Die Verdummung - auch in der UNO - Von Doris Auerbach 20.10.2013 23:52
Bekanntlich hat Saudi-Arabien, das am 17. Oktober als eines von zehn nichtständigen Mitgliedern
neu in den
Sicherheitsrat gewählt worden war, darauf verzichtet, seinen Sitz einzunehmen.
Welch ungeheure Hypokrisie der Begründung für diese Reaktion zugrunde liegt,
ergibt sich aus einem Rückblick auf die Rolle, die die mit Washington eng zuammenarbeitenden Saudis von Anfang
an im Syrienkonflikt gespielt haben.
Vorausgeschickt
sei, dass Syrien sehr wohl wusste, dass sich die USA seit 2001 auf den Angriff auf
das Land vorbereitete. 2009 hatte dann die CIA die für Syrien bestimmten Propaganda-Werkzeuge
ausgearbeitet, in deren Gefolge der Westen die ›Freie Syrische Armee‹ FSA
als eine revolutionäre Armee darstellte.
In Wirklichkeit handelt es sich, was sich unsere Politiker inzwischen
hoffentlich bewusst gemacht haben, um konterrevolutionäre Kräfte, um einen
Verbund aus Söldnern, ausländischen Kämpfern und religiösen Extremisten, die
von ausländischen Interessen bewaffnet und finanziert werden, um in Syrien für
Chaos zu sorgen. Diese terroristischen Stellvertreterkrieger wurden bereits
2007 von der USA und Saudi-Arabien rekrutiert, um
insbesondere in Syrien einen Regimewechsel herbeizuführen und das Land in einen
westlichen Klientelstaat zu verwandeln. Diese Gruppen, die nicht aus den Protesten vom
Februar 2011 stammen, verteidigen nicht etwa die Demokratie: sie
bekämpfen sie. Wie auch der syrische Aussenminister Walid Al-Mu’allem
erklärt hat, geht die Gewalt in Syrien von der USA aus: 60 % der Gewalt werde vom
Ausland gesteuert, vor allem von Saudi-Arabien, Katar und der Türkei. Diese
Auffassung vertritt auch Peter-Scholl Latour, dem zufolge Umsturz und
angestrebter Fall des Regimes nicht von innen her erfolgen, sondern
systematisch von aussen betrieben werden. Auch er sieht Saudi-Arabien, Katar, die Türkei
und natürlich die USA hinter den Aufständischen, die Europäer, ›die ebenfalls kräftig mitmischen,
nicht zu vergessen.
Was die
Ausstattung der regimefeindlichen syrischen Milizen mit Waffen angeht, so ist
es kein Geheimnis, dass diese durch die Saudis, Katar und die Türkei
bewerkstelligt wird. Zu den Waffen, die Saudi-Arabien und Katar seit Monaten
finanzieren, gehören laut einem Bericht vom Februar dieses Jahres auch
Panzerfäuste und Schnellfeuergewehre. Anfang August 2012 hielt Michel Chossudovsky
fest, dass die USA und die NATO die Rekrutierung von ausländischen, in
Saudi-Arabien, in Katar und in der Türkei ausgebildeten Kämpfern beschleunigten.
Neben der Einschleusung eigener Spezialtruppen zählen dazu auch geheime
Operationen von Sondereinheiten der reaktionären Golfmonarchien, insbesondere
aus Saudi-Arabien und Katar. Zum gleichen Zeitpunkt stellte die USA den syrischen
Rebellen im Kampf gegen die Regierung von Baschar al-Assad 25 Millionen $ zur
Verfügung.
Am 16. 8.
