Zerschlagen und neu aufbauen Ein Bericht von German Foreign Policy 21.11.2007 16:25
Vorfeldorganisationen der Berliner Außenpolitik unterstützen Rebellenmilizen aus Darfur und weiten ihre Zuarbeit für die Sezessionsregierung des Südsudan aus. Wie das von der Bundesregierung finanzierte Europäische Zentrum für Minderheitenfragen (EZM) mitteilt, hat es vor zwei Wochen ein Treffen maßgeblicher Anführer der Aufstände in Darfur an seinem Sitz in Flensburg organisiert. Ziel war demnach die Einigung auf eine gemeinsame Strategie. Die in Flensburg vertretenen Rebellenmilizen haben die jüngste Verhandlungsrunde vom vergangenen Wochenende in Libyen boykottiert und damit eine Einigung mit der Zentralregierung des Sudans unmöglich gemacht.
Die Abspaltungsbewegung im Sudan
wird von Aktivitäten der bundeseigenen Gesellschaft für Technische
Zusammenarbeit (GTZ) begleitet. Die GTZ hilft der Sezessionsregierung des
Südsudans, deren Friedensvertrag mit Khartum vor dem Scheitern steht, beim »Staatsaufbau«.
Von den sudanesischen Rebellen gehen Angriffe auf die bedeutendste Konkurrenz
des Westens aus: Vor wenigen Tagen überfielen Darfur-Milizen chinesische
Erdölförderanlagen im Sudan.
Ethnisch verbrämt
Wie das Europäische Zentrum für
Minderheitenfragen bestätigt, haben sich Mitte Oktober maßgebliche Anführer der
Aufstände in Darfur im EZM getroffen. Die Einrichtung, die von der
Bundesregierung, der Regierung des Bundeslandes Schleswig-Holstein und der
Regierung Dänemarks finanziert wird, widmet sich ausdrücklich der »Konfliktvermittlung«
an »ethnopolitischen Brennpunkten«. [1] Während Dänemark das EZM als
institutionellen Mittler für die deutschsprachige Minderheit in Süddänemark
ansieht, benutzt die Bundesregierung das EZM als weltweite Speerspitze ihrer
ethnisch verbrämten Außenpolitik.
Gewaltsame Sezession
Über die völkischen Dimensionen der
deutschen Ethnopolitik hat sich in der Vergangenheit Professor Dr. Rainer
Hofmann Gedanken gemacht, ein Vorstandsmitglied des Flensburger EZM.
Minderheiten, die als »Volk« und damit als Träger des Selbstbestimmungsrechts
anzusehen seien, könnten »ein Recht auf Sezession« geltend machen, heißt es in
einer Schrift des Juristen. Im Falle »erzwungene(r) Assimilation« sei es wohl
politisch unausweichlich und auch völkerrechtlich zulässig, daß die hiervon
betroffenen Völker versuchten, »ihre eigenständige Identität und damit auch ihr
Überleben durch eine - im Extremfall auch gewaltsame - Ausübung des
Selbstbestimmungsrechtes mit dem Ziel der Errichtung eigener Staaten oder
gewaltsamer Änderung von Grenzen zu erreichen. « [2]
Regionale Identität
Zur Taktik gewaltbereiter Sezessionisten
gehört es, sich als gleichwertige Verhandlungspartner der bekämpften
Zentralregierung zu präsentieren, um einen hoheitlichen Status vorzutäuschen.
Diese Taktik wird vom EZM gefördert, indem es den Rebellengruppen ein Forum
bietet und die politische Aufwertung als »friedensfördernd« darstellt. Unter
diesem Vorwand wurde jetzt in Flensburg eine gemeinsamen Strategie der
Darfur-Rebellen diskutiert. Sie müssten eine »regionale Identität« entwickeln,
heißt es im Stil identitärer Ethno-Konzepte rassistischer Gruppierungen. [3]
Die »Identität« solle sicherstellen, dass »die Repräsentanten der
Darfur-Rebellen in der Lage sein werden, eine gemeinsame (politische) Position
zu vertreten.«
Eine Botschaft
Von Gemeinsamkeiten sind die Sezessionisten
weit entfernt und in zahlreiche Fraktionen gespalten. Den zerstrittenen
Rebellen stellte das »Europäische Zentrum für Minderheitenfragen« jetzt in
Flensburg ranghohe Politikberater aus Universitäten und Fachinstitutionen zur
Seite. [4] Beraten wurden Anführer des islamistischen Justice and Equality
Movement (JEM) sowie ein Teil des mehrfach fraktionierten Sudan Liberation
Movement (SLM/A). Beide Milizen haben nur wenige Tage nach den EZM-Beratungen die
Friedensverhandlungen mit der Zentralregierung boykottiert. Stattdessen
griffen Milizionäre des JEM ein Ressourcengebiet an, auf dem ein chinesisches
Unternehmen Erdöl fördert, und entführten zwei ausländische Arbeiter. Der
Überfall sei »eine Botschaft vor allem an die chinesischen Firmen«, die die
größten Investoren in der sudanesischen Ölindustrie seien und mit der
Zentralregierung zusammenarbeiteten, heißt es in einer Erklärung der Rebellen. [5]
Sezessionsreferendum
Parallel zur Beratung der Darfur-Milizionäre
