27 Milliarden US-Dollar 25.05.2014 21:35
Niemand, schreibt Ulrich Schlüer, ist bereit, die Höhe dieser Summe zu bestätigen.
Weder Zahler noch Empfänger geben zu, dass die USA im letzten Jahr 27
Milliarden $ aus Bussen gegen Banken eingenommen hat. Es sind ausgewiesene
Sachverständige sowie Beobachter der internationalen Finanzströme und der
Finanzplätze, welche diese Schätzung in die Welt gesetzt haben. 27 Milliarden wären
für den massiv defizitären US-Staatshaushalt eine bedeutende Summe; somit scheinen
Bussen mehr und mehr ausbleibende Steuereinnahmen ersetzen zu müssen. Erneut
ist nun eine Schweizer Bank, die Credit Suisse, zur ohnmächtigen Zielscheibe
einer Milliarden-Bussforderung aus der USA geworden. Allerdings kann die CS
kann nicht mehr ernsthaft als »Schweizer Bank« etikettiert werden. Mehr als 70 % ihres Aktienkapitals liegen in
ausländischen Händen. Das CS-Management besteht höchstens noch zu 30 % aus
Schweizern. Weit mehr als die Hälfte der allmonatlichen Lohnzahlungen der CS
fliessen ins Ausland. Sie ist ein global agierendes Finanzinstitut, dessen
Hauptsitz sich auf Schweizer Boden befindet. Und die ihr auferlegte
Ablasszahlung ist rechtsstaatlich keine eigentliche Busse. Sie ist nicht das Resultat
einer in einem rechtsstaatlichen Verfahren erkannte Schuld - selbst wenn die CS-Chefs ein ihnen aus Washington
diktiertes ›Schuldeingeständnis‹ aussprachen. Im nächstfolgenden Satz jedoch bekundeten sie, die ihnen auferlegte
Zahlung ›mit reiner Weste‹ zu leisten; doch trotz dieser ›weissen Weste‹ zahlen sie. Am erstaunlichsten hierbei ist wohl, dass sie dafür von der
Schweizer Finanzministerin öffentlich gelobt worden sind, ein Vorgang, der vor
Widersprüchen strotzt.
Ausserhalb
vereinbarter Rechtshilfe Zwischen der Schweiz und den Vereinigten Staaten ist die Rechtshilfe per
beidseits unterzeichnetem Abkommen geregelt. Es trifft zwar zu, dass die neueste
Fassung des Rechtshilfeabkommens noch ohne US-Unterschrift in Washington ruht.
Die Ratifizierung dieses Abkommens wird im US-Senat mit der Begründung
blockiert, die damit mögliche Bespitzelung aller Vermögenden verletze das
US-Verfassungsrecht auf Privatsphäre. Die Blockade bedeutet indessen nicht,
dass die Rechtshilfe zwischen Washington und Bern ohne Rechtsgrundlage wäre.
Solange das neue Abkommen nicht unterzeichnet ist, gilt einfach das alte.
Machtdiktierte
Skrupellosigkeit Doch welches Abkommen auch immer gültig ist oder auf Eis liegt: Die USA
schert sich keine Sekunde um die formale Rechtshilfe, wie sie beidseits im
Rechtshilfeabkommen vereinbart wurde. Die USA verlegt sich stattdessen auf
bombastische Klagen. Und präsentiert zusammen mit diesen auch noch exorbitante
Bussenandrohungen. Auf Beweisverfahren zu geäusserten Beschuldigungen
verzichtet sie. Der US-Geldhunger diktiert ein anderes, rascheres und
skrupelloseres Vorgehen. Denn die USA verfügt über eine unfehlbare, tödliche
Waffe: Sie beherrscht den internationalen Dollarverkehr. Und da der gesamte
internationale Zahlungsverkehr zumindest heute unauflösbar an den Dollar
gekettet ist, kann Washington jeden, der sich seinen herrischen Ansprüchen
nicht fügt, vom Dollarverkehr ausschliessen. Es regiert die Macht, nicht das Recht!
Die Drohung mit dieser Waffe wirkt, wie immer sie auch begründet wird: Eine
Bank, die vom internationalen Zahlungsverkehr ausgeschlossen wird, überlebt
keinen Tag. Wegelin lässt grüssen! Ein wirksameres Erpressungspotential
existiert nirgends auf der Welt. Und so verlegt sich Washington, des Erfolgs
seines Vorgehens gewiss, aufs Erpressen: Wer in das Fadenkreuz einer angedrohten
Ausschaltung vom Dollarverkehr gerät, der bezahlt: ob schuldig oder unschuldig. Er
bezahlt einfach; so auch die CS-Führung. Der Bundesrat - eigentlich an die Rechtsordnung gebunden
- macht keineswegs nur schweigend oder
murrend gute Miene zum Erpressungsspiel: Nein, er spendet demjenigen, der einer
Erpressung an allen international vereinbarten Rechtsnormen vorbei nachgibt,
ausdrücklich Regierungslob. Fühlt sich die Landesregierung also auch im Würgegriff jener, die in Washington die
Schuldenlöcher im Staatshaushalt sowohl zu verantworten als auch zu verwalten
haben? Nicht, dass wir die Verantwortlichen der CS mit Unschuldslämmern
verwechseln würden. Jedoch gelten im weltumspannend ausgetragenen
Finanzplatz-Krieg keinerlei Sorgfaltspflichten. Da wird erpresst und bezahlt –
und die Regierenden im Land des Opfers applaudieren dazu.
Würden wenigstens elementare Rechtsgrundsätze gelten, dann könnten die
auf diese Weise erpressten Milliarden niemals als Bussen bezeichnet werden.
Denn ein elementarer, durch ein ordentliches Gericht ausgesprochener und den Rechtsnormen
genügender Schuldspruch fehlt. Erpressungsforderungen
werden bekanntlich auch nicht mit Bussen beglichen. Wohl aber mit Schutzgeld-Zahlungen.
Ein wahrhaft böser, dem Mafia-Wortschatz entnommener Ausdruck. Staaten, die im
Schuldensumpf zu ertrinken drohen - so
auch der stärkste Staat der Welt - pfeifen offensichtlich aufs Recht.
Mafia-Praktiken versprechen rascheren Erfolg. Regierungen, die davon
mitbetroffen sind, spenden dafür gar noch Applaus, auch wenn sie gleichzeitig
auf ihre lange rechtsstaatliche Tradition pochen - wenigstens
in Sonntagsreden.
Quelle: http://www.schweizerzeit.ch/cms/index.php?page=/news/27_milliarden_dollar-1755
16. 5. 14 Rechtsstaat ausser Rand und
Band -
Der aktuelle Freitags-Kommentar der «Schweizerzeit» vom 23. Mai 2014 von
Ulrich Schlüer - auszugsweise -
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