Der Jemen in Flammen 12.04.2015 23:45
d.a. Vom August 2009 an führte die Regierung Jemens im Nordwesten
des Landes Krieg gegen die Huthis. Die Offensive der jemenitischen Armee, welche die bezeichnenden Namen »Eiserne Faust« und »Verbrannte Erde« trug, hatte am 11. 8. 2009 begonnen und richtete sich gegen die Huthis, deren Namen auf ihren Herkunftsort Houthi in der Provinz Saada hinweist. Ali Abdullah Saleh, damals Präsident des Landes, hatte bei einer Feier Ende August erklärt: »Die Streitkräfte werden ihren heldenhaften Kampf fortsetzen. Wir sind entschlossen, diese Gruppe zu vernichten, und wir meinen, was wir sagen. Das Krebsgeschwür in der Provinz Saada werden wir ausmerzen.« Nun sind die Huthis kein bestimmter Stamm, sondern setzen sich Mitgliedern aller Stämme des Landes zusammen, repräsentieren aber einen grossen Teil des jemenitischen Volkes.
Sie
haben eine besondere islamische Geschichte, die von allen muslimischen
Glaubensrichtungen wegen ihrer Gerechtigkeit und Ehrlichkeit anerkannt wird. Sie
respektieren religiöse Unterschiede, lehnen aber die Spaltung zwischen den
muslimischen Gemeinschaften ab. Ihrer Ansicht nach sollten sich die Muslime
wiedervereinen und damit dem Koran als Buch Gottes folgen. Religiös gehören die
Huthis, wie Karin Leukefeld darlegt, zu den Zaiditen. Im Nordwesten Jemens
bestand seit Ende des 9. Jahrhunderts bis 1962 ein autonomer Religionsstaat der
Zaiditen. Die Gruppe wird dem schiitischen Islam zugerechnet, ist allerdings
eine Minderheit, die nur im Jemen lebt. Die Zaiditen folgen Zaid, einem Sohn
des 4. schiitischen Imam Ali Zain al-Abidin. Zaid wurde Mitte des 8.
Jahrhunderts im Kampf um die Nachfolge Mohammeds getötet. Im Jemen gilt fast
die Hälfte der Bevölkerung als Zaiditen, die anderen sind sunnitische Muslime. Bis
heute rühmen sich die Jemeniten, jeden Fremden, gleich welcher Hautfarbe oder
Religion, nicht nur als Gast, sondern sogleich auch als Bruder willkommen zu
heissen. Auch Sanaa war bislang stolz auf sein harmonisches Zusammenleben von
Sunniten und Schiiten, von Arabern und Somalis, von alteingesessenen Juden,
emigrierten Palästinensern und Geschäfte treibenden Europäern. Nach der
Wiedervereinigung des Jemens im Jahr 1990 gründeten die Huthis die
Al-Haq-Partei; diese wurde jedoch vom Regime, das auch ihre Mitglieder ermorden
liess, ausgegrenzt; da der Partei die einfachsten Rechte vorenthalten wurde, wurde
sie in der Folge aufgelöst. Die
Auseinandersetzungen zwischen der Regierung Saleh und den Huthis begannen
bereits 2004, als der Anführer des Stammes die Wiedereinführung der religiösen
Autonomie forderte und bei Kämpfen mit der Armee getötet wurde. Heute werden
die Huthis von Abdulmelik Al-Houthi geführt.
Rückblickend gesehen ist vor allem festzuhalten, dass mit der
Huthi-Bewegung stark antiwestlich orientierte Kräfte an die Macht drängen, dies
unter der Begründung, für die Gleichberechtigung ihres spezifischen Glaubens,
des zaiditischen Islams, einzutreten, während die Regierung erklärte, die
Huthis machten sich für die Wiedererrichtung eines theokratischen Regimes
stark. Daneben ist den Huthis zum Vorwurf gemacht worden, dass ihr Kampf insbesondere
gegen die Zusammenarbeit der Regierung in Sanaa mit Washington gerichtet ist.
2007 hatte der Emir von Katar einen
Waffenstillstand vermittelt, der jedoch nicht eingehaltenen werden konnte, da
das Regime die Vereinbarungen brach; hinzu kam, dass Saudi-Arabien eine Rolle
Katars im Jemen grundsätzlich ablehnt. Im gleichen Jahr griffen die Saudis
offen in den Krieg gegen die Huthis ein, nachdem das Regime erklärt hatte, dass
diese ein Ableger internationaler Akteure, insbesondere des Irans und der libanesischen
Hisbollah seien. Und mit beiden haben die Saudis Probleme. »Unglücklicherweise«, hat Mohammed Abdulsalam, der Sprecher der Huthi-Bewegung,
erklärt, »ist
das saudische Regime auf diese falschen Anschuldigungen gegen uns
hereingefallen. Doch niemand legte einen Beweis für diese Anschuldigungen vor.
