Notiz zu Georgien

Wie einem Bericht von Helmut Kunkel zu entnehmen ist, »wird Georgien durch

westliche NGOs und Geheimdienste destabilisiert. Für die Woche vom 18. bis 23. Juni war in Georgiens Hauptstadt Tiflis schon seit  längerem die »Tbilissi Pride« anberaumt gewesen, die erste Parade der LGBT-Anhänger [LGBT steht bekanntlich für Lesbian, Gay, Bisexual und Transgender sowie solidarisch für alle weiteren Sexualitäten]. Daraufhin hatten sich in diesem Land mit starker christlich-orthodoxer Prägung nicht nur Vertreter der Kirche, sondern auch weite Teile der Bevölkerung mit Empörung gegen diese von vielen als unsittlich empfundene Zurschaustellung gewendet, was einige Tage lang zu spontanen Massenversammlungen von Menschen führte, die die Parade verhindern wollten. Angeführt wurde die Gegenbewegung von dem Geschäftsmann Levan Vasadse, einem ehemaligen populären georgischen Rugby-Spieler. In einer Videoansprache vom 15. Juni sagte Vasadse: »Ich wende mich an jene, die die Genehmigung für die Parade erteilt haben – Bidsina Ivanischwili oder wer auch immer. Laßt es euch gesagt sein: Wir werden nicht zulassen, dass die LGBT-Aktivisten eine öffentliche Veranstaltung durchführen, wo auch immer das geschehen mag: In Kinos, in Parks, auf der Straße, auf Bergen oder Seen, wir werden euch überall finden, wir werden jede Absperrung durchbrechen, und wir werden euch überwältigen!« Tausende von Menschen folgten dem Aufruf, darunter auch zahlreiche Muslime, die ebenfalls für den Erhalt moralischer Werte kämpfen wollen. »Dieser Aktionsplan ist dem Schutz und der Wiederherstellung der Ordnung in Georgien gewidmet«, erklärte Vasadse. Ab dem 18. Juni sollte die von ihm gegründete Privatmiliz durch Tbilissi patrouillieren.

Am 16. Juni hielt Vasadse dann im Vere-Park vor Tausenden von Demonstranten eine öffentliche Rede, in der er zum aktiven Widerstand gegen die Parade aufrief. Freiwillige, so Vasadse, sollten sich der Öffentlichen Legion anschließen, um den Teilnehmern der Parade keine Gelegenheit zu ihrer Veranstaltung zu geben.

Unterdessen hatte auch das georgisch-orthodoxe Patriarchat die Regierung aufgefordert, die Parade nicht zuzulassen. So sagte Erzbischof Jakob: »Es mag in verschiedenen Teilen der Welt unterschiedliche Regeln geben, aber es ist nicht notwendig, diese auch hierzulande einzuführen. Ich rufe alle Liberalen dazu auf, davon abzulassen, unsere Bevölkerung mit Moralterror unter Druck zu setzen«. [1] 

Die Veranstalter der Parade schlugen Alarm, da sie ihre Rechte bedroht sahen, und so nahm sich das Innenministerium der Sache an, um zu prüfen, ob der Tatbestand einer illegalen Formationsgründung gemäß Artikel 223, Paragraph 1 des georgischen Strafgesetzbuches gegeben war; dieses ließ verlauten, die Rechte der Versammlungsfreiheit schützen zu wollen, unabhängig von politischen oder religiösen Ansichten und sexueller Orientierung, und rief alle Bürger dazu auf, sich an Recht und Ordnung zu halten.  

