Die hässlichen Scherben der WERTE-Gemeinschaft EU 04.07.2021 20:09
d.a. Wäre die EU wirklich eine solche, wie sie dies unablässig hervorhebt, hätte
sie sich niemals an dem Angriffskrieg auf Afghanistan beteiligen, geschweige denn diese mörderische Zerstörung über 20 Jahre hinweg mit unterstützen dürfen. Mit der Räumung und Übergabe des Airfield Bagram ist nun die US-Besetzung Geschichte. Die afghanische Armee selbst ist desolat, während die Taliban bereits 70 % des Landes kotrollieren und weiter auf dem Vormarsch sind: In Richtung Kabul. Zurück bleibt ein von den Vereinigten Staaten und ihren Verbündeten hinterlassenes Land,
das
sich womöglich am Rand eines Bürgerkriegs befindet. Der ehemalige Fallschirmjäger
Robert Müller, der dreimal am Hindukusch im Einsatz war, empfindet den Abzug als
»moralische Verwundung«; er schäme sich als Deutscher, »weil wir den Afghanen
versprochen haben, das Land erst allein zu lassen, wenn es selbst für seine
Sicherheit sorgen kann. Und was hinterlassen wir nun? Einen großen
Scherbenhaufen«. Vor ein paar Tagen postete Müller einen Zeitungsbericht über
das Vorrücken der Taliban bei Facebook und kommentierte: »Hey Deutschland, da
habt ihr euer Vietnam!«. [1] Damit
ist nun der zweitlängste und bislang blutigste Militäreinsatz der
Bundesrepublik Deutschland zu Ende. Die letzten Soldaten der Bundeswehr, die in
der Nacht zuvor Afghanistan verlassen hatten, trafen am 30. Juni auf dem
Luftwaffenstützpunkt Wunstorf nahe Hannover ein.
Wie
einem Bericht von ›German Foreign
Policy‹ [2] zu entnehmen ist, sind in
den Kämpfen am Hindukusch dem ›Costs
of War Project‹ der Brown University
in Providence, Rhode Island, zufolge ungefähr
eine Viertelmillion Menschen ums Leben gekommen; hinzu kommt eine unbekannte Anzahl
von Opfern, die an direkten Kriegsfolgen verstarben. Fast 7 Millionen Afghanen
sind auf der Flucht; zahllose Menschen sind verletzt oder verstümmelt, darunter
Zehntausende Kinder. Allein die US-Aufwendungen für das Gemetzel belaufen sich
auf mehr als 2,2 Billionen US-$; Deutschlands Regierung gibt die Ausgaben für
den Bundeswehreinsatz mit 12,2 Milliarden € an. Während die westlichen Truppen
abziehen, erobern die Taliban immer weitere Teile Afghanistans; in Kürze
dürften dort die Machtverhältnisse vom September 2001 wiederhergestellt sein,
also wie unmittelbar vor Kriegsbeginn.
Dieser
Krieg hat einen furchtbaren Blutzoll gefordert. Verlässliche, der Lage im Land jedoch
wohl nicht ganz entsprechende Opferzahlen hat das ›Costs of War Project‹,
das bereits seit 2010 am ›Watson
Institute for International and Public Affairs‹ an der Brown University betrieben
wird, in regelmäßigen Abständen vorgelegt. Die Brown University ist eine der 8 ›Ivy League‹-Elitehochschulen der Vereinigten Staaten. Den Angaben des ›Costs of War Project‹ zufolge sind in Afghanistan und in
den angrenzenden Gebieten Pakistans, auf die der Krieg übergegriffen hat, bis
Mitte April 2021 rund 241.000 Menschen zu Tode gekommen, darunter rund 71.300
Zivilisten und ungefähr 69.000 afghanische Soldaten und Polizisten. [3] Es
listet zudem 2.442 getötete US-Soldaten, 1.144 Militärs verbündeter
Streitkräfte sowie beinahe 4.000 umgekommene US-Söldner auf, weiteres
Security-Personal eingeschlossen. Das ›Project‹ weist ausdrücklich darauf hin, dass diese
Aufstellung lediglich die direkten Kriegsopfer umfaßt, nicht aber die Afghanen
und Pakistaner, die den unmittelbaren Kriegsfolgen zum Opfer gefallen sind. Das
bezieht sich etwa auf all diejenigen, die durch Krankheiten, durch Mangel an
Wasser, Nahrung und Unterkunft oder vergleichbare kriegsbedingte Umstände ihr
Leben verloren haben.
