Teure Scheinlösung - Von Alex Kuprecht 23.02.2020 20:18
Ausgerechnet mit teuren Überbrückungsleistungen steigt der Bundesrat in den Kampf gegen die Begrenzungsinitiative ein.
Der Plan ist für den Schweizer Steuerzahler das reinste Horrorszenario: Mit gegen 240 Millionen Franken jährlich würden die Kosten bis 2030 förmlich explodieren. Und sollte das Zugangskriterium »20 Jahre AHV-versichert« europarechtlich nicht mehr gelten, droht gar ein unkontrollierbarer Zustrom ausländischer Arbeiter. Der Bundesrat präsentiert so im Kampf gegen die Begrenzungsinitiative eine teure Scheinlösung.
In Windeseile wurde die bisher durch die Gemeinden
ausgerichtete Sozialhilfe für ausgesteuerte Arbeitslose ab dem 60. Lebensjahr
auf Stufe Bund angehoben. Überbrückungsleistung heisst diese neue Bundesfürsorgeunterstützung
und soll jenen Sicherheit gewährleisten, die ab dem 58. Lebensjahr nach
erfolgter Aussteuerung Mühe bekunden, eine neue Stelle zu finden. Im Jahr 2030
werden dafür Ausgaben von gegen 240 Millionen Franken prognostiziert. Die durch
den Bund geplanten Leistungen wären dabei wesentlich höher als die Sozialhilfe,
welche die Gemeinden entrichten. So wird eine neue gebundene Ausgabe ohne
Kürzungsmöglichkeit bei einer schlechter verlaufenden Bundesrechnung
geschaffen!
Beiträge höher als mancher Monatslohn!
Im Zentrum der vom Bundesrat geplanten Überbrückungsleistungen
stehen pro Jahr rund 24'300 Franken für Alleinstehende oder 36'500 Franken für
Ehepaare als Grundleistung. Dazu kommen regional unterschiedlich hohe
Mietzinszuschüsse von 15'900 bis 16'400 Franken, Zusatzbeiträge für
Mehrpersonenhaushalte, Krankenkassenbeiträge je nach Region,
Gebäudeunterhaltskosten und Hypothekarzinsen bis zur Höhe des Bruttoertrages
der Liegenschaft sowie Beiträge an die Sozialversicherungen des Bundes, einschliesslich
Beiträge an die berufliche Vorsorge. Dazu gehören auch Sparbeiträge, wenn sie
während der Arbeitslosigkeit freiwillig aus dem vorhandenen Vermögen bezahlt wurden.
Insgesamt können die Beiträge für Alleinstehende bis zu 58'350 respektive für
Ehepaare bis zu 87'525 Franken betragen, wenn alle vorgesehenen Beiträge zur
Auszahlung gelangten. Umgerechnet wären
dies bis zu 4'862 beziehungsweise 7'293 Franken pro Monat. Vorgesehen war sogar
die Steuerbefreiung dieser neuen Staatseinkommen, die oft sogar höher
ausfallen, als gestandene Berufsleute durch ihre tägliche Arbeit verdienen.
Der Bundesrat schlägt den Sack und meint den Esel
Die vorberatende Kommission des Ständerats korrigierte
diese Steuerbefreiung mindestens teilweise und verlangte zusätzlich den
jährlichen Nachweis der Bemühungen um die Stellensuche. Im Rahmen der Beratung
im Parlament wurden dann die Beiträge massiv gekürzt und an die Ergänzungsleistungen
angepasst. Im Grundsatz ändert dies jedoch nichts an der Tatsache, dass diese
geplante Bundesfürsorgeleistung eine neue, teure und nicht notwendige Sozialleistung
darstellt. In Wahrheit dient sie als Zugpferd, um die Begrenzungsinitiative zu
bekämpfen und so den Boden für das institutionelle Rahmenabkommen
vorzubereiten. Man schlägt den Sack und meint den Esel. Beim Jassen würde man
dieses Vorgehen einen Unterzug nennen.