In seiner öffentlichen Ansprache vom 16. 6. bezichtigte Vasadse insbesondere die US-Botschaft, aber auch die Botschaften der EU sowie von George Soros unterstützte NGOs, nicht nur Georgien, sondern allgemein der traditionell christlich orientierten westlichen Welt eine globalistische, neoliberale Weltsicht aufzuzwingen. Der starke Einfluß der US-Botschaft in Tiflis begann bereits 2002, als der amerikanische Botschafter Richard Miles in die georgische Hauptstadt entsandt wurde, um dort einen »NATO-freundlichen Staatsstreich zu  organisieren« [2], der als Rosenrevolution bekannt wurde. Es ging damals um eine von den USA geplante Pipeline von Aserbaidschan durch Georgien bis ans türkische Mittelmeer. Miles bereitete den in den USA vorgeschulten Mikheil Saaksaschwili gezielt auf den Putsch vor, der dann 2004 auch gelang. Schon damals wurde Saakaschwilis Wahlkampagne von George Soros’ Open Society Foundation unterstützt«.

Wie Helmut Kunkel im weiteren darlegt, »ist die US-Botschaft in Tiflis seither ein wesentliches Steuerelement zur Durchsetzung US-amerikanischer Interessen in Georgien, das für die USA auch als direkter Nachbar Rußlands ein Land von hoher strategischer Bedeutung ist. Beispielsweise entsandte Barack Obama 2012 Richard Norland, der gleichzeitig außenpolitischer Berater der US-amerikanischen Heeresleitung ist, als Botschafter nach Tiflis.

Im Mai 2015 veröffentlichte die US-Botschaft in Georgien auf ihrer Website ein Statement von Barack Obama, das keinen Zweifel daran läßt, dass die Verbreitung von LGBT-Propaganda in Washington zur Chefsache erhoben wurde: Michelle und ich schließen uns unseren amerikanischen und anderen Mitbürgern auf der ganzen Welt an, um morgen, am 17. Mai, dem Internationalen Tag gegen Homophobie und Transphobie zu gedenken. Wir nutzen diese Gelegenheit, um zu bekräftigen, dass lesbische, schwule, bisexuelle und transsexuelle Rechte Menschenrechte sind, dass wir die Würde jedes Menschen feiern, und wir nutzen sie ebenso dazu, zu unterstreichen, dass alle Menschen es verdienen, frei von Angst, Gewalt und Diskriminierung zu leben, unabhängig davon, wer sie sind oder wen sie lieben. Auf dieses Ziel arbeiten wir Tag für Tag hin.  [3]  

In einem Interview vom 19. Juni mit CBN News analysierte Levan Vadadse die neoliberalen Einflüsse noch weiter. »Wir wissen, dass es das häßliche Erbe der beiden letzten Jahrzehnte liberaler Vorherrschaft ist, von der die Welt nach dem Zusammenbruch des Marxismus befallen wurde. Als wir in der Sowjetunion lebten, sehnten wir uns nach westlicher Freiheit. Für uns waren die Vereinigten Staaten die leuchtende Stadt auf dem Hügel, Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit, Freiheit des privaten Unternehmertums..… Wir hatten allerdings keine Ahnung, dass zu diesem Zeitpunkt eine Erosion der westlichen oder amerikanischen Werte vonstatten ging«. 

In unserem armen Land, in dem zu Zeiten der Sowjetunion 1 % der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze lebte, ist der Anteil jetzt auf 10 % angewachsen. Unsere Bevölkerung ist mittlerweile auf die Hälfte geschrumpft: Von 6 Millionen auf 3 Millionen. Das wiederum liegt zum großen Teil an der grenzenlosen liberalen Propaganda zur Abtreibung. Die UNO hat uns in die Liste gefährdeter Staaten und gefährdeter Sprachen aufgenommen. Im Grunde stehen wir vor unserer Auslöschung. Was jetzt geschieht, ist so etwas wie der letzte Nagel für den Sarg unserer Nation.  [4]

Vasadse hatte auch eine Botschaft an den amerikanischen Präsidenten Donald Trump, die er auf einer Kundgebung am 16. Mai auf Englisch vorgetragen hat:

»Sehr geehrter Präsident Donald Trump,
wir sprechen zu Ihnen aus Tbilissi, dem Herzen Georgiens, das eines der ältesten christlichen Länder der Welt ist. Wir sind hier versammelt, um unsere Nation vor einer Auferlegung unannehmbarer pseudomoralischer Werte zu schützen. Niemand in Georgien verfolgt, niemand unterdrückt, niemand bedrängt Menschen mit sexueller Desorientierung. Aber gleichzeitig haben wir ein sehr starkes Bewußtsein für Tugend und Sünde. Sünde ist etwas, wofür man sich schämen muß, und wir werden nicht zulassen, dass Sünde normalisiert, verherrlicht und gefeiert wird. Das ist nicht unsere Art. Als Sie für das Amt des Präsidenten kandidierten, haben Sie dem amerikanischen Volk gegenüber erklärt, dass die Außenpolitik der Vereinigten Staaten unter anderem darin besteht, sich von der Einmischung Amerikas in die inneren Angelegenheiten anderer Länder fernzuhalten. Drei Jahre nach Ihrer Präsidentschaft hoffen wir, dass Sie Ihr Wort halten werden. Wir können nicht glauben, dass Sie Ihre Versprechen brechen und dass Sie die Auferlegung pseudomoralischer Werte  - genauer: pseudoamerikanische Werte -  auf den Rest der Welt fortsetzen werden.

Helfen Sie uns, Amerikas Anteil am Sumpf in der US-Botschaft in Tbilissi trockenzulegen, Herr Trump. Helfen Sie uns, jene seltsamen Globalisten, die seit der Amtsperiode Ihres Vorgängers bei uns in der US-Botschaft untergebracht sind, an die Leine zu nehmen. Wenn sich jemand entscheidet, ein sexuell perverses Leben zu führen, ist das seine eigene Entscheidung. Aber wenn wir eine Gesellschaft aufbauen wollen, die das Recht hat, zu sagen, was sie davon hält, dann ist das unsere Entscheidung. Und wir lassen nicht zu, dass Sie oder irgend jemand anderes uns das Recht auf freie Meinungsäußerung entzieht. 

Wir haben nichts gegen das amerikanische Volk. Obwohl wir anders gekleidet sind, sind wir so ziemlich die gleichen hart arbeitenden Menschen, die in Amerika Konservative genannt werden; die Franzosen würden sie Traditionalisten nennen, wir nennen sie erovnuli, Nationale. Unabhängig vom Begriff, ob Konservative, ob Traditionalisten, sind wir gleich.  

Die Auferlegung pseudomoralischer Werte ist ein Angriff auf traditionelle Gesellschaften, und wir hoffen aufrichtig, Herr Trump, dass Sie uns helfen werden, uns von allen radikalen Aktionen fernzuhalten, gegen die wir uns hier versammelt haben. Wir haben uns zusammengetan, um Ordnung in unsere Hauptstadt und unser Land zu bringen. Helfen Sie uns, Herr Präsident, ziviles Chaos zu vermeiden, und pfeifen Sie jene globalistischen Hunde zurück, die versuchen, uns etwas aufzuzwingen, was nicht nur nach georgischen Werten, sondern auch nach christlichen, abrahamitischen oder kaukasischen Werten unerhört ist. Vielen Dank!  [5]

Nach Angaben vom 18. Juni des Anwalts Nino Lomjaria hatte das Innenministerium den LGBT-Aktivisten die Durchführung ihrer Veranstaltung untersagt. Am gleichen Tag wurde im Hauptkanal des georgischen Fernsehens eine Live-Umfrage veranstaltet, bei der die Zuschauer für oder gegen die Durchführung der Parade stimmen konnten. Das Ergebnis war 97 zu 3 % gegen die Parade«.  [6]  


Anmerkung politonline 
Am 21. 6. war dann bekannt geworden, dass die Parade von den Organisatoren selbst endgültig abgesagt wurde. Als Grund war die angespannte Lage im Land genannt worden. Die Frage, was alles an Nichtregierungsorganisationen hinter den für die Parade stimmenden 3 % steht, sollte sich inzwischen eigentlich jeder bei solchen Auseindersetzungen stellen.   

