Syrien - Wie man ein Land unter den Augen der UNO zu erdrosseln sucht

d.a. Die EU-Sanktionen gegen Syrien, die erstmals im Frühjahr 2011 verhängt

worden waren, gehen mittlerweile in ihr zehntes Jahr. Sie umfassten von Beginn an nicht nur ein Waffenembargo, Visasperren und das Einfrieren des Vermögens zahlreicher Einzelpersonen und Unternehmen, sondern auch Schritte gegen syrische Banken. Hinzu kam ein Öl-Embargo inklusive des Verbots, Syriens Ölbranche mit Ausrüstung und mit Ersatzteilen zu versorgen sowie syrische Öllieferungen in Drittstaaten zu versichern. Bereits 2012 war darauf hingewiesen worden, dass die Sanktionen ein Klima der Unsicherheit schufen und auch den noch legalen Handel von EU-Unternehmen mit Syrien schädigten, da niemand wissen konnte, ob und wann das Brüsseler Sanktionsregime ausgeweitet werden würde. Schwer wiegt insbesondere, dass jegliche Finanzierung von Infrastrukturprojekten, die auf irgendeine Art und Weise dem syrischen Staat zugute kämen, verboten ist, wodurch die Sanktionen dem Wiederaufbau des kriegszerstörten Landes unmittelbar im Weg stehen.

Konträr zu der ständig vorgebrachten Behauptung, dass es sich in Syrien um einen Bürgerkrieg handelt, liegt hier ganz klar der Fall eines ungerechtfertigten Angriffskrieg vor, da Washington unter der damaligen Aussenministerin Hillary Clinton nach der Zerstörung von Gaddafis Libyen den Krieg in Syrien im März 2011 in Gang gebracht hatte. Aufbau und Unterstützung der gegen Assad kämpfenden sogenannten Freunde Syriens, ein Kreis von sich um die USA, Grossbritannien, Frankreich und die Ölmonarchien im Golfkooperationsrat scharenden Staaten, ist im einzelnen in dem Artikel   Die »Freunde« Syriens   aufgezeichnet.

So hatte sich der Ministerpräsident und Aussenminister Katars, Scheich Hamad bin Jassim Al-Thani, bereits am 27. 2. 2012 in Oslo dafür ausgesprochen, dass die Internationale Gemeinschaft  - das sind von jeher wir, die Steuerzahler -  die syrischen Aufständischen mit Waffen versorgen sollte, während die arabischen Staaten für die Aufständischen innerhalb Syriens sichere Häfeneinrichten müssten.

Festzuhalten ist ferner, dass die islamistischenRebellengruppierungen von den EU-Sanktionen ausgenommen waren.  [1] 

Nach der diesen Mai erfolgten Verlängerung der EU-Sanktionen gegen Syrien und vor dem Inkrafttreten weiterer US-Zwangsmassnahmen, dem "Caesar Act", hatten westliche Aussenpolitiker auf Hungerrevolten gegen die Regierung in Damaskus spekuliert. Der "Caesar Act", hiess es hoffnungsfroh in deutschen Leitmedien, könne «die Herrschaft von Baschar al-Assad ernsthaft bedrohen». Man muss sich einmal eine brutale Gesinnung dieser Art bewusst machen, da bereits 2017 feststand, dass in dem Land jeder Dritte hungert.  [1] 

Das anhaltende Spekulieren der westlichen Mächte auf Elendsunruhen kontrastiert stark mit den Warnungen, die schon seit Jahren über Strukturen der katholischen Kirche aus Syrien nach Europa gelangen. Die Sanktionen seien «inhuman, weil sie die ganze Bevölkerung bestrafen», protestiert etwa der Apostolische Vikar von Aleppo, Bischof Georges Abou Khazen: «Bei uns verhungern die Leute. Es gibt keine Medikamente. Es gibt keine Arbeit. Für uns sind die Sanktionen ein Verbrechen», wird der Bischof zitiert: «Wir sind sehr enttäuscht von der Europäischen Union».  [2]

