Amerikas Terror gegen Rußland - Hat Putin Recht? - Von F. William Engdahl 16.05.2015 21:05
Am 26. April präsentierte der größte russische Fernsehsender, »Rossija 1«,
Präsident
Wladimir Putin der russischen Öffentlichkeit in einer Dokumentation über die
jüngsten Ereignisse, einschließlich der Annexion der Krim, des US-Putsches in
der Ukraine und den allgemeinen Stand der Beziehungen zur USA und zur EU.
Mitten in seiner sehr offenen Rede ließ Putin, der frühere KGB-Chef, eine politische
Bombe platzen, die russischen Geheimdiensten vor 20 Jahren bekannt war.
Unverhohlen
erklärte er, seiner Ansicht nach sei der Westen nur zufrieden, wenn Rußland
schwach sei, Not leide und den Westen um Hilfe anbettle, was mit dem russischen
Charakter nicht vereinbar sei. Kurz nach Beginn seiner Ausführungen sprach
Putin erstmals öffentlich aus, was die russischen Geheimdienste seit 20 Jahren
wissen, bisher aber nicht zum Thema gemacht haben, vermutlich in der Hoffnung
auf eine Ära besserer russisch-amerikanischer Beziehungen. Putin erklärte, der
Terror in Tschetschenien und auf dem russischen Kaukasus Anfang der 1990er
Jahre sei aktiv von der CIA und westlichen Geheimdiensten unterstützt worden,
in der Absicht, Rußland zu schwächen. Ohne in die Einzelheiten zu gehen,
betonte er, dem russischen Auslandsgeheimdienst FSB lägen Belege über die
verdeckte Rolle der USA vor. Was der Top-Geheimdienstprofi Putin in seinen
Bemerkungen nur andeutete, habe ich im Detail aus nicht-russischen Quellen
dokumentiert. Der Bericht hat enorme Bedeutung, denn er führt der Welt den
lange verborgenen Plan einflußreicher Kreise in Washington vor Augen, Rußland
als funktionierenden souveränen Staat zu zerschlagen. Dazu zählen auch der
Neonazi-Putsch in der Ukraine und die Sanktionen, eine Form finanzieller
Kriegsführung gegen Moskau. Das Folgende knüpft an mein Buch ›Amerikas Heiliger Krieg‹ an.
[1]
Der
Tschetschenien-Krieg der CIA Schon
bald nachdem die CIA und die vom saudi-arabischen Geheimdienst finanzierten
Mudschahedin Ende der 1980er Jahre Afghanistan verwüstet und die Sowjetarmee
zum Rückzug gezwungen hatten - und kurz
nach der Auflösung der Sowjetunion einige Monate später - suchte die CIA in der zusammenbrechenden
Sowjetunion nach möglichen Einsatzorten für ihre ausgebildeten ›afghanischen Araber‹, um den russischen Einfluß auf den
post-sowjetischen eurasischen Raum weiter zu schwächen. Die Kämpfer wurden ›afghanische Araber‹ genannt, weil sie unter ultrakonservativen,
wahhabitisch-sunnitischen Moslems aus Saudi-Arabien, den arabischen Emiraten,
Kuwait und anderen Regionen der arabischen Welt, in denen der strenge wahhabitisch
geprägte Islam praktiziert wird, rekrutiert worden waren. Sie wurden Anfang der
1980er Jahre von einem saudi-arabischen CIA-Rekruten nach Afghanistan gebracht.
Sein Name: Osama bin Laden. Während in der ehemaligen Sowjetunion völliges
Chaos herrschte, beschloß die Regierung George H. W. Bush, »kräftig
nachzutreten, während sie am Boden lag« – ein großer Irrtum. Washington setzte
die Afghanistan-Terroristen ein, um ganz Zentralasien ins Chaos zu stürzen und
zu destabilisieren, auch die Russische Föderation selbst, die sich damals
während des Zusammenbruchs der Wirtschaft in der Jelzin-Ära in einer schweren
Krise befand.
