährdet sehen. Einmal habe jemand gar gedroht, ihre beiden kleinen Töchter zu
vergewaltigen, erzählt Wiese und wirkt dabei erschreckenderweise fast schon so,
als sei das bereits Routine. « Sprachschützer werden also auf
eine Stufe mit Kinderschändern gestellt. Das macht nun wirklich sprachlos. [3]
Anmerkung politonline d.a.: Bei der konstanten
politischen Verlogenheit, mit der wir uns auch sonst auf zahlreichen Ebenen
konfrontiert werden, und dies nur zu oft im Verbund mit einem ausgeprägten
brainwashing, steht zu vermuten, dass für den Niedergang auf jedem level von
oben grünes Licht gegeben wird, sonst könnten Behauptungen dieser Art schon gar
nicht in Druck gehen.
[1] Quelle:
http://www.bildungskompass.ch/bildungskompass/-archiv-2012/schulleitungen-buerokratie-aufblaehung.php 6. 3. 12
Von Ulrich Schlüer
[2] Quelle:
http://www.bildungskompass.ch/bildungskompass/-archiv-2012/gymnasien-nach-jekami-system.php 20. 3. 12
Von Ulrich Schlüer
[3] Quelle:
http://www.jungefreiheit.de/Single-News-Display-mit-Komm.154+M5235681c3d4.0.html?PHPSESSID=b146d9281d14d9d2b280bc5168ec5640
28. 1.
12 »Ich Erkan – du Mandy« - Von Thomas
Paulwitz
Paulwitz
ist Historiker und Sprachpfleger, studierte Biologie, Politik und Geschichte in
Erlangen und ist Gründer und Chefredakteur der Zeitschrift ›Deutsche Sprachwelt‹.
2006 erhielt er den Gerhard-Löwenthal-Preis für Journalismus.
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