Lösungen für die Euro-Krise ohne Turbulenzen und Gewalt - Von Karl Müller 27.05.2013 00:08
Der Beschluss der EU-Regierungen zu Anfang der neunziger Jahre, eine Europäische Wirtschafts- und Währungsunion
[WWU] und
mit ihr auch eine gemeinsame Währung, den Euro, einzuführen, war nicht das
Ergebnis sorgfältiger volkswirtschaftlicher Überlegungen, sondern das Resultat
recht gegensätzlicher politischer Ziele der beteiligten Regierungen. Die
Literatur zur Geschichte des Euros belegt dies sehr gut. [1] Weitgehend bekannt
ist zum Beispiel, dass die französische Regierung nicht länger bereit war, die
Deutsche Mark als Ankerwährung in Europa zu akzeptieren, und dass die deutsche
Regierung noch immer davon ausging, die grösste Gefahr für Europa seien souveräne
Nationalstaaten. Sie hatte deshalb den Plan, mit der WWU und dem Euro einen
entscheidenden Schritt hin zu einer alle Nationalstaaten entmachtenden
politischen Union in der EU zu machen. Schon bei der Einführung des Euros wussten
aber auch alle Beteiligten, dass es vielerlei Bedingungen gibt, damit eine
einheitliche Währung funktionieren kann und dass diese Bedingungen mit der
Einführung des Euros nicht erfüllt waren. Die damals Verantwortlichen sind aus
politischen Gründen darüber hinweggegangen und glaubten, Fakten schaffen zu können,
die zu weiteren Schritten in ihrem Sinne zwingen würden. Mit der Rede von einer
Stabilitätsgemeinschaft und dem vertraglich festgeschriebenen Auftrag zu einer
finanzpolitischen [und wirtschaftspolitischen] Annäherung [›Konvergenzkriterien‹]
versuchten sie, ihren Bürgern Sand in die Augen zu streuen. Dies war allen
Sachverständigen schon bei dem verbindlichen Beschluss über die Einführung des
Euros aufgefallen, wurde aber von den Verantwortlichen ebenso ›selbstverständlich‹ gutgeheissen.
Den hohen
Preis für diese politischen Fehlentscheidungen und Versäumnisse sollen heute
die Bürger Europas bezahlen. Und die in der Tat nur als Drohungen zu
verstehenden einzigen vermeintlichen Alternativen: Unfrieden in Europa oder ein
europäischer Superstaat, machen viele beim ersten Hinschauen ratlos. Aber nur
beim ersten Hinschauen. Denn kein Bürger, dem Frieden und Recht, Freiheit und
Demokratie noch etwas bedeuten, kann eine der beiden ›Alternativen‹ wollen. Unter diesen Bürgern finden sich quer
durch alle politischen Lager Persönlichkeiten, die nach wirklichen Alternativen
suchen und nicht bei der eher unrealistischen Forderung stehen bleiben, das Rad
der Geschichte einfach zu einem Status vor der Einführung des Euro zurückdrehen
zu wollen. Zu ihnen zählt Professor Wilhelm Hankel, der sein Konzept von einer
Wiedereinführung nationaler Währungen und einem parallel dazu weiter
bestehenden Euro in einem Interview vorgestellt hat, das jetzt auch als Buch vorliegt.
[2] Der jetzige Vorsitzende der Partei ›Die Linke‹, Oskar Lafontaine, hat sich ebenfalls zu Wort gemeldet und
ähnlich wie Professor Hankel diagnostiziert, dass es ein einfaches ›Weiter so‹ mit dem Euro nicht geben darf und nicht geben kann. Lafontaine
schlägt ein europäisches Währungssystem mit einer Währungsschlange nationaler
Währungen vor, um so zu ermöglichen, dass nationale Währungen nach gemeinsamer
Übereinkunft der beteiligten Staaten auf dem Weg zur Überwindung der
gegenwärtig krassen wirtschaftlichen Ungleichgewichte ab- oder aufgewertet
werden können. Wichtig ist hierbei vor allem der Gedanke der gemeinsamen
Entscheidung, um so einen Unfrieden stiftender Währungskrieg zu verhindern. Hinzu kommt die Überlegung, den Irrsinn der
uneingeschränkten Kapitalverkehrsfreiheit in eine geordnete Regulierung zu
überführen. Die vertragsrechtlichen Möglichkeiten für einen solchen Weg böten
die EU-Verträge schon heute.
