Die EU lässt nicht locker

Es scheint, dass die EU über die Obsession einer Einkreisung und

Schwächung Russlands nicht hinauskommt, wie dies aus dem nachfolgenden Bericht von German Foreign Policy hervorgeht: 

Berlin nutzt seine OSZE-Präsidentschaft im laufenden Jahr zur Ausdehnung des deutsch-europäischen Einflusses in mehreren Sezessionsgebieten am Schwarzen Meer und im südlichen Kaukasus. Ziel der Einflußarbeit ist die Europäisierung Transnistriens, Abchasiens und Berg-Karabachs und damit eine Schwächung Rußlands, das bislang eine starke Position in den genannten Republiken hält. Für Moskau trägt der Einfluss in den Sezessionsgebieten dazu bei, seine Stellung rings um das Schwarze Meer zu sichern, das als Sprungbrett ins Mittelmeer und damit auch als Basis seiner globalen Machtprojektion dient.  

Die deutsche Politik gegenüber den international von nur wenigen Staaten anerkannten Sezessionsrepubliken ist bisher wenig erfolgreich. Als Mittel der Einflußnahme dient neben Maßnahmen der Konfliktbewältigung, die im OSZE-Rahmen durchgeführt werden, nicht zuletzt die ökonomische Kooperation: Deutsche Unternehmen entwickeln durchaus Interesse an Geschäften mit den betreffenden Gebieten, die allesamt eine industrielle Tradition haben.  

Der Weg ans Schwarze Meer  
Bereits seit über einem Jahrzehnt baut die Europäische Union ihre Stellung rings um das Schwarze Meer aus. Nach dem Start der Europäischen NachbarschaftspolitikENP im Jahr 2003 führte sie erstmals gemeinsame Projekte mit der Ukraine, der Republik Moldau und den drei Südkaukasus-Staaten Georgien, Armenien und Aserbaidschan durch, begleitet von Sanktionen gegen Transnistrien, das sich von der Republik Moldau abspalten will. Mit den EU-Operationen EUJUST THEMIS in Georgien im Jahr 2004, dem EUSR Border Support Team im gleichen Land ein Jahr später, EUBAM Moldova/Ukraine im Jahr 2005 und der Erweiterung der EU um Rumänien und Bulgarien 2007, drang die Europäische Union dann selbst unmittelbar in die Region vor. Seitdem ist sie nicht nur Anrainer des Schwarzen Meers, sondern darüber hinaus mit Justizbeamten, Polizei und Militär in Georgien, Moldau und der Ukraine präsent. Im Mai 2007 lautete die Bilanz des damalige EU-Repräsentanten für den Südkaukasus, Peter Semneby: »Die EU ist nun eine Schwarzmeermacht!« Nach dem fehlgeschlagenen Angriff des in die EU strebenden Georgiens auf Südossetien im August 2008 kam im September 2008 mit der Beobachtermission EUMM Georgia noch eine weitere Polizeimission an den Grenzen Georgiens zu seinen abtrünnigen Republiken Abchasien und Südossetien hinzu.   

Europäisierung Transnistriens?  
Während die deutsche Moldaupolitik vor dem kompletten Scheitern steht, hat die Bundesrepublik zuletzt in der abtrünnigen und international nicht anerkannten moldauischen Republik Transnistrien, Pridnestrowische Moldauische Republik, einen Erfolg verbuchen können. Transnistrien gilt seit den 1990er Jahren als Teil des unmittelbaren russischen Einflußgebiets. Bereits im Jahr 2010 hatte ein Referent der Heinrich-Böll-Stiftung (Bündnis 90/Die Grünen) dafür plädiert, die EU müsse ihre direkten Kontakte zur Sezessionsrepublik verstärken, um eine Europäisierung des Gebiets voranzubringen. Dazu sollte dort die Werbung für die EU intensiviert und die sogenannte Entwicklungshilfe direkt in die Hauptstadt Tiraspol überwiesen werden, ohne sie über die Republik Moldau zu leiten, der Transnistrien offiziell bis heute angehört. Im Einklang mit diesem Ansatz gab das Auswärtige Amt 2012 eine Studie über den deutschen Handel mit Transnistrien in Auftrag. Wie die Bundesregierung 2014 einräumte, ist sie zudem darum »bemüht, bei Vorhaben auf kommunaler Ebene insbesondere auch Gemeinden aus [...] Transnistrien in die Zusammenarbeit einzubeziehen.«