Anfang der 1990er Jahre hatte Dick Cheneys Firma
Halliburton in Aserbaidschan, Kasachstan und im gesamten Kaspischen Becken nach
Offshore-Ölvorkommen gesucht. Deren Einschätzung nach war die Region ein ›neues Saudi-Arabien‹, dessen Ölvorkommen auf dem heutigen
Markt mehrere Billionen US-Dollar wert wären. Die USA und Großbritannien
wollten mit allen Mitteln verhindern, daß dieser Ölreichtum unter russische
Kontrolle kam. Washingtons erstes Ziel war ein Putsch gegen den gewählten
Präsidenten Äbülfäz Elçibäy in Aserbaidschan, der einen neuen Präsidenten ans
Ruder brachte, der einer US-kontrollierten Ölpipeline Baku-Tiflis-Ceyhan (BTC)
wohlwollend gegenüberstand. Über diese ›politischste
Pipeline der Welt‹ sollte Erdöl aus
Baku in Aserbaidschan über Georgien in die Türkei und den Mittelmeerraum
fließen. [2] Die einzige Erdölpipeline aus Baku war damals
eine russische Pipeline aus Sowjetzeiten, die über die tschetschenische
Hauptstadt Grosny verlief und über die Öl aus Baku in nördlicher Richtung über
die russische Provinz Dagestan und durch Tschetschenien zum russischen
Schwarzmeerhafen Noworossijsk transportiert wurde. Die Pipeline war die einzige
Konkurrenz für die teure alternative Route, die Washington und die großen
britischen und amerikanischen Ölgesellschaften bevorzugten. [3] Präsident Bush sen. gab seinen alten
Freunden bei der CIA das Mandat, diese russisch-tschetschenische Pipeline zu
zerstören und im Kaukasus ein solches Chaos anzurichten, daß kein westliches
oder russisches Unternehmen auf die Idee kommen würde, die russische Pipeline
über Grosny zu nutzen. Graham E. Fuller, Bushs alter Kollege und ehemaliger
Vizedirektor des ›National Council
on Intelligence‹ der CIA, zählte zu
den führenden Planern der Mudschahedin-Strategie der CIA. Anfang der 1990er
Jahre beschrieb er die CIA-Strategie im Kaukasus: »Die Politik, die Entwicklung
des Islams zu steuern und ihm gegen unsere Feinde zu Hilfe zu kommen, hat in
Afghanistan gegen die Rote Armee wunderbar funktioniert. Dieselbe Doktrin kann
auch heute noch eingesetzt werden, um die noch verbliebene russische Macht zu
destabilisieren.« Für die Operation nutzte die CIA General Richard Secord,
einen Veteranen für schmutzige Tricks. In den 1980er Jahren war er wegen seiner
führenden Rolle bei illegalen Waffen- und Drogengeschäften im Rahmen der
Iran-Contra-Operation verurteilt worden.
[4] 1991 landete Secord, ehemals
hoher Beamter im Verteidigungsministerium, in Baku und gründete die
CIA-Frontfirma MEGA Oil. Schon während des Vietnamkriegs war er in die
verdeckten Opium-Operationen der CIA verwickelt gewesen. In Aserbaidschan
gründete er eine Fluggesellschaft, die heimlich Hunderte von bin Ladens al-Qaida-Mudschahedin
aus Afghanistan nach Aserbaidschan brachte. Bis 1993 hatte MEGA Oil 2000
Mudschahedin rekrutiert und bewaffnet. Baku wurde zur Basis für kaukasusweite
Terror-Feldzüge der Mudschahedin.
[5] General Secords geheime
Mudschahedin-Operation im Kaukasus bereitete den Militärputsch vor, mit dem im
selben Jahr der gewählte Präsident Äbülfäz Elçibäy gestürzt und Heydär Äliyev,
eine gefügigere US-Marionette, an die Macht gebracht wurde. Ein türkischer Geheimdienstbericht, der der ›Sunday Times‹ in London zugespielt wurde, bestätigte, daß zwei »große Ölgesellschaften,
BP und Amoco, britisch bzw. amerikanisch, die zusammen die AIOC [Azerbaijan International
Operating Company] bilden, hinter dem Staatsstreich stehen.« [6]
Der
saudi-arabische Geheimdienstchef Turki al-Faisal sorgte dafür, daß sein Agent
Osama bin Laden, den er zu Beginn des Afghanistankriegs Anfang der 1980er Jahre
nach Afghanistan geschickt hatte, seine dortige Organisation ›Maktab al-Chidamat‹ [MAK] nutzte, um ›afghanische
Araber‹ für einen Feldzug zu
rekrutieren, aus dem sich schon bald ein weltweiter Dschihad entwickelte.