Wie Karin Leukefeld bereits 2012 festhielt, »waren die Sanktionen allein von der Europäischen Union mehr als 60mal Sanktionen verschärft worden, dies im Widerspruch zum Völkerrecht, das Sanktionen gegen ein Entwicklungsland nur auf der Basis einer UN-Sicherheitsratsresolution zulässt. Statt die guten diplomatischen Beziehungen zu Syrien für eine Deeskalation zu nutzen, nahm die BRD eine führende Position unter den Freunden Syriens ein. Man agierte am UN-Sicherheitsrat und am Sondervermittler Kofi Annan vorbei, was die komplizierte Lage zusätzlich verschärfte. Die Freunde Syriens folgten den Ansagen Katars und Saudi-Arabiens, keine Verhandlungen mit dem Regime Assad zu führen, sondern stattdessen den Rücktritt von Präsident Baschar Al-Assad zu fordern. Dies erfolgte unisono mit der im Ausland agierenden Opposition und gegen den ausdrücklichen Rat und die Vorschläge der innersyrischen Opposition«.  [3]

Von den Sanktionen betroffen ist insbesondere auch die medizinische Versorgung der Bevölkerung. Die wiederholte Behauptung der EU, die Sanktionen behinderten die medizinische Versorgung der Bevölkerung nicht, entspricht in keiner Weise der syrischen Lebensrealität. Bereits im März riefen Michelle Bachelet, die UN-Menschenrechtskommissarin, sowie die UN-Sonderberichterstatterin für das Recht auf Nahrung, Hilal Elver, dazu auf, die Sanktionen gegen Syrien unter anderem im Kampf gegen die Covid-19-Pandemie einzustellen oder zumindest abzuschwächen, um eine humanitäre Katastrophe wegen mangelhafter medizinischer Versorgung zu verhindern.

In Antwort darauf verlängerte die EU die Sanktionen am 28. Mai ohne jegliche Einschränkung.  [2]

Seit Ausbruch des Krieges im Jahr 2011 hat Damaskus wegen des von den USA und der EU verhängten Lieferstopps keine Heilmittel mehr gegen Krebs importieren können. «Die zweite Richtung war die Produktion von Arzneimitteln sowie von Gegengiften bei Schlangenbissen und Skorpion-Stichen für ganz Syrien. Unser Zentrum war das einzige in der Region, das diese 20 Jahre lang produziert hat. Auch solche Nachbarländer wie Jordanien und der Libanon haben sie bei uns gekauft», so Az-Said. Die Organisation für ein Verbot chemischer Waffen (OPCW) hatte ihm zufolge allein im Jahr 2013 die Anstalt fünfmal geprüft und dabei bestätigt, dass dort keine Arbeiten zur Produktion von C-Waffen ausgeführt worden waren.  [4]

Den Zusammenbruch des Gesundheitswesens des Landes haben somit sowohl die von den USA schon 1979 über Syrien verhängten Strafmassnahmen als auch diejenigen der EU zu verantworten.    

Im Gegensatz hierzu enthielten die von Grossbritannien im August 2012 für die Unterstützung der syrischen Rebellen auf 5 Millionen £ erhöhten Gelder auch medizinische Hilfsgüter.  [5]

Mit Blick auf das Jahr 2012 darf auch das von der vormaligen Grossrätin von Basel, Louise Stehler, und dem Politiker und Gewerkschafter Rudolf Schulter im Oktober an das Schweizer Parlament gerichtete Schreiben nicht unerwähnt bleiben. »In tiefer Sorge um die Situation in Syrien«, heisst es darin, »aber auch in grosser Empörung gegenüber der Rolle der Schweiz in diesem Konflikt, haben wir am 8. September 2012 in Basel ein Bündnis Hände weg von Syrien - Bündnis gegen den Krieg gegründet. Die Schweiz trägt die verschärften Sanktionen der USA und der EU gegen Syrien mit. Ganz offensichtlich wird damit gegen das Gebot der dauernden Neutralität als Grundsatz der schweizerischen Aussenpolitik verstossen. Das EDA hat die syrische Opposition für Planungen Syrien nach Assad mit 60.000 Franken unterstützt. Dies sind die eklatantesten Verstösse der Schweizer Politik gegenüber Syrien. Zu nennen ist jedoch auch die Verletzung des Völkerrechts, welches die Einmischung in die inneren Angelegenheiten souveräner Staaten verbietet«.   

