Eine Lagebeurteilung des Komitees »Nein zum schleichenden EU-Beitritt« 15.12.2014 00:11
Es ist unser Ziel, zu verhindern, dass die Schweiz Verträge abschliesst, die ihre Handlungsfreiheit
einschränken.
Der Rahmenvertrag ist ein solcher Vertrag, weil er die institutionelle Einbindung
der Schweiz in die Strukturen der EU festschreibt. Dieses Vertragsziel bleibt
aufrechterhalten, obwohl der Bundesrat heute vorgibt, mit diesem Vertrag die »Erneuerung
der bilateralen Verträge« zu bewerkstelligen.
Institutionelle
Einbindung Die institutionelle
Einbindung schreibt die Verpflichtung für die Schweiz fest, EU-Gesetze und
EU-Beschlüsse zu heutigen und künftigen bilateralen Verträgen automatisch zu
übernehmen. Ein Recht auf Ablehnung besteht nicht. Der Bundesrat besteht
darauf, die Übernahme fände ›dynamisch‹ statt. Das ist Spiegelfechterei.
Bundesbern setzt dafür ein schweizerisches Organ ein, das keine anderen
Möglichkeiten besitzt als die lückenlose und vollständige Übernahme dessen, was
Brüssel anordnet. Die Einbindung beinhaltet ausserdem die Anerkennung des
EU-Gerichthofs als höchste Instanz, also die Anerkennung fremder Richter. Sie
macht die Schweiz faktisch zu einem EU-Mitglied ohne Rechte.
Der 9. Februar 2014 Das Ja zur
Volksinitiative gegen die Masseneinwanderung hat das Vorgehen des Bundesrats
durchkreuzt. Der Entscheid vom 9. Februar bedeutet, dass die Schweiz die
Einwanderung wieder eigenständig regeln will und dafür Höchstkontingente und
den Inländervorrang festlegt. Volk und Stände haben diesen Beschluss gefasst.
Es wird damit das wieder eingeführt, was von 1970 bis 2007 gegolten hat. In den
Jahren 1970 bis 2007 sind im Durchschnitt um die 25.000 Ausländer in die
Schweiz zugewandert [Einwanderung minus Auswanderung]. Die Arbeitslosigkeit lag
in so guten Jahren unter einem Prozent. Heute beträgt der Einwanderungsüberschuss
zwischen 80.000 und 90.000 Menschen. Die Arbeitslosigkeit schwankt zwischen 3 und
4 % . Klar ist: Die Umsetzung des Volksentscheids vom 9. Februar beinhaltet die
Ablehnung der Personenfreizügigkeit mit der EU, so wie diese heute gilt. Sie
muss neu ausgehandelt werden. Verweigert sich die Europäische Union der
Neuaushandlung [für welche drei Jahre Zeit gewährt wird], dann hat die
Kündigung zu erfolgen.
Was ist seit dem 9.
Februar 2014 geschehen? Die
EU-Wahlen haben den Gegnern der heutigen Europäischen Union mit ihrem
ausgeprägten Zentralismus teilweise hohe Wahlsiege gebracht. Es sind zahlreiche
neue Parteien aufgetreten. Sowohl in
England als auch in Deutschland, Frankreich und in mehreren Oststaaten haben
Euro- und EU-kritische Parteien und Bewegungen starken Auftrieb erhalten. Der
Zentralismus stösst zunehmend auf Ablehnung. Auf diesen Wahlausgang reagieren die traditionellen
Parteien mit Häme, Diffamierung und Diskreditierung; Ausgrenzung und Beschimpfung
ist ihre Hauptreaktion. Argumente der wachsenden EU-Skepsis gegenüber haben sie
keine. Die EU ist mit der Schwierigkeiten verursachenden Tatsache konfrontiert,
dass eine wachsende Anzahl von Bürgern in ganz Europa mit der heutigen EU nicht
einverstanden ist. Die Schwierigkeiten vergrössern sich, da die von den
traditionellen Parteien Diskreditierten in einzelnen Ländern sogar eine
Regierungsbeteiligung erlangt haben. Eindrücklich ist auch das Beispiel der
Persönlichkeit von Olaf Henkel. Er war früher Präsident des Deutschen
Arbeitgeberverbandes, den seinerzeit die gesamte Wirtschafts- und Politikwelt
hofierte und ist jetzt Vizepräsident der ›Alternative
für Deutschland‹, und gegen diese
Partei hat die CDU den Entscheid erlassen, dass kein Gesprächskontakt mit ihr
stattfinden soll; das sind Schwächezeichen, die sich hier zeigen.