Jetzt, in diesem aktuellen sechsten Krieg gegen uns, hat sich die Lage
verschlechtert; und das saudische Regime hat sich aus politischen Gründen
direkt in die Kämpfe eingemischt. Es hat jemenitische Dörfer mit Kampfjets
angegriffen und versucht, auf dieses Gebiet vorzurücken. Alles mit der falschen
Anschuldigung, wir hätten saudisches Territorium infiltriert.« Das Abkommen hatte u.a. auch vorgesehen, dass gefangene Huthis freigelassen werden sollten;
indessen wurden in Sanaa Dutzende gefangener Huthis zum Tode verurteilt.
Die USA intensivierte
ihren sogenannten Anti-Terror-Krieg im Jemen von Ende 2009 an, wofür Washington jedoch weniger
die CIA und ihre Drohnen als vielmehr das Militär nutzte. Noch Mitte September
2002 war in der jemenitischen Hauptstadt Sanaa erklärt worden, dass der Jemen
keinen Einsatz von US-Truppen auf seinem Gebiet wünsche. Für Aktionen gegen
Terroristen seien nur die eigenen Streitkräfte zuständig. Zu diesem
Zeitpunkt hatte Washington allerdings bereits 800
Soldaten einer Spezialeinheit in die Region geschickt und Bombenangriffe der
jemenitischen Streitkräfte dirigiert. Dies ist auf politonline in Zur
Zusammenarbeit mit den Repressionsapparaten des Jemens detailliert aufgezeigt. Die BRD hat das
jemenitische Militär unter anderem mit Hilfen zum Ausbau der Küstenwache unterstützt
und darüber hinaus eng mit der Polizei des Landes kooperiert; vor allem aber haben
Bewegungsbilder über den Schiffsverkehr vor dem Horn von Afrika, an deren
Erstellung die deutsche Kriegsmarine beteiligt ist, zu Erkenntnissen über ›mutmassliche‹ Insurgenten
und damit auch zur Vorbereitung der US-Gewaltoperationen beigetragen.
Ergänzend
hierzu erklärte ein Strategiepapier der EU für den Zeitraum von 2007 bis 2013
die ›Ausbildung von Polizeikräften und Küstenwache‹
zu den Prioritäten der europäischen Jemen-Politik, dies ungeachtet der
Tatsache, dass die im Jemen praktizierten willkürlichen Verhaftungen, auch von
Jugendlichen und Kindern, sowie die in geheimen Haftzentren bzw. im Haftzentrum
des Politischen Sicherheitsdienstes in Sanaa vorgenommenen Folterungen und Fälle
staatlicher Morde sowohl Berlin als auch Brüssel bekannt sind. Gerade letzterer
Fakt tritt erneut den Beweis dafür an, dass die sogenannten EU-Werte nicht mehr
als eine bedeutungslose Floskel sind, die je nach Bedarf negiert resp. ihres
Inhalts restlos entleert werden. »Folter und andere
Misshandlungen sind im Jemen weit verbreitet«, hat Amnesty International zum
wiederholten Male bestätigt. Jedenfalls sollte man sich endgültig darüber im
klaren sein, dass der Anti-Terror-Kampf in Wahrheit die versuchte Ausrottung
jeglichen Widerstands gegen Washington bedeutet, was natürlich niemand in
Brüssel über die Lippen kommt. Fakt ist, dass die USA ihre tödlichen
Drohnenkriege, wo immer sie diese als berechtigt betrachtet, ungehindert und
allein entscheidend durchführen kann, wie dies aus Drohnenkriege
- Von Doris Auerbach hervorgeht.
Von strategischer
Bedeutung Die
Kontrolle über den Jemen nimmt in den strategischen Konzeptionen des Westens
bekanntlich einen hohen Stellenwert ein. Das Land liegt auf dem Weg aus dem
Indischen Ozean in Richtung Suezkanal, und wer
- aus Ostasien oder auch aus dem Mittleren Osten kommend - die EU per Schiff erreichen will, muss die
jemenitische Küste streifen, was sowohl auf die Handelsschifffahrt der EU als
auch auf die NATO-Marine zutrifft, deren Kriegsschiffe regelmässig in die
Einsatzgebiete am Horn von Afrika oder in den Persischen Golf fahren. In Anbetracht dieser strategischen
Bedeutung des Jemens, hielt ›German
Foreign Policy‹ schon im Juni 2011
fest, »legt
der Westen seit jeher erheblichen Wert darauf, in Sanaa nichts aus dem Ruder
laufen zu lassen.« »Seit einigen Monaten«, schrieb F.
