Nicht nur die Bauern trifft es - von Prof. Dr. Ruedi Müller-Wenk vom Institut für Wirtschaft und Ökologie der Universität St. Gallen, am 9. 11. 2005 in der Wiler Zeitung erschienen

Der derzeitige Bundesrat möchte die schweizerische Landwirtschaft auf dem Verhandlungstisch der WTO preisgeben, um den Interessen mächtigerer Wirtschaftszweige zu dienen. Scheinbar geht es «nur» um 60 000 Bauern. Aber der Schein trügt, denn die Landwirtschaft ist entgegen der Meinung der Ökonomen nicht irgendein Wirtschaftszweig wie die Textilindustrie oder die Schuhindustrie: Landwirtschaft findet nicht in Fabrikhallen statt, sondern im Freien und prägt damit das Gesicht unserer Landschaft. Wenn weitere zwanzigtausend oder noch mehr Bauern zum Aufgeben gezwungen werden sollen, lässt sich die bisher noch weitgehend flächendeckende Bewirtschaftung nicht mehr aufrechterhalten. Anstelle von offenem Land wird sich dann die unserem Klima entsprechende natürliche Vegetation einstellen, nämlich Laubwald im Mittelland und Jura, sowie Nadelwald in Voralpen und Alpen bis hinauf zur alpinen Waldgrenze. Wie der kürzlich vom Bund publizierte Waldbericht nachweist, hat dieser Verwaldungsprozess schon eingesetzt.

Nun ist Wald zwar etwas Schönes und Naturnahes, aber eine weit gehende Verwaldung der Schweiz ausserhalb der dicht besiedelten Gebiete kann nicht erwünscht sein. Sie wäre nicht nur aus Sicht der Biodiversität unerfreulich, sondern sie würde auch die Lebensbedingungen der Bevölkerung verschlechtern. Was Verwaldung als Folge einer aufgegebenen Landwirtschaft bedeutet, kann man im grossen Massstab in Südschweden oder dem Nordosten der USA erleben: Ausserhalb der Städte leben die Leute dort weitgehend im Wald, weil sie selbst in ihren Gärten dem Aufwuchs der Waldbäume nicht mehr Herr werden. Im Hochsommer ist das soweit angenehm, aber in der dunklen Jahreszeit führt der Lichtentzug durch die Bäume verbreitet zu Depressionen. Dazu kommt, dass aufwachsender Wald ohne forstliche Pflege und Nutzung für die Anrainer mit Gefahren für Mensch und Gut verbunden ist, denn in solchen ungenutzten Wäldern besteht ein erhöhtes Risiko für Waldbrände und Windwurf. Auch aus der Sicht der Erholung suchenden Städter kann die Zukunftsvision einer weitgehend verwaldeten Schweiz nicht erwünscht sein, denn das heute noch bestehende Mosaik von Wald und Feld bietet erlebnisreichere und sonnigere Ausflüge an.
 
Der vom Bundesrat derzeit angestrebte Abbau der Landwirtschaft bringt also bedeutende Veränderungen der Lebensqualität auch für die nichtbäuerliche Bevölkerung mit sich. Diese sollte sich daher gut überlegen, ob sie sich auf die Seite des Bundesrates und der Wirtschaftskreise oder auf die Seite der Bauern schlagen will.
 
http://www.tagblatt.ch/index.jsp?artikel_id=1111338&ressort=interessen
 
Kennt man den Inhalt der Agenda 21, für die sich leider fast niemand die Mühe des Lesens nimmt, kommt man zu dem Schluss, dass die Ziele der UNO-Beauftragten, die diese ausgearbeitet haben, auch im Agrarsektor schrittweise verwirklicht werden. Es hat leider nicht den Anschein, als machten sich die verantwortlichen Regierungsstellen irgendwelche Gedanken darüber, dass die Agenda 21 ohne demokratische Legitimation, also ohne Auftrag von Seiten der Nationen, erstellt wurde. Dennoch wurde dieses Aktionsprogramm für das 21. Jahrhundert im Juni 1992 an einer Tagung der UNO über Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro verabschiedet und von 180 Staaten unterschrieben. Erschreckenderweise hat auch die Schweiz, die an der Konferenz teilnahm, die Agenda 21 als fundamentales Prinzip der Schweizer Politik anerkannt und im Jahr 1999 als nationales Ziel in die Schweizer Verfassung übernommen. Der ehemalige Direktor des Bundesamtes für Umwelt, Wald und Landschaft, Philippe Roch, sagte dazu in Johannesburg: „Wir haben jahrelang daran gearbeitet, dieses Staatsziel in die Verfassung zu bringen. Daran können wir jetzt alle Aktionen aufhängen“, was im Prinzip gleichbedeutend mit dem buchstabengetreuen Vollzug der Agenda 21 in unserem Land ist. Auch hier lässt sich die Frage nicht vermeiden, welche Kräfte hinter den Bestrebungen von Philippe Roch standen. Im übrigen lässt sich folgern, dass die Regierungen nur solche Vertreter nach Johannisburg entsandten, von denen  sie sicher sein konnten, dass sie die Agenda 21 akzeptieren würden.
 