Was den obengenannten Caesar Act, das im Dezember 2019 verabschiedete US-Gesetz namens Caesar Syrian Civilian Protection Act angeht, so ist dessen 1. Stufe am 17. Juni 2020 in Kraft getreten; er sieht die extraterritoriale Anwendung ökonomischer Zwangsmassnahmen gegen Syrien vor. Demnach haben Staaten, Unternehmen oder Personen, die die syrische Regierung militärisch, wirtschaftlich oder finanziell unterstützen, in den Vereinigten Staaten mit empfindlichen Strafen zu rechnen. Wie US-Aussenminister Mike Pompeo zum gleichen Zeitpunkt erklärte, sende dieser ein klares Signal aus: «Kein auswärtiger Akteur solle mit der syrischen Regierung Geschäfte machen». Über das Ziel dieser Massnahme, die dazu geeignet ist, Syrien ökonomisch noch umfassender zu isolieren, hiess es im Februar in der US-Fachzeitschrift Foreign Affairs»: «Zumindest könne sie die Regierung in Damaskus noch weiter schwächen und die Instabilität in regierungskontrollierten Gebieten verstärken».  [2]   

Die Rückkehr der Syrer in ihr Land

Am 7. August 2018 forderte Syrien die USA und die EU dazu auf, die Wirtschaftssanktionen aufzuheben, damit alle syrischen Flüchtlinge in ihre Heimat zurückkehren könnten. Zuvor hatte der syrische UN-Botschafter Baschar al-Jafaari am 5. 8. alle syrischen Flüchtlinge im Ausland dazu aufgerufen, nach Syrien zurückzukehren. Al-Jaafari wies darauf hin, dass die Rückkehr der syrischen Flüchtlinge nicht nur mit der syrischen Regierung, sondern mit vielen Staaten zusammenhänge, die dem syrischen Volk sogenannte einseitige Zwangsmassnahmen auferlegten, die nicht auf Resolutionen des UN-Sicherheitsrats basierten. Über die Auswirkungen der EU-Sanktionen gegen Syrien sagte Dr. Joseph Fares, Direktor des italienischen Krankenhauses in  Damaskus, im vergangenen Jahr dem Middle East Eye: «Wir können Lachgas, das für Anästhetika benötigt wird, nicht importieren, weil man sagt, dass damit Bomben hergestellt werden können. Wir benötigen Helium, um unsere MRI-Scanner zu kühlen, aber wir dürfen keins importieren. Viele MRI-Zentren sind in ganz Syrien ausser Betrieb». Früher wurde das italienische Krankenhaus von Damaskus teilweise durch Spenden aus Italien finanziert, aber «wir können kein Geld mehr aus Italien bekommen, weil keine Gelder an syrische Banken überwiesen werden können». Die christlich-arabischen Würdenträger Johannes X. von Antiochien, Gregor III. Laham und Mar Ignatius Aphrem II. forderten bereits im Jahr 2016 von der Internationalen Gemeinschaft einen sofortigen Stop der Sanktionen gegen Syrien; sie forderten diese auf, die «Belagerung des syrischen Volkes zu beenden», da Sanktionen die Isolation Syriens vorantrieben und die Ärmsten der Armen treffen würden. Die Asia Times zitiert die  Erklärung wie folgt: «Obwohl das Hauptziel der Verhängung dieser Sanktionen politischer Natur ist, betrifft ihr Einfluss das Leben des gesamten syrischen Volkes, insbesondere der Armen und der Arbeiterklasse; die Armut und das Leid der syrischen Bevölkerung nehmen ständig zu. Daher erheben wir, die drei Patriarchen, die in Damaskus leben, wo wir das Leid der syrischen Bevölkerung spüren, unsere Stimme in diesem humanitären Appell und fordern die Aufhebung der Wirtschaftssanktionen auf der Grundlage der Menschenrechtscharta und anderer internationaler Pakte». Die UNO teilt die Ansicht, das die Sanktionen gegen Syrien eine verheerende Auswirkung auf die Zivilbevölkerung haben. «Ich bin sehr besorgt darüber, wie die Sanktionen umgesetzt werden», sagte der UN-Sonderberichterstatter Idriss Jazairy am 17. Mai 2018. Die UNO meldete in einer Mitteilung: «Auf Einladung der Regierung besuchte Herr Jazairy vom 13. bis 17. Mai Syrien und erlebte aus erster Hand, wie die Krise unter anderem die Wirtschaft schwer getroffen hat. Der UN-Sonderberichterstatter sagt: «Ich möchte die Rolle des Konflikts bei der Schaffung dieser schrecklichen Situation nicht verringern, aber ich betone, dass restriktive Maßnahmen die Situation nur verschlimmern. Das syrische Volk sollte nicht für das leiden müssen, was zu einem internationalen Konflikt von unglaublicher Komplexität geworden ist. Alle, die die grundlegenden Menschenrechte erfüllen wollen, brauchen unsere Hilfe, nicht unsere Bürokratie».  [6] 