William Engdahl im Januar 2010, »ist die Welt Zeuge einer immer offener zutage tretenden
militärischen Einmischung im Jemen, einem trostlosen Land, das im Norden an
Saudi-Arabien, im Westen an den Golf von Aden und im Süden an das Arabische
Meer grenzt. An der gegenüberliegenden Küste liegt ebenfalls ein trostloses
Land, das in jüngster Zeit Schlagzeilen macht, nämlich Somalia. Alles deutet
darauf hin, daß das Pentagon und der US-Geheimdienst dabei sind, die Meerenge
Bab el-Mandeb, einen strategischen Engpaß für die Ölversorgung der Welt, zu
militarisieren. Den Vorwand dafür bieten die Übergriffe somalischer Piraten und
die angebliche neue Bedrohung durch Al-Qaida aus dem Jemen. Außerdem
finden sich im Grenzgebiet zwischen dem Jemen und Saudi-Arabien unerschlossene
Ölvorkommen, die zu den größten der Welt zählen sollen. Das
Masila-Becken und das Shabwa-Becken enthalten nach Angaben der internationalen
Ölgesellschaften ›Weltklasse-Funde‹. Die französische Total sowie einige
kleinere internationale Ölgesellschaften sind an der Entwicklung der Ölproduktion
im Jemen beteiligt und etwa 70 % der Einkünfte des Landes stammen aus dem
Verkauf von Öl. Die Zentralregierung von Präsident Saleh hat ihren Sitz in
Sanaa im ehemaligen Nordjemen, während die Ölquellen im Südjemen liegen; trotzdem
hat Saleh die Kontrolle über die Einkünfte aus dem Ölexport.
Mit Bab
el-Mandeb überblickt der Jemen eine der strategisch wichtigsten Meerengen der
Welt. Diese wird von der US-Regierung zu den sieben wichtigen Engpässen für den
Öltransport gezählt. Zwischen dem Jemen, Dschibuti und Eritrea gelegen,
verbindet Bab el-Mandeb den Golf von Aden mit dem Arabischen Meer. Öl und
sonstige Exporte aus dem Persischen Golf müssen Bab el-Mandeb passieren, bevor
sie in den Suezkanal einfahren. 2006 gab das Energieministerium in Washington
bekannt, daß täglich schätzungsweise 3,3 Millionen Barrel Öl durch diesen engen
Seeweg nach Europa, in die USA und nach Asien gelangen. Das meiste Öl, etwa 2,1
Millionen Barrel, geht nach Norden: Durch Bab el-Mandeb zum Suez-Sumed-Komplex
und weiter ins Mittelmeer. Nach Aussage der staatlichen amerikanischen Energy
Information Agency ›könnten Tanker
nach einer Schließung von Bab el-Mandeb den Komplex Suezkanal-Sumed-Pipeline
nicht mehr erreichen und müßten den Umweg um die südliche Spitze von Afrika
nehmen. Ein Vorwand für eine Militarisierung der Gewässer in der Umgebung von
Bab el-Mandeb durch die USA oder die NATO brächte Washington seinem Ziel der
Kontrolle über alle 7 grossen Engpässe für den Öltransport auf der Welt ein
gutes Stück näher. Dadurch könnte die USA in Zukunft China, die EU und jede
andere Region oder jedes Land, das sich der amerikanischen Politik in den Weg
stellt, von der Ölversorgung abschneiden. Da erhebliche Mengen saudi-arabischen
Öls Bab el-Mandeb passieren, diente eine US-Militärpräsenz an dieser Stelle
auch als Warnung an Riad, falls das saudische Königreich mit der Ankündigung
ernst machen sollte, Öllieferungen an China und andere Länder nicht mehr in
Dollar abzurechnen, wie der britische Journalist Robert Fisk kürzlich in der
britischen Zeitung ›Independent‹ geschrieben hatte. Washington könnte damit die
Öllieferungen von dem gerade nördlich von Bab el-Mandeb gelegenen Port Sudan am
Roten Meer nach China bedrohen: Diese Verbindung ist für die Deckung des
chinesischen Energiebedarfs lebenswichtig.« [1]
Die
Vorläufer des jetzigen Bürgerkriegs Zu diesen gehört
der erste Schlag gegen mutmassliche jemenitische Aufständische, die die US-Streitkräfte am 17. Dezember 2009 durchführten; an diesem
Tag feuerten sie eine Cruise Missile auf ein angebliches Al-Qaida-Camp in der
Provinz Abyan. Eine zweite Cruise Missile schlug am 24. Dezember 2009 im
Südosten des Landes ein, rund 600 km von der Hauptstadt entfernt; einem dritten Schlag am 14. März 2010 folgte ein vierter am 25.