Die LGBTI-Aktivisten ihrerseits verwiesen bei dieser Gelegenheit auf fortgeschrittene Beratungen mit der Regierung zu mehreren Themenbereichen, darunter eine einfache Anerkennung des rechtlichen Geschlechts von Transpersonen, die Schaffung einer Notstelle für LGBTI und ein Ansprechpartner für LGBTI, sowie die Gleichstellung im Kabinett. Wieso letztere Forderung speziell zu verankern wäre, mutet eher seltsam an, denn ihre Umsetzung setzt doch voraus, dass sich der Betreffende der Öffentlichkeit gegenüber jeweils mit der Angabe seiner Geschlechtsidentität vorstellen müsste, an was eigentlich kein wirkliches Interesse bestehen kann, schon allein deswegen nicht, weil kaum jemand daran interessiert sein dürfte, ein Detail dieser Art zu erfahren. Man kann eine Forderung dieser Art auch durchaus als aufdringlich betrachten, nämlich als eine Art Zurschaustellung eines überaus intimen Bereichs, die manchen  regelrecht abstossen könnte. Wie ferner bekannt wurde, hatten sich AllOut sowie LGBTI- und Menschenrechtsverbände und Politiker aus dem In- und Ausland mittels einer Petition für die Durchführung der Tbilisi Pride eingesetzt.

Was nun die von den Organisatoren der Parade angeführten Spannungen angeht, so sind damit die durch den Besuch einer russischen Parlamentariergruppe am 20. Juni ausgelösten Massenproteste gemeint. Tausende von Demonstranten hatten versucht, das Parlament in Tiflis zu stürmen, was nicht ohne Verletzte abging. Die Staatspräsidentin und der Regierungschef brachen ihre Auslandsreisen ab.

Der Grund der Anwesenheit der russischen Parlamentarier bestand in der Teilnahme an einer Tagung der Interparlamentarischen Versammlung der Orthodoxie IAO, einem Forum von Abgeordneten aus überwiegend christlich-orthodoxen Ländern. Die bisher kaum bekannte Vereinigung existiert seit Anfang der 1990er Jahre; den Vorsitz hat derzeit Sergej Gawrilow, Abgeordneter der russischen Staatsduma und Mitglied der Kommunistischen Partei, inne. Der Grund für den öffentlichen Protest dürfte in einem Protokollfehler zu sehen sein, der sich aus dem im Prinzip einfachen Umstand ergab, dass Gawrilow als Vorsitzender im Plenarsaal des georgischen Parlaments im Sessel des Parlamentspräsidenten Irakli Kobachidse Platz nahm, was zu Protesten der Oppositionspolitiker führte, die danach die Bürger auf den Straßen mobilisierten. Gawrilow sah sich mitsamt seinen Kollegen dazu gezwungen, fluchtartig die Rückkehr anzutreten. In Moskau erklärten sie den Vorfall als eine russlandfeindliche Provokation. Kobachidse trat auf die Forderung der Opposition hin am 21. Juni zurück, und der Abgeordnete, der die Tagung organisiert hatte, legte sein Mandat nieder. Gleichzeitig war die Forderung der Opposition nach einem Rücktritt des Innenministers und des Geheimdienstchefs ergangen.