Die neue
EU-Kommission Am 1.
November 2014 hat die neue EU-Kommission unter Jean-Claude Juncker ihre Ämter
angetreten, womit gegenüber der Schweiz eine neue Verhandlungsmannschaft, deren
Zusammensetzung jedoch noch nicht bekannt ist, antreten wird; gegenwärtig ruhen
die Verhandlungen. Die Zusammensetzung
dieser Mannschaft kann uns gleichgültig sein. Für uns geht es darum, dass eine
Einbindung der Schweiz in die Strukturen der EU nicht in Frage kommt.
EU-Verhandlungsmandat Die EU hat
ihr Verhandlungsmandat erst im Mai 2014 verabschiedet, ein halbes Jahr nach dem
Schweizer Bundesrat. Die im ›Non-Paper‹ vom 13. Mai 2013 festgehaltenen
Ergebnisse der Vorverhandlungen [automatische
Rechtsübernahme, Anerkennung des EU-Gerichtshofs, Sanktionsrecht der EU bei
Nichtbefolgung eines EU-Gerichtshof-Urteils] wurden aufrechterhalten.
Zusätzlich
wurden zwei neue Forderungen gestellt: Die Kohäsionszahlungen, welche die Schweiz
in der Vergangenheit bei geografischer Erweiterung der EU in Osteuropa
entrichtet hat, sollen in Jahreszahlungen, also in Jahrestribute umgewandelt
werden. Dazu ist
festzuhalten: Der gegenwärtige Vertrag über die Kohäsionszahlungen läuft 2017
aus. Der Bundesrat hatte die Erneuerung für die Kommissions- und
Parlamentsberatung bereits verabschiedet. Sie wird dem Parlament aber nicht
vorgelegt; der Bundesrat hat den Anschlussvertrag aufgrund der neuen Forderung
aus Brüssel zurückgezogen. Er hat sich dafür entschieden, die Kohäsionszahlungen
fortan der Entwicklungshilfe unterzuordnen, womit sie den
Entwicklungshilfe-Rahmenkredit belastet, für sich allein also dem Referendum
entzogen werden. Als weitere Forderung hat die EU die Institutionalisierung eines
Überwachungsorgans gefordert, dessen Zusammensetzung von der EU bestimmt
werden soll. Es wird in der Schweiz wirken und hier darüber wachen, ob
die Schweiz alle im Rahmenvertrag eingegangenen Verpflichtungen
buchstabengetreu erfüllt. Der Bundesrat wehrt sich gegen dieses neue Ansinnen nicht
grundsätzlich. Er pocht lediglich darauf, auch diese Überwachung zunächst
dynamisch, also durch ein schweizerisches Organ, das aber fest an die Brüsseler
Vorgaben gebunden ist, vornehmen zu lassen.
Verhandlungsverlauf Im Lauf
der bisherigen Verhandlungen wurde der Schweiz von Seiten der EU ein einziges
Zugeständnis gemacht: Es wurde ihr offeriert, sich am sogenannten ›decision shaping‹, das jeweils im Vorfeld von EU-Beschlussfassungen [mündliches Vernehmlassungsverfahren] stattfindet, beteiligen zu können. Die Schweiz
dürfte demnach durch Funktionäre einige Gesichtspunkte in die
Vorbeschluss-Diskussion einbringen. Von der Beschlussfassung selbst ist sie
indessen ausgeschlossen. Lediglich Funktionäre, nicht aber der Souverän,
könnten sich an einem solchem ›decision
shaping‹ beteiligen. Für den
Bundesrat ist es im übrigen klar, dass in der Schweiz genügend Personal aktiv
ist, das die Rolle von Transmissionsriemen zur Durchsetzung von Brüsseler
Standpunkten hier in der Schweiz noch so bereitwillig übernehmen würde.