12 schreibt Werner Pirker von der ›Jungen
Welt‹: »Es ist
es mittlerweile kein Geheimnis mehr, daß Mister President die CIA höchstpersönlich
dazu ermächtigt hat, den »regime change« von Damaskus in ihre bewährten Hände zu
nehmen. Längst ist bekannt, daß die Despoten am Golf die Aufrüstung der
Anti-Assad-Kräfte übernommen haben, wobei die Türkei das Training und die CIA
die Waffenlieferungen koordiniert.« Im türkischen Adana, nahe der
syrischen Grenze, wurde ein Kommandozentrum eingerichtet, wo türkische
Regierungsbeamte, Offiziere der Söldnertruppen und Gesandte aus Saudi-Arabien
und Katar unter der konspirativen Betreuung durch die CIA die Führung des
»syrischen Volksaufstandes« übernommen haben. Am 14. 11. 2012 berichtet Kurt Nimmo,
dass der britischen Zeitung ›Daily
Star‹ zufolge von Saudi-Arabien und Katar finanzierte
Terroristen von Al-Kaida sowie Mitglieder der FSA für Mordanschläge ausgebildet
werden: »Spezialeinheiten des britischen
›Special Air Service‹ [SAS]
und des ›Special Boat Service‹ [SBS] sowie Soldaten des Aufklärungsspezialregiments
hielten sich in Syrien auf, ›um die Aufständischen in
der Anwendung neuer Waffen und Explosivstoffe zu unterweisen‹ und ›Todeskommandos der
Rebellen für Anschläge auf Präsident Assad und dessen führende Militärs
auszubilden‹.« Wie Nimmo ferner ausführt, »lassen sich Saudi-Arabien und Katar
die Unterstützung der Bemühungen, al-Assad zu stürzen und zu ermorden, einige
Zigmillionen Dollar kosten. Über die Türkei und eine im Verborgenen agierende
Gruppe, die als eine Art Kommandozentrum von Istanbul aus operiert, wird die
Verteilung der wichtigen Rüstungsgüter, die angeblich von Saudi-Arabien und
Katar bereitgestellt werden, organisiert und mit Hilfe türkischer
Geheimdienstkreise an die Grenze zu Syrien und dann zu den Rebellen
transportiert.« Die
›Freie Syrische Armee‹, die in erster Linie der Türkei unterstellt ist und
deren Hauptquartier in der Air Base der NATO von Incirlik installiert ist, fasst
die Mehrheit der Kämpfer zusammen, einschliesslich der al-Kaida Brigaden. 80 %
ihrer Einheiten erkennen den in Saudi-Arabien stationierten Takfiristen Scheich
Adnan al-Arur als ihren geistlichen Anführer an. Die von Saudi-Arabien und
Katar finanzierte, auch als Terrorgruppe bezeichnete al-Nusra, ein Ableger der
sunnitischen Organisation ›Islamischer
Staat im Irak‹, kommt vom Islamismus
her; sie bekämpft die religiöse Vielfalt Syriens und steht für die Einführung
von Scharia-Gerichten.
Zu diesen
Fakten treten die ebenfalls längst offenliegenden geostrategischen Aspekte
hinzu. 2009 hatte
Assad, um die Interessen seines langjährigen Verbündeten Russland zu schützen, die
Unterzeichnung eines Abkommens mit Katar zum Bau einer Überland-Pipeline von Katar
über Syrien nach Europa abgelehnt. Katar verfügt über eines der
grössten Erdgasvorkommmen der Erde, das es zu Geld zu machen gedenkt und die
Planung einer Pipeline von Katar durch Saudi-Arabien und Syrien zur Türkei, um
das Erdgas nach Europa zu überführen, hatte seit Jahren
bestanden. »Als
Assad im März 2011 mit dem Iran und dem Irak ein Abkommen über eine alternative
Pipeline unterzeichnete«, schreibt F. William Engdahl, »begannen
der Westen und besonders Saudi-Arabien, Milliarden von Dollars in die
Aufrüstung von Söldnertruppen zu stecken, darunter in die Al-Kaida-Dschihadisten,
die nach Syrien geschickt wurden, um das Land ins Chaos zu stürzen und Assad
abzusetzen.« Der Bau wichtiger Öl- und Gaspipelines, die Saudi-Arabien und Katar mit dem
östlichen Mittelmeerraum und der Türkei verbinden und deshalb partiell durch
syrisches Gebiet führen sollen, ist natürlich auch ein Ziel des Westens. Syrien,
eine der ältesten Zivilisationen der Welt, soll zerstört werden, »weil es sich
den westlichen Interessen nicht beugen will, weil es eigene nationale
Interessen verfolgt und weil es die 1978 geknüpfte Allianz mit dem Iran nicht
aufgibt«. Die USA und Europa, heisst es, seien entschlossen, die Regierung von
Assad zu vernichten, dafür nähmen sie, wie schon im Irak, die Zerstörung von
Land und Gesellschaft billigend in Kauf.