Wie die DW-Nachrichten  [7]  vermerkten, »gelang der Leiter der den Grünen nahestehenden Heinrich-Böll-Stiftung im Südkaukasus, Stefan Meister, zu der Ansicht, dass man sehe, wie stark das Thema Rußland die georgische Gesellschaft polarisiere und emotionalisiere. Hier ging es darum, über die orthodoxe Kirche Einfluß auf Georgien auszuüben. Fakt ist indessen, dass sich die orthodoxe Kirche in Georgien bisher hinsichtlich der Politik des Landes meistens zurückgehalten hat. Man sieht hier erneut, wo die Stiftungen überall ihren Sitz und damit durchaus auch die Möglichkeit haben, ihre Strategien zur Wirkung zu bringen. Nicht umsonst hat sich Russland bereits vor geraumer Zeit insbesondere der Soros-Stiftungen entledigt. Wie Meister darlegt, gehe es auch und vor allem um einen Konflikt zwischen der regierenden Partei Georgischer Traum und den oppositionellen Kräften des früheren Staatschefs Saakaschwili, der, ausgebürgert und wegen Amtsmißbrauchs verurteilt, zwar in der Ukraine im Exil lebt, seine Verbindungen nach Georgien hingegen nie gänzlich abreißen läßt. Seit 2015 ist er in der ukrainischen Politik aktiv und befeuert von dort aus die Proteste über die sozialen Netzwerke«.  

Nun sind die Beziehungen zwischen Georgien und Russland schon seit Jahren angespannt, so dass der Besuch einer russischen Parlamentariergruppe ein eher aussergewöhnliches Ereignis darstellt, denn seit dem russisch-georgischen Krieg im August 2008 unterhält die Kaukasus-Republik keine diplomatischen Beziehungen mehr zu Moskau. Der mit Moskaus Hilfe geführte Krieg hat die Abspaltung der georgischen Provinzen Südossetien und Abchasien, die Russland als unabhängige Staaten anerkennt und deren Streitkräfte Moskau in seine Armee integriert hat, zementiert. Auch das Bestreben Georgiens, der EU und der NATO beizutreten, hat jahrelang für Konflikte mit Russland gesorgt. Erst mit dem 2013 erfolgten Abgang von Saakaschwili, der den Ton gegenüber Moskau verschärft hatte, folgte eine rhetorische Abrüstung in Tiflis und eine vorsichtige Annäherung auf Wirtschaftsebene; auch die Zahl russischer Touristen in Georgien stieg zuletzt wieder an.

Unter dem Titel Proteste wie von Zauberhand – Wer steckt hinter den anti-russischen Unruhen in Georgien?meint RT[8]:  »Ein Protokollfehler der Gastgeber zur Sitzung eines kirchenennahen Gremiums hat eine politische Krise ausgelöst. ….. Die langsame Annäherung zwischen Rußland und Georgien konnte dadurch gestoppt werden«.       

RT zufolge »kam es vor dem Parlamentsgebäude nicht nur zu Protesten gegen Rußland, sondern auch gegen die eigene Regierung, woraufhin im Eiltempo wichtige innenpolitische Entscheidungen für Georgien beschlossen wurden. Diese könnten die Oppositionsparteien bei den Parlamentswahlen im nächsten Jahr stärken. Rußland reagierte mit einem Erlaß, dem zufolge es ab dem 8. Juli keine Direktflüge nach Georgien geben wird. Der eigentliche Anlaß eines Protokollfehlers wirkt eher nichtig. Das überraschte sogar Kenner der Situation wie den Buchautor und Journalisten des Guardian, Shaun Walker. Am 20. Juni postete er Bilder von den Protesten und schrieb dazu auf Twitter: »Ich kam nach Georgien, um ein Panel über Proteste zu moderieren, und wie von Zauberhand stürmen die Menschen das Parlament«.