Weitere
Vorschläge für die Lösung der Euro-Krise, bei der es eben nicht nur ums Geld,
sondern auch um Frieden, Freiheit, Recht und Demokratie geht, sind sehr
erwünscht. Einseitige Schuldzuschreibungen helfen allerdings nicht weiter. Eher
vergrössern sie die Gräben in Europa. Dass
insbesondere von der jetzigen US-Regierung ein enormer Druck ausgeht, über eine
Haftungs- und Schuldenunion und über Eurobonds zu einer weiteren
Zentralisierung in der EU zu kommen, erinnert den Kundigen an die von der USA
ausgehende Strategie Jean Monnets aus den Nachkriegsjahren, über
Krisen einen Zwang zur Zentralisierung und Entdemokratisierung auszuüben
- und somit nicht an ein brauchbares Konzept. Auch deshalb ist es sicherlich
richtig, zu versuchen, bisherige Schritte in die falsche Richtung, zum Beispiel
die verschiedenen sogenannten Rettungsschirme [ESM, Staatsanleihen-Ankauf durch
die EZB] zu stoppen. Europa ist ein Kontinent der kulturellen, wirtschaftlichen
und staatlichen Vielfalt. Alle bisherigen europäischen Grossstaatsgebilde waren
Ausdruck imperialer Herrschaftsanmassung. Bestehende Probleme werden nicht
durch eine Gleichschaltung gelöst werden können. Wenn die EU ihre eigenen
Verträge ernst nimmt, dann sollte sie auch ernsthafter über das
Subsidiaritätsprinzip und dessen Gehalt nachdenken. Dass nun aus verschiedenen politischen
Lagern Vorschläge für die Zukunft Europas in diese Richtung gehen, kann
zuversichtlich stimmen. [3]
Zu diesem
Thema sei hier die Sichtweise von Dr. Bruno Bandulet, dem Mitglied der
deutsch-französischen Arbeitsgruppe zur Reform des Währungssystems in Europa
angefügt:
»Europa aus der Sackgasse holen« - Euro-Krise: Deutsche und
französische Nationalökonomen fordern die Auflösung der Währungsunion
»Bernd
Lucke, Gründer der Partei ›Alternative
für Deutschland‹ [AfD], stand vor
kurzem im Zentrum des deutschen Medieninteresses. Zuvor hatte der Professor für
Makroökonomie an der Universität Hamburg bereits für Aufsehen in der
französischen Presse gesorgt: Führende deutsche und französische Euro-Gegner
trafen sich zum dritten Mal, dieses Mal in Paris, um über die europäische
Währungskrise zu beraten und um Alternativen zum gescheiterten Euro-Experiment
auszuarbeiten. In der gemeinsamen Abschlußerklärung wurde den europäischen
Eliten vorgeworfen, daß sie sich ihrer Verantwortung für das ›reale Europa‹ feige entzögen und das Zerstörungswerk des Euros fortsetzten.
Jeder Tag, an dem nicht gehandelt werde, mache die Lösung der Krise schwieriger
und teurer. Gefordert wurde, keine Kredite mehr zur ›Rettung‹ des Euros zu
gewähren und ein neues europäisches Währungssystem zu errichten, das auf der
Realwirtschaft, auf flexiblen Wechselkursen und nationalen Währungen aufbaut.
Übereinstimmung
wurde auch darüber erzielt, daß nach der Wiedereinführung nationaler Währungen
der Euro als Rechnungseinheit bzw. als Parallelwährung bestehen bleiben soll
und daß das schwierige Problem der Altschulden gelöst werden muß. ›Die Gründung des Euros war ein
schwerer Irrtum. Der Fehler kann nicht dadurch behoben werden, daß man eine
neue und künstliche Wirtschaftsordnung schafft, sondern nur dadurch, daß man
das System beseitigt‹, so das deutsch-französische
Kommuniqué. In seinem Vortrag nannte der Ökonom Wilhelm Nölling, der früher dem
Zentralbankrat der Bundesbank angehörte, den Euro das ›größte Unglück der Währungsgeschichte‹. Die Euro-Krise bestehe nicht erst
seit 2007, sondern seit den neunziger Jahren, als es den späteren
Euro-Mitgliedern schon vor Einführung der Einheitswährung nicht gelungen sei,
die versprochene Konvergenz ihrer Volkswirtschaften zu erreichen. ›Das Euro-Abenteuer wird zu Ende gehen,
entweder kontrolliert oder in einer Katastrophe‹, so der langjährige Hamburger SPD-Senator. Nölling fungierte in
Paris als Sprecher jener deutschen Euro-Gegner, deren dritte
Verfassungsbeschwerde im vergangenen Jahr von Karlsruhe lediglich im
Eilverfahren behandelt wurde – das Urteil in der Hauptsache steht noch aus.