Die
syrische Opposition ist in sich vielfach gespalten. Erst jüngst sind Teile der
FSA zu den mit Al-Kaida verbundenen Kräften übergelaufen. Indessen sind, wie berichtet
wird, andere Fraktionen zur Teilnahme an Gesprächen und zu Diskussionen mit der
Regierung Assad bereit. Robert Fisk vom britischen ›Independent‹ hält in einem
seiner Artikel fest, dass eine Delegation der FSA in Damaskus war, um Geheimverhandlungen
über eine ›ausschliesslich syrische‹ Lösung für den Konflikt zu führen,
d.h. eine Lösung ohne die Dschihadisten, von denen die meisten Ausländer sind. In
dieser Lage schlug ein am 4. 10. im Internet publizierter Bericht der ›Voice of Russia‹ wie ein Blitz ein. In diesem wurde ein Sabotageteam der Saudis
für den Giftgasangriff am 21. 8. in Al Ghouta verantwortlich gemacht. Die
Attacke sei von der Gruppe ›Liwa
Al-Islam‹, die ebenfalls eine
Schöpfung der Saudis ist, unterstützt worden. Die neuen Beweise und Aussagen
russischer, syrischer und weiterer Quellen, darunter auch von Mitgliedern der
syrischen Opposition, liegen inzwischen den Regierungen in der ganzen Welt vor.
Ein hochrangiger UNO-Beamte, Berichte von Journalisten und einer christlichen
Hilfsaktion sehen hinter der Giftgaslieferung den saudischen Geheimdienst.
»Die USA, Israel, Saudi-Arabien und Katar«, schrieb Peter Wolter in der ›Jungen Welt‹ schon im
August letzten Jahres,
»spielen mit dem Feuer; die Achse dieser
Verbrecherstaaten ist eine Bedrohung für den Weltfrieden. Krieg wollen nur
diejenigen, die davon profitieren: Öl-, Finanz- und Rüstungsindustrie sowie die
von ihnen ausgehaltenen Politiker und Militärs. Die friedliebende Mehrheit der
Menschen muß erst davon überzeugt werden, wie bösartig und heimtückisch der
potentielle Gegner unsere freiheitlich-westlichen Werte bedroht.« »Die
Aufspaltungen unter den Arabern«, so Paul Craig Roberts, »machen
die Araber für Einmischungen und Beherrschung durch den Westen anfällig. Die
Aufspaltung zwischen Sunniten und Schiiten macht es für ein arabisches Land
unmöglich, einem anderen zu Hilfe zu kommen. ….. Weder Lawrence von Arabien
noch Nasser, noch Gaddafi hatten Erfolg mit ihren Versuchen, ein arabisches
Bewusstsein zu schaffen.«
Nun ist
keiner der angeführten Fakten wirklich neu. Angesichts all dieser Saudi-Arabien
schwer belastenden Vorgängen bietet also der Golfstaat ein einmaliges
Spektakel, indem er den ihm zugedachen Sitz
im UNO-Sicherheitsrat ablehnt, dies unter der geradezu als absurd zu wertenden
Begründung, ›dass es der
internationalen Staatengemeinschaft noch immer nicht gelungen ist, den
Bürgerkrieg in Syrien zu beenden.‹ Die
Kritik Saudi-Arabiens richtet sich vor allem gegen die Unfähigkeit des UNO-Sicherheitsrats,
eine Beendigung des syrischen Bürgerkriegs zu erreichen. Es ist
unbeschreiblich, mit welcher Dreistigkeit hier die Tatsachen verdreht werden:
Ist doch das Vorgehen und die Politik der im Sicherheitsrat permanent
einsitzenden USA als engstem Verbündeten der Saudis und Katars eher der Garant
dafür, dass sich der Krieg noch lange hinziehen kann. Ferner war bislang nicht
festzustellen, dass die anti-syrische
Kriegsallianz aus USA, EU, Türkei und Arabischer Liga, die sich wie zum Hohn ›Freunde Syriens‹ nennt, effektive Anstrengungen
unternimmt, um auf eine friedliche Lösung des Konflikts zuzusteuern. Im übrigen