Verhandlungsunterbruch Bezüglich
des Verhandlungsunterbruchs von Ende Oktober 2014 kursieren zwei gegensätzliche
Versionen: Die EU behauptet, der Unterbruch sei lediglich erfolgt, weil eine
neue Mannschaft für die Verhandlungen bestimmt werden müsse, die sich zunächst
einmal in die Materie der begonnenen Verhandlungen einzuarbeiten hätte. Der
Bundesrat erklärt dagegen, die EU habe der Schweiz mitgeteilt, dass über den
Rahmenvertrag erst dann wieder verhandelt werde, wenn die am 9. Februar
entstandenen Probleme bereinigt seien. Beide Standpunkte liegen in Form
unverbindlicher Erklärungen vor. Das ruft das vom Schriftsteller Thomas
Hürlimann formulierte treffliche Wort in Erinnerung: »Sie
lügen dauernd die Wahrheit«.
Volksabstimmung Werden geltende
Fristen eingehalten, dann ist eine Volksabstimmung über den Rahmenvertrag im November 2015 möglich. Was das Wahljahr betrifft, so ist
dieser Abstimmungstermin jedoch eher unwahrscheinlich, so dass die
Abstimmung vielmehr im Jahr 2016 stattfinden wird. Man muss aber immer auf
Überraschungen gefasst sein.
Unsere Gegner Die
Gegenseite ist offensichtlich nervös. Sie zeigt sich ausserstande, das Resultat
des 9. Februars 2014 zu verdauen. Es haben sich verschiedene Komitees gebildet:
Am meisten Aufsehen erregt jenes, das sich aus ›hundert Persönlichkeiten‹
zusammensetzen soll und das sich ›Die
Schweiz in Europa‹ nennt. Sie
begründen ihre Komitee-Bildung damit, dass in der Schweiz endlich über die
Europa-Frage diskutiert werden müsse. Die SVP Schweiz hat diesen Ball bereist
aufgenommen und das Komitee brieflich dazu aufgefordert, die Europafrage an
grossen öffentlichen Veranstaltungen, die kontradiktorisch aufzuziehen seien,
zu diskutieren. Christoph Blocher wird dem Vorstand unseres Komitees das gleiche
Vorgehen beantragen. Die Organisation ›Die
Schweiz in Europa‹ setzt sich vor
allem aus ehemaligen Diplomaten, aus Professoren, Staatsrechtlern und einigen
wenigen Persönlichkeiten aus der Wirtschaft, wie insbesondere auch Walter
Kielholz, zusammen. Den Beitritt abgelehnt hat alt Staatssekretär Jakob
Kellenberger; dies, weil er den in Diskussion befindlichen Rahmenvertrag
ablehnt und die Schweiz auf direktestem Weg in die EU führen möchte. Klar
aber ist: Sämtliche Exponenten der ›Die
Schweiz in Europa‹ sind Anhänger des
EU-Beitritts. Man muss sie immer auf diese Frage festnageln, weil
Zielverheimlichung ihre Strategie ist. Sie argumentieren sehr intellektuell,
sind gleichzeitig aber auch zu jeder ›Dräcklete‹ bereit. Die Federführung liegt
offenbar bei alt Regierungsrat Markus Notter (ZH). Diesem und anderen
Mitgliedern ist es offenbar gelungen, die Europa-Institute der Universitäten
Bern und Zürich für eine Grundlagenarbeit zu Gunsten des Komitees ›Die Schweiz in Europa‹ zu instrumentalisieren. Sie
lassen also mit Steuergeldern ihr Propagandamaterial erarbeiten. Der
Staat zahlt also via Hochschulen die Propaganda dieser wahrhaftig nicht armen
eminenten Persönlichkeiten: Es entstehen schlechte Argumente für teures Geld.