Es wird wohl, wie der Staatsrechtler Karl Albrecht Schachtschneider vermutete,
bis nach der Bundestagswahl im September verzögert werden. Schachtschneider
erinnerte an die erste 1992 von Manfred Brunner eingereichte Verfassungsklage
gegen den Maastricht-Vertrag. Damals habe das Verfassungsgericht geurteilt, daß
Deutschland nur einer Stabilitätsgemeinschaft angehören dürfe und andernfalls
berechtigt sei, als ›Ultima ratio‹ die Währungsunion wieder zu
verlassen. Joachim Starbatty befaßte sich mit der verheerenden Bilanz von zwei
Jahren Euro-Rettung. In Südeuropa würden massenweise Arbeitsplätze vernichtet,
die Verschuldung steige weiter, Griechenland stehe im sechsten Jahr der
Rezession: ›Das Hauptproblem,
nämlich die fehlende Wettbewerbsfähigkeit, ist nicht gelöst, die europäische
Peripherie muß abwerten können.‹
Ein Thema,
dem sich die französischen Referenten besonders widmeten, war die prekäre
wirtschaftliche Lage in Frankreich und der Schaden, den der Euro angerichtet
hat. Als der Maastricht-Vertrag 1991 ausgehandelt wurde, so der Ökonom Jean-Luc
Gréau, belief sich die französische Staatsschuld auf nur 35 % des
Bruttoinlandsprodukts (BIP). Jetzt bewege sie sich in Richtung 100 %. ›Frankreich läuft den Defiziten
hinterher, wir bekommen sie nicht in den Griff.‹ Und die Kredite an Südeuropa müßten hinzuaddiert werden. ›Frankreich benötigt zehn bis 15 Jahre,
um aus der Sackgasse zu kommen‹, so
Gréau, ›Frankreich braucht
Sauerstoff und den Umbau des Währungssystems.‹
Bleibt die
Frage, wie sich die Rückkehr zu nationalen Währungen und damit zu realistischen
Wechselkursen [als Alternative zur Transferunion] auf die
Euro-Volkswirtschaften auswirken würde. Dazu konnte das im März gegründete
Institut Pomone [Pour une Organisation Monétaire Nouvelle en Europe] eine Reihe
von Berechnungen vorlegen. Mit dem Institut, das die Pariser Konferenz
organisiert hat, haben sich die führenden französischen Euro-Gegner eine
wissenschaftliche Plattform geschaffen; dies mit Persönlichkeiten wie Jean-Pierre
Gérard, Gérard Lafay, Roland Hureaux, Michel Robatel und Alain Cotta.
Bestritten wurde von den französischen Referenten keineswegs, daß jede
Abwertung Inflationsrisiken birgt und einen Verlust an Kaufkraft mit sich
bringt. Dafür verbessert sich die Handelsbilanz, die Wirtschaft wächst wieder,
die Arbeitslosigkeit sinkt. Eines der ökonometrischen Modelle, die in Paris
präsentiert wurden, unterstellt eine Abwertung der gesamten Euro-Zone gegenüber
dem US-$ um 16 % und Abwertungen innerhalb der Zone, die bei Griechenland mit
45 % am stärksten ausfiele. Deutschland hingegen würde mit einem Plus von 16 %
für die ›Neue D-Mark‹ am deutlichsten aufwerten. Als
Resultat gebe es innerhalb von 18 Monaten einen Wachstumsschub in Südeuropa,
der in Griechenland mit einem Anstieg des BIP um 16,3 % am höchsten ausfiele.
In Deutschland hingegen würde die Wirtschaft stagnieren oder sogar um 2,8 % schrumpfen,
falls die Neuordnung der Euro-Zone nicht von einer Abwertung zum Dollar
begleitet würde.
Die
Demontage der ›fast kommunistischen
Währung‹ [Wilhelm Hankel] wäre
machbar und keine Katastrophe – und würde vor allem Südeuropa aus der Sackgasse
führen. Und den deutschen Steuerzahlern blieben die enormen Kosten einer
dauerhaften Transferunion erspart.«
[1] David Marsh ›Der Euro - Die geheime Geschichte der neuen Weltwährung 2009‹ ISBN 978-3-86774-045-6 Joachim
Starbatty ›Tatort Euro. Bürger,
schützt das Recht, die Demokratie und euer Vermögen‹ 2013 ISBN 978-3-944305-03-5 [2] Wilhelm Hankel ›Die Euro-Bombe wird entschärft‹ Wien 2013 ISBN 978-3-8004-1516-8 [3] Quelle: http://www.zeit-fragen.ch/index.php?id=1465
Zeit-Fragen Nr. 18 vom 14. 5. 13 Siehe
hierzu auch ›Professor Wilhelm
Hankel entschärft die Euro-Bombe‹
auf http://fdogblog.wordpress.com/2013/05/10/professor-wilhelm-hankel-entscharft-die-euro-bombe/
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