Es sei hier insbesondere darauf hingewiesen, dass der Souverän, wie das immer häufiger der Fall ist, hierzu in keiner Weise konsultiert wurde und, wie es aussieht, auch in Zukunft nicht konsultiert werden wird, es sei denn, es rege sich ein nicht mehr zu unterdrückender Widerstand. Dem Ansatz der Agenda 21 entsprechend soll allen Entscheidungen der Bürger oder der gewählten Vertreter ein Kontrollgremium übergeordnet werden, das nur diejenigen Entscheidungen duldet, die sich als nachhaltig definieren lassen. Ein solches Gremium ist vom Verfassungsrat in Zürich am 24. 9 2002 vorläufig knapp abgelehnt worden. In den letzten Jahren haben die Bundesbehörden die Selbstbestimmung der Bürger immer weiter eingeschränkt und diese gemäss UNO-Vorgaben durch die Beteiligung nicht gewählter, von ihnen selbst ernannter Vertreter des Volkes ersetzt.
 
Das Stichwort der Agenda 21 ist die Nachhaltigkeit, die uns mittlerweile auf jedem Gebiet begegnet. Was man hierbei wissen sollte und was ganz offenbar von denjenigen, die die  nachhaltige Entwicklung gehorsamst vollziehen, ignoriert wird,  ist, dass sie nichts anderes bedeutet als die Umformung freier selbständiger Nationen in administrative Bereiche, die der Kontrolle der UNO unterstellt sind. Damit ist die Agenda 21 der Transmissionsriemen für die Abschaffung der Selbstbestimmung der Bürger in einem demokratischen Rechtsstaat. Ferner soll eine Transformation der bestehenden Nationen und deren Verhältnis untereinander durchgesetzt werden, was beinhaltet, dass die demokratisch verfassten, freiheitlichen und souveränen Staaten abgeschafft oder zu einfachen Verwaltungsbezirken heruntergestuft werden sollen.  
 
Die UNO, einst zum Erhalt des Friedens auf der Welt geschaffen, wurde inzwischen in vielem in ihrem Zweck umfunktioniert und ihren eigentlichen Zielen entfremdet, so dass sie heute schon weitgehend ein Instrument von Wirtschafts- und ideologischen Interessen ist. Die Menschen sollen nun mittels Agenda 21 in allen Bereichen des Lebens und des Zusammenlebens unter Kontrolle gebracht und die Welt nach dem Geschmack der Autoren der Agenda 21 umgestaltet werden. Ökologie dient als Begründung von noch nie dagewesenen Eingriffen in die Freiheitsrechte der Bürger und in die Existenz der Länder und Nationen.
 
Zu einem souveränen demokratischen Staat gehört eine eigenständige Landwirtschaft, denn ohne eine funktionierende Nahrungsmittelversorgung kann jedes Land mit der Hungerdrohung in die Knie gezwungen werden. In Doha haben sich die Länder darauf geeinigt, dass die Subventionen in Europa stark abgebaut werden müssen. Wie schnell die Subventionen abgebaut werden, hängt davon ab, wie stark die bedrohten Bauern und die Bevölkerung dagegen protestieren, dass die eigene gesicherte und gesunde Nahrungsversorgung in der Region zerstört wird und sie dadurch den Grosskonzernen im Transport- und Agrobereich ausgeliefert werden, ebenso wie den militärischen Grossmächten, die den Transport jederzeit stoppen können. Die Schweiz stellte in ihrem Nachhaltigkeitsbericht vom 27. März 2002 fest, dass die Schweizer Landwirtschaft „wettbewerbsfähig“ gemacht werden müsse, was nichts anderes heisst als die fast vollkommene Zerstörung der Landwirtschaft, so wie sie heute noch besteht. Ist die kleinbäuerliche Landwirtschaft erst einmal zerstört  - wie das vor allem in Argentinien mit fatalen Folgen geschah -  kann es jederzeit eintreten, dass sich auch in Europa der Hunger wieder zurückmeldet.
 
