Vogelgrippe - Hysterie statt Sachverstand - Und die «hidden agenda» der neuen Regierung? - von Karl Müller, Deutschland

Manch einer wird vergessen haben, dass der Innenminister der letzten Bundesregierung, Otto Schily von der SPD, mit seinen beiden «Otto-Katalogen» versucht hat, die US-amerikanischen Patriot Acts I und II auf deutsche Verhältnisse zu übertragen. Dazu gehörte auch das sogenannte Luftsicherheitsgesetz, das unter anderem vorsah, die Bundeswehr im Inneren des Landes einzusetzen und Passagierflugzeuge, die in die Hand von Terroristen gelangt wären, gegebenenfalls von der Bundeswehr abschiessen zu lassen. Dies hatte das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 15. Februar für verfassungswidrig erklärt.

Das Bundesverfassungsgericht stellt fest, dass die ihm vorgelegte gesetzliche Regelung verfassungswidrig und infolgedessen nichtig ist. Ausserdem weisen die Richter darauf hin, dass dem Bundeswehreinsatz im Inneren des Landes sehr enge verfassungsrechtliche Grenzen gesetzt sind. Als Reaktion auf das Urteil fordern nun gewisse Politiker eine Verfassungsänderung, was nicht nur eine erneute Verfassungsverletzung, sondern einen Verfassungsbruch darstellt. Um einem aus Verfassungsgründen nichtigen Gesetz zur    Geltung zur verhelfen, soll nämlich die Verfassung dem nichtigen Gesetz angepasst werden, obwohl gerade die Verfassung in Artikel 20 für den Gesetzgeber vorschreibt, dass er an die verfassungsmässige Ordnung gebunden ist. Soll die verfassungsmässige Ordnung allen Ernstes für ein nichtiges Gesetz beseitigt werden? Oder sollten diese Politiker nicht für solche Volksvertreter, die die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts uneingeschränkt respektieren, Platz machen?  
 
Ein Politiker der SPD, Dieter Wiefelspütz, meinte gar, Flugzeuge mit Passagieren an      Bord auch trotz Verfassungsgerichtsentscheid abschiessen lassen zu können, nämlich dann, wenn sie im Ausland gestartet sind. Dann könne man die Situation einfach umdefinieren    und beim Abschuss von Kriegsrecht und Verteidigungsfall sprechen. Wiefelspütz ist innenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag und war neben Schily einer der Hauptverfasser des verfassungswidrigen Luftsicherheitsgesetzes. Die Aktivitäten des Bundesnachrichtendienstes im Irak während des US-Krieges hatte er        vor ein paar Wochen ausdrücklich gelobt und davor gewarnt, «die Arbeit des deutschen Auslandsgeheimdienstes durch parlamentarische Ermittlungen zu belasten». (Netzeitung vom 17. Januar) Auf die Frage, ob denn die Passagiere eines im Ausland startenden Flugzeugs kein Recht auf Leben und keine Menschenwürde hätten - vor allem darauf hatte das Bundesverfassungsgericht abgehoben - ging Wiefelspütz nicht ein. Um so deutlicher  wird, wes Geistes Kind solche Äusserungen sind: der US-amerikanischen Politik der «Homeland Security»: Angst einflössen, Bürgerrechte schleifen, Entscheidungsgewalt zentralisieren, Politik militarisieren.
 
Genau deshalb ist auch die Frage berechtigt, ob die Vogelgrippe auf Rügen eine Inszenierung ist, nicht zuletzt eine Medien-Inszenierung auf sinistrem Hintergrund, die unter anderem dazu dient, die Deutschen an martialische Bundeswehrauftritte und Grundrechtsbeschränkungen zu gewöhnen. Denn je absurder und grotesker der Auftritt von Soldaten in Kampfmontur ist, um auf die Jagd nach Viren zu gehen, desto mehr stellt sich die Frage nach den wahren Absichten. Einige Tatsachen der vergangenen Woche machen da nachdenklich: Schon am  17. Februar, also vor irgendeinem Ersuchen an die Bundeswehr, meldete die Bundeswehr über die Website ihres Sanitätsdienstes, dass sie einsatzbereit sei, um gegen die Vogelgrippe vorzugehen. Ein Veterinär der Bundeswehr war schon am 17. Februar, ohne angefragt worden zu sein, auf der Insel Rügen tätig. Nicht die Zuständigen vor Ort auf der Insel Rügen, sondern der Bundesgesundheitsminister Seehofer von der CSU in Abstimmung        mit dem Bundesverteidigungsminister Jung von der CDU drängten die Verantwortlichen     vor Ort mit markigen Tönen auf einen Bundeswehreinsatz und die dafür notwendige Ausrufung des Katastrophenfalls. Die Verantwortlichen vor Ort, speziell die örtliche Landrätin, weigerten sich anfänglich standhaft, von einem Katastrophenfall zu sprechen.       