Mai, dem versehentlich der stellvertretende Gouverneur der Provinz Marib zum
Opfer fiel. Offiziell befand sich die USA nicht im Krieg mit dem Jemen, sie
wurde aber von der Regierung in Sanaa gedeckt. Bereits 2010 verzeichnete das
Land pro Woche zwei bis drei Drohnenangriffe. Im selben Jahr stockten die ›Special
Operation Forces‹ und die CIA Berichten zufolge Personal und Kampfgerät im
Jemen, in Dschibuti, in Äthiopien und in Kenia auf, während sie sich auf eine Vervielfachung
der Bombardements vorbereiteten. Parallel zu den US-Schlägen gegen
Aufständische unterschiedlicher Provenienz kämpfte die Armee des Landes.
Wie
auch ›German Foreign Policy‹ sehr richtig schreibt, »hat der Westen die islamistisch geprägten Strukturen, die er im
Jemen bekämpft, einst selbst stark gemacht: In Afghanistan. Als
insbesondere die USA, aber auch die Bundesrepublik in den 1980er Jahren den
anti-sowjetischen Untergrund in Afghanistan stärkten, um Moskau eine Niederlage
zu bereiten, stützten sie sich stark auf islamistische Kräfte. Unter diesen befanden sich auch
zahlreiche Jemeniten. Ab 1988 kehrten Experten zufolge mehr als tausend vom
Westen trainierte Afghanistan-Kämpfer, deren religiöser Fanatismus am
Hindukusch stark gefördert worden war, in den Jemen zurück, wo sie weiter agierten
und dabei großzügige Unterstützung aus Saudi-Arabien und Kuwait genossen. Ende
der 1990er Jahre entstanden aus dem Milieu zurückgekehrter Afghanistan-Kämpfer
islamistische Gruppierungen, aus denen sich die heute vom Westen bekämpften
Strukturen speisen. Zur Vernichtung seiner einstigen Helfershelfer, die
Afghanistan in ein blutiges Chaos stürzten, stürzt der Westen jetzt auch den
Jemen in den Krieg.« [2] Was Obama, kaum im Amt, jedoch nicht davon abhielt, im
Jemen gegen die ewig und immer als mutmasslich gekennzeichneten Terroristen
vorzugehen, so dass allein im Dezember 2009 30 sogenannte Terroristen
festgenommen worden waren, während bei Angriffen mit Luftunterstützung, die
insgesamt mehr als 50 Menschenleben forderten, mindestens 28 Al-Qaida-Kämpfer
getötet wurden.
In seiner
Afghanistan-Rede vom 1. Dezember 2009 hatte Obama u.a. erklärt: »Der Kampf
gegen den gewalttätigen Extremismus wird nicht schnell zu Ende gehen, und er
reicht weit über Afghanistan und Pakistan hinaus. Er wird eine dauerhafte
Prüfung für unsere freie Gesellschaft und für unsere Führerschaft in der Welt
sein. Wir müssen geschickt und exakt beim Gebrauch unserer Militärmacht sein.
Wo Al-Qaida und ihre Verbündeten Fuss zu fassen versuchen – sei
es in Somalia oder im Jemen oder anderswo – müssen sie mit wachsendem
Druck und starken Partnerschaften konfrontiert werden.« Eine von dem republikanischen
Senator John McCain geführte US-Delegation hatte Mitte August 2009 zugesichert,
dass der Jemen im ›Kampf gegen den
internationalen Terrorismus‹ ein
wichtiger Partner (!) bleibe und weiter unterstützt werde. Bedenkt man, dass
der Djihad durch den Westen immer wieder eine gewollte Erneuerung erfährt, so
zuletzt durch den Aufbau des IS durch die USA, kann der von Obama zitierte Kampf
gegen gewalttätige Elemente auch gar nicht zu Ende geführt werden, was auch
nicht beabsichtigt ist.
Karin
Leukefeld von der ›jungen Welt‹ hatte im Januar 2010 ein längeres Interview mit Mohammed Abdulsalam geführt, das wir auf politonline eingestellt haben: Jemen:
»Sie wollen auf unser Gebiet«
Wie
dort dargelegt wird, war zunächst eine Gruppe von Schiiten gegen das Unrecht, die Unterdrückung
und gegen die Dominanz korrupter Herrscher aufgestanden; Anfang August 2009 setzte dann, wie bereits vorangestellt, der Krieg der jemenitischen
Regierung gegen die Huthis im Nordwesten des Landes ein. Die Huthis, so Abdulsalam,
bezeichnen sich in erster Linie als eine kulturelle Bewegung. Tatsache ist,
dass sie den Krieg nicht begonnen haben. Es war die Regierung, die sie mit
Gewalt zwingen wollte, ihre Kultur und ihre Überzeugungen aufzugeben.