Ein Punktsieg 
Inzwischen ist es Brüssel und Berlin und tatsächlich gelungen, Transnistrien enger an die EU zu binden. Nachdem Brüssel angekündigt hatte, seit Jahren bestehende Handelspräferenzen für die Sezessionsrepublik Ende 2015 auslaufen zu lassen, sah sich die transnistrische Führung gezwungen, mit EU-Vertretern Gespräche über ein neues Handelsabkommen zu führen; ein Ende der EU-Handelspräferenzen hätte zahlreiche transnistrische Firmen in den Ruin getrieben, denn rund 35 % der Exporte Transnistriens gehen in die EU. Am 7. Dezember 2015 erklärten transnistrische Behördenvertreter, Transnistrien werde dem
FreihandelsabkommenDCFT der Republik Moldau mit der EU beitreten. Dazu werde man Teile der transnistrischen Handelsgesetzgebung an WTO-Standards anpassen und unter anderem eine Mehrwertsteuer einführen. Letztere war in Transnistrien vor 16 Jahren abgeschafft worden; sie würde zur »Verarmung eines Gutteils der Bevölkerung« führen, erläuterte die von 2000 bis 2011 amtierende transnistrische Wirtschaftsministerin Elena Tschernjenko. Die EU treibt somit die Europäisierung Transnistriens voran und überwacht auch die Einführung armutsfördernder Maßnahmen und - ein wichtiger Punktsieg im Einflußkampf gegen Moskau.

Schwieriges Terrain Abchasien   
Mit dem Jahr 2006 begann die EU, sogenannte zivilgesellschaftliche Organisationen in der georgischen Teilrepublik Abchasien zu unterstützen, um auch dort eine Abkehr von Rußland und die Europäisierung zu fördern. Allerdings haben sich die Beziehungen seit dem Zeitpunkt, als Moskau nach dem Georgien-Krieg die Unabhängigkeit Abchasiens 2008 anerkannte, nur schwierig entwickeln können. Berlin und Brüssel sind im politischen Bereich, aber auch in der abchasischen Öffentlichkeit, mit hohen Hürden konfrontiert. Eine 2011 durchgeführte repräsentative Umfrage in Abchasien ergab, daß viele Bewohner der Region von der EU enttäuscht seien, da Brüssel seine Beziehungen zu der Republik ausschließlich mit geostrategischen Faktoren begründe und das Ziel verfolge, Rußland aus dem Südkaukasus herauszudrängen. Im April 2012 erklärte das abchasische Außenministerium den Leiter von EUMM Georgia, den früheren polnischen General Andrzej Tyszkiewicz, zur Persona non grata, da er Abchasien keinen Respekt zolle und im Sezessionsstreit eine einseitig  pro-georgische Position einnehme. Als EU-Vertreter im vergangenen Jahr erklärten, in der abchasischen Hauptstadt Suchumi ein Repräsentationsbüro eröffnen zu wollen, trafen sie auf politischen Widerstand. Repräsentanten Abchasiens verweigerten ihre Zustimmung: Die EU könne kein solches Büro eröffnen, wenn sie die Unabhängigkeit der Sezessionsrepublik nicht anerkenne.   