Zu Recht, wie selbst die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» noch am 20. Februar befand. Denn ein Katastrophenfall liegt erst vor, wenn Menschen in Gefahr sind oder die  Infrastruktur des Landkreises bedroht ist. Beides war und ist aber nicht der Fall. Die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» kommentierte sogar am selben Tag: «Die Vogelgrippe weitet sich unaufhaltsam aus. Sie täte es auch dann, wenn es keine weiteren Fälle infizierter Tiere mehr geben würde. Denn im Fernsehen sind Bilder einer Katastrophe zu sehen. [...] Es ist kaum noch zu vermitteln, dass es diese Katastrophe überhaupt nicht gibt. [...] Die Katastrophe wurde in der langen Reihe der Fernsehübertragungswagen an der Wittower  Fähre im Nordwesten der Insel erst produziert.»
 
Selbst der Präsident des für die Untersuchung der erkrankten Tiere zuständigen Friedrich-Loeffler-Instituts wird mit den Worten zitiert: «Wir machen Risikobewertungen zu Zugvögeln, die aus Afrika nach Europa fliegen. Dabei geht die grösste Gefahr derzeit         von den Journalisten aus.» Auf Rügen selbst, so berichtete die «Süddeutsche Zeitung»      am 20. Februar, gebe es zwar auch Kritik an der Landrätin, weiter verbreitet sei jedoch     «das Gefühl, ‚von den Medien plattgemacht’ zu werden». Schon am 18. Februar hatte der Landwirtschaftsminister des betroffenen Bundeslandes, Backhaus (SPD), an den örtlich Zuständigen vorbei und ohne deren Zustimmung Amtshilfe bei der Bundeswehr beantragt   und die Bekämpfung der Vogelgrippe auf Rügen kurzerhand an sich gerissen - mit dem Hinweis auf die sogenannte Fachaufsicht des Landes über die Kreise und Gemeinden.       Ohne dass ersichtlich wurde, warum ein Minister im entfernten Schwerin fachkompetenter sein soll als die Behörden vor Ort. Aber der Landwirtschaftsminister war in einer Debatte     im Bundestag am 16. Februar mit «Hohn und Spott über die Art und Weise der Seuchenbekämpfung auf Rügen» (Spiegel Online vom 18. Februar) überschüttet worden. Kritik der Rügener Landrätin am Vorgehen des Bundesgesundheitsministeriums (zu wenig Unterstützung von Bund und Land für die Insel Rügen) wurden mit der Bemerkung des Ministers abgetan: «Das kann man nicht mehr ernst nehmen.» («Frankfurter Rundschau»  vom 21. Februar)
 
Sehr ernst zu nehmen waren hingegen Überschallkampfflugzeuge der Bundeswehr auf der Suche nach toten Vögeln. Tornados gegen Höcker-Schwäne, die notabene keine Zugvögel sind. Was man mit Steuergeldern so alles machen kann ... Die Zeitungskommentare nach Beginn des Bundeswehreinsatzes waren anfänglich durchaus auch kritisch. Markige Forderungen fielen eher aus dem Rahmen. Allerdings rückten einzelne Stimmen wie in der   in Berlin ansässigen «Märkischen Zeitung», einem Ableger der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung», auffallend schnell mit einer happigen Breitseite gegen den Föderalismus heraus: «Das Kompetenzgerangel bei der Bekämpfung der Vogelgrippe lässt einmal mehr die Frage aufkommen, ob die deutsche Kleinstaaterei noch zeitgemäss ist. [...] Der Bürger erwartet, dass der Staat in Situationen wie diesen effizient agiert. Auf welcher Ebene, ist ihm einerlei».
Ist auch hier der Verfassungsbruch geplant? Der deutsche Föderalismus ist das Ergebnis der Beachtung deutscher Geschichte und fundiert im antitotalitären Denken. Über Artikel 20 (Bundesstaatsprinzip) und Artikel 79, Absatz 3 des Grundgesetzes (Ewigkeitsklausel) ist er das Fundament des deutschen Verfassungsstaates. Er ist Ausdruck des Willens, den deutschen Staat dezentral und demokratisch zu gestalten und einer übermächtigen Zentralgewalt einen Riegel zu schieben.

