Steuerkrieg der USA gegen die Schweiz - Von Valentin Landmann

Der Schriftsteller Carl Sandburg schrieb einmal: »Stell Dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin.«

Immer wieder taucht dieses Zitat in Zusammenhang mit pazifistischen Veranstaltungen und armeegegnerischen Veranstaltungen auf. Wohlweislich wird dabei aber der zweite Satz unterschlagen, den Bert Brecht hinzugefügt hat: »Stell Dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin. Dann kommt der Krieg zu Dir.« In der die Steuern betreffenden Affäre USA – Schweiz kam die Vokabel Wirtschaftskrieg seitens der schweizerischen Regierung überhaupt nie vor. Die USA stellten den good guy dar, dem es nur darum gehe, entzogenes Steuersubstrat, welches reiche Amerikaner mit Hilfe des schweizerischen Bankgeheimnisses, Schweizer Bankern, Schweizer Treuhändern und Schweizer Anwälten dem US-Fiskus entzogen hatten, zurückzuholen. Ein legitimes Ziel, für das unser Bundesrat grösstes Verständnis aufbrachte.

Kein Wirtschaftskrieg?
Es ist eine verfassungsmässige Aufgabe der schweizerischen Bundesregierung, die Souveränität des Landes zu schützen. Zur Souveränität gehört der Schutz der eigenen Gesetzgebung vor Eingriffen von aussen. Aber nie sprach der Bundesrat von unrechtmässigen Übergriffen, erst zum Schluss erwähnte der Bundesrat erpresserische Aktionen. Verschiedene Banken, Bankangestellte (natürlich nur die unteren Chargen, die Sachbearbeiter), Vermögensverwalter, Treuhänder und einige Anwälte hätten in sträflicher Form amerikanisches Recht verletzt, reiche Amerikaner hätten das schweizerische Bankgeheimnis missbraucht, um ihr Steuersubstrat zu entziehen. Wirtschaftskrieg? – Nichts dergleichen. Jetzt galt es, dafür zu sorgen, dass die USA ihr Recht durchsetzen konnten, ohne dass sich schweizerische Normen widerspenstig in den Weg legten. Also kein Wirtschaftskrieg. Keine Empörung. Nur Nebel in clausewitzschem Sinne.

Aber die Sache hat einen grossen Haken: Wer die offiziellen Stellungnahmen sowohl der Banken, der Bankiervereinigung wie auch der Politik über die letzten Jahre zur Auseinandersetzung mit der USA über die Steuerfrage verfolgt hat, fragt sich, wieso Banken und Politiker innert kurzer Zeit einen totalen Paradigmenwechsel vollziehen können. Wieso ist zu Anfang von einem unverbrüchlichen Bankgeheimnis die Rede? So äusserte noch Bundesrat Merz als Finanzminister: »An unserem Bankgeheimnis werden sie sich die Zähne ausbeissen.« Schliesslich gehöre das Bankgeheimnis zum schweizerischen Recht und man lasse das schweizerische Recht nicht über Bord kippen. Wer kein schweizerisches Recht verletzt habe, habe nichts zu befürchten.  Die Bankiervereinigung betrachtete das schweizerische Bankgeheimnis als Trutzburg. Ohne das Bankgeheimnis würde der Weltuntergang blühen. Schliesslich sei das Bankgeheimnis entstanden, um die Persönlichkeit von Verfolgten zu schützen. Davon werde man nicht abrücken. Die Politik müsse das Bankgeheimnis schützen.

Rechtsumkehrt
Nur wenig später klang es vollkommen anders. Die neue Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf liess neben weiteren Politikern immer wieder durchblicken  - und deklarierte dies später auch offen -  dass das Bankgeheimnis nicht mehr zu halten sei. Der automatische Informationsaustausch mit den übrigen OECD Staaten sei das, was man anstreben müsse. Und die Bankiervereinigung? Eindringlich bat sie die Politik darum, das Bankgeheimnis kippen und der USA alle Daten von Kunden ausliefern zu dürfen, die während Jahrzehnten auf das Bankgeheimnis vertraut hatten. Auch wenn man nicht weiss, was der Hintergrund ist, so sind solche Meinungsumschwünge schlicht und einfach unverständlich. Dem Bürger werden nur Resultate vorgelegt, die Gründe jedoch verheimlicht. Man kann mutmassen, was wohl geschehen ist, aber man weiss es nicht. Versuche, den Meinungsumschwung damit zu begründen, dass man zur Erkenntnis gelangt sei, das Bankgeheimnis diene nur dem Schutz von Steuerflüchtlingen und müsse also legitimerweise ein Ende finden, waren für den krassen Meinungsumschwung sowohl in der Politik als auch bei den Banken keine Erklärung……