Wirtschaftskontakte   
Trotz der schwierigen politischen Beziehungen bauen immer mehr EU-Firmen, darunter auch deutsche, ihre Wirtschaftskontakte mit der international kaum anerkannten Republik aus. So bekundeten im Jahr 2013 Vertreter von Pfeifer und Langen, dem drittgrößten deutschen Zuckerproduzenten, Interesse an Geschäften mit Abchasien - trotz eines georgischen Embargos. Allerdings liegen deutsche Firmen hinter türkischen und italienischen Unternehmen zurück; letztere gehören zu den wichtigsten westlichen Handelspartnern Abchasien. Das Land wickelt lediglich 2 % seines Außenhandels mit Deutschland ab. Ein verbesserter Zugang zum abchasischen Markt gälte als Chance, die russische Position am Schwarzen Meer zu schwächen; Beobachter halten jedoch die dazu notwendigen engeren politischen Kontakte Abchasiens zur EU derzeit für unwahrscheinlich.   

Komplizierte Lage in Berg-Karabach   
Weitaus komplizierter entwickeln sich die Beziehungen der EU und Deutschlands zur Sezessionsrepublik Berg-Karabach, Nagorny-Karabach/Arzach, die sich von Aserbaidschan abspalten will. Ende der 1980er Jahre war Berg-Karabach ein industrielles Zentrum der Sowjetunion, dessen Wirtschaftsdaten teilweise über dem sowjetischen Durchschnitt lagen. In den 20 Jahren nach dem offiziellen Ende des Berg-Karabach-Kriegs zwischen Armenien und Aserbaidschan im Jahr 1994 konnte vor allem Frankreich gute Beziehungen zu der Sezessionsrepublik aufbauen. Im September 2015 fanden die Französischen Tage in Arzach statt, und viele französische Städte unterhalten Partnerschaften mit Orten in Berg-Karabach. Für Deutschland sind Kontakte in das Gebiet delikat, da Berlin auf enge Beziehungen zur Türkei und zur Petro-Diktatur in Aserbaidschan setzt.   

Volksgruppen-Parteien  
Seit letztem Jahr versuchen jedoch auch deutsche Politiker und Diplomaten, auf Berg-Karabach verstärkt Einflu
ß zu nehmen. So traf sich der im Juli 2014 zum Speziellen Repräsentanten der EU für den Südkaukasus ernannte Diplomat Herbert Salber im November 2014 mit dem Außenminister der Sezessionsrepublik. Im Herbst 2014 reisten außerdem zwei Bundestagsabgeordnete der CDU nach Berg-Karabach, um dort offizielle Gespräche zu führen; einer der Abgeordneten ist Ordentliches Mitglied im Auswärtigen Ausschuß des Bundestags. Im April 2015 nahm die European Free Alliance EFA, in der Volksgruppen-Parteien aus ganz Europa zusammengeschlossen sind, bei ihrem Kongreß in Bautzen die Demokratische Partei Arzachs DPA als assoziiertes Mitglied auf. Die EFA wirbt für Grenzrevisionen in der EU und neuerdings offenbar auch über sie hinaus. Die 2005 gegründete DPA ist die stärkste Partei im Parlament Berg-Karabachs und stellt seit 2010 den Parlamentspräsidenten. Im Januar dieses Jahres kündigte die deutsche Botschafterin in Aserbaidschan an, daß sich Berlin im Rahmen der deutschen OSZE-Präsidentschaft auch dem Bergkarabach-Konflikt stärker widmen werde.   

Keine Chance: Südossetien  
Lange Zeit hatten sich die EU-Bemühungen innerhalb Georgiens auf die südossetische Sezessionsrepublik konzentriert. Der dortige Konflikt galt als derjenige, der in der gesamten Region die besten Chancen auf eine Lösung hatte. Doch sind mit dem georgischen Überfall vom August 2008 die Möglichkeiten auf eine Annäherung auf absehbare Zeit wohl zunichte gemacht worden. Die südossetische Führung strebt derzeit die volle Integration in die Russische Föderation an und hat durch einen Integrationsvertrag mit Rußland - gemeinsam mit Abchasien - de facto eine Assoziierung an die Eurasische Wirtschaftsunion eingeleitet. Eine wirksame deutsche Einflußnahme auf Südossetien scheint gegenwärtig chancenlos.


Quelle: 
http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/59316   25. 2. 16  

Die Schwarzmeermacht EU 

Siehe hierzu auch

http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=1989   23. 8. 12    Alle Macht an Brüssel - Von Russland keine Rede