»Was äußerlich wie Magie wirkt«, so RT, »könnte dennoch auch eine gut vorbereitete Aktion einiger Profis vom Schlage des georgischen Ex-Präsidenten Mikheil Saakaschwili sein. Ausgerechnet Abgeordnete und Aktivisten seiner Partei Vereinte Nationale Bewegung waren bei den Protesten im Parlament und auf den Straßen die Anführer. Bereits vor dem Besuch der russischen Duma-Abgeordneten gab es Proteste (mit US-Fahnen!). In georgischen Medien wurden Meldungen lanciert, Gawrilow selbst habe an den Kämpfen in Abchasien gegen Georgien im Jahr 2008 teilgenommen, so dass dieser derartige Gerüchte während seiner ersten Pressekonferenz nach der Ankunft in der georgischen Hauptstadt richtigstellen mußte. Meine Gegendarstellung haben georgische Medien nicht wiedergegeben, sagte er später. Von Beginn an gab es unter den Protestlern mehrere Personen, die die Aktion auf Englisch koordinierten. Wie Gawrilow erklärte, halten wir diese Aktion  für geplant. Denn es waren in Windeseile Dutzende von Kameras aufgestellt worden. Personen, die zur Sitzung kamen, demonstrierten mit im Voraus vorbereiteten Plakaten mit dreckigen, beleidigenden, antirussischen Inhalten. Es ist offensichtlich, dass nicht das orthodoxe Forum, um dessen Ausrichtung Georgien sich selbst beworben hatte, die Ursache für Ausschreitungen war, sondern der Versuch eines Staatsstreichs und einer Besetzung des Parlaments. Zusammenstöße mit der Polizei unter Teilnahme zahlreicher radikaler Kräfte sind ein Beweis dafür, so seine Schlußfolgerung bei einem Presseauftritt.

Der Direktor des Joe Biden Centers und führende Experte des NATO-nahen Think Tanks Atlantic Council, Michael Carpenter, nahm in der georgischen Hauptstadt an einer Konferenz zum russischen Einfluß in Georgien teil. Offenbar wertet er den russischen Tourismusboom in Georgien, dem sogenannten Italien der UdSSR, als hybride Kriegsführung. Carpenter, Demokrat, gilt als aussichtsreichster Kandidat seiner Partei für das im nächsten Jahr bevorstehende Präsidentschaftsrennen in den USA. Zu seinem Credo gehört die Bekämpfung russischen Einflusses und der Ausbau der US-Hegemonie im gesamten postsowjetischen Raum. Legendär ist sein Auftritt im Sessel des ukrainischen Premierministers im Frühjahr 2014, kurz nach dem Staatsstreich im Februar.  Die Sitzung im ukrainischen Parlament, die Joe Biden am 22. April 2014 leitete, ging als Sinnbild für die öffentliche Unterweisung einer Marionettenregierung um die Welt. Auf der diesjährigen Münchner NATO-Sicherheitskonferenz im Februar erklärte Biden: Wir müssen Partnern der NATO wie Ukraine und Georgien maximal helfen, damit sie widerstandsfähiger gegen den russischen Einfluß werden.

Die Trump-Administration sagt Biden nun allerdings Korruption zu familiären Gunsten im ukrainischen Gassektor nach. Für Arno Chidirbegischwili, den georgischen Politologen und Chefredakteur des Portals ru.grusininform.ge, sind es vor allem gemeinsame finanzielle Projekte, die Biden zu einem Machtwechsel in Georgien treiben könnten. Noch zu Zeiten der Präsidentschaft von Saakaschwili besuchte Biden am 24. 7. 2009 auch Georgien. Drei Monate später verkündete Saakaschwili den Bau eines Tiefseehafens am Küstenort Anaklia. Chidirbegischwili zufolge sollte Biden für US-Investitionen sorgen und Bidens Sohn Hunter sollte den Posten im amerikanisch-georgischen Konsortium übernehmen. Der georgische Staat hatte seinen Beitrag für das Projekt in Höhe von 300 Millionen $ bereits geleistet, doch wurde dieses nach Saakaschwilis Abwahl zunächst auf Eis gelegt. Nun hofft Biden offenbar, dass seine Rückkehr in die georgische Politik das totgeglaubte Projekt doch noch wiederbeleben könnte.   