im Flensburger Europäischen Zentrum für Minderheitenfragen unterstützt die
bundeseigene Entwicklungsagentur Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit
(GTZ) die Autonomieregierung des Südsudans. Nach jahrzehntelangem Bürgerkrieg
hat Khartum Anfang 2005 dem Süden Autonomierechte in bedeutendem Umfang zugestanden
- inklusive des Rechts, im Jahr 2011 per Referendum über die Sezession
abstimmen zu dürfen. Bereits 2004 hatte die GTZ begonnen, die weithin
zerstörten südsudanesischen Straßen wieder befahrbar zu machen; die
Finanzmittel stellte zu einem bedeutenden Teil Washington zur Verfügung. Zum
selben Zeitpunkt trieb ein deutsches Unternehmen Pläne voran, den Südsudan über
eine Eisenbahnverbindung mit kenianischen Häfen zu verbinden; Ziel war der Abtransport
der reichen Ressourcen (Erdöl, Gold) des Sezessionsgebietes unter
Umgehung der Kontrolle durch die Zentralregierung. »Das ist die
Lebensader unserer Unabhängigkeit«, urteilte damals ein designiertes Mitglied
der Autonomieregierung in Juba. [6]
Wasserwirtschaft
Die Zukunft des Eisenbahnprojektes ist nach
dem vorläufigen Scheitern der deutschen Firma ungewiss. Doch führt die GTZ ihre
Unterstützung für die südsudanesische Autonomieregierung fort - unter der
Federführung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung. Die wegen der Bürgerkriegsverhältnisse eingestellte
Entwicklungshilfe für den Sudan hat Berlin inzwischen wieder aufgenommen -
allerdings nur für den sezessionswilligen Südsudan. 2006 begann die GTZ mit
ersten Maßnahmen zur Verbesserung der Trinkwasserversorgung im
Herrschaftsbereich der Separatisten, Pläne zum Aufbau der gesamten
südsudanesischen Wasserwirtschaft schlossen sich an.
Staatsaufbau
Im laufenden Jahr erreichen die Maßnahmen
der GTZ ein neues Niveau: Die deutsche Organisation startete ein Programm zur »Unterstützung
des Staatsaufbaus im Süd-Sudan«. Träger des Programms ist das Präsidialamt der
Sezessionsregierung, die Gesamtlaufzeit beträgt zehn Jahre (Februar 2007 bis
Januar 2017), währt also sechs Jahre über das Sezessionsreferendum hinaus. »Das
Vorhaben«, kündigt die GTZ an, »verknüpft Politik-, Verwaltungs- und
Organisationsentwicklungsberatung. Es arbeitet auf drei Ebenen: Landkreise,
Bundesländer und Government of South Sudan (GoSS) gleichzeitig.« [7] Zudem soll
die Zusammenarbeit zwischen staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren (...) gestärkt
werden. Einbezogen sind sämtliche Ebenen - mit Ausnahme der gesamtstaatlichen
Anbindung an die Zentralregierung in Khartum.
Partner
Dort setzten die südsudanesischen Minister,
die sich laut den Bestimmungen des Friedensabkommens von 2005 an der
Zentralregierung beteiligen, vor zweieinhalb Wochen ihre Mitarbeit aus.
Beobachter schließen wegen der zunehmenden Spannungen eine erneute
Kriegseskalation nicht aus. Besondere Aufmerksamkeit gilt derzeit dem
erdölreichen Distrikt Abyei im Zentrum des Landes. Das Gebiet war bereits
während des Bürgerkrieges zwischen Khartum und Juba umstritten; 2011 soll in
einem lokalen Referendum geklärt werden, ob es dem Norden oder dem Süden
zugeschlagen wird. In diesem Distrikt liegt auch das Ölfeld, das vor wenigen
Tagen von den JEM-Truppen anggegriffen wurde. Sollten die aus Darfur kommenden
Rebellen dort weiter Fuß fassen, gelten neue Gewaltoperationen auch der
südsudanesischen Sezessionisten nicht als ausgeschlossen. Beide genießen die Sympathie und
aktive Unterstützung Berlins.
Hervorhebungen durch politonline
[1], [2] Rainer Hofmann: Minderheitenschutz
in Europa. Völker- und staatsrechtliche Lage im Überblick, Berlin 1995, zitiert
nach: Walter von Goldendach, Hans-Rüdiger Minow: Von Krieg zu Krieg. Die
deutsche Außenpolitik und die ethnische Parzellierung Europas, München 1999. S.
auch Hintergrundbericht: Das Europäische Zentrum für Minderheitenfragen
[3] Press Release; www.ecmi.de/37/2007/10/17/Press-Release.php.
Darfur: "Volksgruppen"-Unterstützung in Flensburg;
www.steinbergrecherche.com/sudan.htm
[4] Press
Release; www.ecmi.de/37/2007/10/17/Press-Release.php
[5] Ölfeld im Sudan überfallen; Basler
Zeitung 25.10.2007
[6] s. dazu Die Bahn zur Unabhängigkeit und
Keimzelle
[7] Projektkurzbeschreibung; www.gtz.de/de/weltweit/afrika/20998.htm
http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/57055
vom 29. 10. 2007
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