Bin Ladens Söldner wurden vom Pentagon und von der CIA als Schocktruppen
eingesetzt, die muslimische Offensiven nicht nur in Aserbaidschan, sondern auch
in Tschetschenien und später in Bosnien koordinierten und unterstützten. [7] Bin
Laden brachte noch einen weiteren Saudi mit, Ibn al-Chattab, der gemeinsam mit
dem tschetschenischen Warlord Schamil Bassajew der Kommandeur oder Emir der
Dschihad-Mudschahedin in Tschetschenien (sic!) wurde. Daß Ibn al-Chattab ein
saudischer Araber war, der kaum ein Wort Tschetschenisch oder Russisch sprach,
war egal. Er wußte, wie russische Soldaten aussahen und wie man sie töten
konnte. Die Gesellschaft in Tschetschenien war traditionell mehrheitlich von
der sufistischen Strömung des Islams geprägt. Die zunehmende Unterwanderung
durch die finanziell reich ausgestatteten und gut ausgebildeten, von der USA
gesponserten Mudschahedin-Terroristen, die einen Dschihad oder Heiligen Krieg
gegen die Russen predigten, veränderte die anfänglich reformistische tschetschenische
Widerstandsbewegung. Sie verbreiteten al-Qaidas Hardline-islamistische
Ideologie über den gesamten Kontinent. Angeleitet von Secord hatten die
Terroroperationen der Mudschahedin schon bald auf die Nachbarländer Dagestan
und Tschetschenien übergegriffen; Baku wurde zum Umschlagspunkt für
afghanisches Heroin an die tschetschenische Mafia. [8] Ab
Mitte der 1990er Jahre bezahlte bin Laden den tschetschenischen Guerillaführern
Schamil Bassajew und Omar ibn al-Chattab monatlich mehrere Millionen Dollar, im
wirtschaftlich desolaten Tschetschenien der 1990er Jahre ein enormes Vermögen,
mit dessen Hilfe sie die gemäßigte Mehrheit im Land an den Rand drängten. Der
US-Geheimdienst blieb bis Ende der 1990er Jahre eng in den Konflikt in
Tschetschenien verwickelt. Laut Yossef Bodansky, damals Direktor der Arbeitsgruppe
Terrorismus und unkonventionelle Kriegsführung im US-Kongreß, war Washington an
einem neuerlichen antirussischen Dschihad beteiligt, »mit dem die virulentesten
antiwestlichen islamistischen Kräfte unterstützt und gestärkt werden sollten«. [9] In
seinem Bericht enthüllte Bodansky detailliert die gesamte Kaukasus-Strategie
der CIA: Er erklärte, US-Regierungsvertreter hätten »im Dezember 1999 an einem
formellen Treffen in Aserbaidschan [teilgenommen], bei dem spezifische
Programme für Ausbildung und Ausrüstung von Mudschahedins aus dem Kaukasus, aus
Zentral-/Südasien und der arabischen Welt diskutiert und vereinbart wurden;
dieses kulminierte in Washingtons stillschweigender Ermunterung sowohl der
muslimischen Verbündeten (vor allem Türkei, Jordanien und Saudi-Arabien) als
auch US-amerikanischer ›privater Sicherheitsfirmen‹ ..… den Tschetschenen und
ihren islamischen Verbündeten bei dem Aufstand im Frühjahr 2000 beizustehen und
den folgenden Dschihad längere Zeit in Gang zu halten. ….. Islamischer Dschihad
im Kaukasus als Weg, Rußland durch Gewalt und Terror von einer lebenswichtigen
Pipeline-Route abzuschneiden.« [10]
Die
intensivste Phase der Kriege in Tschetschenien ebbte im Jahr 2000 ab, nachdem
die Islamisten durch eine russische Militäraktion geschlagen wurden. Es war ein
Pyrrhussieg in einem Krieg, der zahllose Menschenleben forderte und ganze
Städte in Schutt und Asche legte. Die genaue Zahl der Opfer des
von der CIA angezettelten Tschetschenien-Konflikts ist nicht bekannt,
offizielle Schätzungen reichten von 25 000 bis 50 000 Toten oder Vermißten, die
meisten davon Zivilisten. Nach Angaben des Komitees der Soldatenmütter gab es
auf russischer Seite fast 11 000 Gefallene. Die anglo-amerikanischen Ölkonzerne
und die CIA-Agenten waren zufrieden. Sie hatten bekommen, was sie wollten: ihre
Erdölpipeline Baku-Tiflis-Ceyhan, die Rußlands Grosny-Pipeline für sie
überflüssig machte. Unter dem Kommando von Schamil Bassajew setzten die
tschetschenischen Dschihadisten ihre Guerilla-Attacken in Tschetschenien und im
Ausland fort. Die CIA hatte die Aufmerksamkeit wieder auf den Kaukasus