Ausgaben drohen zur Makulatur zu werden
Es ist zu hoffen, dass der Nationalrat zumindest
dies erkennen und nicht vom Entscheid des Ständerates abweichen wird. Zudem gilt
es zu klären, ob bei dieser Fürsorgeleistung für ausgesteuerte Arbeitslose das
zentrale Zugangskriterium (mindestens 20 Jahre AHV-versichert) europarechtlich
aufrechterhalten werden kann. Wenn nicht, dann wird der Zustrom ausländischer
Arbeitskräfte mit geringer Arbeitsdauer in der Schweiz unkontrollierbar gross
und die prognostizierten Ausgaben zur reinen Makulatur – wie wir das bei den
damaligen Aussagen bezüglich der Heiratsstrafe gesehen haben.
Zuwanderung: Diesmal keine Ausreden
Die Stimmung, so Pascal Hollenstein, in seinem Kommentar
zum Start des Abstimmungskampfs über die
Begrenzungsinitiative, war aufgeräumt, das Publikum wohlwollend, der Apéro très
riche: Diesen Montag hat Aussenminister Ignazio Cassis in St. Gallen seine
aussenpolitische Vision präsentiert. »Die Schweiz hat den bilateralen Weg konsolidiert und gestaltet Europa auch
als EU-Nichtmitglied partnerschaftlich mit«, heisst es in dem Papier. Das ist der Plan A. Auf die Frage, ob er denn
für den Fall, dass das Volk die »Begrenzunginitiative« der SVP am 17.
Mai annimmt, auch einen Plan B habe, sagte Cassis: Nein.
Nun heisst es zwar: »Gouverner, c’est
prévoir – Regieren bedeutet vorherzusehen«. Indessen zeigt die Reaktion des FDP-Magistraten im St. Galler
Pfalzkeller, dass es offenbar Momente gibt, in denen sich eine Regierung den
Eintritt eines unerwünschten Ereignisses lieber erst gar nicht vorstellt.
In der Tat hätte ein ›Ja‹ von Volk und
Ständen zur »Begrenzungsinitiative« einschneidende Konsequenzen. Das Volksbegehren
verlangt, dass die Schweiz das Freizügigkeitsabkommen mit der EU in
Verhandlungen ausser Kraft setzt. Gelingt dies nicht – und damit ist zu rechnen
– so sei das Abkommen mit der EU zu
kündigen. Nach der Mechanik der bilateralen Verträge würde dies wiederum die
Guillotine-Klausel aktivieren. Die Bilateralen Verträge I würden automatisch
fallen, die Bilateralen II wären zumindest gefährdet. In Summe: Das nach dem
EWR-Nein des Volkes 1992 sorgsam aufgebaute Vertragskonstrukt, mit dem die
Schweiz das Verhältnis zur EU geregelt hat, wäre Geschichte. Nähmen die Dinge
ihren normalen Lauf, so müsste man davon ausgehen, dass die Initiative keine
Chance hat. Im Gegensatz zur »Masseneinwanderungsinitiative«, die im Februar
2014 hauchdünn angenommen wurde, gibt es bei dieser Vorlage keinen
Interpretationsspielraum, ob die Personenfreizügigkeit nun ganz, nur ein
bisschen oder gar nicht verschwinden würde.
Zudem ist die Stimmung eine andere: Die Zuwanderung
aus der EU ist stark zurückgegangen, die Arbeitslosigkeit niedrig, unselige
Debatten über angeblichen ›Dichtestress‹ und ›deutsche Chefs‹ sind weder in den Medien noch an den Stammtischen ein Massenphänomen. Es gibt,
gewiss, nicht wenige, die mit der Umsetzung des Volksbeschlusses von 2014
unzufrieden sind. Aber werden deshalb die meisten davon - gewissermassen aus
Revanche - wieder ein Ja einlegen? Man darf es bezweifeln.
Kein Grund zur Beunruhigung also?