Inzwischen sind sechs brutale Kriege gegen uns geführt worden. »Aus unserer Nation«, so
der Huthi-Sprecher des weiteren, »gingen viele
Gelehrte und Denker hervor. Wir respektieren religiöse Unterschiede, lehnen
aber die Spaltung zwischen den muslimischen Gemeinschaften ab. Wie es in diesem
Interview weiter heisst, »ist der Jemen nicht nur ein gescheiterter Staat, sondern man kann ihn gar
nicht als Staat bezeichnen. Das Regime hat dem Land nie eine wirkliche
Entwicklung ermöglicht. Die hohe Arbeitslosigkeit, die Armut, der
geringe Bildungsstand und der Rassismus sind für jeden Besucher sichtbar. Es gibt
eine kleine Gruppe von Superreichen, der Rest lebt von dem, was er auf der
Straße findet. Die Mitglieder des Regimes haben gut gefüllte Bankkonten in Europa und
in anderen Teilen der Welt, während die einfachen Leute sich glücklich
schätzen können, wenn sie ein Stück Brot finden. Die internationale Hilfe, die
Jemen erhält, wäre mehr als genug, um das Land und seiner Bevölkerung
Unabhängigkeit und Sicherheit zu geben. Doch die Vorraussetzung dafür wäre die
Existenz eines funktionierender Staates, der verantwortlich handelt.«
Schon
Mitte Januar 2010 hiess es, der Iran
unterstütze die Bürgerkriegsmilizen
im Nordjemen und bereits zu diesem Zeitpunkt kreuzten saudische Schiffe vor der
Küste Jemens, um mögliche iranische Waffenlieferungen an die Huthi zu verhindern,
während saudische Kampfflugzeuge schon damals mehrfach Stellungen der Huthi
bombardierten. Soweit bekannt befanden sich einem Bericht zufolge im März 2011 50
Offiziere US-amerikanischer Spezialkommandos im Jemen, die dort stationiert
waren, um »Anti-Terroreinheiten« auszubilden, wobei sie von britischen Kollegen
unterstützt wurden. Im selben Jahr erhielt das Regime von der USA 150 Millionen
$ als Militärhilfe. Gleichzeitig
wurde der verstärkte Einsatz von bewaffneten Drohnen für gezielte Tötungen
diskutiert; als zentraler Vorteil wurde dabei die Möglichkeit gesehen,
Operationen auch ohne ausdrückliche Zustimmung der jemenitischen Regierung
durchzuführen. Da im Land eine starke Stimmung gegen den US-Imperialismus
herrschte, wodurch das Regime auf die Unterstützung konservativer Stämme
angewiesen war, musste Präsident Saleh darauf bedacht sein, seine Kooperation
mit der USA nicht allzu offensichtlich werden zu lassen. Eine Unterstellung
aller militärischen Aktivitäten der USA im Jemen unter das Kommando der CIA hätte
es dem Regime natürlich erleichtert, Nichtwissen vorzutäuschen.
Im April
2011 war der Rücktritt von Präsident Saleh von Hunderttausenden von
Demonstranten in Sanaa erneut gefordert worden. Von Mitte Februar 2011 an war
es auch immer wieder zu Demonstrationen gegen die extreme Armut im Land und für
mehr Freiheit gekommen. Infolge der Eskalation der regierungskritischen Proteste
brach der jemenitische Stammesführer Al Ahmar, der das Oberhaupt der
mächtigsten Stammeskonföderation im Jemen stellt, mit dem Staatschef; seine Anhänger
gingen auch mit Gewalt gegen das Regime vor.
Al Ahmar war laut dem politischen Beobachter Faris Sadkaf »zu einem Anführer geworden, um den herum sich alle
sammeln. Wenige Gegner Salehs verfügen über mehr Mittel als er. Der 55-Jährige
hat das Kommando über 1000 Haschid-Kämpfer. Deren Arsenal umfasst auch
Mörsergranaten und Panzerabwehrraketen - und könnte bei Bedarf vermutlich noch
ausgebaut werden.«
Wie die ›junge Welt‹ im Juni 2011 schrieb, errichtete die USA im Jemen einen
Stützpunkt für die CIA. Wie es damals hiess, wurde der Bau des
Luftwaffenstützpunkts wegen der politischen Entwicklung im Jemen beschleunigt
vorangetrieben und sollte nach 8 Monaten fertiggestellt sein. Von dort aus sollten
dann Einsätze gegen angebliche Terroristen im Jemen geflogen werden. [3] Saleh hatte mit seinem
Vabanquespiel und der jahrelange Misswirtschaft nicht nur die Huthi- Bewegung
gegen sich aufgebracht; die hohe Korruption staatlicher Stellen im Jemen ist
ein offenes Geheimnis. Schon Mitte Januar 2010 hatte es geheissen, dass auch im
Süden eine starke Opposition fast täglich demonstrierte. Einer der Vorwürfe
lautete auf Unterdrückung der Meinungsfreiheit. Man stelle nun diesen Fakten
die Aussage von US-Senator Carl Levin gegenüber, wie
sie ›Al-Arabiya‹
festgehalten hat: »Alles, was mit Drohnen, Luftangriffen und verdeckten
Aktionen« gemacht werden könne, müsse man im Jemen gegen Al-Qaida einsetzen.« Bei
»wirklich hochwertigen Zielen« sei es das Recht Washingtons, »einseitig gegen
solche Ziele vorzugehen«. Indessen hatten islamische Gruppen bei ausländischer
Einmischung im Jemen mit dem »Heiligen Krieg« gegen die USA und dem Sturz der
Regierung gedroht. [4]
Am 18.