Nur wenige Stimmen gab es, die schon zu einem relativ frühen Zeitpunkt von Wirtschaftskrieg sprachen, so etwa René Zeyer in seinem Artikel Es ist Wirtschaftskrieg, Dummkopf: Schweizer Bankenlenker heucheln, sie hätten vor und erst recht nach 2009 nie etwas davon mitbekommen, dass Kunden Schweizer Bankkonten doch tatsächlich als Schwarzgeldbunker benützt hätten. Die   US-Regierung heuchelt, dass es bei ihrem Feldzug gegen Schweizer Banken nur darum gehe, ihr mit Beihilfe dieser Geldhäuser entzogenes Steuersubstrat zurückzuerobern. Selbstverständlich nur mit rechtsstaatlichen Mitteln. Beides ist natürlich Unsinn. Denn in Wirklichkeit herrscht Wirtschaftskrieg, und da stirbt die Wahrheit bekanntlich zuerst. Die Bank Wegelin wurde als abschreckendes Beispiel ans Kreuz genagelt. Sie hatte laut Anklage läppischen 70 US- Steuerpflichtigen Unterschlupf geboten. Sie wurde angeklagt, musste sich selbst entleiben und über 70 Millionen $ Busse zahlen. Die US-Bank Wachovia bekannte sich 2010 schuldig, 378 Milliarden (!) Dollar mexikanischen Drogengelds weissgewaschen zu haben. Sie musste [nur] 110 Millionen $ Busse zahlen. Unter die Fittiche von Wells Fargo geschlüpft, gibt es die Bank bis heute. Kein einziger Wachovia-Mitarbeiter wurde je angeklagt, niemand musste auch nur einen Tag im Knast verbringen. Es ist bekannt, dass die meisten Drogenkartelle Lateinamerikas in Florida und bei vielen US-Banken ihre Geldwaschanstalten unterhalten. Wohlgemerkt geht es hier nicht um vor dem Fiskus verstecktes Schwarzgeld, sondern um Schwerstkriminalität. Für einfache Steuerhinterziehung ist in der USA bekanntlich Delaware zuständig. Dort verstecken sich in einem einzigen Gebäude mehr als 300 000 Firmen. Eine selbst für die US-Wildwestjustiz spezielle Rechtsprechung, nach der nicht etwa nach Recht und Gesetz Urteile gefällt werden, sondern nach Ermessen des Richters, was billig und fair sei, schützt dieses wohl grösste Steuerschlupfloch der Welt. Zufälligerweise erscheint Delaware aber nicht auf der Schwarzen Liste der OECD von unkooperativen Staaten oder Steueroasen.  

Früher wurden imperialistische Wirtschaftskriege mit Kanonenbooten geführt. Heute sind ihre modernen Nachfolger Drohnen, die für Länder wie Afghanistan oder den Irak reserviert sind. Im Kampf gegen die Schweiz wird das Herrschaftsinstrument Weltwährung Dollar verwendet. Bereits eine Klagedrohung reicht, um jede Bank der Welt schlagartig von allen Dollargeschäften abzuschneiden. Das bedeutet ihren möglichen Bankrott und zwingt sie, zu Kreuze zu kriechen. Aus diesem Grund wagte es weder die grosse UBS noch die kleine Privatbank Wegelin, es auf einen Prozess in der USA ankommen zu lassen; reiner Rechtsimperialismus. Aber wieso richtet die USA ihre modernen Kanonen ausgerechnet auf die Schweiz? Ganz einfach. Wenn wir Asien mal aussen vor lassen, gibt es drei grosse Finanzplätze auf der Welt. Die finanziell verlumpte USA, das finanziell verlumpte England – und die Insel der Seligen, die Schweiz. Wo die grossen Geldspeicher stehen, wo aber leider keine Dagobert Ducks ihre Tresore gegen Angriffe von US-Panzerknackern verteidigen, sondern dumme Donald Ducks, flankiert von sieben Bundeszwergen, die jammern, zetern, quengeln und sich rupfen lassen. Oder müssen wir wie Wegelin, den Panzerknackern schutzlos ausgeliefert, mit fliegenden Fahnen untergehen….. Dass für vergangene Steuersünden Busse getan werden muss, mag ja noch hingehen. Dass da Milliarden abfliessen werden, ist aber nicht der Sieg der gerechten Sache. Sondern nichts anderes als die Erpressung von Schutzgeld. Mit Sitten wie bei Don Corleone. Wir machen dir ein Angebot, das du nicht ablehnen kannst. Zahlst du kein Schutzgeld, hauen ein paar dunkle Gestalten deine Bank zusammen. Dass die auch zu uns gehören, ist halt unsere Geschäftsgrundlage. Das ist die Mafia-Version. Die US-Version ist: Du gestehst ohne Prozess und zahlst eine Riesenbusse. Oder unsere Staatsanwälte machen deine Bank platt. Indem sie ihr durch eine Klage die Teilnahme am Dollargeschäft abwürgen. Das ist die Geschäftsgrundlage.  Das ist Wirtschaftskrieg. Nur Dummköpfe können oder wollen das nicht sehen.


Quelle: 
http://www.schweizerzeit.ch/cms/index.php?page=/news/die_verschwiegene_geiselnahme-1634
  21. 2. 14 
Valentin Landmann ist Rechtsanwalt in Zürich