Die Teilung des Landes

Es gilt klar zu erkennen, dass ohne das Eingreifen des vom Westen konstant geschmähten Russlands in diesen seit 19 Jahre währenden endlosen Kriegdie Teilung Syriens  - wie von Beginn an angestrebt -  bereits vollzogen wäre. 2014 intervenierte Russland in Syrien, dessen Staat nicht zusammengebrochen war, um dem Land in seinem Widerstand beizustehen. In der Folge mussten sich die Briten, die dort während des Arabischen Frühlings (2011-Anfang 2012) versuchten, das Regime zu ändern – und danach die Vereinigten Staaten, die nicht das Regime, sondern den Staat (Mitte 2012 bis heute) stürzen wollten -  zurückziehen. Russland kämpft gegen das Chaos und für die Verteidigung staatlicher Strukturen sowie die Achtung der Grenzen.  [7] 

Noch Anfang März 2016 hatte der damalige US-Aussenminister John Kerry erklärt, dass die USA eine Zerteilung Syriens unterstützen würden, wenn die Waffenruhe nicht hielte. Zu diesem Zeitpunkt hatten die USA bereits einen Teilungsplan für Syrien bereit. Zuvor hatte die CIA-Denkfabrik RAND Corporation einen Bericht veröffentlicht, der sich mit der kompletten Teilung Syriens auseinandersetzt, während die türkische Zeitung Yeni Safak von einem konkreten syrischen Teilungsplan der US-Regierung schrieb. Dem Plan zufolge sollte Syrien in insgesamt drei Teile  - faktisch aber in fünf Teile -  aufgespalten werden. Die kurdische PYD, die Partei der Demokratischen Union in Syrien  und Mitglied der syrischen Oppositionsgruppe, sowie die moderaten Rebellen sollten jeweils zwei Regionen und die syrische Regierung eine Region erhalten. Wie es hiess, sei es besonders bemerkenswert, dass die Gebiete des Islamischen Staats im Osten Syriens nicht von der Zerteilung betroffen seien. Diese würden dem US-Plan zufolge weiterhin bestehen bleiben, um von der Terror-Miliz kontrolliert zu werden. Der ölreiche Osten Syriens war zuvor ein Staatsgebiet, das mehrheitlich von sunnitischen Arabern, die vom IS mehrheitlich vertrieben wurden, bewohnt wurde.  [8] 

Zur PYD hiess es allerdings schon im August 2016, dass Russen und Syrer offenbar nicht die Absicht haben, sich von den jüngsten Drohungen aus Washington beeindrucken zu lassen: Es muss verhindert werden, dass mit Hilfe der Kurden-Miliz YPG ein Korridor entsteht, der Syrien spaltet. Auch das NATO-Land Türkei teilt die strategischen Ziele der Russen und Syrer.   [9] 

Wie F. William Engdahl im Februar 2016 darlegte, sah der bereits 2008 konzipierte Feltman-Bandar-Plan, den Bandar nach Berichten mit 2 Milliarden $ aus seiner privaten Schatulle finanzierte, die Aufteilung Syriens unter verschiedene ethnische Gruppen vor - Alawiten, Sunniten, Schiiten, Kurden und Christen -  und teilte das Land in drei Bereiche ein: In Großstädte, Kleinstädte und Dörfer. Danach sollten die USA, Saudi-Arabien sowie ausgewählte Verbündete verdeckt mit der Rekrutierung und Ausbildung von Akteuren auf fünf Ebenen oder Netzwerken beginnen. Sie sollten unter Anleitung der CIA und dem saudischen Nachrichtendienst, dessen Leitung Prinz Bandar bin Sultan übernahm, die Zerstörung oder nationale Zerstückelung Syriens durchführen. Wahrscheinlich, vermerkte Engdahl hinsichtlich des Bandar-Plans ferner, wird die Karte der gesamten Nahost-Region zum ersten Mal seit dem geheimen britisch-französischen (und russischen – dies vor der bolschewistischen Machtergreifung im Jahre 1917)  Sykes-Picot-Plan grundlegend neu gezeichnet. Und wie 1916 werden nicht die Kartografen und Geografen Riads oder Ankaras die neuen Grenzen festlegen; das werden die anglo-amerikanischen vornehmen, jedenfalls ist das der Plan des Spiels. Anscheinend können wir Amerikaner in diesen Tagen nur noch Kriege organisieren. Der Feltman-Bandar-Plan flog 2011 in den internen Dokumenten mit den Tausenden von Dateien auf, die Hacker von Stratfor, jener undurchsichtigen US-Beratungsagentur für strategische Intelligenz für das US-Verteidigungsministerium und die Rüstungsindustrie, veröffentlicht haben.  [10] 

