Bemerkenswerte Standpunkte - Behauptungen und Wahrheit 21.06.2018 22:11
Bundesbern behauptet regelmässig: Wer in der Wirtschaft
oder in
der Wirtschaftswissenschaft Rang und Namen habe, trete weitgehend vorbehaltlos
für den von der EU der Schweiz abgeforderten Rahmenvertrag zur »institutionellen Anbindung« der
Schweiz an die EU ein.
Dass
diese Behauptung weit von den Tatsachen entfernt ist, zeigt eine Auswahl
kürzlich publizierter Stellungnahmen von Persönlichkeiten, welche praktisch
oder theoretisch Bemerkenswertes zur Wirtschaft bzw. zur Wirtschaftsentwicklung
geleistet haben. Bundesberns Behauptung gerät dabei in die Nähe
realitätsblinder Illusion.
Schädlicher
Zentralismus Der von
Zug aus wirkende Wirtschafts- und Währungsberater Felix W. Zulauf führte zu den
wahren Interessen ›der Wirtschaft‹ schon in der EU-Diskussion vom 29.
März 2013 in ›Finanz und Wirtschaft‹ folgendes aus: »Die
Einheitswährung für strukturell völlig unterschiedlich aufgestellte
Volkswirtschaften bewirkt wachsende wirtschaftliche Ungleichgewichte; sie müssen
über die Umverteilung ausgeglichen werden, was den Zentralismus fördert. Die
EU-Elite und auch diejenige in diversen Hauptstädten haben das Ziel der
Vereinigten Staaten von Europa vor Augen. Gegen aussen tritt die EU sehr
protektionistisch auf. Es ist verständlich, wenn ihr der kleine weisse Fleck
mitten in Europa ein Dorn im Auge ist. Da heute die grosse Mehrheit der
Schweizer Bevölkerung gegen den Beitritt ist, macht sich in der EU Ärger und
Enttäuschung breit. Deshalb erhöht sie den Druck auf die Schweiz, sich
anzupassen und zu integrieren. Da die Schweiz zwar von der EU im Handel mehr
kauft als umgekehrt, die EU jedoch für die Schweiz der mit Abstand wichtigste
Handelspartner ist (was umgekehrt nicht zutrifft), kommt bei manchen hiesigen
Exportunternehmen Angst wegen möglicher Diskriminierung auf.
Wer das Schweizer System
demontiert, demontiert auch den Wohlstand Einst
schweizerische Grosskonzerne sind heute mehrheitlich in ausländischer Hand und
werden meist von ausländischen Verwaltungsräten und Managern geführt. Diese
haben mit den Werten der direktdemokratischen politischen Ordnung, den Werten,
der Geschichte und der Kultur des Landes wenig am Hut. Sie wollen einfach
innerhalb der Haltefrist von Topmanagern (vier bis sieben Jahre) für ihre
Gesellschaft soviel Geld wie möglich verdienen, um möglichst hohe Boni zu
kassieren. Der Rest kümmert sie wenig. Diese Manager beeinflussen heute
massgeblich die Meinungsbildung der Economiesuisse. Diese ist in Wirtschaftsfragen
eine wichtige Meinungsmacherin für die Mitteparteien.
Die
Schweiz will keine Abschottung, denn sie hat eine der offensten
Volkswirtschaften und ist auf Aussenhandel angewiesen. Vielfach werden von
Befürwortern einer Annäherung an die EU Horrorszenarien gezeichnet, dass der
Marktzugang ohne ein Rahmenabkommen nicht mehr möglich sei. Doch weder die Chinesen
noch die Amerikaner übernehmen automatisch EU-Gesetze und können dank der
Welthandelsorganisation (WTO), zu deren Mitgliedern auch die Schweiz zählt, trotzdem
einen grossen Handel mit der EU betreiben.
Den
Menschen in der Schweiz geht es wirtschaftlich und in puncto Freiheit besser
als denjenigen in den EU-Staaten. Nicht weil die Schweizer bessere Menschen
sind, sondern wegen des besseren Systems, das mehr Prosperität und Freiheit für
die Bürger schafft. Föderalismus und direkte Demokratie haben Nachteile, aber
unter dem Strich überwiegen die Vorteile der Subsidiarität bei weitem. Wer also
das schweizerische System demontiert, der demontiert auch den hohen Wohlstand.«
Brüssels
Classe politique Zum Zustand
und zur Entwicklung der die EU dominierenden Brüsseler Classe politique sagte
der ehemalige, den dortigen Wirtschaftsaufschwung nach dem Zusammenbruch des
Kommunismus massgeblich und höchst erfolgreich beeinflussende Staatspräsident
Tschechiens, Vaclav Klaus, in einem Referat an der Mitgliederversammlung der
Auns am 28. April 2018: »Die Unterschiede zwischen Kommunismus und EU-Europa sind
gross (und niemand kann sie leugnen), aber die Menschen in Europa sind
heutzutage fast so stark reguliert, manipuliert und indoktriniert, wie wir es in
der späteren kommunistischen Ära gewesen sind. Die Meinungsfreiheit ist wieder
eingeschränkt. Es herrscht die politische Korrektheit. Die EU-Protagonisten und
Propagandisten haben die Atmosphäre geschaffen, in welcher gewisse Fragen und
Antworten nicht erlaubt werden. Die wirkliche Debatte – diese unentbehrliche Substanz der Politik – existiert in der heutigen EU nicht mehr. Nur
deshalb können die Menschen die Fortsetzung des heutigen Weges der europäischen
Integration, der zur Postdemokratie und zur Stagnation führt, unterstützen,
verteidigen oder zumindest passiv tolerieren.