ist dies nicht die erste von Saudi-Arabien an den UNO- Sicherheitsrat gerichtete, für meine Begriffe gleicherweise abstruse
Kritik. Ende September 2012 hatten die Saudis, zusammen mit der
Türkei, folgendes Argument vorgebracht: Die Untätigkeit des Gremiums angesichts
des Syrienkonflikts habe dem Assad-Regime ›grünes Licht‹ dafür gegeben, das eigene Volk anzugreifen, so der saudi-arabische
Vize-Aussenminister Abdulasis bin Abdullah vor der Vollversammlung in New York,
während Ahmet Davutoglu erklärte, die Blockade in dem UN-Gremium ›spiele Despoten in die Hände‹. Leider hat es den Anschein,
als würden derartige, den eigentlichen Tatbestand verfälschende Aussagen von
den UNO-Mitgliedern mühelos geschluckt. Nicht überraschen sollte ferner der Umstand, dass Frankreich
für die ›Frustration über die
Lähmung des Sicherheitsrats‹ Verständnis
äusserte, hatte Frankreich doch bereits Ende Mai letzten Jahres vehement einen Militäreinsatz
ins Spiel gebracht, der glücklicherweise von Russland abgelehnt wurde.
Nicht eine
der Stimmen, die sich mit der humanitären Lage der Flüchtlinge befassen und uns
ununterbrochen dazu auffordern, grössere Kontingente aufzunehmen, bringt es
über sich, die Ursache der Katastrophe zu erwähnen resp. die wahren Urheber
anzuklagen; das Wort Krieg findet sich in keinem einzigen statement. Wie üblich
ergehen Ermahnungen lediglich an uns. Antonio Guterres vom UNHCR verlangt von
der Internationalen Gemeinschaft, also von den Steuerzahlern dieses Globus,
tiefgreifendere Massnahmen zwecks Beteiligung an den Kosten für die
Unterbringung der, wie er sagt, nicht endenwollenden syrischen
Flüchtlingsströme. Der bereits erwähnte Ahmet Davutoglu, ausgerechnet
Aussenminister des Landes, das direkt in den Aufstand involviert
ist, klagt eifrig mit: Die Internationale Gemeinschaft sei ihren
Verpflichtungen bezüglich der humanitären Krise nicht wie erforderlich
nachgekommen. Und, noch unglaublicher: Sie habe es verfehlt, eine ausreichende
humanitäre Reaktion zu zeitigen, um dieser sinnlosen Gewalt ein Ende zu
bereiten.
Wer wollte sich da
nicht verhöhnt fühlen! Zumal wir in diesem Inferno auch nicht ein Wörtchen
mitzureden haben.
[1] www.jungewelt.de/2012/08-08/026.php Der Tag danach - Karin Leukefeld [1] Strategic Alert Jahrgang 26 Nr. 41 vom 9.
Oktober 2013
Siehe auch http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=2144 21. 7. 13 Blair trommelt für
Krieg
http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=2111 12. 5. 13 Sind die
unprovozierten aggressiven Akte Israels gegen Syrien der Auftakt zu einem
grösseren Krieg?
http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=2032 12. 11. 12 Notiz zu
Syrien
http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=1994 2. 9. 12 Syrien –
Die »programmierte«
Zertrümmerung - Von
Doris Auerbach
http://www.voltairenet.org/Wer-kampft-in-Syrien 26. 7. 12 Wer kämpft
in Syrien? - von Thierry Meyssan
http://www.politonline.ch/?content=news&newsid=1965
17. 6. 12 Syrien
steht im Zentrum des Kriegs um Erdgas
- Von Imad Fawzi Shueibi
http://www.politonline.ch/?content=news&newsid=1963 10. 6. 12 Die
Destabilisierung Syriens - gezielt
http://www.politonline.ch/?content=news&newsid=1938 23. 4. 12 Syrien - Unverändert nach Planung
http://www.politonline.ch/?content=news&newsid=1875 22. 1. 12 Syrien -
Fakten versus Meldungen
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