Die Auszeichnung der Europäischen Union mit dem Friedensnobelpreis des Jahres 2012 hat, wie man das erwarten können hätte, nicht etwa dazu geführt, dass sich diese aus der Bekriegung Syriens zurückzog, sondern sie führte im Gegenteil zu einer Ausweitung ihrer Sanktionen gegen das Land, wie sie die Aussenminister der 27 EU-Staaten am 15. 10. 2012 beschlossen. Dazu zählte auch ein Landeverbot für Maschinen der staatlichen Syrian Arab Airlines in Europa. 

»An eine friedliche Lösung des syrischen Konflikts«, vermerkte hierzu Werner Pirker von der Jungen Welt, »wurde von der Supermacht in Übersee und ihrem   europäischen Juniorpartner nie auch nur ein einziger Gedanke verschwendet. Der Regimewechsel gilt längst als beschlossene Sache, mag er auch noch so langwierig und blutig verlaufen. Mit ihrer Politik der Sanktionen unterstützt die EU den bewaffneten Aufstand und begibt sich damit indirekt in die Rolle einer kriegführenden Partei. Obwohl die erhöhte Gewaltbereitschaft der Antiregierungskräfte inzwischen offenkundig ist, wird die Forderung nach einem Gewaltverzicht ausschließlich an die Adresse der regulären Streitkräfte gerichtet. Sanktionen gegen die Halsabschneider sind nicht vorgesehen.   [11] 

Die Aufforderung an Assad, zurückzutreten 

Inmitten aller Kriegswirren zentriert sich das Ziel einer Entmachtung von Präsident Bashar al-Assad.  

London, so der britische Aussenminister William Hague in einem Artikel in der London Timesim August 2012, müsse seine Kontakte zum politischen Flügel der Freien Syrischen Armee intensivieren, um den unausweichlichen Fall von Präsident Bashar al-Assad vorzubereiten: »Wir müssen heute Beziehungen zu denjenigen aufbauen, die in Zukunft in Syrien regieren könnten«, so Hague. Zugleich rief er die Rebellen dazu auf, sich an die Regeln des Völkerrechts zu halten und die Menschenrechte zu achten.  [12]   

Im selben Monat kündigten die USA und die Türkei an, den Sturz von Assad beschleunigen zu wollen. Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz in Istanbul erklärten Hillary Clinton und ihr türkischer Amtskollege Ahmet Davutoglu am 11. 8., dass beide Länder an Strategien arbeiteten, um das Ende des  Blutvergießens und des Regimes von Assad zu beschleunigen. »Niemand kann   sagen, wann das Regime fallen wird, aber der Tag wird kommen«, erklärte Clinton.  [13] 

So hatten die syrischen Regierungsgegner in Berlin unter der Anleitung deutscher, französischer, britischer und US-amerikanischer Experten auch eine Strategie zusammengestellt, die im August 2012 in den Räumlichkeiten der Bundespressekonferenz unter dem Titel The Day After offiziell präsentiert wurde. Eine baldige Realisierung wurde in Aussicht gestellt.   [14] 

Als sich die EU-Aussenminister am 10. September 2012 zur Besprechung der syrischen Situation in Zypern trafen, bestand bereits das Verbot für Assad, seine engsten Verwandten sowie für 150 Regierungsangehörige, die EU zu betreten. Eingeschlossen war das Einfrieren ihrer Vermögen. Das Treffen stand unter der Forderung, dass die EU den Sturz Assads vorbereiten müsse; gleichzeitig arbeitete die EU bereits auf eine Zukunft nach Assad hin. Das zeigten Diskussionen über die Anerkennung einer Übergangsregierung und die Bildung einer internationalen Arbeitsgruppe in Berlin zur Vorbereitung eines wirtschaftlichen Neuanfangs.  [15] 