gerichtet. [11]
Bassajews
Saudi-Connection Bassajew
war eine Schlüsselfigur im weltweiten Dschihad der CIA. 1992 traf er den
saudischen Terroristen Ibn al-Chattab in Aserbaidschan. [12] Von
dort brachte ihn dieser nach Afghanistan, wo er dessen saudi-arabischen
Verbündeten Osama bin Laden traf. Ibn al-Chattab war zuständig für die
Rekrutierung tschetschenischer Moslems, die bereit waren, in Tschetschenien
einen Dschihad gegen russische Truppen zu führen, dies im Interesse der
geheimen CIA-Strategie, das post-sowjetische Rußland zu destabilisieren und die
britisch-amerikanische Kontrolle über das kaspische Erdöl zu sichern. [13] Zurück
in Tschetschenien gründeten Bassajew und al-Chattab die vom saudi-arabischen
Geheimdienst finanzierte, von der CIA genehmigte und durch die Verbindung des
saudi-arabischen Botschafters in Washington und Intimus der Bush-Familie, Prinz
Bandar bin Sultan koordinierte ›Islamic
International Brigade‹. Bandar, der
über 20 Jahre lang Botschafter in Washington war, stand mit der Bush-Familie
auf so gutem Fuß, daß George W. Bush dem Playboy-Botschafter den Spitznamen ›Bandar Bush‹ verpaßte und ihn zu einer Art Ehrenmitglied der Familie ernannte. [14] Bassajew
und al-Chattab brachten Kämpfer der saudischen fanatischen wahhabitischen
Strömung des sunnitischen Islams nach Tschetschenien. Ibn al-Chattab
kommandierte die sogenannten ›arabischen
Mudschahedin in Tschetschenien‹,
seine eigene Privatarmee aus Arabern, Türken und anderen ausländischen
Kämpfern. Außerdem erhielt er den Auftrag, im tschetschenischen Kaukasusgebirge
paramilitärische Trainingslager zu errichten, in denen Tschetschenen und
Moslems aus den russischen Republiken im Nordkaukasus und Zentralasien
ausgebildet wurden. [15] Die von den Saudis und der USA finanzierte ›Islamic International Brigade‹ war nicht nur für den Terror in
Tschetschenien verantwortlich, sondern auch für die Geiselnahme im Moskauer
Dubrowka-Theater im Oktober 2002 und das furchtbare Massaker im Jahr 2004 in
einer Schule in Beslan.
2010
veröffentlichte der UNO-Sicherheitsrat den folgenden Bericht über al-Chattabs
und Bassajews ›Islamic International
Brigade‹: »Die
›Islamic International Brigade‹ (IIB) wurde am 4. März 2003 .… als
mit al-Qaida verbunden gelistet, Osama bin Laden oder die Taliban für die ›Teilnahme an Finanzierung, Planung,
Begünstigung, Vorbereitung oder Durchführung von Taten oder Aktivitäten durch,
in Verbindung mit, im Namen von, für oder zur Unterstützung von‹ al-Qaida. ….. Die ›Islamic International Brigade‹ (IIB) wurde von Schamil Salmanowitsch
Bassajew (verstorben) gegründet und angeführt, sie steht in Verbindung mit dem ›Riyad US-Salikhin Reconnaissance and
Sabotage Battalion of Chechen Martyrs‹
[RSRSBCM] …. und dem ›Special
Purpose Islamic Regiment‹ [SPIR]. ….. Am Abend des 23. Oktobers 2002 nahmen
Mitglieder von IIB, RSRSBCM und SPIR im Moskauer Podschipnikow-Sawod-
(Dubrowka-) Theater über 800 Geiseln. Im Oktober 1999 reisten Emissäre von
Bassajew und al-Chattab zu Osama bin Ladens Heimatstützpunkt in der
afghanischen Provinz Kandahar, wo sich bin Laden zu substantieller
militärischer Hilfe und finanzieller Unterstützung für den Kampf gegen
russische Truppen und die Durchführung von Terrorakten bereit erklärte. Später
im selben Jahr schickte bin Laden erhebliche Gelder an Bassajew, Mowsar Barajew
(Anführer des SPIR) und al-Chattab; Geld, das ausschließlich für die Ausbildung
von Scharfschützen, das Rekrutieren von Söldnern und den Kauf von Munition bestimmt
war. [16] Die vom saudiarabischen Geheimdienst
finanzierte ›Terroristen-Eisenbahn‹ von Afghanistan zum Kaukasus
verfolgte zwei Ziele: Einerseits das der Saudis, nämlich den
fanatisch-wahhabitischen Dschihad in die zentralasiatischen Gebiete der ehemaligen
Sowjetunion zu bringen, und andererseits das Ziel der CIA, die damals zusammenbrechende post-sowjetische Russische
Föderation zu destabilisieren.