März 2011 war der Ausnahmezustand über
den Jemen verhängt worden; den Bürgern wurde das Tragen von Waffen verboten,
nachdem es zuvor in Sanaa zu blutigen Zusammenstössen gekommen war, bei denen
Sicherheitskräfte mehr als 40 Demonstranten erschossen haben sollen. Die
Schiesserei hatte begonnen, als sich am 18. 3. 2011 nach dem Freitagsgebet in
der Nähe der Universität der Hauptstadt eine Demonstration formieren wollte.
Die Zahl der Verletzten wurde mit über 200 angegeben. Nach dem Freitagsgebet am 15. April gingen
dann auch in den Städten Tais, Aden und Hadramaut grosse Mengen von Menschen
gegen den langjährigen Machthaber auf die Strasse, während sich gleichzeitig
Zehntausende von Anhängern des Präsidenten vor dessen Amtssitz versammelten.
Wie Saleh erklärte, müsse um der Sicherheit und der Stabilität willen eine Einigung
gefunden werden. Indessen schlugen sich Geistliche und Stammesfürsten, die vor
kurzem noch zu Saleh gehalten hatten, auf die Seite der Demonstranten.
Aktivisten hatten die Bevölkerung zum zivilen Ungehorsam aufgefordert; sie
sollten keine Steuern und keine Stromrechnungen mehr bezahlen. Im
September 2011 hatte dann Saudi-Arabien der Regierung eine Kolonne neuer
Panzer, darunter Schützenpanzerwagen, zur Verfügung gestellt. Dies war bereits
die zweite saudi-arabische Lieferung von Militärtechnik an den Jemen, die kurz
nach Beginn der Massenproteste der jemenitischen Opposition - die die Forderung nach einem Rücktritt von
Saleh zum Gegenstand hatte - zwischen
den Regierungen der beiden Länder vereinbart worden war. Im gleichen Monat erreichten die Auseinandersetzungen
zwischen Saleh und dem Ahmar-Clan einen neuen Höhepunkt. Die republikanischen
Garden hatten Zentren der Opposition mit Artillerie und Kampfjets angegriffen.
Dennoch konnte sich Saleh an der Macht halten, da er sowohl von Saudi-Arabien
als auch von der USA gestützt wurde, was ihm Geld, Waffen und militärische
Ausbildung sicherte.
Mitte des
Jahres 2012 gab es im Jemen keine funktionierende Zentralmacht mehr, sondern lediglich
andauernde bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen instabilen Allianzen
tribalistischer, regionaler und religiöser Gruppen. Auch nach der Entmachtung Salehs, dessen Rücktritt am 27. Februar 2012
erfolgte, kam der Jemen nicht zur Ruhe.
Im
September 2014 hatten die Huthis und ihre Ansarullah-Miliz die Macht in Sanaa übernommen. Zwar sind
die Huthis, wie erwähnt, zaiditische Schiiten, sie werden aber von vielen
nicht-schiitischen Kräften unterstützt. Sie wirken als eine nationale Kraft,
die das Volk gegen die Regierung und eine von den Saudis durchgesetzte, die
Spaltung des Landes und die Korruption aufrechterhaltende politische
Vereinbarung eint. Innerhalb weniger Monate gelang es den Huthi und ihren
Verbündeten, grosse Teile des Landes von Al-Qaida-Terroristen zu säubern, was
der USA und ihren Verbündeten in zehn Jahren nicht gelungen war. Zuletzt
standen sie kurz davor, Al-Qaida und den IS ganz aus dem Südjemen zu
vertreiben. In der Folge hatten sie einen nationalen Dialog über die Bildung
einer Regierung der nationalen Einheit und eine Verfassungsreform eingeleitet, das Parlament aufgelöst und Abed Rabbo Mansur
Hadi, zuvor Stellvertreter von Saleh und vom 27. 2. 12 an amtierender Präsident
des Jemens, entmachtet. Hadi floh am 21.