Die Lage ist trügerisch. Denn klar ist auch, dass
nach dem 17. Mai die Verhandlungen über ein Institutionelles Rahmenabkommen mit
der EU in die heisse Phase gehen werden; besonders das Thema Lohnschutz hat
hier das Potential zum innenpolitischen Spaltpilz. Das politische Bern hat sich
darauf geeinigt, die diesbezüglichen Differenzen vor der Abstimmung
totzuschweigen. Man will der SVP nicht die Gelegenheit geben, die
Personenfreizügigkeit mit dem Rahmenabkommen zu vermischen und damit am 17. Mai
eine Stellvertreterabstimmung zu inszenieren, in der ein Ja auch zur Linken
salonfähig würde. Taktisch ist das im Prinzip klug gedacht. Doch dass das
Kartell des Schweigens halten wird, darf bezweifelt werden. So hat FDP-Chefin
Petra Gössi erst unlängst die Unruhestifterin gegeben, indem sie den
Gewerkschaften via ›Blick‹ ein Ultimatum androhte. Abstimmungstaktik geht anders.
Justizministerin Karin Keller-Sutter hat diese
Woche den Abstimmungskampf formell eröffnet. Angetreten vor den Medien ist sie
mit dem St. Galler Ständerat und Noch-Kantonsregierungskonferenz-Präsidenten
Benedikt Würth. Männiglich fragte sich, ob diese Ostschweizer Paarung das kraftvolle
Signal sei, das man sich in einer derart wichtigen Frage erwartet. Wo etwa
blieb Wirtschaftsminister Parmelin, wo Innenminister Berset?
Bundesrat, Verbände und Parteien werden sich noch
etwas einfallen lassen müssen, wenn sie bei diesem Urnengang auf Nummer sicher
gehen wollen. Es sei denn, man wolle Cassis schon einmal die Gelegenheit geben,
doch über einen Plan B nachzudenken. Ausreden jedenfalls, wird es diesmal keine
geben.
Klasse statt Masse
Die Begrenzungsinitiative ist - wie dies Anian Liebrand in der ›Schweizerzeit‹ darlegt - die bis auf Weiteres letzte demokratische
Chance, die unkontrollierte Zuwanderung in die Schweiz zu stoppen und als
mündiges Staatsvolk das Heft in die eigenen Hände zu nehmen. Gelingt es aller
Propaganda-Berieselung und zeitgeistverseuchter Trägheit zum Trotz das
Schweizervolk noch einmal von mutiger Selbstbejahung zu überzeugen, stünden
interessante, vielversprechende Einwanderungsmodelle bereit, welche die
Personenfreizügigkeit rasch vergessen machen liessen. Die Fakten sind längst
auf dem Tisch: Die Folgen der seit dreizehn Jahren geltenden vollen
Personenfreizügigkeit sind bestens dokumentiert, wenngleich jegliche
gegenwärtig getroffene Bilanzziehung nur provisorischen Charakter hat.
Ziehen wir am 17. Mai mit einem Ja zur
Volksinitiative »Für eine massvolle Zuwanderung« nicht die Notbremse, wird die
Zehn-Millionen-Schweiz nicht mehr abzuwenden und wohl schon in zwei Jahrzehnten
erreicht worden sein. In den letzten 13 Jahren sind netto eine Million
Ausländer in die Schweiz eingewandert. Allein, um diese mit Wohnraum zu
versorgen, musste die ohnehin knapp bemessene Landfläche in einer Höhe von
57‘000 Fussballfeldern überbaut werden. Diese masslose Exzesspolitik hält den
seit Jahren anhaltenden Bauboom aufrecht und zieht laufend weitere Migranten
an, zu deren Bedürfnisbefriedigung immer weitere Einwanderer benötigt werden –
zur Pflege, für den öffentlichen Verkehr, für Spitäler, und, und, und......
Die Lebensqualität der Einheimischen und seit
Jahrzehnten hier lebenden gut integrierten Ausländer interessiert die Classe
politique keinen Deut, der Realität gewordene Teufelskreis ›immer neue Migranten zur
Bewältigung der Migrationsfolgen‹ hat längst bleibende Abhängigkeiten geschaffen: In der Sozialindustrie,
in den Grosskonzernen, welche den unbegrenzten Zuzug billigen ›Humankapitals‹ als willkommenes Instrument
benutzen, um die höheren Löhne älterer Arbeitnehmer zwecks eigener
Profitmaximierung unter Druck zu setzen und diese in die Sozialhilfe
abzudrängen.