Beslan
Am 1.
September 2004 nahmen bewaffnete Terroristen von Bassajews und al-Chattabs IIB
in der Schule Nr. 1 in Beslan in
der autonomen Republik Nordossetien der Russischen Föderation nahe der Grenze
zu Georgien mehr als 1100 Menschen, darunter 777 Kinder, als Geiseln. Am
dritten Tag der Geiselnahme, als Explosionen in der Schule zu hören waren,
stürmten Einheiten des FSB und andere russische Elitesoldaten das Gebäude. Am
Ende waren mindestens 334 Geiseln, darunter 186 Kinder, tot, viele weitere
wurden verwundet oder galten als vermißt. Später wurde klar, daß die russischen
Kräfte ihr Eingreifen schlecht geplant hatten. Die Washingtoner
Propagandamaschine von Radio Free Europe bis zur New York Times und der CNN
verlor keine Zeit, Putin und Rußland für das Versagen in der Beslan-Krise zu
verteufeln, anstatt sich auf Bessajews Verbindungen zu al-Qaida und zum
saudischen Geheimdienst zu konzentrieren. Denn das hätte die Aufmerksamkeit der
Welt auf die engen Verbindungen zwischen der Familie des amtierenden
US-Präsidenten George W. Bush und der Milliardärsfamilie bin Laden aus
Saudi-Arabien gelenkt. Am 1. September 2001, nur zehn Tage vor den Anschlägen
auf das World Trade Center und das Pentagon,
trat der in den USA ausgebildete saudi-arabische Geheimdienstchef Prinz Turki
bin Faisal Al Saud, der den Geheimdienst seit 1977 geleitet hatte, also auch
während der gesamten Osama-bin-Laden-Mudschadhedin-Operation in Afghanistan und
im Kaukasus, plötzlich und ohne Angabe von Gründen zurück. Erst wenige Tage
zuvor war er vom König für eine neue Amtszeit ernannt worden und hatte die
Ernennung akzeptiert. Er gab keine Erklärung ab. Er wurde schleunigst nach
London versetzt, weit weg von Washington. Die Geschichte der engen Verbindungen
zwischen den Familien bin Laden und Bush wurde unter den Teppich
gekehrt, im offiziellen Bericht der US-Kommission über den 11. September aus
Gründen der ›nationalen Sicherheit‹ (sic!) sogar vollständig gelöscht.
Der saudi-arabische Hintergrund von 14 der 19 mutmaßlichen Terroristen in New
York und Washington wurde ebenfalls aus dem Abschlußbericht über den 11.
September - der erst im Juli 2004, fast
3 Jahre nach den Anschlägen, von der Regierung Bush veröffentlicht wurde - gelöscht.
Bassajew
behauptete, die Terroristen nach Beslan geschickt zu haben. Zu seinen
Forderungen hatte die vollständige Unabhängigkeit Tschetscheniens von Rußland
gehört, was Washington und dem Pentagon einen enormen strategischen Hebel im
Süden der Russischen Föderation verschafft hätte. Ende 2004, nach dem Drama von
Beslan, ordnete Präsident Wladimir Putin Berichten zufolge eine geheime Mission
des russischen Geheimdienstes gegen die Führer von Bassajews kaukasischen
Mudschahedin an. Al-Chattab war 2002 getötet worden. Die russischen Sicherheitskräfte
merkten rasch, daß die meisten der ›afghanisch-arabischen‹ Terroristen aus Tschetschenien
geflohen waren. Sie hatten Rückzugsorte in der Türkei gefunden, einem
NATO-Mitglied, in Aserbaidschan, damals fast NATO-Mitglied, in Deutschland,
einem NATO-Mitglied, oder in Dubai, einem der engsten US-Alliierten in der
arabischen Welt, sowie in Katar, ebenfalls ein enger Verbündeter der USA. Mit
anderen Worten: Die NATO gab tschetschenischen Terroristen einen ›sicheren Hafen‹.