Februar 2015 aus Sanaa nach Aden; Wochen zuvor war er unter Hausarrest gestellt
worden. Am 25. 3. 15 gelang ihm die Flucht aus Aden, um sich nach
Saudi-Arabien abzusetzen. Einer Meldung von ›bbc online ‹ vom 21. März
zufolge hatte die USA am 21. 3. damit begonnen, ihr Militärpersonal von ihrer
Basis im Jemen aus Gründen wachsender Unsicherheit zu evakuieren.
Als am 25.
März 2015 Aden besetzt war, begannen die Saudis ihre Bombenangriffe, um
jede Hoffnung auf einen nationalen Dialog zunichte zu machen. Die
Vorstellung eines republikanischen Jemen mit einer toleranten religiösen Kultur
ist für die wahhabitischen Herrscher des Hauses Saud ein Alptraum, weil die
beiden Länder eine lange gemeinsame Grenze und viele historische Verbindungen
haben. Die Angriffe der saudische Luftwaffe auf den Jemen setzten in der Nacht
zum 26. März ein, wobei vor allem Sanaa bombardiert wurde. Wie die ›jungen Welt‹ u.a. schrieb, unterstützte die USA den Militäreinsatz der
Nachrichtenagentur AFP zufolge lediglich ›logistisch‹: »Wie groß ihr Einfluß auf den
Konflikt tatsächlich ist, darauf deutet allerdings bereits der Ort der
Kriegserklärung hin: Der Botschafter Saudi-Arabiens in der USA, Adel
Al-Dschubeir, kündete den Beginn der Intervention am 25. 3. in Washington an.
Diese diene dazu, die ›legitime
Regierung‹ des Jemens zu verteidigen.
Es müsse verhindert werden, daß die Huthi-Miliz das Land einnehme. Saudi-Arabien
kann sich der Unterstützung weiterer sunnitischer und der USA loyal gesinnter
Regimes in der Region sicher sein. Dschubeir sprach von einer ›Koalition von mehr als 10 Ländern‹, ohne diese jedoch im einzelnen zu
benennen. Nach Angaben des saudischen Senders ›Al-Arabija‹ haben die
Vereinigten Arabischen Emirate, Bahrain, Kuwait und Katar Kampfflugzeuge
bereitgestellt. Der ägyptische Außenminister Samih Schukri hatte am 26. März bei dem Treffen mit seinen Kollegen der
Arabischen Liga in Scharm el Scheich erklärt, sein Land plane den Einsatz von
Luftwaffe, Marine und sogar Bodentruppen, ›wenn
dies nötig sein sollte‹.
Saudi-Arabien hat bereits 150.000 Soldaten mobilisiert und schweres
Militärgerät an der Grenze zum Jemen aufgefahren. Hadi, der als Statthalter des
sunnitischen Königshauses von Saudi-Arabien gilt, hatte die Angriffe auf sein
Land am 25. März selbst gefordert. [5]
Am 27.
März hatte das Auswärtige Amt in Berlin die Angriffe der saudischen Kriegskoalition
auf Jemen und die Huthi-Rebellen als ›gerechtfertigt‹ erklärt, was nicht überraschen
sollte, hatte doch auch Merkel Saudi-Arabien als Stabilitätsanker in der Region
bezeichnet. »Wir
haben keine Zweifel an der Legitimität«, sagte ein Sprecher des Auswärtigen
Amtes. Der Jemen befinde sich in einer »außerordentlich bedrohlichen
Situation«
und habe die Weltgemeinschaft um Hilfe ersucht. Wovon selbstverständlich keine
Rede sein kann! »Die
saudische Intervention«, vermerkte die ›junge Welt,‹ »muß vor dem Hintergrund der
Instabilität des eigenen Systems gesehen werden. Die Repressionen gegen die
schiitischen Minderheiten, die seit 2011 an der jemenitischen Grenze und in der
saudischen Ölregion, der Ostprovinz Asch-Scharqiyya, verstärkt aufbegehren,
nehmen zu. Ihre Führer, wie der Geistliche Al-Nimr, sitzen - unbeachtet vom Westen - in den Gefängnissen Riads. Im Jemen zeigt
sich, daß eine derartige Unterdrückung nicht ewig währen kann. Auch hier hatten
von den Saudis unterstützte Kräfte Schiiten drangsaliert. Die Region Saada im
Norden des Jemen, aus der die schiitischen Rebellen stammen, war jahrelang
vernachlässigt worden.« Saudi-Arabiens König Salman hat die arabischen Staaten jetzt Ende März
auf
einen langen Krieg im Jemen eingeschworen. Die Luftschläge der von
seinem Land angeführten Allianz gegen Huthi-Rebellen würden so lange
fortgesetzt, bis der Jemen wieder stabilisiert sei, so Salman auf dem
Gipfeltreffen der Arabischen Liga.
