Die grüne Gefahr - Von Michael Paulwitz 08.10.2012 00:04
Die gutmeinenden Tyrannen sind die gefährlichsten.
Sie wollen
ja nur unser Bestes, und weil wir zu unerleuchtet sind, um das zu begreifen,
nehmen sie sich das Recht heraus, uns zu unserem Glück zu zwingen. Nicht
zufällig gab sich die erste totalitäre Diktatur der Neuzeit, die der Jakobiner
im revolutionären Frankreich, den scheinbar harmlosen Namen ›Wohlfahrtsausschuß‹. Die Jakobiner unserer Tage schützen das Klima, die Umwelt, den
Weltfrieden und das gesunde Essen, sie werfen sich als moralische
Vorkämpfer von Geschlechter-, Bildungs- und Migrantengerechtigkeit in Pose und
haben auf leisen Sohlen Staat und Gesellschaft nach ihren Bedürfnissen
gründlich umgekrempelt.
Ein politischer
Einfluß über dem realen Stimmengewicht Manfred
Güllner, Gründer und Chef des Meinungsforschungsinstituts ›Forsa‹, hat mit seiner
These, die ›grüne Diktatur‹ gefährde ›den zweiten Versuch, die Demokratie in Deutschland dauerhaft zu
etablieren‹, einigen Wirbel
verursacht: Eine Besserverdiener-Klientel- und Generationenpartei der
saturierten Alt-Bundesrepublik - der typische Grünen-Wähler ist eine in
Baden-Württemberg lebende Frau mittleren Alters mit höherem Bildungsabschluß,
vorzugsweise im öffentlichen Dienst beschäftigt – die dank ihrer zahlreichen
Unterstützer in Massenmedien, Wissenschafts- und Bildungsbetrieb einen
politischen Einfluß ausübt, der weit über ihr reales Stimmengewicht bei Wahlen
hinausgeht, weil sie mit ihren ideologischen Themen die Meinungshegemonie im öffentlichen
Diskurs erobert hat und andere Parteien und gesellschaftliche Institutionen zum
vorauseilenden Ergrünen nötigt - das trifft ins Schwarze.
Die
Auswirkungen der Öko-Tyrannei vermag jeder am eigenen Leib und Geldbeutel zu
verspüren. Politik in Deutschland besteht inzwischen vor allem aus Eingriffen
in Freiheits- und Eigentumsrechte im Namen vorgeblich höherer Ziele – eine
Erziehungsdiktatur, die mit Vorschriften, Verboten und Strafsteuern Bürger und
Unternehmen gängelt und abkassiert und Sünder, Ketzer und Ungläubige munter an
den moralischen Pranger stellt.
Zwang zu ökologisch
korrekten Produkten nur eine Seite der Medaille Wer je
beim Elternabend im Kindergarten angeschnauzt wurde, weil er die Kleinen nicht
bei jedem Wetter korrekt mit dem Fahrrad abliefert und das Gemüse fürs
pädagogisch wertvolle Frühstück beim Discounter kauft und nicht im Bio-Laden,
der weiß: Hier sind Überzeugungstäter am Werk, die von der Mission erfüllt
sind, den eigenen, absolut gesetzten und einzig wahren Lebensstil und Wertekanon
bei jeder Gelegenheit den anderen aufzuzwingen. Der Tugendterror aus dem juste
milieu der Bionade-Spießer ist freilich nur die eine Seite der Medaille. Daß
wir auf einmütiges Geheiß von oben Blechdosen und Plastikflaschen sinnlos zum
Pfandautomaten spazierenfahren, dafür dem ›Klima‹ zuliebe ineffektiven Biosprit tanken
und des ›Feinstaubs‹ wegen Tempo 30 fahren sollen, unsere
Häuser mit brandgefährlichem ›wärmedämmendem‹ Sondermüll bekleben, immer mehr Geld
für immer schlechtere Energieversorgung zahlen und bei alledem die Taschen der
Subventionsprofiteure aus der grünen Klientel mit zweistelligen
Milliardenbeträgen füllen, schafft Verdruß, berührt aber noch nicht die Grundfesten
des Gemeinwesens. Die ›Zwangsernährung
mit ökologisch korrekten Produkten‹,
als die der Ökonom Carl Christian von Weizsäcker die aufziehende ›Ökodiktatur‹
umschreibt, ist nur ein Teil der Geschichte.
Politisches
Sinnvakuum eines Staates ohne Räson Die ›Umkrempelung‹ von Staat und Gesellschaft, die Manfred Güllner als Folge des
Siegeszugs der Grünen konstatiert, erstreckt sich nämlich nicht nur auf das
Ökonomische, von Atomausstieg bis Zwangs-Windradsubvention. Die grüne Bewegung
stößt seit den ausgehenden Siebzigern in das politische Sinnvakuum eines Staats
ohne Räson, der sich in erster Linie als Wirtschafts- und Wohlstandsorganisator
verstand und von dem seine Bürger auch nichts anderes erwarten. Die
Funktionseliten der Bundesrepublik wurden in die Zange genommen vom unbedingten
Willen der Grünen zur Systemveränderung und der stetig ansteigenden
publizistischen Schützenhilfe aus den Redaktionen der Massenmedien – 27 % der
Politikjournalisten in Deutschland stehen jüngsten Erhebungen zufolge den
Grünen nahe, 15,5 % der SPD und nur 9 % der Union – und aus dem akademischen
Betrieb, der die Ideologeme der grünen Neo-Linken bereitwillig mit Studien und
theoretischen Begründungen unterfüttert, von der abstrusen
Geschlechter-Gleichschaltungstheorie des Gender Mainstreaming bis zum
Multikulturalismus. Eine grüne
Einheitspartei übt Diskurshegemonie aus Das
Ergebnis: In Deutschland regiert eine grüne Einheitspartei, deren
unterschiedliche Ausformungen sich nur noch in Nuancen von den ursprünglichen
grünen Antreibern unterscheiden. Die Gefahr für die Demokratie besteht nicht
nur darin, wie Güllner meint, daß eine Mehrheit der Bürger sich nicht mehr
vertreten fühlt und ins Nichtwählerlager flüchtet. Die Grundlagen des
demokratischen Nationalstaats selbst sind ausgehöhlt – durch falsche
Einwanderungspolitik, durch Deformation und Unterminierung von Familie und
Schulsystem.
Die
Diskurshegemonie der grünlinken Ideologie und das dichtgewebte Netzwerk von
Seilschaften und Institutionen, das diese Hegemonie absichert, ist ein
wesentlicher Grund dafür, daß in Deutschland die Formierung politischer und
publizistischer Alternativen zum herrschenden Mainstream schwerer fällt als in
anderen Ländern. Der Weg zur Brechung der grünen Definitionsvormacht führt über
die scharfe Konfrontation der Brüche und Widersprüche ihrer Ideologie mit der
Wirklichkeit. Der Oppositionelle unserer Tage ist Ketzer und Aufklärer
zugleich, der den Mut hat, sich gegen die aus allen Lautsprechern verkündeten
Geglaubtheiten seiner Vernunft und seines eigenen Verstandes zu bedienen.
Quelle: http://www.jungefreiheit.de/Single-News-Display-mit-Komm.154+M5f6d3e5a9bc.0.html 6. 10. 12 JF 41/12 Alle Hervorhebungen durch politonline
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