Verletzt,
verstümmelt, hungernd
Zu
den Todesopfern kommen immense weitere menschliche sowie gewaltige materielle
Schäden hinzu. Zahllose Afghanen sind im Krieg verletzt oder verstümmelt
worden; die Vereinten Nationen registrierten allein in den vergangenen zehn
Jahren neben 7.792 getöteten 18.662 verletzte Kinder - oft Kinder, die durch
Sprengfallen, durch liegengebliebene Streumunition oder bei Luftangriffen
Gliedmaßen verloren haben. [4] Afghanistan, dessen Bevölkerung zur Zeit mit
36 Millionen Menschen beziffert wird, verzeichnet 4 Millionen
Binnenvertriebene; 2,7 Millionen Menschen sind ins Ausland geflohen, die
meisten davon nach Pakistan oder in den Iran.
[5] Während die Lebenserwartung
von 56 Jahren (Stand 2001) auf 64 Jahre (Stand 2019) gestiegen ist - einer der recht wenigen Fortschritte - ist die Armutsrate deutlich gewachsen: Von
33,7 % im Jahr 2007 auf 54,5 % im Jahr 2016. 2019 berichtete UNICEF, dass 3,7
Millionen afghanischer Kinder im Schulalter die Schule nicht besuchten.
Zahlreiche Schulen sind - wie unzählige
andere Gebäude, auch Krankenhäuser - teilweise oder ganz zerstört worden; die
Schäden an der ohnehin schwach ausgebildeten Infrastruktur Afghanistans wiegen
schwer.
Billionen
für den Krieg
Die
für den Krieg von 2001 bis 2021 verschlungenen riesigen Summen, die für andere
Zwecke fehlten, beziffert das ›Costs
of War Project‹ allein für die USA auf
rund 2,26 Billionen US-$. Darin nicht enthalten sind
die Beträge, die Washington in den kommenden Jahren und Jahrzehnten an
Kriegsveteranen zahlen muß; auch fehlen
die Zinsbeträge, die in Zukunft aufgebracht werden müssen, um kriegsbedingt
aufgenommene Kredite zu bedienen. [6] Im März wurde bekannt, dass hohe Beträge, mit
denen der begleitende Aufbau ziviler Infrastruktur finanziert wurde,
verpufften. Laut einem Bericht des ›Special
Inspector General for Afghanistan Reconstruction‹ (›SIGAR‹), einer Aufsichtsstelle der US-Administration,
stellte Washington seit 2008 alles in allem 7,8 Milliarden US-$ für die
Errichtung von Gebäuden und den Erwerb von Fahrzeugen zur Verfügung, es wurde allerdings
lediglich ein Teil davon in Höhe von 1,2 Milliarden US-$ wie geplant genutzt. [7] Die
meisten Gebäude wurden im Lauf der Zeit zerstört oder verfielen, weil die
Instandhaltung nicht geregelt war; aktuell befinden sich nur noch Gebäude und
Fahrzeuge im Wert von 343,2 Millionen $ in gutem Zustand. Bekanntlich hat auch Deutschland
hohe Beträge für den Krieg ausgegeben; allein für den Einsatz der Bundeswehr
hat die Bundesregierung von 2001 bis Ende 2020 rund 12,2 Milliarden € aufgewendet;
hinzu kamen im selben Zeitraum Ausgaben für humanitäre Hilfe im Wert von 425
Millionen €, allerdings keine 4 % der Summe, die in unmittelbare militärische
Belange investiert wurde. Die Höhe weiterer Ausgaben für zivile Projekte, die
einsatzbegleitend realisiert wurden, ist nicht genau bekannt.