Bei den Verhandlungen in Genf im Januar 2014 bezüglich einer Übergangsregierung und die künftige Rolle von al-Assad gab es kein Resultat. Die syrische Delegation hatte ein auf Prinzipien begründetes Dokument vorgelegt, das Syriens Souveränität bekräftigte und kategorisch ausschloss, dass Assad von seinem Amt zurücktrete. Hingegen sahen die Opposition und die im Land gegen das Regime kämpfenden Rebellen im Abgang Assads die Voraussetzung dafür, dass eine aus Regimevertretern und Oppositionellen bestehende Übergangsregierung gebildet werden könne.  [16] 

Am 9. September 2015 erklärte dann der britische Aussenminister Philipp Hammond, dass falls ein vernünftiger Plan für einen Übergang vorläge, bei dem Assad eine Zeitlang in gewisser Weise an dem Prozess beteiligt bliebe, würde man das prüfen; wir sagen nicht, dass er gleich am ersten Tag gehen muss. Indessen beharrte Premier Cameron darauf, Assad zu stürzen, und sagte sogar, er erwäge zusätzlich zu den laufenden Drohnenangriffen ein stärkeres militärisches Eingreifen. In Frankreich deutete Präsident Hollande in einer Pressekonferenz als Reaktion auf einen Vorstoss von Putin am 7. 9. 15 einen Kurswechsel an; Frankreich bestehe nicht mehr darauf, dass Assad als Vorbedingung für Frieden in der Region sofort zurücktrete. Frankreich sei bereit, mit allen Ländern, die bei einer politischen Lösung und einem Übergang helfen können, auch mit Russland und dem Iran, zu kooperieren. Zum Machtübergang in Syrien sagte Hollande nur, man solle nichts tun, was Assad stärke, und irgendwann werde Assad gehen müssen.  [17] 

Entsetzt gab sich Merkel Anfang Februar 2016 über die Russen, wozu sputniknewsvermerkte, dass sie ihr Entsetzen in den bisherigen vier Jahren des Syrienkriegs mit seinen mehr als 200.000 Toten gut verborgen habe. Auch über die halbe Million Tote im Ergebnis des Irakkriegs, mit dem die Kanzlerin offen sympathisierte, war ihr bisher kein Grausen abzuringen, und die mehr als 100.000 Tote des Afghanistankriegs, an dem die Bundeswehr so tapfer beteiligt ist, konnten ihr bisher kein Mitleid entlocken: Das trifft auch auf die durch vom Stützpunkt Ramstein aus gesteuerten US-Drohnen Hingerichteten zu, die ihr offensichtlich kein Schaudern verursachen.   [18]   

Der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 1. Januar 2017 zufolge lehnte Berlin trotz der Befreiung Aleppos Gespräche mit Syriens Präsident Assad ab: «Mit Assad gibt es keinen Frieden». Mit diesen Worten liess sich der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, Norbert Röttgen,   von der FAS zitieren. Röttgen meinte, dass der syrische Präsident «kein wirklich entscheidender Akteur» in Syrien sei, sondern nur «ein Vehikel für Russland und den Iran».  [19] 

Die Aussenminister der G7-Staaten wollten bei ihrem Treffen im April 2017 im italienischen Lucca eine Lösung des Syrienkonflikts ohne Präsident Assad an der Macht. Auch Präsident Trump drängte auf eine Ablösung Assads, wobei jedoch immerhin die Auffassung vertreten wurde, dass der Konflikt ohne militärische Gewalt zu lösen sein müsse. Der deutsche Regierungssprecher Seibert nannte als gemeinsames Ziel ein stabiles und friedliches Syrien  -  natürlich ohne Assad.  [20]

Bei dieser Zusammenkunft hatte Merkel erklärt: Assad kann nicht Präsident von Syrien bleiben.  [21] 

Auf der 4. Brüsseler Syrien-Geberkonferenz im Juni sind unsere Steuergelder in Höhe von 2,3 Milliarden Euro von der EU wiederum als Hilfsgelder zugesagt worden - 2019 waren es rund 8,6 Milliarden €. Gleichzeitig forderte Josep Borrell, der EU-Aussenbeauftragte, auch die anderen Konferenzteilnehmer zu grosszügigen Zusagen auf.