Natürlich
muss auch wieder der Iran dafür herhalten, damit sich der Krieg intensivieren
kann, denn es ist der entmachtete Abed Rabbo Mansur Hadi, der den Iran
beschuldigt hat, für das Chaos in seinem Land verantwortlich zu sein;
gleichzeitig bezeichnete er die Hutis als ›Handlanger
des Irans‹. Die Luftschläge müssten
weitergehen, ›bis sich die Huthi-Bande
ergibt‹. »Riads neuer Krieg, schreibt ›German Foreign Policy‹, »richtet sich gegen einen angeblichen
Machtzuwachs des Irans, dem gute Verbindungen zu den schiitischen
Huthi-Rebellen nachgesagt werden. Er entspricht den Interessen der
NATO-Staaten: Man wolle verhindern, daß Teheran mit Hilfe der
Huthis ›neben der Meerenge von Hormuz auch noch die Meerenge
zwischen dem Jemen und Afrika kontrollieren könnte, durch die jeden Tag
Millionen Barrel Erdöl transportiert werden‹. Beobachter halten eine vollständige
Entgrenzung des jemenitischen Bürgerkriegs für durchaus wahrscheinlich. Die
arabische Welt steht nach zahlreichen offenen oder verdeckten militärischen
Interventionen des Westens unkontrollierbar in Flammen - vom Süden der Arabischen
Halbinsel bis Nordsyrien, von Libyen bis Irak. Bereits vor Beginn der aktuellen
Luftangriffe auf Stellungen der Huthi-Rebellen hatten die westlichen Großmächte
und ihr regionaler Hauptverbündeter Saudi-Arabien zur Eskalation des
innerjemenitischen Konflikts beigetragen. Dies geht aus Analysen von Experten
hervor. So weist die ›International Crisis Group‹, ein internationaler westlicher
Think-Tank, darauf hin, daß Washington und
andere westliche Regierungen den jemenitischen Staatspräsidenten Hadi um jeden
Preis an der Macht zu halten suchten, da er im Anti-Terror-Krieg stets
bereitwillig mit ihnen kooperierte. Hadi hatte den Vereinigten Staaten den
Stützpunkt Al Anad unweit der Hafenstadt Aden zur Verfügung gestellt, dies für
Drohnenoperationen aller Art, aber auch für die Ausbildung jemenitischer
Spezialkräfte. Daß der kooperationswillige
Präsident weithin dringend gewünschte Reformen verschleppte und in der
Bevölkerung kaum noch Rückhalt hatte, sei im Westen ignoriert worden, heißt es
bei der Crisis Group.« Im Herbst letzten
Jahres hatte es von Seiten der deutschen Friedrich-Ebert-Stiftung im Jemen
geheissen, Hadis ›politisches Überleben‹ werde ›derzeit nur noch durch die
internationale Gemeinschaft garantiert‹. Laut der ›Crisis Group‹ hat Saudi-Arabien zuletzt sogar
mehrfach denkbare Verhandlungslösungen in dem eskalierenden Konflikt sabotiert.
Noch diesen Monat habe Riad erneut eine Einigung unmöglich gemacht, indem es
Gespräche an Vorbedingungen geknüpft habe, die für die Huthis unerfüllbar
gewesen seien. [6]
»Die
Wahrscheinlichkeit einer größeren Eskalation im Zusammenhang mit dem jüngsten
Stellvertreter›bürgerkrieg‹ in der Nahmittelostregion«,
schreibt Tyler Durden u.a., »ist jetzt weiter substantiell angestiegen. Der
amerikanische stellvertretende Außenminister Antony Blinken erklärte am 7. 5.
in Riad, die USA sei fest entschlossen, Saudi-Arabien zu verteidigen. ›Wir haben die Waffenlieferungen
beschleunigt, den Austausch nachrichtendienstlicher Informationen ausgeweitet
und einen gemeinsamen Koordinierungs- und Planungsstab im saudischen
Operationszentrum eingerichtet‹,
sagte er gegenüber Journalisten nach einem Treffen mit Vertretern der
saudischen Königsfamilie und Abed Rabbo Mansur Hadi.«
[1] http://info.kopp-verlag.de/news/jemen-tummelplatz-fuer-al-qaida-oder-geopolitischer-engpass-fuer-eurasien.html 12. 1. 10
Jemen: Tummelplatz für »al Qaida« oder geopolitischer Engpass für
Eurasien - F. William Engdahl
[2] http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/57881 27. 8. 2010
Die neue Front (II)
[3] http://www.jungewelt.de/2011/06-16/060.php 16. 6. 11
[4] http://www.jungewelt.de/2010/01-16/040.php 16. 1. 10
[5] https://www.jungewelt.de/2015/03-27/059.php 26. 3. 15
[6] http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/59081 31. 3. 15
In Flammen
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