Die
Taliban in der Offensive
Die
voluminösen US-amerikanischen und deutschen Finanzmittel, zu denen diejenigen
diverser weiterer westlicher Mächte sowie ihrer Verbündeten hinzukommen, sind
in einen Krieg geflossen, der nicht zur zahllose Menschenleben gekostet, kaum
bezifferbare soziale Schäden und eine immense materielle Zerstörung verursacht
hat, sondern der zudem de facto verloren ist, und der nach den Maßstäben der
kriegführenden Staaten erfolg- und damit sinnlos war.
Dies
belegt die Aussage des ranghöchsten Kommandanten der abziehenden US-Truppen,
General Austin Scott Miller, der einen rasanten Vormarsch der Taliban einräumt.
Laut Schätzungen von Experten kontrollieren die Taliban mittlerweile rund 140
der insgesamt 370 Distrikte des Landes und verfügen in 170 weiteren über
signifikanten Einfluß. »Fast täglich«, heißt es, »fallen mehr Distrikte an die
Taliban, entweder in gewaltsamen Zusammenstößen oder durch friedliche
Kapitulation«. Miller spricht von einer »landesweiten Offensive«, die eine
Entwicklung wie diejenige in den 1990er Jahren nach dem Abzug der sowjetischen
Armee befürchten lasse.
Nach
Lage der Dinge kämen dann in absehbarer Zeit die Taliban in Kabul an die Macht.
Damit wäre im Wesentlichen der Zustand des Landes unmittelbar vor Beginn des
Krieges im Jahr 2001 wiederum erreicht.
Anmerkung
politonline
Wie
sinnlos dieser Krieg war, ergibt sich auch aus einer Mitteilung der ›Washington Post‹ vom 19. Dezember 2000, gemäss der schon
die Clinton-Administration einen Krieg am Hindukusch in Erwägung gezogen hatte,
also Monate vor den Anschlägen des 11. September 2001. Auch der ehemalige Aussenminister
Pakistans, Naiz Naik, bestätigte, dass
der Krieg gegen Afghanistan vor dem 11. September beschlossen worden war,
denn im Juli 2001 war seine Regierung seitens der US-Administration darüber informiert
worden. Afghanistan war das schwächste Glied in der Kette derjenigen Länder,
die im Rahmen der als ›Greater Middle East Initiative‹ bezeichneten Strategie der Neokonservativen um Dick Cheney, Donald
Rumsfeld, Paul Wolfowitz, Richard Perle und George W. Bush, ›demokratisiert‹ werden sollten. Daher wurde der 11. 9.
2001 zum Anlass genommen, zuerst einen Krieg gegen Afghanistan zu führen.
[1] https://www.welt.de/politik/ausland/plus232278531/Afghanistan-Die-Angst-vor-einem-zweiten-Vietnam.html 4. 7. 21
[2] https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/8645/
1. 7. 21 Der Zwanzigjährige Krieg
[3]
U.S. Costs to Date for the War in
Afghanistan, in $ Billions, 2001-2021. watson.brown.edu.
[4]
Afghanistan. Visualising the impact of
20 years of war. interactive.aljazeera.com.
[5]
Isabel Debre: Counting the costs of
America's 20-year war in Afghanistan. apnews.com 30.04.2021.
[6]
Kathy Gannon: Report: US wasted billions
on cars, buildings in Afghanistan. abcnews.go.com 01.03.2021.
[7]
Pamela Constable: U.S. military
commander in Afghanistan warns of chaotic civil war. washingtonpost.com
29.06.2021.
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