Verhandlungen über
die Personenfreizügigkeit Bern
vertritt heute den Standpunkt, dass die EU über den Rahmenvertrag nur weiter
verhandeln werde, wenn das Problem Personenfreizügigkeit mit der Schweiz
befriedigend gelöst sei. Das ist eigentlich eine gute Botschaft. Stimmt sie,
dann könnte der Verhandlungsprozess zum Stillstand gebracht werden. Aber
wahrscheinlich stimmt diese Aussage in dieser Form nicht. Bern steht weiter auf
dem Standpunkt, es wolle Brüssel das Ergebnis des 9. Februars [Kontingente,
Inländervorrang] so präsentieren, wie es beschlossen worden sei, also ›ohne Wenn und Aber‹. Der Bundesrat spekuliert damit auf ein kategorisches Nein aus
Brüssel und behauptet schon heute, Brüssel könne aus Gründen des inneren
Zusammenhalts der EU keine Abstriche an der Personenfreizügigkeit hinnehmen. Diese
Argumentation klammert aus, dass die Personenfreizügigkeit zwar für die
Mitglieder der Europäischen Union als unverrückbar beschlossen worden ist. Sie
kann aber für Nicht-Mitglieder nicht gleichermassen gelten. Die Schweiz ist
nicht Mitglied der EU und sie kann dem Zwang der Personenfreizügigkeit nicht
unterstellt werden. Indessen rechnet Bundesbern, wie gesagt, mit einem
kategorischen Njet aus Brüssel. In der Folge dürften in Bern jene Oberwasser
gewinnen, die für einen raschen Abschluss des Rahmenvertrags plädieren. Wäre
dieser nur endlich unter Dach, dann müsste alle Gesetzgebung über
Einwanderungsfragen an Brüssel abgetreten werden. Und damit würde das
Abstimmungsresultat vom 9. Februar von Brüssel korrigiert.
Die
Fraktion in der Bundesverwaltung, die dieses Resultat anstrebt, muss als stark
eingeschätzt werden. Der Bundesrat betont dazu, dass er in den Verhandlungen
sowohl institutionelle Fragen lösen als auch die bilateralen Verträge erhalten
wolle. Die Frage, welchem Themenbereich er Priorität einräume, beantwortet er
nicht. Ein Antrag der SVP in der Aussenpolitischen Kommission, dem Ergebnis des
9. Februars Priorität einzuräumen, wurde nur von SVP-Vertretern unterstützt,
von der Kommission aber abgelehnt. Auch das Parlament steht nachdrücklich hinter
einer ein ›Njet‹ aus Brüssel provozierenden Politik zur
Personenfreizügigkeit. Dass die bilateralen Verträge, insbesondere der
Transitvertrag für Brüssel weit wichtiger sind als für die Schweiz, ist
offensichtlich. All jene, die diesen Trumpf nicht ausspielen, arbeiten für den
EU-Beitritt der Schweiz.
Wahljahr Im
Wahljahr werden sich alle Parteien - mit
Ausnahme der SVP bemühen - die
EU-Diskussion auf möglichst kleinem Feuer köcheln zu lassen. Es werden mit grossem
Aufwand Ablenkungsthemen [Energiewende, AHV-Revision] in den Vordergrund
geschoben. Zweifellos sind die Medien, insbesondere das Fernsehen, bei dieser
Themensetzung im Dienste des Bundesrates mit von der Partie; so werden auch die
Medien die EU-Diskussion in den nächsten 10 Monaten herunterspielen.
Unsere Antwort Unser
Komitee muss sich also bewusst sein: Es ist unsere Aufgabe, die EU-Diskussion
in den Vordergrund zu manövrieren. Anlässlich der Gesamterneuerung des
Parlaments fällt eine wichtige Vorentscheidung in bezug auf das Verhältnis
Schweiz-EU. Dies ist der Gegenseite bewusst. Und daraus erklären sich deren
Anstrengungen, die direkte Demokratie einzuschränken, neuerdings mit dem
Argument: Volksinitiativen hätten auch auf ihre ›Verhältnismässigkeit‹ hin
überprüft zu werden.
Klar wird
dabei: In den Hinterköpfen arbeiten die Beamten in Bern auch an Modellen, wie
der EU-Beitritt ohne Volksabstimmung durchgesetzt werden kann.
Komitee › ‹Nein zum schleichenden EU-Beitritt‹
- 27. 11. 14 Postfach
23, 8416 Flaach Tel. 052
301 31 00, Fax: 052 301 31 03, Email: www.eu-no.ch
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