Interessant, dass in ähnlich zentralistischer Art und Weise die Vorsitzende des Agrarausschusses im Bundestag, die Grüne Bärbel Höhn, am 21. Februar im Deutschlandfunk auftrat: «Also, es ist sicher so, dass bei Tierseuchen das föderale System nicht hilfreich ist, wenn man das mal ganz salopp sagen darf.» Man müsse überlegen, «ob man nicht zum Beispiel dahingehend die Zuständigkeiten ändert, dass im Seuchenfall die Länder sozusagen in Auftragsverwaltung helfen, das heisst, der Bund gibt den Auftrag an die Länder, das zu tun. Und der Bund hätte dann auch Weisungsrecht gegenüber den Ländern. Und das muss man, glaube ich, innerhalb dieser Krise auch diskutieren.» Höhn ergänzte auch noch gleich, die Vogelgrippe könne zu einer Absage der Fussballweltmeisterschaft in Deutschland führen, wenn dann die Pandemie ausbrechen würde, so, als wenn sie schon vor der Türe stünde.

Eine Zentralisierung der Befugnisse hatte auch der Bundesgesundheitsminister gefordert, worauf der Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, Beck (SPD), so berichtet die «Neue Zürcher Zeitung» am 22. Februar, erwidert haben soll, «ein Katastrophenstab in Berlin könne doch nicht besser Bescheid wissen als ein Landrat» vor Ort. Alte Trotzkisten und moderne Globalisten können sich nun zufrieden die Hände reiben .
 
Die «Desinfektions-Schleuse» der Bundeswehr auf dem Fahrweg zur Insel Rügen - «Experten der ABC-Abwehrtruppe der Bundeswehr in olivgrünen Schutzanzügen und mit Gasmasken besprühten die Radkästen aller Lastwagen» («Frankfurter Rundschau» vom 21. Februar) - führte zu kilometerlangen Staus. Inzwischen sind auf Rügen die ersten Nutzvögel getötet und Fakten geschaffen worden - ohne klar erkennbaren Sinn. Am 22. Februar meldet sich erneut der Landwirtschaftsminister von Mecklenburg-Vorpommern zu Wort. Sein Land habe «hervorragende Arbeit» geleistet. Dank der Hilfe der Bundeswehr habe man die Lage «voll im Griff».
 
Quelle: www.zeit-fragen.ch
Zeit-Fragen Nr.9 vom 27.2.2006
 
 
Und nun drohen die alten Wunden wieder aufzubrechen.» Zugleich sollen bei der seelsorgerischen Begleitung der Keulungsaktionen auf Rügen für ähnliche Aktionen Erfahrungen gesammelt werden. Denn Schorlemmers Rat ist auch gefragt, wenn es zu Widerstand gegen die Tötungen kommen sollte. Quelle: Ralf Sommer, Deutscher Depeschendienst vom 22.2.06, mit freundlicher Abdruckgenehmigung
 
In einem Tierheim nahe der steirischen Landeshauptstadt Graz sei bei Hühnern und Enten das H5N1-Virus identifiziert worden, sagte eine Sprecherin des steirischen Ministers für Land- und Forstwirtschaft. Die zwei Hühner und drei Enten seien verbotenerweise mit einem Schwan, der aus der Region mit nachgewiesenen Fällen von Vogelgrippe in das Tierheim gebracht worden sei, in einem Stall gehalten worden. Es gebe aber keine Anhaltspunkte für ein Übergreifen auf heimische Geflügelbestände.
Quelle: Neue Zürcher Zeitung vom 23.2.2006
 
Auffallenderweise kommen alle Meldungen zur Vogelgrippe, auch die obenstehende, über Tony Blairs Agentur Reuters in die Stuben der Redaktionen mit einer Spin-doctor-Headline und dem politischen Spin im ersten Satz. In diesem Falle war es: «Vogelgrippe bei Nutztieren in Österreich - In Österreich sind erste Fälle der Vogelgrippe bei Nutztieren aufgetreten.»