Obwohl sich die eigentlich masslos überdotierten
Statistik-Abteilungen des Bundes – sonst
um keine noch so nichtige Aufgabenbeschaffung verlegen, um die eigene
fürstliche Entlöhnung zu rechtfertigen – nie bemüssigt fühlten, eine transparente
Vollkostenrechnung über die finanziellen Auswirkungen der Personenfreizügigkeit
anzustrengen, ist offensichtlich, dass die Masseneinwanderung für die Schweiz
nicht zuletzt auch ein finanzielles Verlustgeschäft ist. Konkrete
wissenschaftliche Untersuchungen am Beispiel Deutschlands hat der renommierte
Ökonom Prof. Hans-Werner Sinn angestellt: Er kommt zu dem Schluss, dass
Einwanderer mehr kosten als dass sie dem Staat finanziellen Nutzen bringen. Weil
die Schweiz ein im Vergleich zur EU deutlich grosszügigeres Sozialsystem
unterhält, ist ihre Sogwirkung für wirtschaftlich ›nicht brauchbare‹ Einwanderung nochmals höher. So befindet sich der Prozess, dass die
masslose Einwanderung das schweizerische Sozialwesen aushöhlt, in
fortgeschrittenem Stadium. SVP-Nationalrätin Martina Bircher hat die negativen
Auswirkungen der Personenfreizügigkeit für die öffentliche Hand im neuesten ›SVP-Klartext‹ ausführlich beschrieben. Entgegen
dem Mantra, das uns sowohl die Linksallianz als auch die Economiesuisse in den
nächsten Monaten mit Millionen-Kampagnen «einprügeln» wollen, ist die
Personenfreizügigkeit keineswegs alternativlos. Das 1970 eingeführte
Kontingentsystem, mit dem der Bundesrat bis 2002 festlegte, wie viele
erwerbstätige Ausländer pro Jahr in die Schweiz kommen dürfen, hat sich doch
bewährt. Da die Frage des Masshaltens in diesem Regime allerdings von der
verantwortungsbewussten Beurteilung eines Gremiums abhängt, dessen Rückgrat
gelinde gesagt ›nicht über jeden Zweifel erhaben‹ ist, wäre wohl ein klug ausgetüftelter Mechanismus, der eine ›wertschöpfungsferne‹ Migration automatisch
verhindern oder zumindest massiv erschweren würde, sinnvoller.
Die Mehrheit der Staaten weltweit, erst recht, wenn
sie überdurchschnittlich wohlhabend sind, knüpft das Recht auf Einwanderung an
Bedingungen, die wesentlich höher sind als die blosse Vorweisung eines
kurzfristigen Arbeitsvertrags wie bei der Personenfreizügigkeit. Wieso
orientieren wir uns nicht an ihnen? Ob Japan, Grossbritannien, Australien,
Kanada oder Israel – ein Mix aus all diesen Einwanderungskonzepten dürfte dazu
beitragen, dass sich die Schweiz in kurzer Zeit vom Ende der
Personenfreizügigkeit, das mit einem Ja zur Begrenzungsinitiative resultiert, erholen
dürfte.
Tabu ›Remigration‹
Ein Tabu in dieser Diskussion, über das derzeit
niemand spricht, ist die Frage, wie wir mit all den Zuwanderern umgehen, die
sich heute in der Schweiz breit gemacht haben und in Berufsfeldern, in denen
kein Fachkräftemangel besteht, hiesige Arbeitskräfte verdrängt haben, oder die
Sozialhilfe kassieren, ohne mehrere Jahre hier gearbeitet zu haben. Zur Wahrung
des öffentlichen Friedens und der wirtschaftlichen und finanziellen Ordnung
wird es so unabdingbar sein, über wirksame Remigrations-Strategien zu
diskutieren. Wenn die Schweiz ihren Status als wettbewerbsfähiges und stabiles
Land zurückerlangen will, führt sie diese Diskussion besser früher als später. [1]
[1]
Quelle: https://schweizerzeit.ch/klasse-statt-masse/ 21. 2. 20
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