Anmerkung politonline
d.a. Wir
haben wiederholt angezweifelt, dass Informationen der Art, wie sie Engdahl
unermüdlich zusammenfasst, und wie sie generell auch in zahlreichen politischen
Werken aufgezeichnet sind, je den Weg zu den Abgeordneten finden; und wenn sie
ihn finden, lässt sich leider nur folgern, dass sie mehrheitlich ganz einfach
ignoriert werden. Denn das, was Engdahl hier erneut minutiös darlegt, ist
nicht nur von ihm selbst, sondern auch von weiteren Autoren, insbesondere von
US-amerikanischen, in diversen früheren Artikeln offengelegt worden. Mit
anderen Worten: Wer immer sich darum bemüht, die Hintergrundsphäre unserer
offiziellen Politik zu ergründen und die ungeheuerlichen Eingriffe der
Geheimdienste zu verfolgen, sollte mit den obigen Vorgängen vertraut sein.
Indessen
muss
die an der Spitze des deutschen Staates stehende Kanzlerin in jedem Fall grundlegender
informiert sein als der Rest der Abgeodneten, was sie allerdings nicht daran
gehindert hat, ausgerechnet Saudi-Arabien als Stabilitätsanker in der
Region zu bezeichnen; am 24. August letzten Jahres bezeichnete sie
Saudi-Arabien gar als einen ›wichtigen
Partner im Kampf gegen den Terrorismus‹.
Das kann ja kein Mensch mehr nachvollziehen, insbesondere, da die ›Stabilitätsvorstellungen‹ der Saudis im Augenblick auf
brutalste Weise im Jemen demonstriert werden.
Auch
die Bundesregierung als solche hat Saudi-Arabien wiederholt als regionalen ›Stabilitätsfaktor‹ und Partner im Kampf gegen den Terrorismus ausgegeben. In dem
Bericht der ›Frankfurter Allgemeinen
Zeitung‹ vom 16. 2. 2013 hiess es
wie folgt: »Bundeskanzlerin Angela Merkel ›verweist darauf, daß es im
deutschen Sicherheitsinteresse liege, Länder wie Saudi-Arabien und Algerien mit
Waffen zu beliefern‹.« Zu diesem
Zeitpunkt war Abu Dhabi fünf Tage lang der Mittelpunkt der internationalen Waffenindustrie.
Ebenfalls zu Gast bei der Armeespitze der Vereinigten Arabischen Emirate war
der Schweizer Armeechef André Blattmann, der drei Tage in Abu Dhabi weilte und
bei einem Arbeitsbesuch den Generalstabschef sowie den Kommandanten des Heeres
und der Luftwaffe der VAE traf. Am 4. Dezember 2012 schrieb Arnold Schölzel in der ›jungen Welt‹ ironischerweise: »Die
Bundeskanzlerin hat daher völlig Recht, wenn sie für deutsche Rüstungsexporte
eine Lex Saudi-Arabien erfunden hat.« »Im November 2012«,
hielt Schölzel fest, dozierte Merkel vor Bundeswehroffizieren, dass »es
›in unserem Interesse‹ liege, ›wenn wir Partner dazu befähigen, sich für die Bewahrung oder
Wiederherstellung von Sicherheit und Frieden in ihren Regionen wirksam
einzusetzen‹.«
»Für alle anderen ›Partner‹, einschließlich Israel«,
so Schölzel ferner, »gilt das in keinem vergleichbaren
Maß wie für das Land, das gerade einen Aufstand für Demokratie im
Nachbarkönigreich Bahrain niederschlagen half.«
»Kaum vorstellbar ist auch«,
so ›German Foreign Policy‹ Anfang Oktober 2014, »daß
Berlin nichts von dem ›Bandar-Plan‹ mitbekommen haben soll, mit
dem insbesondere die USA in Kooperation mit Saudi-Arabien al-Assads Sturz