Zwar forderte Borrell gleichzeitig eine dauerhafte Lösung für den Syrien-Konflikt  - ähnlich äusserte sich auch Guterres mit dem Statement, dass nur eine politische Lösung das Leiden der Menschen beenden könne -  doch steht zu befürchten, dass diese Worte erneut auf steinigen Grund fallen. 
[22]  

 

 

http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=2293  
22.
6. 14  51 Millionen auf der Flucht

http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=2502 
8. 2. 16  Syrien - Neue Teilungspläne  

 

[1]  INTER INFO Nummer 466 vom Oktober 2017
[2]  https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/8307/   16. 6. 20
Hoffen auf die Hungerrevolte
[3]  http://www.jungewelt.de/2012/08-08/026.php  8. 8. 12
Der Tag danach  -  Karin Leukefeld
[4]  https://de.sputniknews.com/panorama/20180419320397900-syrien-forschungszentrum-krebs-medikamente/  19. 4. 18
[5]  http://bazonline.ch/ausland/naher-osten-und-afrika/USA-verhaengen-Sanktionen-gegen-Syrien-und-meinen-damit-den-Iran/story/13960835  
11. 8. 12 

[6] 
https://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2018/08/07/syrien-rueckkehr-von-fluechtlingen-erst-nach-ende-der-eu-sanktionen/   7. 8. 2018
[7]  https://www.voltairenet.org/article209449.html  10. 3. 20   Was ist das nächste Ziel nach Syrien? – Von Thierry Meyssan
[8]  http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2016/02/29/teilungsplan-syrien-usa-will-gebiete-isis-ueberlassen/   1. 3. 16
[9]  http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2016/08/21/tuerkei-und-syrien-wenden-sich-gegen-us-verbuendete/   21. 8. 16
[10]  http://info.kopp-verlag.de/hintergruende/enthuellungen/f-william-engdahl/herr-praesident-sind-sie-dabei-den-nahen-osten-in-die-luft-zu-sprengen-.html  
8. 2. 2016 
Herr Präsident, sind Sie dabei, den Nahen Osten in die Luft zu sprengen? Von F. William Engdahl

[11] 
http://www.jungewelt.de/2012/10-16/033.php   16. 10. 12
Friedensaktivismus - Syrien, Iran: Schärfere EU-Sanktionen - Von Werner Pirker

[12] 
http://bazonline.ch/ausland/naher-osten-und-afrika/USA-verhaengen-Sanktionen-gegen-Syrien-und-meinen-damit-den-Iran/story/13960835    
11. 8. 12 
[13]   http://www.berlinerumschau.com/news.php?id=59871&title=Westerwelle+gegen+Milit%E4reinsatz+in+Syrien&storyid=1344764153532   12. 8. 12
[14]  
http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/59521   19. 1. 17
Keine Ordnungsmacht
[15]  http://bazonline.ch/ausland/europa/Die-EU-plant-die-Zukunft-Syriens/story/25077675   6. 9. 12
[16]  http://bazonline.ch/ausland/naher-osten-und-afrika/AssadFrage-laesst-Friedensverhandlungen-stocken/story/13192184   27. 1. 14
[17]  Strategic Alert, Jahrgang 28, Nr. 38 vom 16. September 2015
[18]  http://de.sputniknews.com/meinungen/20160211/307755586/nato-bekaempft-fluechtlinge.html   11. 2. 16
[19]  
http://www.epochtimes.de/politik/welt/italienische-geheimdienste-in-alarmbereitschaft-weltweit-gesuchter-is-anfuehrer-soll-mit-400-kaempfern-nach-europa-gekommen-sein-anschlaege-in-vorbereitung-a2011534.html   30. 12. 16
[20]  http://www.br.de/nachrichten/meldungen/nachrichten-bayerischer-rundfunk100.html#n3   11. 4. 17
[21] 
https://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2017/04/10/merkel-assad-kann-nicht-praesident-von-syrien-bleiben/  10. 4. 17
[22]
  https://www.br.de/nachrichten/meldungen/nachrichten-bayerischer-rundfunk100.html#n3   30. 6. 20