Postdemokratie In Europa
erleben wir ein gefährliches demokratisches Defizit und das Entstehen der
Postdemokratie. Seit langer Zeit beobachten wir den Anstieg von Anonymität der
Entscheidungen, eine wachsende Entfernung der Bürger von den Entscheidungsträgern
und eine gefährliche Entpersonifizierung der EU. Für die Demokratie brauchen
wir den Staat, nicht aber seine Schwächung und Liquidierung. Grössere
Strukturen als der Staat sind für die Demokratie ungeeignet. In diesen
Strukturen ist die authentische demokratische Repräsentanz der Bürger nicht
möglich. Das verstehen Sie in der Schweiz sehr gut. Auch deshalb haben Sie Ihre
Kantone. Ich bin überzeugt davon, dass die heutige europäische Entwicklung
keine historische Notwendigkeit ist. Was wir jetzt erleben, ist ein ›man-made‹ Problem. Es geht um unsere sich selbst zugefügte Beschädigung.
Die heutige nicht erfolgreiche europäische ökonomische Entwicklung ist ein
Produkt des heutigen europäischen Wirtschafts- und Sozialsystems auf der einen
Seite und der mehr und mehr zentralistischen und undemokratischen
EU-Institutionen auf der anderen. Das Hauptproblem sehe ich in der Umkehrung
des Gleichgewichts zwischen Staat und Markt, zwischen Politik und menschlicher
Freiheit. Die extreme Version dieser Umkehrung haben wir im Kommunismus mit den
bekannten Konsequenzen erlebt.«
Fehlkonstrukt
Euro Prof. Dr.
Hans Werner Sinn, langjähriger Präsident des angesehenen ifo-Instituts für
Wirtschaftsforschung in München, der zu den renommiertesten Wirtschaftswissenschaftern
in ganz Europa zählt, hat die währungspolitischen Ursachen der offensichtlichen
wirtschaftlichen Stagnation in der EU
[1] wie folgt erläutert:
»Mit
der Ausschaltung des Wechselkursrisikos zwischen den Euro- Teilnehmerländern
und der Zinskonvergenz waren seinerzeit plötzlich kreditfinanzierte
Lohnerhöhungen möglich, die weit über der Produktivität lagen. Dennoch schien
der Euro in dieser Phase zu funktionieren. Mit der Lehman-Krise verloren Banken
und Anleger dann aber die Lust, weitere Kredite nach Südeuropa zu vergeben. Die
erneute künstliche Vergünstigung der Kredite durch die Rettungsmassnahmen löste
ein keynesianisches Strohfeuer beim BIP der betroffenen Länder aus, behinderte
dort aber jene Sektoren, die im internationalen Wettbewerb standen: Sie blieben
zu teuer.
Die
falschen relativen Güterpreise sind nach Einschätzung Sinns das Kernproblem
Europas. Es gehe um das richtige Preisniveau für die gebotene Produktivität und
Qualität. Europa habe ausdrücklich kein Konjunkturproblem. Daher bekomme man
das Problem auch nicht durch noch mehr Geld in den Griff. Im Gegenteil. Die
Wettbewerbsfähigkeit stelle man nur durch den Verzicht auf Geld her. So müsse
das Lohnniveau in Griechenland, Spanien und Portugal um ca. 30 % sinken, um
wieder wettbewerbsfähig zu werden. Weil die Verlockung durch niedrige Zinsen
aber viel stärker war als die rechtliche Schranke (›gehärteter Stabilitätspakt‹),
die Angela Merkel glaubte, errichtet zu haben, stieg die Verschuldung weiter
an. Bis auf lrland, Malta und Deutschland liegen alle anderen Länder heute noch
weiter über der Staatsschuldengrenze von 60 % des BIP als am Höhepunkt der
Krise im Jahr 2012.
Trostlose
Aussichten Anschliessend
skizzierte Sinn 4 trostlose Optionen für die Eurozone:
1. Dauerhafte Transferunion à la Macron 2. Deflation in der Peripherie (Austerität),
woran die Gesellschaften dort zerbrechen können
3. Nachinflationierung des Nordens, was der
Politik der EZB entspreche, auch wenn dies offiziell nicht zugegeben werde. Bei
dieser durchaus rationalen Strategie werden die Sparer ihr Geld verlieren
4. (Temporäre) Austritte aus dem Euro,
wodurch die Wettbewerbsfähigkeit aufgrund
der Abwertung in Minuten wieder hergestellt würde. Das entspreche dem Plan, den
Varoufakis vorbereitet habe und den auch Schäuble wollte.
Eine
fünfte Option, da dürfe man sich nicht täuschen, gebe es nicht.« [1]
Quelle:
Überparteiliches Komitee - Nein zum schleichenden EU-Beitritt info@eu-no.ch
[1] Nach ›Smart
Investor‹, Ausgabe 11/2017
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