beschleunigen wollte. Der nach dem saudischen Geheimdienstchef (2012
bis 2014) Prinz Bandar bin Sultan benannte Plan umfaßte dem Tel Aviver ›Institute
for National Security Studies‹
zufolge drei Elemente: Saudi-Arabien sollte in Syrien neue aufständische
Milizen gründen, außerdem bereits bestehende, mit al-Qaida kooperierende
Gruppen mit Agenten und Kämpfern infiltrieren, um sie zu steuern; dabei kommen
der Sache nach vor allem die al-Nusra-Front und der ISIS in Frage; drittens sollten jihadistische
Vereinigungen, die sich nicht infiltrieren ließen, mit anderen Mitteln
gesteuert werden. Das ›Institute for
National Security Studies‹ kommt zu
dem Schluß, daß bei der Umsetzung des ›Bandar-Plans‹ auch der ISIS Geld, Training und religiöse Unterstützung aus
Saudi-Arabien erhielt, wenngleich womöglich offiziell
nicht vom saudischen Staat, sondern von ›Privatfinanziers‹. Der ›Bandar-Plan‹ wurde
gestoppt, als der ISIS aus dem Ruder zu laufen und sich gegen westliche
Interessen zu wenden begann. Hätten Berlins Prioritäten nicht darin bestanden,
mit Saudi-Arabien eng zu kooperieren - bis hin zu massiver Aufrüstung - und den
›Bandar-Plans‹ zu
tolerieren, dann wären Merkels aktuelle Vorwürfe gegen die Türkei womöglich
etwas glaubwürdiger.« [17]
Nicht
nachvollziehbar ist ferner Merkels Charakterisierung der NATO auf der 42.
Münchner Konferenz für Sicherheitspolitik am 4. Februar 2006: »NATO
und EU - das darf man, glaube ich, sagen - sind die erfolgreichsten Werte- und
Sicherheitsbündnisse der jüngeren Geschichte. Sie können deshalb auch zu einem
Stabilitätsanker in der Welt werden oder sind es heute schon. In der
Europäischen Sicherheitsstrategie heißt es: ›In gemeinsamem Handeln können die Europäische Union und die
Vereinigten Staaten eine mächtige Kraft zum Wohl der Welt sein‹. Ich möchte die Vielzahl von
Krisenherden, mit denen wir es zu tun haben, noch einmal anhand von vier
Beispielen deutlich machen. Im ersten Fall möchte ich über Afghanistan
sprechen. Ich denke, Afghanistan ist ein hochinteressantes Beispiel dafür, wie
wir es aus der zentralen Bedrohung des 21. Jahrhunderts heraus, nämlich den
Gefahren des Terrorismus, und aus der Situation eines quasi nicht aktionsfähigen
Staates heraus schaffen können, Schritt für Schritt stabile politische
Strukturen aufzubauen. Für mich hat Vorbildcharakter das Zusammenwirken von
Operationen wie ›Enduring Freedom‹, die einen klar militärischen Charakter haben, mit
Operationen wie ISAF, die stabilitätsbildend sind, und von militärischen
Aufgaben über polizeiliche Aufgaben bis hin zu politischen Strukturen
aufbauenden Aufgaben reichen, und die auch Tätigkeiten von
Nicht-Regierungsorganisationen, von Entwicklungshilfe und Wiederaufbauarbeit
mit einbeziehen. Sie umfassen das gesamte Spektrum, wie man quasi von einer
völlig instabilen Struktur zu einem politisch stabilen Land hinkommen könnte.
Das muss das Ziel sein.« Man muss sich einmal vor
Augen halten, wie Merkel beschaffen sein muss, um Derartiges vorzutragen,
noch dazu zu einem Zeitpunkt, als der Irak und Afghanistan in Grund und Boden gebombt waren.