Nun verhält es sich nicht etwa so, dass sich Präsidentin Salome Surabischwili, die sich am 20. Juni in der weißrussischen Hauptstadt Minsk befand, bei den in die Flucht geschlagenen russischen Diplomaten, deren Sicherheit zuvor garantiert worden war, entschuldigt hätte: Nein. Sie entschuldigte sich erstaunlicherweise bei den Radikalen. Rußland sei Georgiens Feind und Okkupant, schrieb sie reumütig auf Facebook. Am nächsten Tag traten der Parlamentssprecher sowie der Hauptorganisator der IAO auf georgischer Seite von ihren Ämtern zurück. Für die russische Führung brachte eine solche Bewertung der Unruhen seitens des georgischen Staatsoberhaupts das Fass zum Überlaufen. Die bereits erwähnte Streichung der Direktflüge nach Tiflis begründete Putin mit dem offenkundig erhöhten Sicherheitsrisiko für russische Staatsbürger«.

»Bislang sind die Saakaschwili-Partei Vereinte Nationale Bewegung(VNB) und die Partei Europäisches Georgien die Hauptprofiteure der jüngsten Proteste; und die derzeitige Regierung hat gezeigt, dass sie gegen die Demonstranten genauso gewalttätig vorgehen kann wie seinerzeit Saakaschwili. Die Spezialeinheiten schossen am 20. Juni mit Gummigeschossen in die Menge, mehr als 200 Demonstranten wurden verletzt, zwei von ihnen verloren dabei ein Auge«.   

2018 verzeichnete Georgien 1,7 Millionen russischer Touristen; die Einnahmen aus dem Geschäft mit Russland betragen bis zu 10 % des georgischen Bruttoinlandprodukts; auch den wichtigsten Absatzmarkt für georgische Weine bildet Russland. Jedoch kann selbst eine zaghafte Annäherung an Russland  unmöglich im Sinne Washingtons sein. Jedenfalls befindet sich Georgien auf striktem EU- und NATO-Kurs und im Parlament der kleinen Kaukasusrepublik gibt es keine Parteien, die man als russlandfreundich bezeichnen könnte. Und so werden dort weiterhin regelmässig Militärübungen mit US- und NATO-Kräften abgehalten.

Indessen hat Russland wiederholt betont, man werte mögliche Gespräche über eine Mitgliedschaft der ehemaligen Sowjetrepubliken Georgien und Ukraine in der NATO als Bedrohung.

Doris Auerbach mailto:d.auerbach@gmx.ch

 

Siehe hierzu

Wie Soros und das britische Außenamt die georgische Regierung schufen auf http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=1023
19. 9. 2008   Zufall oder Absprache?  

http://www.politonline.ch/?content=news&newsid=1681
10. 2. 2011  Aufstände und ihre Drahtzieher

[1]  Ana Dumbadze: »Tbilisi Pride Organizers Respond to Levan Vasadze’s Video«, Georgia Today, 17. Juni 2019
http://georgiatoday.ge/news/16028/Tbilisi-Pride-Organizers-Respond-to-Levan-Vasadze’s-Video-Address

[2]  F. William Engdahl: Geheimakte NGOs – Wie die Tarnorganisationen der CIA Revolutionen, Umstürze und Kriege anzetteln; Kopp Verlag 2017
ISBN-13: 9783864456404; Seite 169

[3]  https://ge.usembassy.gov/statement-president-international-day-homophobia-transphobia-may-16/

[4]  https://www.youtube.com/watch?v=miLAogxP3zM

[5]  https://www.youtube.com/watch?v=td8pelESz4s 

[6]  https://kopp-report.de/lgbt-parade-in-tiflis-georgien-wird-durch-westliche-ngos-und-geheimdienste-destabilisiert/
25. 6. 19  Herbert Kunkel

[7]  https://www.dw.com/de/proteste-in-georgien-verh%C3%A4ltnis-zu-russland-als-z%C3%BCndstoff/a-49297998   21. 6. 19
Proteste in Georgien: Verhältnis zu Russland als Zündstoff

[8]  https://deutsch.rt.com/europa/89613-proteste-wie-von-zauberhand-wer-steckt-hinter-antirussischen-unruhen/   27. 6. 19