Die nachhaltige Entwicklung bedeutet auch die Förderung der Städte, was mit dem Argument des Föderalismus und der Tendenz zur „Metropolisierung“ begründet wird. Die Planung der EU und der UNO, einige grosse Metropolen zu schaffen, die das umliegende Land mit der verarmten Landbevölkerung regieren, will der Schweizer Bundesrat mittels der „Massnahme 14, der ‚Neuen Strategie Regionalpolitik’ durchsetzen. Es sollte daher klar sein, dass hierzu auch die Entleerung der Alpentäler gehört. Gleichzeitig wird sich das Land darauf einstellen müssen, dass dort das Leben stark erschwert wird. Durch Umweltauflagen wie Einschränkung der Mobilität, Unterordnung weiter Gebiete unter den „Naturschutz“, geplante Verwilderung nebst der genannten Zerstörung der Landwirtschaft, obwohl diese die Basis gesunder unabhängiger Dörfer ist. Hierzu schrieb Hans Bieri 1 bereits im Jahr 2003: „Zur Zeit wird die Schweiz durch den bereits laufenden Agglomerations- oder Metropolisierungsprozess auf der Schiene London-Mailand in neue Funktionalismen eingezwängt. Wir spüren diese Entwicklung auch innerhalb der Schweiz auf vielfältigste Weise, etwa dadurch, dass die Arbeitsmarktregionen aufgelöst werden und ein Raumkontinuum entsteht, das die helvetischen Subagglomerationen zur geschichts- und gesichtslosen ‚Metropole Schweiz’ einebnet.“
 
Man frage sich hier, ob es sich bei dieser UNO/EU-Planung effektiv um eine nachhaltige Entwicklung handelt oder ob es in Wirklichkeit nicht eher darum geht, die tüchtig arbeitenden Bürger für die Paläste der neuen Herren dieser Welt und deren Wohlleben zahlen zu lassen.
 
Hierzu noch ein Ausschnitt aus der Neuen Zürcher Zeitung Nr. 277 vom 26.11.04,  ‚Versickertes Bauernopfer’. „Die Agrarreform läuft nach dem Plan der Politik. Das heisst, dass jährlich etwa 1 500, vor allem kleinere Bauernhöfe eingehen, dass die Landwirte mit durchschnittlich gut 41 000 Franken weit weniger verdienen als Angestellte in anderen Sektoren und dass mit der Liberalisierung des Welthandels noch mehr Druck auf sie zukommt.  -  Zusätzlichen Preisdruck zugunsten der Konsumenten erwartet man von der nächstes Jahr beginnenden Versteigerung der Kontingente für den Fleischimport sowie vom Markeintritt ausländischer Grossverteiler. Auch die Bauern kommen weiter unter Druck. Die Folgen der nächsten Liberalisierungsrunde in Rahmen der WTO  - im schlimmsten Fall ist mit Einnahmeausfällen von bis zu 2.5 Milliarden Franken zu rechnen -  sind kaum kurzfristig zu verkraften und sollen nach den Plänen des BLW ab 2008 schrittweise über zwei Reformperioden umgesetzt werden.“
 
Es scheint nicht, als hätten das Parlament und die für die Umsetzung der Agenda 21 verantwortlichen Instanzen die erforderlichen Betrachtungen angestellt, um ermessen zu können, wie hoch der Zerstörungsgrad der hergebrachten Strukturen sein wird. Hingegen dürfte sich zumindest eine Schicht dieser Ziele wohl bewusst sein, nämlich der, welche die Spitzen der Wirtschaft, Finanz und Politik konstituieren, die sich sowohl beim WEF in Davos als auch bei den langsam bekannter werdenden jährlichen Bilderberger-Konferenzen zusammenfinden. Hierüber kann man sich nicht länger hinwegtäuschen. Wie sonst könnten die oben dargelegten Massnahmen länderübergreifend vollzogen werden? Es scheint kaum möglich, der Öffentlichkeit begreiflich zu machen, dass ihre Demokratie, solange sie auf diese Weise von fundamentalen, ihren eigenen Lebensbereich zersetzenden Entscheidungen ausgeschlossen bleibt, nichts anderes darstellt als einen wertlosen Begriff. Die Agenda 21 wird auf zahlreichen Gebieten nichts anderes schaffen als das, was man als Diktatur bezeichnet, die ironischerweise von einer UNO ausgeht, die der Bundesrat nicht müde wird, als friedensschaffendes Instrument zu bezeichnen, was sie in Tat und Wahrheit nicht ist. Es sei hier abschliessend nochmals Hans Bieri zitiert: „Wenn die SVP letztlich als Partei der bäuerlichen und gewerblichen Strukturen es sich zu einfach macht und die Überführung der Landwirtschaft in die Immobilienbranche in der hochpreisigen europäischen Agglomeration Schweiz betreibt, fügt sie unseren eigenen schweizerischen Grundlagen der Reform schweren Schaden zu.“
 
1 Hans Bieri, c/o SVIL, Schweiz. Vereinigung Industrie und Landwirtschaft
‚Die Schweiz - Wirtschafts- und Lebensraum im Konflikt’ Zürich 2003
<Hans.Bieri@svil.ch>
 
Eine ausgezeichnete Abhandlung zur AGENDA 21 findet sich auf
http://www.diethelm-raff.ch/Agenda21/_cont_agenda21.htm