In dieselben Fusstapfen sind sowohl Philipp Mißfelder, aussenpolitischer
Sprecher der CDU/CSU, als auch Thomas de
Maizière, deutscher Bundesminister des Innern, getreten. Mißfelder hat sich am 10. März
dieses Jahres dafür ausgesprochen, »die Beziehungen zwischen
Deutschland und Saudi-Arabien weiterhin zu pflegen. Saudi-Arabien sei ›ein Stabilitätsanker‹ in einer ›von zahlreichen Konflikten zerrütteten Region‹. Dafür stand der vor kurzem verstorbene König Abdallah. ….. Riad sei als Partner wichtig, ›denn die Terrormiliz des sogenannten
Islamischen Staats bedroht die gesamte Region, und das Streben Irans nach
nuklearen Technologien stellt ebenfalls eine enorme Gefährdung dar. Die
stabilen regionalen Mächte müssen deshalb in eine umfassende Konfliktlösung
eingebunden werden‹.« Zwar erklärte er gleichzeitig, dass die Menschenrechte trotz der
guten
Beziehungen zu Saudi-Arabien nicht verhandelbar seien, aber er weiss so gut wie
wir alle, dass niemand in Saudi-Arabien auf diese Einfluss nehmen kann. Und
die USA als Erschaffer des Islamischen Staats kommt ihm nicht über die Lippen.
Das brächte ihm womöglich eine Rüge von Seiten der Konrad-Adenauer-Stiftung
oder der Atlantik-Brücke ein, deren Mitglied er ist. De Maizière seinerseits
hatte bereits im Juli des Jahres 2011 im WDR-Hörfunk erklärt, dass
Saudi-Arabien ›für uns ein
Stabilitätsanker in der Region sei‹,
trotz seines politischen Systems, das er ablehne; darüber hinaus bezeichnete
auch er Saudi-Arabien als einen wichtigen Partner für Deutschland.
Es
gibt im Deutschen den Ausdruck ›atemberaubend‹. Und dieser, denke
ich, trifft genau auf die oben angeführten, uns von den Politikern hinsichtlich
Saudi-Arabiens gebotenen statements zu, die mit einer geradezu grandiosen
Unverfrorenheit die Realität ausblenden.
Man
bedenke: So viele Lügen in der Wertegemeinschaft EU.
Quelle: http://info.kopp-verlag.de/hintergruende/geostrategie/f-william-engdahl/terror-gegen-russland-hat-putin-recht-.html;jsessionid=736E878747153B935D4414CC5B7EF8AA 3. 5. 15 Terror gegen Russland – Hat Putin Recht? - Von
F. William Engdahl
[1] F. William Engdahl ›Amerikas Heiliger Krieg‹
Kopp Verlag 2014
[2] Sibel
Edmonds, »Obama Appoints
a Not-Too-Long-Ago-Hatched Neocon Larva«, 27. Juli 2010
[3] Thomas I. Steinberg, »Warum Tschetschenien?«,
Junge Welt, Berlin, 25. September 2004
[4] Nafeez
Mosaddeq Ahmed, »Our terrorists«,
New Internationalist Magazine, Issue # 426
[5] Ebenda
[6] »›BP Linked
to the Overthrow of Azerbaijan Government‹«, Drillbits and Trailings (17. April
2000, vol. 5, no. 6)
[7] Cees Wiebes
(2003), Intelligence and the War in Bosnia
1992-1995: The role of the intelligence and security services, New Jersey: Transaction Publishers, Rutgers State
University, 2003
[8] Nafeez
Mosaddeq Ahmed, »Our terrorists«,
New Internationalist, 1. Oktober 2009
[9] Yossef
Bodansky, »The Great Game for Oil«, Defense & Foreign Affairs Strategic
Policy, (Juni/Juli 2000)
[10] Ebenda
[11] Mike
Bowker, »Western views of the Chechen Conflict«, in: Richard Sakwa (Hrsg.), Chechnya:
From Past to Future, Anthem Press, 2005, S. 235
[12] M.
Khatchig, »Terror in Karabakh: Chechen Warlord Shamil
Basayev's Tenure in Azerbaijan«, ARMENIAN
WEEKLY ONLINE
[13] Ebenda
[14] Robert Baer, »The Fall of the House of Saud«,
The Atlantic, Mai 2003
[15] Wikipedia,
»Ibn al-Khattab«, abgerufen unter: http://en.wikipedia.org/wiki/Ibn_al-Khattab
[16] United Nations Security Council Committee,
»QE.I.99.03.
ISLAMIC INTERNATIONAL BRIGADE (IIB), pursuant to resolutions 1267 (1999) and
1989 (2011) concerning Al-Qaida and associated individuals and entities«, 2010
[17] http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/58968
9. 10. 14 Berliner Prioritäten
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